Titel:
Erfolgloser Eilantrag auf Unterlassung einer Äußerung eines Amtsträgers über einen Verein
Normenkette:
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Tatsachenbehauptungen von Amtsträgern sind nur rechtmäßig, wenn sie sich als wahr erweisen; ihr Wahrheitsgehalt ist der Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Pressemitteilung, Tatsachenbehauptung, öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Äußerungsrecht, Äußerung von Amtsträgern
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 30.08.2022 – M 10 E 22.3618
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38965
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG weiterverfolgt, hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist im angegriffenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch dafür glaubhaft gemacht hat, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufzugeben, es bei Vermeidung eines - näher bezifferten - Ordnungsgeldes zu unterlassen, die Äußerung: „Bereits im März 2022 war dem Verein wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark Berchtesgaden untersagt worden.“ zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen. Die im Beschwerdeverfahren hiergegen fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern.
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I. Das Verwaltungsgericht hatte im angegriffenen Beschluss festgestellt, die beanstandete Aussage des Antragsgegners sei nicht falsch oder irreführend, weil es tatsächlich zutreffe, dass dem Antragsteller wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark Berchtesgaden untersagt worden sei. Es komme nicht darauf an, dass die eine Entscheidung des Landgerichts Traunstein hierzu im Verfügungsverfahren und die andere im Hauptsacheverfahren ergangen sei. Vom Antragsgegner könne nicht verlangt werden, dass er juristisch fein zwischen beiden Verfahren unterscheide. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers liege auch nicht unter dem Gesichtspunkt vor, dass auch wahre Berichte das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen könnten, wenn die Folgen der Darstellung für die Persönlichkeitsentfaltung schwerwiegend seien und die Schutzbedürfnisse das Interesse an der Äußerung überwögen. Maßgeblich sei, dass zunächst der Antragsteller deutliche Kritik an der Nationalparkverwaltung geäußert habe, so dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden sei, die Nationalparkverwaltung habe sich mit ihrer Wildbestandsregulierung durch den Abschuss von Gämsen rechtswidrig verhalten. Im Zuge der Waffengleichheit sei es auch der Behörde zuzugestehen, dass sie ihrerseits auf einen derartigen öffentlichen Angriff reagiere, der nach den Feststellungen des Landgerichts jeglicher Grundlage entbehre.
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II. Demgegenüber ist der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren im Wesentlichen der Ansicht, der Antragsgegner habe mit der in seiner Pressemitteilung vom 21. Juni 2022 getätigten Aussage, dem Antragsteller sei wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark Berchtesgaden untersagt worden, eine unwahre Behauptung verbreitet. Es komme bei der Sinninterpretation der Äußerung auf das Verständnis eines unvoreingenommenen Durchschnittslesers der Pressemitteilung, also eines Durchschnittsempfängers an. Aufgrund der unterbliebenen Differenzierung zwischen Eilverfahren und Hauptsacheverfahren und des unterbliebenen Hinweises auf die fehlende materielle Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung werde die Öffentlichkeit unzutreffend über die Anzahl der Untersagungen informiert. Zudem sei wegen der fehlenden Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Von einer unzutreffenden Information der Öffentlichkeit sei umso mehr auszugehen, als der Antragsgegner in seiner Pressemitteilung vom 9. März 2022 eine äußerst detaillierte Zusammenfassung der Verfahren (vor dem Landgericht Traunstein) abgegeben habe, in der zwischen den (gerichtlichen) Verfahrensarten unterschieden und auf die fehlende Rechtskraft hingewiesen worden sei. Damit erkenne der Antragsgegner selbst das Erfordernis einer entsprechenden differenzierten Darstellung an, die in der streitgegenständlichen Pressemitteilung fehle. Zudem habe es eines Rückgriffs auf die „(vorläufigen) Ergebnisse“ eines Streits zwischen dem Leiter des Nationalparks und dem Antragsteller im Zusammenhang mit der Presseerklärung zu dem aktuell geführten Verwaltungsstreitverfahren nicht bedurft. Die streitige Äußerung sei bewusst in die Erklärung aufgenommen worden, um den Antragsteller öffentlich durch eine bewusst unrichtige Darstellung in seiner Reputation zu beeinträchtigen. Die Einwendungen des Antragstellers führen nicht zum Erfolg der Beschwerde.
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1. Soweit der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht sei unrichtigerweise davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Aussage tatsächlich zutreffe, kann er nicht durchdringen.
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a) Das Verwaltungsgericht hat die streitgegenständliche Aussage als Tatsachenbehauptung eingeordnet. Dies lässt sich zweifelsfrei der Feststellung im angegriffenen Beschluss, es treffe tatsächlich zu, dass dem Antragsteller wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark Berchtesgaden untersagt worden sei, sowie dem Hinweis entnehmen, auch wahre Berichte könnten das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen. Da der Antragsteller im Beschwerdeverfahren im Wesentlichen rügt, es sei dem Antragsgegner nicht erlaubt, Unwahrheiten zu verbreiten, geht er ebenfalls davon aus, dass die Aussage des Antragsgegners eine Behauptung tatsächlichen Inhalts ist. Denn wahr oder unwahr können nur Tatsachenbehauptungen sein. Meinungsäußerungen sind durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt sowie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet. Sie lassen sich daher nicht als wahr oder unwahr erweisen (vgl. BVerfG, B.v. 13.4.1994 - 1 BvR 23/94 - BVerfGE 90, 241 Rn. 47 m.w.N.). Auch wenn der Antragsteller aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 1998 - VI ZR 205/97 - (BGHZ 139, 95) zitiert, das im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG als unabdingbare Voraussetzung die Einordnung ansieht, ob die beanstandete Aussage anhand ihres objektiven Aussagegehalts als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung zu qualifizieren ist, lässt sich den Ausführungen des Antragstellers nicht entnehmen, ob er mit den Zitaten die Qualifizierung der streitgegenständlichen Aussage als Meinungsäußerung belegen will.
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b) Die Behauptung, die Aussage des Antragsgegners sei mehrdeutig und müsse ausgelegt werden, weil ein unbefangenes und verständiges Publikum den Inhalt der Aussage unterschiedlich wahrnehmen könne, ist nicht belegt. Zwar setzt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren bestimmten Feststellungen des Verwaltungsgerichts Zitate aus höchstgerichtlichen Entscheidungen zur Auslegung von Äußerungen entgegen. Unabhängig davon, dass sich beispielsweise die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 u.a. - BVerfGE 93, 266 Rn. 124 ff.) nicht mit Tatsachenbehauptungen (vgl. dortige Rn. 123), sondern mit der - zur strafrechtlichen Einordnung erforderlichen - Ermittlung des objektiven Sinns einer Meinungsäußerung befasst, bleibt der Antragsteller eine nachvollziehbare Begründung dafür schuldig, warum den zitierten Passagen ein Anhalt für unterschiedliche Auslegungsalternativen der streitgegenständlichen Aussage entnommen werden kann. Auch zeigt der Antragsteller nicht auf, welche unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten die streitgegenständliche Aussage haben könnte. Soweit er meint, die Mehrdeutigkeit der Aussage ergebe sich daraus, dass es sich bei den beiden zivilgerichtlichen Entscheidungen um denselben Lebenssachverhalt sowie um identische Äußerungen und damit nicht um wiederholt verschiedene Fälle handele, kann ein unvoreingenommener Durchschnittsleser dies weder der Aussage selbst noch dem Kontext der Aussage entnehmen. Vielmehr ist der Wortlaut der streitgegenständlichen Aussage für einen unvoreingenommenen Durchschnittsleser eindeutig: Dem Antragsteller wurde wiederholt die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark Berchtesgaden untersagt.
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Auch der Kontext, in den die Aussage des Antragsgegners eingebettet ist, gibt keinen Anhalt für deren Mehrdeutigkeit. Die streitgegenständliche Aussage befindet sich in der Einleitung der Pressemitteilung mit der Überschrift „Konzept zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark - wissenschaftlich fundiert und tierschutzgerecht“, die der Antragsgegner am 21. Juni 2022 im Zusammenhang mit der vom Antragsteller eingereichten Klage gegen die Schonzeitaufhebung im Nationalpark Berchtesgaden herausgegeben hat. Im Anschluss an die Einleitung folgt eine längere fachliche Stellungnahme, warum aus Sicht des Antragsgegners eine abgewogene und räumlich wie zeitlich begrenzte Aufhebung der Schonzeit für einzelne Wildarten in Bayern nicht nur gängige Praxis, sondern zudem im Nationalpark Berchtesgaden erforderlich ist und der Antragsteller mit seiner gegenteiligen Bewertung irrt. In dem der Einleitung folgenden Text der Pressemitteilung sind keinerlei Aussagen mehr enthalten, die an die streitgegenständliche Äußerung anknüpfen, so dass sich auch aus dem Kontext der Aussage keine Anhaltspunkte für deren Mehrdeutigkeit ergeben.
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c) Den Nachweis dafür, dass die streitgegenständliche Aussage nicht der Wahrheit entspricht, hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht geführt.
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aa) Äußerungen staatlicher Stellen müssen den allgemeinen Anforderungen an rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen. Hieraus folgt, dass Tatsachenbehauptungen von Amtsträgern nur rechtmäßig sind, wenn sie sich als wahr erweisen (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2022 - 6 C 11.20 - NVwZ 2022, 1820 Rn. 31 m.w.N.). Tatsachenbehauptungen werden dabei durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt und sind der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2022 a.a.O. Rn. 35 m.w.N.; BGH, U.v. 16.6.1998 - VI ZR 205/97 - BGHZ 139, 95 Rn. 15).
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bb) Dem Beschwerdevorbringen sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, die die Feststellung des Verwaltungsgerichts widerlegen könnten, es treffe zu, dass dem Antragsteller wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark Berchtesgaden untersagt worden seien. Ausweislich der vom Antragsteller selbst im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Entscheidungsabdrucke hat das Landgericht Traunstein dem Antragsteller im einstweiligen Verfügungsverfahren mit Endurteil vom 15. April 2021 sowie im Hauptsacheverfahren mit Endurteil vom 3. Februar 2022 - und damit wiederholt, weil mehr als einmal - verboten, über den Antragsgegner die Aussagen, „Nationalpark erlegt in der Schonzeit Gämsen, um Geierjunge zu füttern“ und/oder „Der Nationalpark Berchtesgaden erlegt … fleißig Gams … während der Schonzeit“ zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen. Nach Ansicht des Landgerichts Traunstein handelt es sich bei diesen Aussagen um unwahre Tatsachenbehauptungen. Damit trifft die Aussage des Antragsgegners zu, dem Antragsteller sei wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark Berchtesgaden untersagt worden. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die beiden vom Landgericht Traunstein verbotenen Aussagen seien im Zusammenhang als Aussagen zur Wildbestandsregulierung erkennbar und die Einordnung unter den Oberbegriff der Wildbestandsregulierung sei fachlich nicht zu beanstanden, hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht infrage gestellt. Ebenso wenig moniert er, dass der Antragsgegner März 2022 statt Februar 2022 als Verbotszeitpunkt nennt.
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cc) Die streitgegenständliche Äußerung des Antragsgegners ist nicht deshalb unwahr, weil ein detaillierter Hinweis darauf fehlt, dass sich die mit beiden Entscheidungen ausgesprochenen Verbote auf die gleichen Aussagen in einem online-Beitrag vom 20. Januar 2021 beziehen und zudem das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 3. Februar 2022 noch nicht rechtskräftig ist.
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(1) Gerade, weil der Antragsgegner bereits mit Pressemitteilung Nr. 10/22 vom 9. März 2022 anlässlich des Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 3. Februar 2022 ausführlich und - wie der Antragsteller selbst vorträgt - juristisch differenziert über das gegenüber dem Antragsteller verhängte Äußerungsverbot berichtet hat, war es nicht erforderlich, die näheren Einzelheiten der gerichtlichen Verbote erneut in aller Ausführlichkeit darzustellen. In der Pressemitteilung vom 9. März 2021, die nach wie vor auf der Homepage des Nationalparks eingestellt ist, sind alle näheren Einzelheiten zum Stand der gerichtlichen Streitigkeiten um die Äußerungen des Antragstellers enthalten. Gleich zu Beginn der Textpassage wird berichtet, dass „mit einem aktuellen Urteil (nicht rechtskräftig)“ in „einem Hauptsacheverfahren das Verbot der Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung und Bartgeierauswilderung im Nationalpark Berchtesgaden“ bestätigt worden sei. Im weiteren Verlauf der Pressemitteilung wird ausgeführt, der Antragsteller und seine Pressesprecherin hätten „auch nach einem rechtlich sorgfältig begründeten Urteil (Landgericht Traunstein) beziehungsweise einem gleichlautenden Hinweisbeschluss (Oberlandesgericht München) im einstweiligen Verfügungsverfahren an ihren unwahren und rechtswidrigen Behauptungen festhalten wollen“. Da der Antragsgegner die Entscheidungen des Landgerichts Traunstein zum Gegenstand einer eigenen, ausführlichen Pressemitteilung gemacht hat, die zudem unter der Überschrift „Landgericht bestätigt Verbot der Verbreitung von Unwahrheiten“ für den interessierten Leser leicht zu finden ist, war es ihm nicht verwehrt, die gerichtlichen Verbote im Rahmen der aus Anlass der Klage des Antragstellers gegen die Schonzeitaufhebung im Nationalpark verfassten Pressemitteilung vom 21. Juni 2022 lediglich schlagwortartig in einem Satz zu erwähnen.
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(2) Zudem verschweigt der Antragsteller bei dieser Argumentation, dass die gerichtlich verbotenen Aussagen nicht nur einmal veröffentlicht wurden und das Oberlandesgericht sich in der Sache bereits zu den landgerichtlichen Verboten geäußert hat.
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Die Aussage „Der Nationalpark Berchtesgaden erlegt … fleißig Gams … während der Schonzeit“ wurde nicht nur im online-Beitrag vom 20. Januar 2021 veröffentlicht. Vielmehr hat die 1. Vorsitzende des Antragstellers am 28. April 2021 einen Beitrag auf ihrer privaten Facebook-Seite eingestellt, der mit hervorgehobener Schrift die Aussage „Nationalpark erledigt in der Schonzeit Gämsen um Geierjunge zu füttern - Wildes Bayern e.V.“ endet. Ausweislich des Beschlusses des Landgerichts Traunstein vom 20. Juli 2021 wurde daneben ein Bild mit zwei Gämsen gepostet, welches identisch mit dem Bild im ursprünglichen Beitrag vom 20. Januar 2021 ist. Da auch der 1. Vorsitzenden des Antragstellers als Verfasserin des online-Beitrags vom 20. Januar 2021 mit Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 13. April 2021 die Behauptung und Verbreitung der Aussagen aus dem online-Beitrag vom 20. Januar 2021 verboten worden war, wurde ihr wegen des neuerlichen Facebook-Posts mit Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 20. Juli 2021, bestätigt durch das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 7. Dezember 2021, ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro auferlegt. Mit Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 4. Januar 2022 wurde wegen der Veröffentlichung vom 28. April 2021 auch dem Antragsteller ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro auferlegt. Mit dem Beitrag auf Facebook habe der Antragsteller schuldhaft gegen seine Unterlassungsverpflichtung aus dem Endurteil vom 15. April 2021 verstoßen. Der Antragsteller muss sich die erneute Verbreitung der Aussage durch seine 1. Vorsitzende zurechnen lassen, zumal die neuerliche Veröffentlichung ausdrücklich mit „Wildes Bayern e.V.“ schließt. Wie das Oberlandesgericht München im Beschluss vom 7. Dezember 2021 ausgeführt hat, ist die inkriminierende Äußerung nicht nur dann zu unterlassen, wenn der gesamte Beitrag vom 20. Januar 2021 erneut veröffentlicht wird. Die Unterlassungspflicht umfasse solche Beiträge, die inhaltlich den verbotenen entsprechen. Auch wenn der Nationalpark Berchtesgaden im Post nicht ausdrücklich genannt worden sei, sei dem durchschnittlichen Leser der Zusammenhang mit dem Nationalpark Berchtesgaden evident. Zum Zeitpunkt der Pressemitteilung des Antragsgegners vom 21. Juni 2022 waren die inkriminierenden Aussagen somit nicht nur im online-Beitrag vom 20. Januar 2021, sondern jedenfalls hinsichtlich der Aussage „Der Nationalpark erlegt … fleißig Gams … während der Schonzeit“ erneut am 28. April 2021 auf Facebook veröffentlicht worden. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach einem ausgesprochenen Verbot steht einem weiteren Verbot gleich.
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Auch legt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht dar, welche Bedeutung der fehlenden Rechtskraft des Endurteils vom 3. Februar 2022 im Hinblick auf den im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 26. August 2021 überhaupt noch zukommen kann. Der zur Entscheidung berufene 18. Senat des Oberlandesgerichts München hat die Beteiligten in diesem Beschluss darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 15. April 2021 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Senat sei einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukomme, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordere und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten sei. Der Verfügungskläger, der Leiter des Nationalparks Berchtesgaden, werde durch die Äußerungen unmittelbar und individuell in seinen Rechten verletzt. Zu Recht habe das Landgericht die streitgegenständlichen Äußerungen als unwahre Tatsachen gewertet, die den Verfügungskläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzten. Die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen der Parteien ergebe, dass der Verfügungskläger diese Äußerung nicht hinzunehmen brauche. Warum das Oberlandesgericht München trotz der eindeutigen Ausführungen in der Sache im Hinweisbeschluss vom 26. August 2021, der zur Rücknahme der Berufung führte, den gleichen Sachverhalt im Berufungsverfahren gegen das Endurteil vom 3. Februar 2022 anders beurteilen sollte, legt der Antragsteller nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.
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2. Der Einwand des Antragstellers, die streitgegenständliche Presseerklärung sei keineswegs erforderlich gewesen, sondern stelle einen Angriff des Antragsgegners dar, der den Antragsteller diskreditiere, führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde.
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Grundsätzlich gilt, dass im geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede spricht (vgl. BGH, U.v. 16.6.1998 - VI ZR 205/97 - BGHZ 139, 95 Rn. 15). Zwar hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass es auch bei den vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG umfassten Tatsachenbehauptungen zu einer Kollision zwischen der Meinungsfreiheit und anderen Rechtsgütern, insbesondere der persönlichen Ehre kommen kann. Hiervon ist vorliegend jedoch nicht auszugehen.
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Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsäußerungsbezug genießen Grundrechtsschutz (vgl. BGH, U.v. 11.12.2012 - VI ZR 314/10 - NJW 2013, 790 Rn. 12). Entgegen der Ansicht des Antragstellers verbreitet der Antragsgegner gerade keine bewussten Unwahrheiten über den Antragsteller, so dass die streitgegenständliche Aussage von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst wird. Unerheblich ist, dass die Äußerungen des Antragstellers bereits Gegenstand einer eigenen Pressemitteilung waren.
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Im Übrigen kann von einer Diskreditierung des Antragstellers keine Rede sein. Die streitgegenständliche Aussage ist eingebettet in die Pressemitteilung des Antragsgegners vom 21. Juni 2022, die im direkten Zusammenhang mit der vom Antragsteller gegen die Schonzeitaufhebung im Nationalpark erhobenen Klage steht. Die Pressemitteilung ist insgesamt sachlich formuliert und stellt eine adäquate Reaktion auf das Verhalten des Antragstellers dar. Die zwischen den Beteiligten schon seit längerem bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Zulässigkeit der Bejagung von bestimmten Teilen des Nationalparks sowie die Aufhebung der gesetzlichen Schonzeit wurden vom Antragsteller immer wieder selbst in die Öffentlichkeit getragen und - wie die zivilrechtlichen Verfahren um die Behauptung und Verbreitung der Aussagen „Nationalpark erlegt in der Schonzeit Gämsen, um Geierjunge zu füttern“ und/oder „Der Nationalpark Berchtesgaden erlegt … fleißig Gams … während der Schonzeit“ zeigen - schon in der Vergangenheit nicht immer sachlich und mit zutreffenden Argumenten geführt. Die streitgegenständliche Aussage in der Pressemitteilung des Antragsgegners nimmt zudem ausdrücklich Bezug auf die hierzu vom Antragsteller herausgegebene Presseaussendung. In der Einleitung der Pressemitteilung des Antragsgegners vom 21. Juni 2022 heißt es hierzu wörtlich: „Der Verein ‚Wildes Bayern e.V.‘ hat gegen die Schonzeitaufhebung im Nationalpark Berchtesgaden Klage eingereicht. In einer Presseaussendung unterstellt der Verein dem Nationalpark wiederholt tierschutzwidrige Jagdpraktiken und den Schutzstatus des Gebiets gefährdende Sonderregeln. Bereits im März 2022 war dem Verein wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark Berchtesgaden untersagt worden. Nun unternimmt der Verein einen neuen Anlauf, etablierte und dem gesetzlichen Schutzziel dienende Maßnahmen zur Wildbestandsregulierung zu diskreditieren.“ Mit den folgenden fachlichen Erläuterungen, warum eine abgewogene und räumlich wie zeitlich begrenzte Aufhebung der Schonzeit für einzelne Wildarten im Nationalpark Berchtesgaden erforderlich ist, reagiert der Antragsgegner erkennbar insbesondere auf Äußerungen der 1. Vorstandsvorsitzenden des Antragstellers in dessen Presseaussendung. Die 1. Vorstandsvorsitzende beklage, dass Bereiche mit Schonzeitaufhebung in den vergangenen Jahren erweitert worden seien, lasse aber außer Acht, dass die bejagte Fläche des Nationalparks von anfangs 100 Prozent zur (Gründungszeit) auf heute mehr als 23 Prozent der Gesamtfläche reduziert worden sei. Von einem skandalösen Treiben und einem immensen Tierleid, wie es die Vereinsvorsitzende überspitzt formuliere, könne keinesfalls die Rede sein. Der Antragsgegner reguliere seine Wildbestände streng nach geltenden Tierschutzregeln und nur mit beruflich und professionell für diese Aufgabe ausgebildetem Personal. In der mit der Überschrift „Klage gegen Schonzeit-Aufhebungen im Nationalpark Berchtesgaden“ am 22. Juni 2022 vom Antragsteller veröffentlichten Pressemeldung wird seine 1. Vorsitzende u.a. mit den Worten zitiert, „Wir werden dafür kämpfen, dass diesem skandalösen Treiben ein Ende gesetzt wird. Hier wird nicht nur eine geschützte Tierart massiv gefährdet und dabei immenses Tierleid in Kauf genommen. Diese ‚Sonderregeln‘ des Nationalparks gefährden viele Monate des Jahres die Kernzone. Sie werden bejagt, sobald sie im Winter auf die warmen Südhänge der ‚Randzone‘ wechseln. Das widerspricht den IUCN-Kriterien. Wir wollen, dass unser Nationalpark auch ein richtiger Nationalpark bleibt“. Dem Antragsgegner geht es in der Pressemitteilung vom 21. Juni 2022 eindeutig darum, einen erneuten Angriff des Antragstellers auf die Gesetzmäßigkeit und fachliche Richtigkeit der Schonzeitaufhebungen abzuwehren. In Anbetracht der erneuten Vorwürfe des Antragstellers ist die streitgegenständliche Aussage des Antragsgegners weder willkürlich noch unverhältnismäßig.
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III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).