Inhalt

VGH München, Beschluss v. 14.12.2022 – 9 ZB 22.1519
Titel:

Isolierte Zwangsgeldandrohung gegenüber Rechtsnachfolger

Normenketten:
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 3
VwZVG Art. 31 Abs. 2 S. 4
VwZVG Art. 36 Abs. 1, Abs. 6 S. 2
Art. 38 Abs. 1 S. 3 VwZVG.
Schlagwort:
Isolierte Zwangsgeldandrohung gegenüber Rechtsnachfolger
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 19.05.2022 – AN 9 K 21.2180
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38968

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine mit Bescheid vom 26. November 2021 ergangene Zwangsgeldandrohung.
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Ihre entsprechende Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Mai 2022 abgewiesen. Der Zwangsgeldandrohung liege die an eine Rechtsvorgängerin der Klägerin gerichtete Anordnung im bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2015 zugrunde, die rechtswidrige Nutzung von Räumen im Erdgeschoss des Anwesens S. Straße …, … als Wettbüro einzustellen. Diese müsse die Klägerin als Rechtsnachfolgerin gegen sich gelten lassen. Sie sei der Verpflichtung bisher nicht nachgekommen. Die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der Androhung seien auch ansonsten erfüllt. Hinsichtlich der Zwangsgeldhöhe (20.000 Euro) seien keine Ermessensfehler ersichtlich und die Erfüllungsfrist sei ebenfalls angemessen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtsache sowie Divergenz im Hinblick auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geltend.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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a) Die Auffassung der Klägerin, der angefochtene Bescheid vom 26. November 2021 sei nichtig, weil die darin gesetzte Nachfrist von einem Monat zu seinem Erlasszeitpunkt bereits abgelaufen gewesen sei, überzeugt nicht. Der Wortlaut in Nr. 1 des Bescheids vom 26. November 2021 („Zur Erfüllung der Anordnung Nr. 1 des unanfechtbaren Bescheides vom 30.10.2015, Az. N1-2015-35 wird eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides bestimmt“), ist ersichtlich nicht so zu verstehen, dass die Frist ab der Zustellung des Ausgangsbescheids vom 30. Oktober 2015 zu laufen beginnt. Fristbeginn ist nach dem objektiven Empfängerhorizont und bei teleologischer Auslegung unzweifelhaft der Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids vom 26. November 2021. Das Verwaltungsgericht ging außerdem entgegen der Darstellung der Klägerin auch nicht von einer Bekanntgabe oder Zustellung des Bescheids vom 30. Oktober 2015 an diese aus, sondern von seiner nur formlosen Übersendung als Anlage zum Schreiben vom 2. September 2021 (s. UA, S. 9 unter Verweis auf Bl. 218 der Behördenakte). Es hat zudem im Hinblick auf Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO eine erneute (förmliche) Bekanntgabe der Grundverfügung als Wirksamkeitsvoraussetzung i.S.v. Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG nicht für erforderlich gehalten. Mit den betreffenden gerichtlichen Erwägungen setzt sich die Klägerin nicht auseinander.
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b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben sich auch nicht wegen der Höhe des mit dem angefochtenen Bescheid angedrohten Zwangsgeldes von 20.000 Euro.
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Bei der Bestimmung der Zwangsgeldhöhe ist nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen zu schätzen. Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, soll das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Betroffene keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der ergangenen Anordnung ziehen kann. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens (15 Euro bis 50.000 Euro) ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigten sind. Eine besondere Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regelmäßig nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2021 - 9 ZB 19.1586 - juris Rn. 10). Das Verwaltungsgericht hat demnach - entgegen dem klägerischen Einwand - nicht sein Ermessen an die Stelle der Ermessensausübung der Beklagten gesetzt. Es hat vielmehr die Höhe des Zwangsgeldes mit Blick auf das wirtschaftliche Interesse der Klägerin und deren trotz behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen fortgesetzter rechtswidriger Nutzung als ermessensfehlerfrei angesehen.
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Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 20.000 Euro gegenüber der Klägerin, obwohl mit Bescheid vom 30. Oktober 2015 ihrer Rechtsvorgängerin nur ein Zwangsgeld von 10.000 Euro angedroht worden war, lässt außerdem nicht auf die unzureichende Berücksichtigung deren höchstpersönlicher Natur schließen. Die Androhung eines Zwangsgeldes wirkt wegen ihres auf den Adressaten bezogenen subjektiven Beugecharakters nicht auch gegen einen Rechtsnachfolger, ist also wegen ihrer höchstpersönlichen Natur nicht übergangsfähig (vgl. BVerwG, U.v. 10.1.2012 - 7 C 6.11 - juris Rn. 16; SaarlOVG, B.v. 2.3.2021 - 2 B 29/21 - juris Rn. 8; OVG SH, B.v. 20.9.2017 - 1 MB 12/17 - juris Rn. 15). Es war daher vorliegend erforderlich, ein Zwangsgeld gegenüber der Klägerin - als Rechtsnachfolgerin in die Grundverfügung - unter neuer Fristsetzung anzudrohen. Dies ist mit dem streitgegenständlichen Bescheid erfolgt. Die Klägerin kann dem nicht erfolgreich entgegengehalten, im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Januar 2012 (a.a.O.) sei von der notwendigen „Wiederholung“ der Androhung gegenüber dem Rechtsnachfolger die Rede, weshalb das Zwangsgeld in gleicher Höhe anzusetzen und keine „Verschärfung“ zulässig sei. Gerade im Hinblick auf die Adressatenbezogenheit der Zwangsgeldandrohung kann die in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verwendete Begrifflichkeit „wiederholt“ nicht in der Weise interpretiert werden, dass das erneute Zwangsgeld - ohne Rücksicht auf den neuen Adressaten und auf geänderte Umstände - nur in identischer Höhe festgesetzt werden dürfte. Vielmehr hat die Behörde erneut nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dass das Zwangsmittel konkret nach der Person des Pflichtigen und seinem Verhalten zu bestimmen ist, betrifft insbesondere auch die Ermessensentscheidung über die Höhe eines Zwangsgeldes (vgl. Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Aufl. 2020, § 13 VwVG, Rn. 8).
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Die Klägerin unterstellt zudem nur, das Verwaltungsgericht habe der mit der Grundverfügung verbundenen Zwangsgeldandrohung Wirkung zu ihren Lasten beigemessen. Den Entscheidungsgründen lässt sich das nicht entnehmen. Vielmehr hält das Verwaltungsgericht die vorgenommene Erhöhung gegenüber der Klägerin in Anbetracht der bewussten und fortgesetzten illegalen Nutzung sowie des Ziels, sie insoweit zur Umsetzung der Unterlassungsverfügung anzuhalten, für angemessen.
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Die Klägerin hat im Übrigen nichts vorgetragen, was für die Unverhältnismäßigkeit der in Bezug auf ihre Person bestimmten Geldsumme sprechen würde. Sie hat mit ihrem Zulassungsvorbringen, der Versand des Bescheids vom 30. Oktober 2015 als Anlage zu dem Schreiben vom 2. September 2021 sei nicht gesondert dokumentiert worden, und die Kenntnis des Rechtsnachfolgers von der Ausgangsverfügung sei belastbar sicherzustellen, auch nicht substantiiert geltend gemacht, dass sie jeglichen Zugang der Grundverfügung bestreitet bzw. deren maßgeblichen Inhalt oder den Umstand der Rechtswidrigkeit der Nutzung nicht kennt. Dies ergibt sich auch nicht aus ihrer erstinstanzlichen Rüge, dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26. November 2021 sei die Grundverfügung - unstreitig - nicht beigefügt gewesen, worauf sie im Zulassungsverfahren Bezug nimmt.
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c) Schließlich legt die Klägerin nicht dar, dass die Verpflichtung aus der Grundverfügung vom 30. Oktober 2015, die Nutzung als Wettbüro einzustellen, zum Zeitpunkt des Erlasses der Zwangsgeldandrohung bereits erfüllt gewesen sei (vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 VwZVG). Die anlässlich der Begehung der Örtlichkeit am 10. November 2021 durch die Beklagte gefertigten Lichtbilder, die zwar keine Kunden, jedoch Corona-Schutzhinweise am Eingang und Plexiglaswände zwischen den (eingeschalteten) Wettterminals zeigen, bestätigen das nicht.
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen entscheidungserheblichen Fragen bereiten keine in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2021 - 9 ZB 18.1513 - juris Rn. 12 m.w.N.). Sie lassen sich, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Mit ihrem Vorbringen zur Einstufung des Wettbüros spricht die Klägerin keinen entscheidungserheblichen Sachverhalt an. Sie wendet sich damit gegen die bestandskräftige Grundverfügung. Die streitgegenständliche isolierte Zwangsgeldandrohung kann aber nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG).
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3. Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
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Der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 4 B 21.16 - juris Rn. 5). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
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Die Klägerin stellt der von ihr benannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Januar 2012 (Az. 7 C 6.11) keinen divergierenden Rechtssatz des Verwaltungsgerichts gegenüber. Mit der Einschätzung des Verwaltungsgerichts: „Die Erhöhung des Zwangsgeldes auf 20.000,00 EUR in Ziff. 2 des Bescheids vom 26. November 2021 gegenüber demjenigen im Bescheid vom 30. Oktober 2015 in Höhe von 10.000 EUR ist gerade im Hinblick auf die bewusste Außerachtlassung der Illegalität nach Erhalt des die Baugenehmigung ablehnenden Bescheids nicht zu beanstanden“ spricht sie nur die Subsumtion des konkreten Falles an. Eine lediglich fehlerhafte Rechtsanwendung, eine abweichende Beurteilung des Einzelfalls durch das Verwaltungsgericht oder eine Ergebnisdivergenz könnte eine Divergenzrüge aber nicht begründen (vgl. BVerwG, B.v. 6.4.2016 - 1 B 22.16 - juris Rn. 7).
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Die Klägerin trägt gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und orientiert sich an der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).