Titel:
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Prozesskostenhilfe
Normenketten:
VwGO § 146 Abs. 1, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 117 Abs. 4, § 118 Abs. 2 S. 4
Leitsätze:
1. Wenn die von einem Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren angegebenen Einkünfte auch für einen noch so bescheidenen Lebensunterhalt nicht ausreichen, ist die Vermutung gerechtfertigt, dass bestimmte Einkünfte nicht angegeben wurden. Diese Vermutung muss der Antragsteller ausräumen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat der Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht nach § 166 Abs. 1 S. 1 VwGO iVm § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde, Prozesskostenhilfe, Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, Gerichtliche Frist, Erfolgsaussichten, persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Glaubhaftmachung, Vermutung, gerichtliche Frist
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 05.09.2022 – M 12 K 19.2460
Fundstellen:
BayVBl 2023, 322
LSK 2022, 38970
BeckRS 2022, 38970
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. September 2022, mit dem dieses seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag gerichtet auf Fortsetzung der Klage in dem Verfahren M 23 K 09.1219 sowie darauf aufbauend auf Erlass eines Anerkenntnisurteils dahingehend, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat, abgelehnt hat.
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Mit Schreiben vom 26. September 2022 hat der Senat den Kläger nach Prüfung der Beiakte zu dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe darauf hingewiesen, dass dessen Angaben in der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unvollständig beziehungsweise unvollständig belegt sind. So habe sich der Kläger in seiner Erklärung vom 6. September 2022 unter „A. (Angaben zur Person) Beruf, Erwerbstätigkeit“ als „Fachlagerist“ bezeichnet. Dann habe er unter „E. (Bruttoeinnahmen) 1. Haben Sie Einnahmen aus Nichtselbständiger Arbeit“ weder „Nein“ noch „Ja“ angekreuzt. Die übrigen Einnahmequellen habe er verneint. Der Senat hat die Klägerseite daher aufgefordert, innerhalb von drei Wochen ab Eingang des besagten Schreibens eine aktuelle und vollständige Erklärung samt den entsprechenden Belegen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen. Der Senat hat für den Fall, dass dies nicht geschehen sollte, auf die Rechtsfolge des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO hingewiesen.
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Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2022 hat die Bevollmächtigte des Klägers daraufhin dem Senat ein Schreiben des Klägers vorgelegt, wonach er von Zuwendungen lebe „seitens seiner Mutter A* … E* …, … …, … … Freundin K* … A* …, … …, … … und zwar Monatlich ca 500 €“. Der Bevollmächtigten des Klägers zufolge habe der Kläger damit die unterbliebenen Angaben nachgeholt. Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2022 hat die Bevollmächtigte des Klägers dem Senat zudem ein Schreiben des Jobcenters vom 13. Oktober 2022 gerichtet an das Sozialgericht übersandt, das ein „prozessuales Anerkenntnis“ sei und damit die „Funktion eines Bescheides über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II“ habe.
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Der Senat hat mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 mitgeteilt, dass die Klägerseite mit den genannten Schriftsätzen samt Anlagen der vorangehenden Aufforderung des Senats nicht entsprochen habe und die Angaben des Klägers erkennbar unvollständig, widersprüchlich sowie unvollständig belegt seien. Der Senat hat die Klägerseite daher aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen ab Eingang des Schreibens eine aktuelle und vollständige Erklärung samt den entsprechenden Belegen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen. Der Senat hat wiederholt, dass, sollte dies nicht geschehen, der Antrag auf Prozesskostenhilfe aus diesem Grund nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen und die Beschwerde deshalb zurückzuweisen ist. Das Schreiben des Senats wurde der Bevollmächtigten des Klägers am gleichen Tag zugestellt.
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Die Bevollmächtigte hat sich mit Schriftsatz vom selben Tag im Wesentlichen erneut auf den Standpunkt gestellt, dass das Schreiben des Jobcenters an das Sozialgericht einen Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II darstelle.
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Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
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1. Die Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen, weil dessen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO wegen fehlender Vorlage einer aktuellen und vollständigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb gerichtlicher Frist sowie nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 ff. ZPO mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen ist.
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a) Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen.
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aa) Nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Eine Person, welche die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und nach ihren Angaben keine Sozialhilfe bezieht, muss darlegen und glaubhaft machen, wie der Lebensunterhalt finanziert wird (vgl. BGH, B.v. 16.11.2017 - IX ZA 21/17 - juris Rn. 7). Dabei muss sich die Partei nach § 117 Abs. 4 ZPO für die Erklärung der amtlichen Formulare bedienen, die das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aufgrund der Ermächtigung des § 117 Abs. 3 ZPO für die Erklärung eingeführt hat.
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Wenn die von einem Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren angegebenen Einkünfte auch für einen noch so bescheidenen Lebensunterhalt nicht ausreichen, ist die Vermutung gerechtfertigt ist, dass bestimmte Einkünfte nicht angegeben wurden. Diese Vermutung muss der Antragsteller ausräumen (vgl. BGH, B.v. 27.11.2018 - X ZA 1/17 - juris Rn. 5).
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Hat der Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.
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Ob ein Antragsteller nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, beurteilt sich dabei nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Prozesskostenhilfeantrag (vgl. § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist entscheidend, ob der Antragsteller ihrer aktuell bedarf (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 41 m.w.N.; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 132 m.w.N.).
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bb) Gemessen an den vorstehenden Maßstäben ist der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen.
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(1) Der Senat hat in seinen Schreiben vom 26. September 2022 und vom 24. Oktober 2022 die Klägerseite − unter Verweis auf die konkreten Mängel der bislang vorlegten Unterlagen sowie unter Fristsetzung - aufgefordert, eine aktuelle und vollständige Erklärung samt den entsprechenden Belegen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen. Da der Kläger zunächst keine Angaben gemacht hatte, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet, war zu vermuten, dass er noch über andere Einnahmen verfügt, die er nicht offengelegt hat (s.o.). Die gerichtliche Frist betrug insgesamt nach Verlängerung fünf Wochen und war damit für den verfolgten Zweck angemessen. Die gerichtlichen Schreiben enthielten auch jeweils einen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO (s.o.).
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(2) Der rechtsanwaltlich vertretene Kläger hat innerhalb der verlängerten Frist entgegen § 117 Abs. 4 ZPO keine aktuelle und vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse samt Belegen vorgelegt. Die Pflicht, diese Verhältnisse unter Benutzung des dafür vorgeschriebenen Vordrucks darzustellen, gilt auch in der Rechtsmittelinstanz. Damit fehlt es bereits deshalb an der erforderlichen Grundlage für eine Prüfung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
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(3) Im Übrigen sind auch die nachträglichen Angaben des Klägers weder vollständig noch widerspruchsfrei noch vollständig belegt. Aus den Angaben bezüglich zuvor nicht deklarierter Einnahmen von dritten Personen geht nicht hervor, welchen Betrag die Mutter und welchen Betrag die Freundin seit welchem Zeitpunkt geleistet haben sollen, überdies fehlen die entsprechenden Belege. Aus dem Schreiben des Jobcenters kann der Kläger ebenfalls nichts herleiten. Zwar sieht § 2 Abs. 2 der Prozesskostenhilfeformularverordnung für Personen eine Erleichterung vor, die laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII beziehen. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten von Antragstellern, die Leistungen nach dem SGB II beziehen und darüber einen Bewilligungsbescheid vorlegen, wird indes mangels vergleichbarer Interessenlage abgelehnt (vgl. NdsOVG, B.v. 27.9.2022 - 11 ME 284/22 - juris Rn. 34 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 7.1.2020 - 6 D 70/19 - juris Rn. 7 m.w.N.; Zimmermann-Kreher in Posser/Wolff, VwGO, 63. Aufl., Stand: 1.10.2022, § 166 Rn. 33 m.w.N.). Abgesehen davon stellt das Schreiben des Jobcenters an das Sozialgericht offenkundig keinen Bescheid über die Bewilligung von SGB-II-Leistungen für den Kläger dar. Darin wird im Wesentlichen lediglich ein Schriftsatz der Klägerseite zur Kenntnis genommen und zudem eine Frage an den Kläger gestellt. Dass das Schreiben die essentialia eines Verwaltungsaktes in Form eines Bewilligungsbescheides erfüllt, ist nicht substantiiert dargetan und auch nicht anderweitig ersichtlich.
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b) Im Übrigen ist der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 ff. ZPO abzulehnen. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen hierzu nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe in dem angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts (vgl. BA S. 11 ff.).
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2. Aus den genannten Gründen scheidet auch eine Beiordnung der Bevollmächtigten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 ZPO aus.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr anfällt. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
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3. Diese Entscheidung ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.