Inhalt

VGH München, Beschluss v. 29.11.2022 – 24 CS 22.2270
Titel:

Widerruf der Waffenbesitzkarte

Normenkette:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 45 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Eine straffreie Lebensführung nach einer ohnehin lange zurückliegenden strafrechtlichen Verurteilung führt nicht dazu, dass eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Waffenbesitzkarte, Unzuverlässigkeit wegen rechtskräftiger Verurteilung zu 60 Tagessätzen wegen vorsätzlichen unerlaubten Verschreibens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport und wegen vorsätzlichen unerlaubten Verschreibens von Dopingmitteln zum Zwecke des Dopings beim Menschen im Sport, Waffenbesitzkarte, Widerruf, Unzuverlässigkeit, Verurteilung, Straftat, straffreie Lebensführung, unerlaubtes Verschreiben von Dopingmitteln, Regelvermutung, Ausnahme
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 13.09.2022 – M 7 S 22.3549
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38951

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs seiner Waffenbesitzkarten.
2
Die Antragsgegnerin widerrief nach vorheriger Anhörung des Antragstellers mit Bescheid vom 12. Juli 2022 die für den Antragsteller ausgestellten Waffenbesitzkarten. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Antragsteller sei wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden. Über die gegen den Bescheid erhobene Klage (Az: M 7 K 22.3548) hat das Verwaltungsgericht München noch nicht entschieden.
3
Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht mit dem streitgegenständlichen Beschluss vom 13. September 2022 abgelehnt. Der Widerruf der Waffenbesitzkarten des Antragstellers dürfte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG rechtmäßig sein. Im Fall des Antragstellers sei der Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit erfüllt, da er mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts T. vom 19. Juni 2018 i.V.m. ebenfalls rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts T. vom 20. November 2018 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen wegen vorsätzlichen unerlaubten Verschreibens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Verschreiben von Dopingmitteln zum Zwecke des Dopings bei Menschen im Sport in vier Fällen verurteilt worden sei. Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, sei im Fall des Antragstellers nicht gegeben. Weder das Vorbringen des Antragstellers, er sei ein hochangesehener und zuverlässiger Arzt, der sich mit Ausnahme der streitgegenständlichen Verurteilung nichts zu Schulden habe kommen lassen bzw. sich offensichtlich straffrei geführt habe, noch der Umstand, dass die Verurteilung in keinem Zusammenhang mit Waffen und Munition stehe, könne zu einer Abweichung von der Regelvermutung führen. Schließlich stehe auch eine vorherige Anhörung des Betroffenen zum beabsichtigten Widerruf von waffenrechtlichen Erlaubnissen der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde nicht entgegen. Weder folge aus dem Umstand, dass eine Anhörung bezüglich des Grundverwaltungsaktes erfolge, dass die sofortige Vollziehung nicht mehr angeordnet werden könnte noch sei im Hinblick auf die gebotene restriktive Auslegung des Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG für den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse grundsätzlich von einer Entbehrlichkeit der Anhörung - erst recht nicht von einem Anhörungsverbot nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG - auszugehen.
4
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 28. September 2022 eingelegten Beschwerde. Mit weiterem Schriftsatz vom 19. Oktober 2022 macht der Antragsteller im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren geltend, eine straffreie Lebensführung nach einer ohnehin lange zurückliegenden, strafrechtlichen Verurteilung spreche dafür, dass der Antragsteller die gebotene Charakterfestigkeit besitze, die im Rahmen des ordnungsgemäßen Umgangs mit Schusswaffen überall und immer zu fordern sei. Insoweit sei aufgrund einer Gesamtwürdigung der dargestellten Umstände des vorliegenden Einzelfalls eine Ausnahme von der Regelvermutung zugunsten des Beschwerdeführers anzunehmen. In seinem Beschluss führe das Gericht an, es sei „im Hinblick auf die gebotene restriktive Auslegung des Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG für den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse grundsätzlich von einer Entbehrlichkeit der Anhörung - erst recht nicht von einem Anhörungsverbot nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG - auszugehen.“ Im Hinblick auf den Nachweis der Charakterfestigkeit und Zuverlässigkeit des Antragstellers sei dessen Anhörung nicht nur geboten, sondern stelle einen wesentlichen Teil des gesamten Verfahrens dar. Da ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides ausscheide, liege auch weder Gefahr im Verzug vor noch erscheine eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig. Das Gericht habe dies nicht erkannt, dieses habe vielmehr rechtsgrundlos von der Anhörung des Antragstellers abgesehen.
5
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen.
6
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie im Verfahren M 7 K 22.3548 und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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1. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
8
Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses und nimmt gemäß § 150 i.V.m. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug.
9
Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
10
Eine straffreie Lebensführung nach einer ohnehin lange zurückliegenden, strafrechtlichen Verurteilung führt nicht dazu, dass eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 des Waffengesetzes i.d.F.d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) vorliegt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Beschlusses vom 13. September 2022 verwiesen.
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Entscheidungen über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO ergehen nach § 101 Abs. 3 VwGO grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung. Die Argumente aus dem Antragsschriftsatz vom 18. Juli 2022 wurden im streitgegenständlichen Beschluss ausführlich erörtert. Das Vorbringen des Antragstellers, das Gericht habe rechtsgrundlos von einer Anhörung des Antragstellers abgesehen, trifft daher nicht zu. Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzt sich die Beschwerdebegründung nicht substantiiert auseinander, vielmehr wird der Vortrag im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren im Wesentlichen wiederholt.
12
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Anhang) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
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3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).