Titel:
Widerruf von Waffenbesitzkarten
Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46
VwGO § 80 Abs. 3, Abs. 5
BayVwVfG Art. 28 Abs. 2, Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Regelvermutung nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund Verurteilung knüpft nicht an bestimmte Delikte an, sondern an das Vorliegen einer Vorsatztat und an die Art und Höhe der rechtkräftig verhängten Sanktion; auch steht das Vorliegen eines nur bedingten Vorsatzes der Annahme der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG nicht entgegen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Behörde darf grundsätzlich von der Richtigkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG kann grundsätzlich nicht schon dann entkräftet sein, wenn der Betroffene ansonsten strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist oder die Tat keinen Bezug zum Einsatz von Waffen hat. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine vorherige Anhörung des Betroffenen zum beabsichtigten Widerruf von waffenrechtlichen Erlaubnissen steht der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde nicht entgegen, denn weder aus dem Umstand, dass eine Anhörung bezüglich des Grundverwaltungsakts erfolgt, folgt, dass die sofortige Vollziehung nicht mehr angeordnet werden könnte, noch ist im Hinblick auf die gebotene restriktive Auslegung des Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG für den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse grundsätzlich von einer Entbehrlichkeit der Anhörung – erst recht nicht von einem Anhörungsverbot nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG – auszugehen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Waffenbesitzkarte, Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Rechtskräftige Verurteilung, Unerlaubtes Verschreiben von Arzneimitteln zu Dopingzwecken, Keine Ausnahme von der Regelvermutung, Waffenbesitzkarte, Widerruf, waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Verurteilung, Regelvermutung, Wohlverhalten, Zeitablauf, Verfahrensdauer, Sofortvollzug, Anhörung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 29.11.2022 – 24 CS 22.2270
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38952
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf seine Klage gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten sowie die hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2022.
2
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … (… … … … …) vom … Juni 2018, mit Ausnahme der Rechtsfolgen rechtskräftig seit 20. November 2018, wurde gegen den Antragsteller wegen vorsätzlichen unerlaubten Verschreibens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Verschreiben von Dopingmitteln zum Zwecke des Dopings beim Menschen im Sport in vier Fällen gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 2a Alt. 2, 6a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AMG i.V.m. Ziffern S1.1.b des Anhangs des Übereinkommens gegen Doping vom 16. November 1989, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 6, § 2 Abs. 1 AntiDopG i.V.m. Ziffern S1.1.b der Anlage I des Internationalen Übereinkommens vom 19. Oktober 2015 gegen Doping im Sport, § 53 StGB eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen verhängt. Laut Strafbefehl sei der Antragsteller, der als Facharzt für Allgemeinmedizin, Sportmedizin, Naturheilverfahren, Chirotherapie in einer Einzelpraxis in … … praktiziere, im Zeitraum von 2006 bis mindestens 8. Dezember 2016 behandelnder Arzt des Patienten und anderweitig Verfolgten W. gewesen. Im Rahmen des Behandlungsverhältnisses habe der Antragsteller dem Patienten Arzneimittel mit dem Wirkstoff Testosteron verordnet, die, wie dem Antragsteller bekannt gewesen sei, außerhalb ihres therapeutischen Anwendungsgebiets im Fitness- und Bodybuildingsport missbräuchlich zur Steigerung des Muskelzuwachses und zur Verbesserung der Körperzusammensetzung zur Anwendung kämen. Zum Zeitpunkt der Verordnungen habe der Antragsteller jeweils zumindest billigend in Kauf genommen, dass die von ihm verordneten Präparate nicht zur Behandlung einer Erkrankung, sondern zur Unterstützung des Kraftsporttrainings des anderweitig Verfolgten W. dienen sollten. Eine medizinische Indikation für die Verschreibungen der Arzneimittel habe nicht vorgelegen, was der Antragsteller gleichfalls jeweils zumindest billigend in Kauf genommen habe. Im Einzelnen habe es sich um fünf Verschreibungen von dreimal je zehn und zweimal je 50 Ampullen Testosteron Enanthat 250 mit einer Wirkstoffkonzentration von 250mg/ml Testosteronenanthat an den anderweitig Verfolgten W. im Zeitraum 14. Dezember 2015 bis 8. Dezember 2016 gehandelt.
3
Auf Einspruch gegen den Strafbefehl hin - zuletzt nur noch hinsichtlich der Rechtsfolgen - wurde der Antragsteller mit Urteil des Amtsgerichts … vom … November 2018, rechtskräftig seit 28. November 2018, zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Dabei wurden Einzelstrafen von 20 Tagessätzen hinsichtlich der Verschreibung der je zehn Ampullen bzw. von 40 Tagessätzen hinsichtlich der je 50 Ampullen Testosteron Enanthat 250 zugrunde gelegt. Zugunsten des Antragstellers wurde im Rahmen der Strafzumessung dessen Geständnis berücksichtigt.
4
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 2. Juni 2022 mit, dass aufgrund der o.g. Verurteilung, die im Rahmen der Regelüberprüfung der Zuverlässigkeit bekannt geworden sei, beabsichtigt sei, dessen Waffenbesitzkarten zu widerrufen und die im Besitz des Antragstellers befindliche Schusswaffe und Munition einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und die Waffenbesitzkarten zurückzugeben. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
5
Hierauf erwiderten die bereits im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom … Juli 2022 und führten im Wesentlichen aus, der Antragsteller sei kurz nach Erteilung der Waffenbesitzkarten zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verurteilt worden. Die im Strafverfahren verhängte Geldstrafe stelle die absolut unterste Grenze der Regelvermutung dar. Neben dem bereits beachtlichen Zeitablauf sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen hochangesehenen und zuverlässigen Arzt handele. Die Verurteilung des Antragstellers stehe in keinem Zusammenhang zu Waffen/Munition bzw. dem Umgang mit Waffen und Munition. Seit der rechtskräftigen Verurteilung des Antragstellers seien auch schon nahezu vier Jahre vergangen. Bereits im kommenden Jahr wäre eine Zuverlässigkeitsprüfung i.S.d. § 5 WaffG nicht mehr angezeigt. Das Verhalten des Antragstellers und damit die Regelüberprüfung durch die Antragsgegnerin führten jedoch eindrücklich vor Augen, dass von einer Unzuverlässigkeit des Antragstellers über die vergangenen vier Jahre keine Rede sein könne. Unter Bezugnahme auf die entsprechende Rechtsprechung zur Regelunzuverlässigkeit falle mithin eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Antragstellers, wie sie in seinem gesamten Verhalten zum Ausdruck komme, zu dessen Gunsten aus. Insbesondere der Umstand, dass zwar die Fünfjahresfrist seit Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilungen nicht verstrichen sei, der Zeitpunkt der Begehung der Straftat jedoch bereits sehr lange zurückliege und der Antragsteller sich seither offensichtlich straffrei geführt habe, ließe den hiesigen Vorwurf in einem entsprechend milden Licht erscheinen. Im Ergebnis falle eine hier erforderliche Gesamtwürdigung, in die namentlich auch Art und Umstände der Straftat und die Entwicklung der Persönlichkeit des Antragstellers einzubeziehen seien, eindeutig zugunsten des Antragstellers aus. Dieser habe sich seit der rechtskräftigen Verurteilung nichts zu Schulden kommen lassen und genieße in der Gesellschaft hohes Ansehen. Es gebe keine weiteren Anhaltspunkte, welche eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründeten. Wäre dieser offensichtlich unzuverlässig, wäre ein Widerruf der Waffenbesitzkarten zu einem bereits deutlich früheren Zeitpunkt erfolgt, da die rechtskräftige Verurteilung erst wenige Monate nach Erteilung der Waffenbesitzkarte und damit in einem sensibleren Zeitraum nach Erteilung erfolgt sei. Die jeweils zuständigen Behörden hätten es jedoch bereits damals für nicht erforderlich gehalten, die dem Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarten zu widerrufen, da eine Unzuverlässigkeit seitens der Behörde bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht gesehen worden sei. Folglich sei gerade jetzt, nach zeitlichem Ablauf von 4/5 der Frist des § 5 Abs. 2 WaffG, erst recht keine Unzuverlässigkeit zu sehen. Der Antragsteller sei nicht vorbestraft. Dieser sei sich seiner Verfehlungen, welche im Jahr 2018 zu der bekannten Verurteilung geführt hätten, bewusst. Er sei zu einer aus waffenrechtlicher Perspektive geringsten Strafe verurteilt worden. Das Verhalten des Antragstellers, sowohl vor als auch nach der Verurteilung, die nicht gegebene Beziehung zwischen abgeurteilter Straftat und dem Besitz von Waffen bzw. Munition, insbesondere aber der erhebliche zeitliche Ablauf seit jener Aburteilung ließen die Verfehlungen in einem derart milden Licht erscheinen, dass eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit jedenfalls nicht angenommen werden könne.
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Mit Bescheid vom 12. Juli 2022 - zugestellt am 15. Juli 2022 - widerrief die Antragsgegnerin die für den Antragsteller ausgestellten Waffenbesitzkarten Nr. … und Nr. … (Nr. I.1) Der Antragsteller wurde verpflichtet, die in seinem Besitz befindliche - nachfolgend aufgeführte - Waffe und Munition innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieses Bescheids an einen Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dem Kreisverwaltungsreferat hierüber einen Nachweis zu erbringen; nach fruchtlosem Ablauf der Frist würden Waffe und Munition sichergestellt (Nr. I.2). Weiter wurde der Antragsteller verpflichtet, die unter Nr. I.1 genannten Waffenbesitzkarten innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids beim Kreisverwaltungsreferat abzugeben (Nr. I.3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. I.2 und I.3 wurde angeordnet (Nr. I.4). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Waffenbesitzkarten werde ein Zwangsgeld i.H.v. jeweils 500,00 Euro je Erlaubnisdokument zur Zahlung fällig (Nr. I.5). Dem Antragsteller wurden die Kosten für den Bescheid auferlegt; zudem wurden für den Bescheid eine Gebühr i.H.v. 100,00 Euro sowie Auslagen i.H.v. 2,49 Euro festgesetzt (Nr. I.6).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse stütze sich auf § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG. Aufgrund der bekannt gewordenen Verurteilung sei der Antragsteller noch mindestens bis Ende November 2023 als unzuverlässig anzusehen. Das Widerrufsverfahren gegen den Antragsteller sei bisher nicht eingeleitet worden, da die Waffenbehörde gemäß § 4 Abs. 3 WaffG für Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse nur alle drei Jahre die Regelüberprüfung vornehmen müsse. Hätte die jeweils zuständige Waffenbehörde schon früher von der Verurteilung gewusst, wäre das Widerrufsverfahren entsprechend früher eingeleitet worden. Außerdem habe sich die Bearbeitung des Vorgangs aufgrund hoher Arbeitsbelastung verzögert. Die Anordnung in Nr. I.2 stütze sich auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG, Rechtsgrundlage für Nr. I.3 sei § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stütze sich auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass die Anordnungen zur Rückgabe der Waffenbesitzkarten sowie zur Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Waffe vor der bei Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs unter Umständen erst in mehreren Jahren zu erwartenden Unanfechtbarkeit dieses Bescheids wirksam würden. Der Antragsteller habe sich des vorsätzlichen unerlaubten Verschreibens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubten Verschreiben von Dopingmitteln zum Zweck des Dopings bei Menschen im Sport in vier Fällen schuldig gemacht. Er sei wegen dieses Vergehens verurteilt und besitze deshalb nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit. Waffenbesitz sei jedoch nur dann unbedenklich, wenn über die Zuverlässigkeit des Inhabers kein Zweifel bestehe. Personen, die über eine Schusswaffe verfügten, müssten hohen Ansprüchen in Bezug auf Charakter und persönliche Integrität entsprechen. Dagegen stellten Schusswaffen in der Hand einer Person, die den strengen Anforderungen nicht genügen könne, eine ständige Gefahr für die Allgemeinheit dar. Diese Gefahr abzuwenden, liege im öffentlichen Interesse. Die Abwägung des öffentlichen Interesses an einem möglichst rasch wirksamen Widerruf der Erteilung der Waffenbesitzkarten und einer umgehenden Erfüllung der Herausgabe- und Nachweispflicht gegenüber dem privaten Interesse, Waffen und Munition bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids zu besitzen, ergebe daher einen eindeutigen Vorrang der öffentlichen Belange. Die Androhung des Zwangsgeldes sei aufgrund von Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes - VwZVG - erfolgt. Die Kostenentscheidung beruhe auf den - im Einzelnen genannten - Vorschriften des Kostenrechts. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
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Gegen diesen Bescheid haben die Bevollmächtigten des Antragstellers am … Juli 2022 Klage (M 7 K 22.3548) erhoben und zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt.
9
Zur Begründung wird unter Wiederholung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren ergänzend im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei im Besitz zweier Waffenbesitzkarten, wobei es sich bei der gegenständlichen und von der Antragsgegnerin beschriebenen Waffe um ein Kleinkalibergewehr handele, welches der Antragsteller als langjähriges Vereinsmitglied in der … … … … … und dort lediglich zu Trainingszwecken verwende. Der Antragsteller habe gegen das Urteil des Amtsgerichts … vom … November 2018 „nach Fürsprache mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft“ in der Hauptverhandlung, wonach der Antragsteller habe sichergehen können, nicht vorbestraft zu sein, kein Rechtsmittel eingelegt. Der waffenrechtlichen Konsequenz i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG sei zum damaligen Zeitpunkt von keiner Seite Beachtung geschenkt worden. Die Regelunzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 WaffG lasse sich nicht auf den Antragsteller übertragen. Eine Abweichung von der Regelvermutung sei im vorliegenden Fall zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, von der Antragsgegnerin jedoch überhaupt nicht zum Gegenstand ihrer behördlichen Ermittlungen gemacht worden. Zugunsten des Antragstellers sei zu berücksichtigen, dass die tatsächliche Tat, welche sodann vom Amtsgericht … Ende 2018 abgeurteilt worden sei, noch wesentlich früher begangen worden sei und dem Antragsteller bereits nach dessen Tat und vor dessen Aburteilung die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zugestanden worden sei - die Waffenbesitzkarten datierten bekanntlich auf den 26. Juli 2018. Mithin sei das Landratsamt … selbst zu einem Zeitpunkt, in welchem sich der Antragsteller bereits strafbar gemacht hätte, von dessen waffenrechtlicher Zuverlässigkeit ausgegangen. Der Antragsteller habe sich seit der rechtskräftigen Verurteilung nichts zu Schulden kommen lassen. Er genieße nicht nur als Mediziner, sondern insbesondere auch aufgrund seiner gemeinnützigen Tätigkeiten in der Gesellschaft hohes Ansehen. Es gebe keine weiteren Anhaltspunkte, welche eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründen könnten. Dem sei sich auch die Antragsgegnerin bewusst, nachdem die von ihr dem Antragsteller vorgeworfene Unzuverlässigkeit allein auf Grundlage dieser Jahre alten Entscheidung beruhe. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass eine Regelüberprüfung erstmals im Jahr 2021 erfolgt sei. Vielmehr dürfte aufgrund des sensiblen Themas und restriktiven Umgangs mit Waffen in Bayern und Deutschland davon ausgegangen werden, dass eine solche Zuverlässigkeitsprüfung auch in einer Art „Probezeit“ nach Erteilung der Waffenbesitzkarte erfolge. Eine Unzuverlässigkeit sei demnach zu dieser Zeit schon durch die Behörde nicht erkannt worden. Die jeweils zuständigen Behörden hätten es mithin bereits damals für nicht erforderlich gehalten, die dem Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarten zu widerrufen, da eine Unzuverlässigkeit seitens der Behörden bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht gesehen worden sei. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Zuverlässigkeit des Antragstellers offensichtlich auch aus Sicht der Antragsgegnerin in einem milden Licht betrachtet werde. Ausweislich des angefochtenen Bescheids sei die Regelüberprüfung der Zuverlässigkeit des Antragstellers bereits am 10. November 2021 erfolgt. Das Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin datiere jedoch erst auf den 2. Juni 2022. Wäre der Antragsteller als potentiell gefährlich oder dergleichen einzustufen, mithin von einer objektiv offensichtlichen waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit geprägt, müsse davon ausgegangen werden dürfen, dass ein waffenrechtliches Einschreiten der Antragsgegnerin wesentlich schneller erfolgt wäre, als dies tatsächlich der Fall gewesen sei. Dies spreche auch deutlich für ein dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin übergeordnetes Suspensivinteresse des Antragstellers. Die nunmehr erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht nachvollziehbar angesichts dessen, dass sofortige Maßnahmen bereits in der Vergangenheit offensichtlich nicht notwendig und erforderlich gewesen seien. Nicht glaubwürdig sei hingegen der Einwand, eine Bearbeitung des Vorgangs habe sich aufgrund hoher Arbeitsbelastung verzögert. Jedenfalls wäre bei Zutreffen dieses Einwands die Langsamkeit der Behörde bei einer derart sensiblen und sicherheitsrechtlich bedeutsamen Angelegenheit schon unter Bezugnahme auf tatsächlich unzuverlässige Personen mit Waffenbesitz erschreckend. Die Antragsgegnerin habe sich nach Kenntnis der Verurteilung erneut fast ein Dreivierteljahr Zeit gelassen, ehe sie nunmehr dem Antragsteller die Zuverlässigkeit abgesprochen habe. Insoweit sei letztlich insbesondere aufgrund einer Gesamtwürdigung der dargestellten Umstände und des vorliegenden Sachverhalts der waffenrechtliche Charakter des Antragstellers zumindest kumulativ in einem derart milden Licht zu betrachten, dass durch die vom Antragsteller vor vielen Jahren begangene und 2018 abgeurteilte Straftat keine begründeten Zweifel an dessen Vertrauenswürdigkeit bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition gerechtfertigt seien. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht gegeben. Die Antragsgegnerin habe es selbst nicht für erforderlich, angemessen und notwendig erachtet, den Antragsteller unmittelbar nach Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung im Herbst 2021 anzuhören oder gar von einer Anhörung nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG abzusehen. Dies bedeute, dass die Antragsgegnerin einerseits die Unzuverlässigkeit des Antragstellers sowie die von ihm ausgehende ständige Gefahr für die Allgemeinheit behaupte, es andererseits jedoch nicht für erforderlich erachte, eine waffenrechtliche Verfügung aufgrund der vom Antragsgegner ständig ausgehenden Gefahr infolge seines Waffenbesitzes unmittelbar und ohne Zögern sowie ohne vorherige Anhörung, deren Verzicht gerade aufgrund eines öffentlichen Interesses dringend angezeigt wäre, auszusprechen. Dies habe die Antragsgegnerin letztlich selbst nicht für erforderlich erachtet. Überdies sei ein Ermessen der Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Ein intendiertes Erschließungs- und Auswahlermessen sei schon angesichts des bisherigen Verhaltens der Antragsgegnerin nicht zu sehen. Insoweit wäre zu berücksichtigen gewesen, dass die allein von der Antragsgegnerin herangezogene Straftat vor knapp vier Jahren abgeurteilt worden sei, sprich die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers kommendes Jahr bereits nicht mehr gegeben sei. Es wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Antragsteller, von welchem angeblich seit vier Jahren eine ständige Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe, seit ebendieser Zeit, mithin seit der gesamten Zeit seit Verbescheidung der Waffenbesitzkarte, zuverlässig auftrete, und, dass ein Sofortvollzug schon nach den originären Feststellungen der Antragsgegnerin, wonach der Antragsteller eben keine ständige Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, überhaupt nicht geboten sei.
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Der Antragsteller beantragt,
- 1.
-
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.7.2022, Az. … … … …, wird bezüglich Ziff. I.1. angeordnet.
- 2.
-
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.7.2022, Az. … … … …, wird bezüglich Ziffn. I.2. und I.3. wiederhergestellt.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
12
Zur Begründung wird zunächst auf den Inhalt der vorgelegten Waffenakte sowie insbesondere auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt, dass es irrelevant sei, dass sich der Antragsteller in der Hauptverhandlung des entsprechenden Strafverfahrens nicht bewusst gewesen sei, dass eine Verurteilung zu 60 Tagessätzen zur waffenrechtlichen Regelunzuverlässigkeit führe. Auch das waffenrechtliche Bedürfnis als Sportschütze könne die Regelunzuverlässigkeit nicht aufheben. Der Strafbefehl sei seit 20. November 2018 rechtskräftig, weshalb grundsätzlich von der Richtigkeit dieser strafgerichtlichen Entscheidung ausgegangen werden könne. Die Waffenbehörde sei weder gehalten noch befugt, eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung infrage zu stellen, sofern sie den Sachverhalt nicht ausnahmsweise besser beurteilen könne als die Strafverfolgungs- und Justizbehörden. Dafür lägen jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das Landratsamt … nach der Rechtskraft des Urteils eine Zuverlässigkeitsprüfung durchgeführt habe bzw. zu dem Schluss gekommen sei, dass die Zuverlässigkeit gegeben sei. Zuverlässigkeitsprüfungen in kürzeren Intervallen als drei Jahre - in einer „Probezeit“ - würden im Waffengesetz nicht gefordert (vgl. § 4 Abs. 3 WaffG). Da der Antragsteller am 26. Juli 2018 seine waffenrechtlichen Erlaubnisse erhalten habe, hätte die nächste Zuverlässigkeitsprüfung nach Erlaubniserteilung Ende Juli 2021 stattfinden sollen. Obwohl der Antragsteller bereits für November 2020 mit Hauptwohnsitz in München angemeldet worden sei, habe die Antragsgegnerin die waffenrechtlichen Unterlagen erst im August/September 2021 vom Landratsamt … erhalten. Die Zuverlässigkeitsprüfung sei dann von der Antragsgegnerin erst Mitte November 2021 eingeleitet worden. Mitte Dezember 2021 sei die Urteilsabschrift angefordert worden, um sich mit dem Sachverhalt zum Urteil zu befassen. Da die Urteilsabschrift nicht übersandt worden sei, sei diese Anfang Mai 2022 erneut angefordert worden. Am 20. Mai 2022 sei das Urteil bei der Antragsgegnerin eingegangen. Mit Schreiben vom 2. Juni 2022 sei das Widerrufsverfahren eingeleitet worden. Aus dem Umstand, dass das Widerrufsverfahren erst nach ca. einem halben Jahr nach Kenntnis des Urteils durch die Antragsgegnerin eingeleitet worden sei, lasse sich jedoch keinerlei Anspruch des Antragstellers auf eine Einstellung des Widerrufsverfahrens ableiten.
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Unter dem 24. August 2022 beantragte der Antragsteller zudem:
Die aufschiebende Wirkung des mit Anfechtungsklage vom 18.7.2022 angegriffenen Bescheids der Landeshauptstadt München, Az. … … … …, wird vorläufig, d.h. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3 VwGO gestellten Antrag zu Ziff. I., angeordnet.
Die aufschiebende Wirkung des mit Anfechtungsklage vom 18.7.2022 angegriffenen Bescheids der Landeshauptstadt München, Az. … … … …, wird vorläufig, d.h. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3 VwGO gestellten Antrag zu Ziff. I., wiederhergestellt.
14
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für den Erlass einer Zwischenverfügung seien aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Verwaltungshandelns gegeben. Der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sowie auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der mit Schriftsatz vom 18. Juli 2022 erhobenen Klage sei nicht offensichtlich aussichtslos, sondern vielmehr - wie bereits ausführlich dargelegt - erfolgsversprechend. Auch sei zu befürchten, dass bereits bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die gestellten Anträge im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vollendete Tatsachen geschaffen würden. Dies deshalb, weil dem Antragsteller nach Nr. I.2 des Bescheids vom 12. Juli 2022 aufgegeben worden sei, die in seinem Besitz befindliche Waffe und Munition innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids an einen Berechtigten zu überlassen und - ausdrücklich - unbrauchbar zu machen sowie dem Kreisverwaltungsreferat einen Nachweis zu erbringen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist würden Waffe und Munition sichergestellt. Die Waffenbesitzkarten seien zudem gemäß Nr. I.3. des Bescheids innerhalb gleicher Frist bei der Antragsgegnerin abzugeben. Zudem werde gemäß Nr. I.5. des Bescheids für die nicht fristgerechte Rückgabe der Waffenbesitzkarten ein Zwangsgeld i.H.v. je 500,00 Euro je Erlaubnisdokument in Aussicht gestellt. Der Bescheid vom 12. Juli 2022 sei dem Antragsteller am 15. Juli 2022 zugestellt worden, sodass die im Bescheid genannten Fristen am 26. August 2022 ausliefen. Der Antragsteller sei folglich zwingend auf die gerichtliche Zwischenverfügung angewiesen und sehe sich damit bereits gegenwärtig der Schaffung vollendeter Tatsachen ausgesetzt.
15
Mit E-Mail vom 26. August 2022 teilte die Antragsgegnerin mit, dass mit Maßnahmen einstweilen abgewartet werde, bis über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden sei.
16
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren (M 7 K 22.3548) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Die zulässigen Anträge sind unbegründet. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses ist aufgrund der Entscheidung über den Eilantrag gegenstandslos.
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Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nrn. I.1 bzw. Nrn. I.2 und I.3 des Bescheids vom 12. Juli 2022 ist unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bzgl. der Nrn. I.2 und I.3 des Bescheids formell rechtmäßig ist und das (teilweise kraft Gesetzes bestehende - vgl. § 45 Abs. 5 WaffG) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
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Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nrn. I.2 und I.3 des Bescheids vom 12. Juli 2022 ist formell rechtmäßig. Die von der Behörde vorgebrachte Begründung - an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55 m.w.N.) - genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Im Bereich des Sicherheitsrechts sind die Anforderungen an die Begründung der Anordnung eines Sofortvollzugs gering, weil es um den Schutz von Leben und Gesundheit geht und deshalb der Sofortvollzug in der Regel bereits aus der Natur der Sache begründet ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2008 - 19 CS 08.1471 - juris Rn. 3; B.v. 23.3.2006 - 19 CS 06.456 - juris Rn. 12). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft oder eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr darlegt. Gerade dann, wenn - wie insbesondere im Sicherheitsrecht - immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. OVG NW, B.v. 25.8.2010 - 20 B 613/10 - juris Rn. 5).
20
Der Antragsteller hat nach Abwägung seines privaten Interesses mit dem öffentlichen Interesse keinen Anspruch auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse (Nr. I.1 des Bescheids) sowie der in den Nrn. I.2, I.3 hierzu ergangenen Folgeanordnungen überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
21
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
22
Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt die summarische Prüfung, dass der Bescheid vom 12. Juli 2022 rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen dürfte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach summarischer Prüfung bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarten. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Klage in der Hauptsache kann daher nicht angenommen werden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse sowie an den hierzu ergangenen Folgeanordnungen überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen.
23
Der in Nr. I.1 des Bescheids vom 12. Juli 2022 angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarten des Antragstellers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG dürfte rechtmäßig sein.
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Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarten nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt.
25
Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund Verurteilung knüpft dabei nicht an bestimmte Delikte an, sondern an das Vorliegen einer Vorsatztat und an die Art und Höhe der rechtkräftig verhängten Sanktion (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 - 21 CS 17.856 - juris Rn. 10). Auch steht das Vorliegen eines nur bedingten Vorsatzes der Annahme der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG nicht entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 - 21 CS 17.856 - juris Rn. 12).
26
Das Gesetz stellt für die in der Regel anzunehmende Unzuverlässigkeit in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter Straftaten ab. Nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 WaffG soll das mit jedem Waffenbesitz vorhandene Sicherheitsrisiko möglichst geringgehalten werden. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54). Die Behörde darf dabei grundsätzlich von der Richtigkeit der strafgerichtlichen Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist. Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben danach, dass die Behörde allenfalls in Sonderfällen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung nicht oder nicht ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen darf, etwa dann, wenn für sie ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (st. Rspr. BVerwG, vgl. z.B. B.v. 22.4.1992 - 1 B 61/92 - juris Rn. 6; vgl. auch st. Rspr. BayVGH, z.B. B.v. 5.7.2017 - 21 CS 17.856 - juris Rn. 10). Diese Grundsätze gelten auch im Fall eines Strafbefehlsverfahrens (st. Rspr. BVerwG, vgl. z.B. U.v. 13.12.1994 - 1 C 31/92 - juris Rn. 30; vgl. auch st. Rspr. BayVGH, z.B. B.v. 31.10.2012 - 21 ZB 12.1340 - juris Rn. 8). Die Vermutungsregelung setzt zudem nicht voraus, dass außer der Verurteilung weitere nachteilige Umstände über den Waffenbesitzer bekannt geworden sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.1991 - 1 CB 24/91 - juris Rn. 7 m.w.N.). Ebenso wenig kommt es auf einen Bezug zum Umgang mit Waffen an. Wann die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit eingreift, wird nicht vorrangig nach der Art der begangenen Straftat bestimmt, sondern es wird allgemein auf die Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Höhe der verhängten Strafe, abgestellt (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 - 3 B 12/08 - juris Rn. 5 unter Verweis auf BTDrs. 14/7758 S. 128).
27
Des Weiteren kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 - 3 B 12/08 - juris Rn. 5 m.w.N.; vgl. auch BayVGH in st. Rspr., z.B. B.v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 - juris Rn. 13) eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem damaligen Verhalten zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, dass bereits eine einzige Verurteilung wegen einer der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c WaffG genannten Straftaten die Regelvermutung begründet, wenn eine Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verhängt worden ist.
28
Im Fall des Antragstellers ist der Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG erfüllt, da er mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts … (… … … … …) vom … Juni 2018 i.V.m. ebenfalls rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts … vom … November 2018 wegen vorsätzlichen unerlaubten Verschreibens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Verschreiben von Dopingmitteln zum Zwecke des Dopings beim Menschen im Sport in 4 Fällen gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 2a Alt. 2, 6a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AMG i.V.m. Ziffern S1.1.b des Anhangs des Übereinkommens gegen Doping vom 16. November 1989, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 6, § 2 Abs. 1 AntiDopG i.V.m. Ziffern S1.1.b der Anlage I des Internationalen Übereinkommens vom 19. Oktober 2015 gegen Doping im Sport, § 53 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt wurde. Damit ist die die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit begründende Tagessatzanzahl nach § 5 Abs. 2 WaffG erreicht. Da seit Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung am 28. November 2018 im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses fünf Jahre noch nicht verstrichen waren - angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts ist es insoweit unbeachtlich, dass vorliegend bei Bescheidserlass der Eintritt der Rechtskraft bereits drei Jahre und acht Monate zurücklag -, ist der Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG erfüllt. Darauf, dass die abgeurteilte Tat nicht im Zusammenhang mit Waffen steht, kommt es nach den dargelegten Grundsätzen ebenso wenig an wie darauf, dass der Antragsteller ansonsten strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und als Mediziner und aufgrund gemeinnütziger Tätigkeiten hohes gesellschaftliches Ansehen genießt.
29
Unter Berücksichtigung des dargestellten Prüfungsmaßstabs dürfte ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, im Fall des Antragstellers nicht gegeben sein. Bei der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.
30
Anhaltspunkte dafür, an der Richtigkeit des Strafbefehls, insbesondere an der festgesetzten Tagessatzhöhe, zu zweifeln oder, dass die Verurteilung - die maßgeblich auf dem Geständnis des Antragstellers beruht - auf einem Irrtum beruhen könnte oder die Waffenbehörde ausnahmsweise in der Lage wäre, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Auch sonst liegen keine Umstände vor, die eine Ausnahme von der Regelvermutung rechtfertigen könnten.
31
Die Tat des Antragstellers hat weder Bagatellcharakter noch erscheint sie aufgrund von Besonderheiten in seinem Verhalten in einem milderen Licht. Dabei ist vorliegend auf die Gesamtstrafe abzustellen, ohne zwischen den zugrundeliegenden einzelnen Strafen zu differenzieren (vgl. VG Bayreuth, U.v. 27.9.2007 - B 1 K 07.464 - juris Rn. 18; VG Saarlouis, U.v. 15.12.2009 - 1 K 50/09 - juris Rn. 57 f. m.w.N.; vgl. auch zu § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG BayVGH, B.v. 10.1.2007 - 21 ZB 06.3007 - juris Rn. 5). Zwar entspricht die danach maßgebliche Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen gerade noch dem Rahmen, den § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG insoweit fordert. Allein, dass die Strafe in diesem „Mindestbereich“ angesiedelt ist, rechtfertigt aber ausweislich der Gesetzessystematik nicht ohne weiteres eine Abweichung. Bereits die Höhe der verhängten Geldstrafe von 60 Tagessätzen für einen Ersttäter spricht - selbst wenn der Antragsteller damit nicht als vorbestraft gilt - gegen ein Bagatelldelikt (vgl. BayVGH, B.v. 28.6.2017 - 21 CS 17.196 - juris Rn. 10 mit Verweis auf BT-Drs. 14/7758, S. 54, wonach in der Praxis der Gerichte bereits 60 Tagessätze durchaus ein erhebliches Unwerturteil bei einer Geldstrafe darstellen). Ein Bagatelldelikt liegt danach im Fall des Antragstellers gerade nicht vor. Vielmehr hat der Antragsteller dadurch, dass er einem Patienten in mehreren Fällen Arzneimittel ohne medizinische Indikation zu Dopingzwecken verschrieben hat, deutlich aufgezeigt, dass er mit Gefahren, die von seinem Verhalten für die Gesundheit Dritter ausgehen, trotz der von einem Mediziner in diesem Bereich in besonderem Maße zu erwartenden Sensibilität, zu sorglos umgeht. Unerheblich ist dabei auch, dass nach dem Vortrag des Antragstellers im Rahmen des strafrechtlichen Verfahrens dem Umstand der möglichen waffenrechtlichen Konsequenzen von keiner Seite Beachtung geschenkt worden sei, es insbesondere dem Antragsteller in erster Linie darum gegangen sei, nicht als vorbestraft zu gelten. Soweit der Einwand darauf abzielt, die Richtigkeit der strafgerichtlichen Entscheidung in Frage zu stellen, ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller ohne weiteres die Möglichkeit gehabt hätte, die Richtigkeit der Strafzumessungsfrage, mitunter auch unter Ausschöpfung des Instanzenzuges, von den Strafgerichten überprüfen zu lassen. Hiervon hat der Antragsteller keinen Gebrauch gemacht. Es obliegt jedoch dem Betroffenen selbst, seine Rechte im Instanzenzug der Strafgerichtsbarkeit wahrzunehmen (vgl. z. B. VG München, U.v. 4.11.2015 - M 7 S 15.4236 - juris Rn. 20). Unerheblich ist dabei, aus welchen Motiven der Antragsteller auf die Einlegung weiterer Rechtsmittel verzichtet hat (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2012 - 21 ZB 12.1340 - juris Rn. 11; vgl. auch B.v. 12.2.2007 - 19 CS 06.2210 - juris Rn. 25; VG Karlsruhe, U.v. 17.9.2014 - 5 K 1333/14 - juris Rn. 46 ff.).
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Weiter kann die Regelvermutung grundsätzlich nicht schon dann entkräftet sein, wenn der Betroffene ansonsten strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2014 - 21 CS 14.2330 - juris Rn. 9) oder die Tat keinen Bezug zum Einsatz von Waffen hat. Der in der früheren Gesetzesfassung zum Ausdruck kommende unmittelbare oder mittelbare Bezug der Straftaten zum Einsatz von Waffen wurde ausdrücklich aufgegeben (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 - 3 B 12/08 - juris Rn. 5). Daher vermag weder das Vorbringen des Antragstellers, er sei ein hochangesehener und zuverlässiger Arzt, der sich mit Ausnahme der streitgegenständlichen Verurteilung nichts zu Schulden habe kommen bzw. sich offensichtlich straffrei geführt habe, noch der Umstand, dass die Verurteilung in keinem Zusammenhang mit Waffen und Munition steht, zu einer Abweichung von der Regelvermutung zu führen. Der Gesetzgeber geht vielmehr im Waffenrecht davon aus, dass die Begehung einer der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgeführten Straftaten allein schon wegen der darin liegenden Missachtung der Rechtsordnung prinzipiell den Schluss darauf zulässt, dass dem Betroffenen die Charakterfestigkeit fehlt, die beim Umgang mit Schusswaffen überall und immer zu fordern ist (vgl. BayVGH, B.v. 6.9.1999 - 21 ZS 98.3513 - juris Rn. 8).
33
Auch der Zeitablauf ist im hier zu bewertenden Einzelfall des Antragstellers nicht geeignet, die Annahme der Unzuverlässigkeit zu entkräften.
34
Zunächst ist der Umstand, dass seit der im Rahmen von § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG maßgeblichen Rechtskraft der Verurteilung im Zeitpunkt des Bescheidserlasses bereits drei Jahre und knapp acht Monate vergangen waren, in denen sich der Antragsteller nichts weiter habe zu Schulden kommen lassen, nicht geeignet, eine Ausnahme von der Regelvermutung zu begründen. Denn das Wohlverhalten im Nachgang zu einer strafrechtlichen Verurteilung stellt regelmäßig erst die Reaktion auf die Aburteilung der begangenen Tat dar und spiegelt mithin nicht die Persönlichkeit des Antragstellers wider, wie sie in seinem damaligen Verhalten zum Ausdruck gekommen ist. Hinzukommt, dass aufgrund der im Hinblick auf § 4 Abs. 3 WaffG regelmäßig nur periodisch erfolgenden Zuverlässigkeitsüberprüfung sich der konkret gegebene Zeitablauf zwischen Rechtskraft einer Verurteilung und Kenntniserlangung der Behörde im Rahmen der Regelüberprüfung letztlich als eine bloße Zufälligkeit darstellt abhängig davon, welches Prüfungsintervall die Behörde wählt und wie nah der Zeitpunkt der Rechtskraft der Verurteilung nach der zuletzt erfolgten Zuverlässigkeitsprüfung liegt. Diese Zufälligkeit, die völlig unabhängig vom Verhalten des Betroffenen ist, kann jedoch ersichtlich keinen - negativen wie positiven - Einfluss auf die Bewertung von dessen waffenrechtlicher Zuverlässigkeit haben.
35
Auch im Hinblick auf die seit Tatbegehung vergangene Zeit, ist eine Widerlegung der gesetzlichen Regelvermutung vorliegend nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erscheint es rechtlich zwar nicht von vornherein als ausgeschlossen, die gesetzliche Vermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 WaffG als widerlegt anzusehen, wenn zwar die Fünfjahresfrist seit Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung noch nicht verstrichen ist, der Zeitpunkt der Begehung der Straftat aber sehr lange zurückliegt und der Betroffene sich seither straffrei geführt hat. Hierfür lassen sich jedoch keine festen Zeiträume angeben. Es wird immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommen. Immerhin könnte der vom Gesetzgeber vorgegebene, auf den Zeitpunkt von fünf Jahren in der Weise von Bedeutung sein, dass seit Begehung der Tat nicht mehr als nochmals fünf Jahre verstrichen sein dürfen. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass sich die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 WaffG dann nicht ohne weiteres anwenden ließe, wenn die Tat bei Erlass des Widerspruchsbescheids (hier des Ausgangsbescheids) bereits zehn oder mehr Jahre zurückliegt (vgl. BVerwG, U.v. 24.4.1990 - 1 C 56/89 - juris Rn. 18). Dies war hier jedoch nicht der Fall. Die strafrechtliche Verurteilung erfasst den Tatzeitraum vom 14. Dezember 2015 bis 8. Dezember 2016. Seit dem Datum der letzten Tat waren zehn Jahre im Zeitpunkt des Bescheidserlasses noch nicht verstrichen. Demzufolge kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allein der Zeitablauf hier nicht dazu führen, dass sich die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG nicht ohne weiteres anwenden ließe, bzw. dass die Regelvermutung hier bereits (allein) aufgrund dieses Umstands entkräftet wäre.
36
Da der Antragsteller mithin gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen sein dürfte, dürfte die Antragsgegnerin den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse als zwingende Folge auszusprechen gehabt haben. Da es sich hierbei gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 WaffG um eine gebundene Entscheidung handelt, scheidet auch ein Absehen vom Widerruf im Ermessenswege im Hinblick darauf, dass die Erlaubnis dem Antragsteller nach Ablauf der gesetzlichen Fünfjahresfrist ggf. bereits im Folgejahr wiedererteilt werden könnte, von vorneherein aus. Zudem kann der Antragsteller diesbezüglich auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten - soweit sie im Rahmen zwingenden Rechts, das, wie hier, der öffentlichen Sicherheit dient, überhaupt in Betracht zu ziehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2021 - 24 CS 21.494 - juris Rn. 17; OVG NW, B.v. 22.9.2005 - 20 A 3321/04 - juris Rn. 11 zur Rücknahme waffenrechtlicher Erlaubnisse nach § 45 Abs. 1 WaffG) - keine Rechte herleiten. Denn es ist schon nichts dafür ersichtlich, dass die Behörde, wie antragstellerseits behauptet, dem Antragsteller in Kenntnis der strafrechtlichen Verurteilung die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zugestanden hätte - sei es bei Erteilung oder zu einem späteren Zeitpunkt. Die Erteilung der Waffenbesitzkarten erfolgte zeitlich zwar nach Tatbegehung, jedoch vor Aburteilung der Tat, sodass die Verurteilung im Zeitpunkt der Erteilung der Behörde gar nicht bekannt sein konnte. Im Übrigen ist nach Aktenlage und im Einklang mit dem Vortrag der Antragsgegnerin vorliegend davon auszugehen, dass die strafrechtliche Verurteilung dieser erstmalig im Rahmen der Ende 2021 erfolgten Zuverlässigkeitsprüfung bekannt geworden ist. Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Antragstellers bereits zu einem früheren Zeitpunkt nach Erteilung der Erlaubnisse eine erneute Zuverlässigkeitsprüfung stattgefunden hätte oder die Verurteilung anderweitig bekannt geworden wäre, sind nicht ersichtlich. Die bloße Mutmaßung der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass regelmäßig nach Ersterteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse von einer „Probezeit“ mit Zwischenüberprüfungen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auszugehen sei, ist durch nichts substantiiert worden. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin unter Verweis auf die gesetzliche Vorgabe in § 4 Abs. 3 WaffG glaubhaft angegeben, Zuverlässigkeitsüberprüfungen regelmäßig im Abstand von drei Jahren vorzunehmen.
37
Schließlich dürften auch gegen die mit dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse verbundenen notwendigen Anordnungen des Bescheids vom 12. Juli 2022 keine rechtlichen Bedenken bestehen. Die Anordnung zur Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Waffe und Munition in Nr. I.2 des Bescheids wurde dabei rechtlich zutreffend auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG, die Verpflichtung zur Rückgabe der Erlaubnisse im Original in Nr. I.3 ebenfalls zutreffend auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG gestützt. Soweit der Antragsgegnerin dabei Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Insbesondere erscheint die in Nrn. I.2 und I.3 jeweils eingeräumte Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids als angemessen. Auch gegen die Zwangsgeldandrohung (Nr. I.5) und die Kostenentscheidung (Nr. I.6) sind rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
38
Im Übrigen würde auch unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Anordnungen das Interesse des Antragstellers überwiegen.
39
§ 45 Abs. 5 WaffG beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges, legitimes, privates Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-) Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (BT-Drs. 16/7717 S. 33). In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte - neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 - juris Rn. 16; B.v. 25.8.2020 - 24 CS 20.1596 - juris Rn. 23 f.).
40
Der Antragsteller hat hier keine Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin verfügte Widerruf dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen sowie Munition und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das private Interesse des Antragstellers zurückzustehen, zumal insoweit ohnehin kein besonderes, einen vergleichbaren Fall übersteigendes Interesse vorgetragen wurde.
41
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten, mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, die Waffen unbrauchbar zu machen oder sie einem Dritten zu übergeben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) bzw. für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Diese Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen und Erlaubnisurkunden sicher. Die Verpflichtung, die Waffenbesitzkarten zurückzugeben, folgt ebenso wie diejenige zur Unbrauchbarmachung bzw. Abgabe der Waffen aus dem Widerruf der Waffenbesitzkarten. Nachdem der Widerruf der Waffenbesitzkarten kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 - juris Rn. 17; B.v. 25.8.2020 - 24 CS 20.1596 - juris Rn. 26).
42
Im Übrigen ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass sich auch die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht zugunsten des Antragstellers auswirken kann. Zunächst ist nach der Aktenlage davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin das Verfahren mit der gebotenen Eile durchgeführt hat und eine überlange bzw. unangemessene Verfahrensdauer daher nicht zu erkennen ist. Insbesondere hat sie die Gründe für die verzögerte Einleitung des Widerrufsverfahrens nach Kenntniserlangung von der Verurteilung Ende 2021 nachvollziehbar dargelegt. Dafür, dass die Behörde bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der Verurteilung erlangt hätte, ist - wie bereits ausgeführt - nichts ersichtlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass durch die hier gegebene Verfahrensdauer ab Kenntniserlangung beim Antragsteller ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand geschaffen worden wäre, die Behörde werde die sofortige Vollziehung nicht anordnen, der Einfluss auf die Ermessensentscheidung haben könnte (vgl. BayVGH, B.v. 21.11.2019 - 21 CS 18.2523 - juris Rn. 22 zu einer Verfahrensdauer von fünf Monaten). Zudem widerspräche es auch sicherheitsrechtlichen Grundsätzen, die Beseitigung einer Gefahr deshalb nicht als besonders dringlich anzusehen, weil die Behörde durch zeitliche Komprimierung des Verwaltungsverfahrens möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt den Widerrufsbescheid einschließlich der Folgeentscheidungen hätte treffen können (vgl. BayVGH, B.v. 28.6.2017 - 21 CS 17.196 - juris Rn. 15). Schließlich steht auch eine vorherige Anhörung des Betroffenen zum beabsichtigten Widerruf von waffenrechtlichen Erlaubnissen der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde nicht entgegen. Weder folgt aus dem Umstand, dass eine Anhörung bezüglich des Grundverwaltungsakts erfolgt, dass die sofortige Vollziehung nicht mehr angeordnet werden könnte (vgl. Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1.7.2021, § 80 Rn. 83) noch ist im Hinblick auf die gebotene restriktive Auslegung des Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Herrmann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 1.7.2022, § 28 Rn. 21) für den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse grundsätzlich von einer Entbehrlichkeit der Anhörung - erst recht nicht von einem Anhörungsverbot nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG - auszugehen.
43
Der Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses ist aufgrund der Entscheidung über den Eilantrag gegenstandslos. Im Übrigen war der Erlass der vom Antragsteller beantragten Zwischenverfügung vorliegend auch nicht geboten. Ob eine Zwischenentscheidung in Form eines sog. Hängebeschlusses im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen erforderlich ist, ist im Wege einer Interessenabwägung zu ermitteln. Der Erlass eines Hängebeschlusses ist, wenn keine anderen überwiegenden Interessen eine sofortige Vollziehung der im Eilverfahren angegriffenen Bescheide erfordern, zulässig und geboten, wenn der Eilantrag nicht von vorneherein offensichtlich aussichtslos ist und ohne die befristete Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (hier: der Klage) die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gefährdet wäre, weil irreversible Zustände oder schwere und unabwendbare Nachteile einzutreten drohen (vgl. VGH BW, B.v. 26.9.2017 - 2 S 1916/17 - juris Rn. 6 m.w.N.). Der Antragsteller hat jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht substantiiert geltend gemacht, durch die Vollstreckung des Widerrufsbescheids drohe der Eintritt irreversibler Zustände oder irreparabler Nachteile. Die Befürchtung des Antragstellers, er müsse die in seinem Besitz befindliche Waffe zwingend unbrauchbar machen, ist unbegründet. Nr. I.2 des streitgegenständlichen Bescheids vom 12. Juli 2022 verpflichtet ihn insoweit alternativ zur Überlassung an einen Berechtigten oder zur Unbrauchbarmachung, nicht wie antragstellerseits vorgetragen, zur Überlassung und Unbrauchbarmachung. Der Antragsteller hätte danach mithin auch die Möglichkeit, seine Waffe und ggf. vorhandene Munition bei einem Waffenhändler oder sonstigem Berechtigten vorübergehend einzulagern. Sonstige Gründe, die den Erlass eines Hängebeschlusses im Rahmen einer Interessenabwägung geboten erscheinen lassen, wären ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 26. August 2022 mitgeteilt, einstweilen bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten.
44
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
45
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz - GKG - unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach ist für die Waffenbesitzkarten einschließlich einer Waffe ein Streitwert von 5.000,- Euro anzusetzen, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird.