Titel:
Zur Begründung und Plausibilisierung einer dienstlichen Beurteilung
Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
BayLlbG Art. 59 Abs. 2 S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die Vorgabe der Gesamtpunktzahl für die wesentlichen Beurteilungskriterien durch die Amtsleitung macht eine dienstliche Beurteilung nicht zwingend rechtswidrig, wenn der unmittelbare Vorgesetzte bei der Erstellung des Beurteilungsentwurfs nicht in unzulässiger Weise beschränkt wurde. (Rn. 4 – 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich dafür, ob sich eine Gesamtpunktzahl aufdrängt - und damit nicht näher begründet werden muss -, ist das sich aus den Einzelbewertungen ergebende einheitliche Leistungsbild und nicht die textliche Erläuterung in den ergänzenden Bemerkungen der dienstlichen Beurteilung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es überspannt die Anforderungen an die Plausibilisierung der Einzelmerkmale, den Nachweis einzelner und beispielhafter Vorgänge zu fordern. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstliche Beurteilung, Begründung des Gesamturteils, Plausibilisierung der Einzelmerkmale, dienstliche Beurteilung, Gesamturteil, Begründung, Plausibilisierung, Einzelmerkmale, Vorgabe
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 03.05.2022 – W 1 K 21.1596
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38954
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der im Jahr 1970 geborene Kläger - seit 1. Mai 2022 der Besoldungsgruppe A 13 (technischer Oberamtsrat) zugehörig - verfolgt mit dem Zulassungsantrag sein vom Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 3. Mail 2022 abgewiesenes Klagebegehren weiter, mit dem er die Aufhebung seiner dienstlichen Beurteilung vom 25. Februar 2021 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Oktober 2017 bis zum 30. September 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2021 und die Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Beurteilung beantragt hat.
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Der ausschließlich auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
3
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, bestehen nur, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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1. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht (UA S. 12 f.) davon ausgegangen, dass der unmittelbare Vorgesetzte Dr. Z. vor der Erstellung der Beurteilung in der erforderlichen Weise angehört (Ziff. 11.1 Satz 2 VV-BeamtR; Nr. 2.7.1 der Beurteilungsrichtlinien des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz - Bek.v. 30.8.2017 - AllMBl. S. 423) und bei der Erstellung des Beurteilungsentwurfs nicht in unzulässiger Weise beschränkt wurde. Mit ihrem Einwand, bereits durch die Vorgabe der Gesamtpunktzahl für die wesentlichen Beurteilungskriterien (i.S.d. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 LlbG i.V.m. Ziff. 5.2 der Beförderungsrichtlinien des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz - Bek.v. 30.8.2017 - AllMBl. S. 409) durch die Amtsleitung ergebe sich Gegenteiliges, erfüllt die Zulassungsbegründung schon nicht die Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Denn sie versäumt es, sich mit der zutreffenden Begründung des Verwaltungsgerichts substantiiert auseinanderzusetzen, das seine Auffassung im Wesentlichen auf die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens abgegebenen schriftlichen Angaben des Dr. Z. und seine für die Kammer plausibel und glaubhaft geschilderten Äußerungen in der mündlichen Verhandlung gestützt hat. Dr. Z. gab an, er habe seine Meinung zum Kläger frei äußern können. Hinsichtlich des Gesamturteils sei er der Auffassung gewesen, dass eine Steigerung von 11 auf 12 Punkte gegenüber der Vorbeurteilung eine gute Beurteilung für den Kläger darstelle. Hinsichtlich der wesentlichen Beurteilungskriterien habe er sich an der vorgenommenen Reihung der Amtsleitung orientiert, welche die Summe der Punkte für die wesentlichen Beurteilungskriterien letztendlich festgelegt habe, da allein der Amtsleiter den Vergleich der einzelnen Beamten leisten könne. Ihm selbst sei dies nicht möglich gewesen, da er mit dem Kläger nur einen Beamten in der Besoldungsgruppe A 12 in seinem Dezernat habe. Er habe auch keine Argumente dagegen gehabt, wie die Amtsleitung die wesentlichen Beurteilungskriterien beim Kläger eingeschätzt habe. Vor diesem Hintergrund gelangte die Kammer in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu ihrer Überzeugung, dass sich Dr. Z. frei und unbeschränkt zu Eignung, Leistung und Befähigung des Klägers habe äußern können, er das Gesamturteil von 12 Punkten auch persönlich für gut und leistungsgerecht gewürdigt und sich die vom Amtsleiter vergebene Summe der vergebenen Punktzahlen zu eigen gemacht habe.
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Der erneute Vortrag, „alleine schon die Vorgabe eines festen Punktewertes“ widerspreche einer „freien“ Beurteilung, lässt eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den eben dargestellten Gründen der angefochtenen Entscheidung vermissen. Für die Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt nicht die bloße Behauptung, die Tatsachen seien anders als vom Verwaltungsgericht angenommen oder der Sachverhalt bzw. das Ergebnis einer Beweisaufnahme sei anders zu bewerten. Kritik an der Beweiswürdigung muss deutlich machen, aus welchen Gründen sie für unzutreffend gehalten wird, also etwa gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufzeigen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 67).
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2. Der weitere Einwand, das Gesamturteil sei nicht gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 2 LlbG, Ziff. 7.3 Satz 2 VV-BeamtR und Ziff. 2.5.2 Satz 2 der Beurteilungsrichtlinien rechtskonform begründet worden, vermag ebenfalls keine Richtigkeitszweifel aufzuwerfen. Denn das Verwaltungsgericht kam zutreffend zu dem Ergebnis (UA S. 19 ff. unter 2.), dass im vorliegenden Einzelfall eine Begründung für das Gesamturteil deshalb entbehrlich ist, weil hier eine andere Note als die vergebenen 12 Punkte nicht in Betracht kommt, da sich die vergebene Note geradezu aufdränge (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 - 2 C 27.14 - juris Rn. 37). Jede andere Gesamtpunktzahl ließe die erforderliche Schlüssigkeit zwischen Einzelmerkmalen und Gesamturteil vermissen. Die Spanne der tatsächlich in der streitgegenständlichen Beurteilung vergebenen Punktwerte ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - gering (3 x 11 Punkte; 8 x 12 Punkte; 2 x 13 Punkte). Der rechnerische Durchschnittswert aller Einzelmerkmale beträgt 11,92 Punkte, derjenige der wesentlichen Beurteilungskriterien (Qualität, Entscheidungsfreude und Urteilsvermögen, Führungspotential und Fachkenntnisse) 11,75 Punkte.
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Die Zulassungsbegründung meint, das mathematische Vorgehen sei nicht ohne Weiteres ausreichend. Denn immerhin seien 3 x 11 Punkte und „nur“ 2 x 13 Punkte vergeben worden. Es erscheine „nicht sachgerecht“ von vornherein damit die 12 Punkte als gegeben anzusehen und auf eine Begründung und Abwägung der Einzelmerkmale zu verzichten. Dass sich für den Beurteiler das Gesamturteil von 12 Punkten nicht aufgedrängt habe, ergebe sich auch aus den ergänzenden Bemerkungen der Beurteilung. Mit der dort dargelegten Begründung, dass bei der Bildung des Gesamturteils die bei den Einzelmerkmalen vergebenen Wertungen unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Amtes und der Funktion in einer Gesamtschau betrachtet und entsprechend gewichtet worden seien, habe der Beurteiler zu erkennen gegeben, dass er sich mit den Punkten auseinandergesetzt habe, was nicht erforderlich gewesen wäre, hätte sich für ihn die Gesamtpunktzahl von 12 Punkten aufgedrängt.
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Damit vermag der Kläger jedoch schon deshalb nicht durchzudringen, weil er sich nicht mit der zutreffenden Erwägung des Verwaltungsgerichts (UA S. 20) auseinandersetzt, dass das Gesamturteil und die Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2017 - 2 C 21.16 - juris Rn. 63 f.; BayVGH, B.v. 18.4.2018 - 3 CE 18.618 - juris Rn. 5) in dem Sinne miteinander übereinstimmen müssen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Maßgeblich dafür, ob sich eine Gesamtpunktzahl aufdrängt, ist das sich aus den Einzelbewertungen ergebende einheitliche Leistungsbild und nicht die textliche Erläuterung in den ergänzenden Bemerkungen der dienstlichen Beurteilung, die der Kläger selbst für „floskelhaft“ hält und mit der sich das Gesamturteil seiner Meinung nach „nicht (…) erklären“ lasse (Klagebegründung v. 20.12.2021 S. 6). Vor diesem Hintergrund ist auch der sehr hypothetische Einwand, in einem Konkurrentenstreitverfahren könnte ein anderer Bewerber mit derselben Gesamtpunktzahl, gleicher vorangegangener periodischer Beurteilung aber ordnungsgemäßer Abwägung im Rahmen der Begründung der Gesamtpunktzahl den Vorzug erhalten, ohne Bedeutung.
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Der vom Verwaltungsgericht herangezogene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (v. 10.5.2021 - 6 C 21.658 - juris) ist auf das hiesige Verfahren entgegen der klägerischen Auffassung übertragbar. Denn zur Begründung des sich aus den Einzelbewertungen ergebenden einheitlichen Leistungsbildes wurde dort (Rn. 15) darauf abgestellt, dass angesichts der Bewertung der insgesamt 15 Leistungsmerkmale (10 x B2, 3 x B1, 2 x B3; bei den vier als besonders wichtig gekennzeichneten Leistungsmerkmalen: 3 x B2; 1 x B1) und 12 Befähigungsmerkmale (7 x B; 4 x C; 1 x A) eine andere Gesamtnote als die vergebene („B2“) offensichtlich nicht in Betracht kam. Hierfür war es ohne Relevanz, dass in dem entschiedenen Fall zu einer Vielzahl von Einzelmerkmalen textliche Erläuterungen vorhanden waren.
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Vor diesem Hintergrund kommt im vorliegenden Fall kein anderes als das getroffene Gesamturteil - „vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null“ (BVerwG, U.v. 17.9.2015 - 2 C 27.14 - juris Rn. 37) - in Betracht.
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3. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beurteilung unterliegt schließlich auch nicht deshalb Zweifeln, weil eine Plausibilisierung der Einzelmerkmale (UA S. 25 ff. unter 4.) in nicht ausreichender Weise anhand der Beurteilungsrichtlinie erfolgt wäre.
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Soweit die Zulassungsbegründung rügt, der jeweilige Vorgesetzte habe sich „offensichtlich“ nicht mit den Binnendifferenzierungen (gemeint wohl: den für die Binnendifferenzierung wesentlichen Beurteilungskriterien nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 LlbG i.V.m. Ziff. 5.2 der Beförderungsrichtlinien) auseinandergesetzt, trifft dies nicht zu. In ihren Stellungnahmen haben die Vorgesetzten des Klägers (E-Mail v. 12.4.2021) sowie die Personalabteilung der Regierung von Unterfranken (Bescheid v. 17.5.2021) insbesondere die vom Kläger in den Mittelpunkt seiner Einwendungen gestellten und im Schreiben vom 6. April 2021 aufgelisteten Tätigkeiten in Gänze gewürdigt und hierzu - auch unter Berücksichtigung von Ziff. 2.6 der Beurteilungsrichtlinien - plausibel dargelegt, dass die aufgeführten Tätigkeiten bei der Bewertung der Merkmale Quantität und Serviceorientierung berücksichtigt und mit 12 bzw. 13 Punkten (hoch) bewertet worden seien. Dem Kläger wurde überdies in diesem Zusammenhang eine fachkundige Beurteilung (Fachkenntnisse: 13 Punkte) sowie ein Engagement auf hohem Qualitätsniveau (Qualität: 12 Punkte) bescheinigt. Mit diesen und weiteren Erläuterungen (vgl. im Einzelnen UA S. 27 ff.) ist der Beklagte seiner Verpflichtung zur Plausibilisierung gerecht geworden. Soweit der Kläger einen darüberhinausgehenden Erläuterungsbedarf sieht, hätte es an ihm gelegen, Zweifel an der Nachvollziehbarkeit des gefundenen Ergebnisses darzulegen und konkrete Punkte zu benennen, die er entweder für unklar oder für unzutreffend hält.
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Das Verwaltungsgericht stellte zutreffend fest (UA S. 27 ff.), dass der Kläger dieser Darlegungspflicht vorliegend nicht nachgekommen ist. Er blende die zu seiner Beurteilung wie auch den dortigen Einzelbewertungen gegebenen Erläuterungen letztlich vollkommen aus und benenne keine darüberhinausgehenden konkreten Gesichtspunkte, die er weiter für unklar halte und aus welchem Grunde. Vielmehr beharre er allein auf seiner abweichenden Selbsteinschätzung zu den von ihm im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistungen und beanstande die diesbezügliche Bewertung des Dienstherrn lediglich weiterhin pauschal und ohne nachvollziehbare Anhaltspunkte als unsubstantiiert. Aufgrund dessen habe es keiner weitergehenden Plausibilisierung der Einzelmerkmale der dienstlichen Beurteilung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens bedurft.
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Die Zulassungsbegründung trägt hiergegen im Wesentlichen lediglich pauschal vor, es bedürfe der Klärung, warum der jeweilige Punktewert in den jeweiligen wesentlichen Beurteilungskriterien vergeben worden sei. Zur Plausibilisierung reichten die bisherigen Begründungen nicht aus. Es müsse vielmehr bekannt gegeben werden, was die anderen Beamten besser machten. Zudem werde auf die einzelnen „Unterkriterien“ der Ziff. 2.6 der Beurteilungsrichtlinien nicht eingegangen.
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Damit versäumt es jedoch der Beamte konkrete Punkte zu benennen, die er entweder für unklar oder unzutreffend hält (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2018 - 2 A 10.17 - juris Rn. 37). Im Hinblick auf das Ziel, bessere Einzelnoten zu erhalten, fehlen vor dem Hintergrund der bisher im Verwaltungsverfahren erfolgten Plausibilisierung jegliche Darlegungen, die erläutern, warum sich bessere Einzelbewertungen ergeben müssten. Zudem verkennt der Kläger wohl, dass ein nicht auf bestimmte Tatsachen, sondern auf eine Vielzahl von Einzelbeobachtungen und Eindrücken gegründetes (reines) Werturteil keines Tatsachenbeweises zugänglich ist. Es kann auch nicht der Nachweis einzelner und beispielhafter Vorgänge gefordert werden, weil diese dadurch eine Bedeutung gewännen, die ihnen nach der wertenden Erkenntnis des Dienstherrn gar nicht zukommen sollte und damit zugleich in die Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn eingreifen würde (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2015 - 3 CE 15.2122 - juris Rn. 44). Insoweit überspannt der Kläger die Anforderungen an die Plausibilisierung.
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4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, 3, § 52 Abs. 2 GKG.
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Mit diesem gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).