Titel:
Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen Luft-Wärmepumpe
Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, § 91 Abs. 1
BayBO Art. 76
Leitsätze:
1. Ermessensgerechte Ablehnung des bauaufsichtlichen Einschreitens trotz planabweichender Errichtung einer Wärmepumpe. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz erfordert die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der getroffenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klageänderung, fehlende Sachdienlichkeit, Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten, Luft-Wärmepumpe, Lärmimmissionen
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 02.08.2022 – RN 6 K 20.3077
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38943
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Kläger begehrt vom Landratsamt K. bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine von den Beigeladenen errichtete Luft-Wärmepumpe; zudem wendet er sich gegen die den Beigeladenen vom Landratsamt K. erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage.
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Mit Bescheid vom 14. Mai 2018 erteilte das Landratsamt K. den Beigeladenen die Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung A. Im Grundrissplan EG hierzu ist eine Luft-Wärmepumpe südlich der Doppelgarage eingezeichnet, die in den Ansichts- und Schnittplänen nicht dargestellt ist. Der Kläger ist Eigentümer des östlich angrenzenden Grundstücks und wies mit Schreiben vom 18. Juli 2020 das Landratsamt darauf hin, dass die Luft-Wärmepumpe zu nah an der Grenze errichtet worden sei. Anlässlich einer Baukontrolle stellte das Landratsamt eine Differenz von 0,15 m zum genehmigten Eingabeplan fest.
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Auf den Antrag des Klägers vom 5. November 2020 hin lehnte das Landratsamt K. mit Bescheid vom 10. November 2020 ein bauaufsichtliches Einschreiten ab. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg, das diese mit Urteil vom 2. August 2022 abwies. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Luft-Wärmepumpe zwar planabweichend errichtet worden sei, aber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Der Kläger werde keinen unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt und auch ein - unterstellter - Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht führe zu keiner Verpflichtung des Landratsamts zu bauaufsichtlichem Einschreiten. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zudem beantragte Klageerweiterung auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 14. Mai 2018 sei mangels Sachdienlichkeit unzulässig, jedenfalls offensichtlich unbegründet. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt, liegen nicht vor bzw. sind nicht in einer Weise dargelegt, die den gesetzlichen Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO genügen.
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Hieraus ergeben sich solche hier nicht.
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a) Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die ohne Zustimmung des Beklagten erklärte Erweiterung der Klage des Klägers auf Anfechtung der Baugenehmigung vom 14. Mai 2018 nicht sachdienlich i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO sei, weil der Streitgegenstand nicht im Wesentlichen derselbe bleibe. Da die Luft-Wärmepumpe planabweichend errichtet worden sei, stehe dem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten eine bestandskräftige Baugenehmigung bereits nicht entgegen. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sei die planabweichend errichtete Luft-Wärmepumpe, nicht die ggf. genehmigte (UA S. 14). Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen, das eine Sachdienlichkeit allein damit begründet, dass Streit und zivilrechtliche Auseinandersetzungen vermieden werden könnten, inhaltlich nicht auseinander.
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b) Hinsichtlich der beantragten Verpflichtung zu bauaufsichtlichem Einschreiten stellt das Verwaltungsgericht unter Würdigung der Ausführungen der Umweltingenieurin beim Landratsamt darauf ab, dass die Ablehnung durch das Landratsamt mit Bescheid vom 10. November 2020 nicht ermessensfehlerhaft gewesen sei. Der aus grundrechtlicher Sicht kritische Wert einer Lärmbetroffenheit beginne jedenfalls in Wohngebieten grundsätzlich erst bei einer Gesamtbelastung oberhalb von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts und dies sei bei der streitgegenständlichen Luft-Wärmepumpe ausgeschlossen. Es führt ferner aus, dass auch ein - unterstellter - Verstoß gegen die nachbarschützenden Vorschriften der Abstandsflächen hier nicht dazu führe, dass das Entschließungsermessen der Bauaufsichtsbehörde auf null reduziert wäre und erst Recht nicht das Auswahlermessen in Richtung Beseitigung verdichtet sei. Dem tritt das Zulassungsvorbringen mit der bloßen Behauptung einer Ermessensfehlentscheidung, da nur eine überschlägige Lärmprognose erfolgt sei, und eines Ermessensfehlgebrauchs, da eine Täuschungshandlung sowie Aufschüttungen zu berücksichtigen seien, nicht substantiiert entgegen, zumal das Verwaltungsgericht diese auch bereits erstinstanzlich vorgetragenen Aspekte in den Urteilsgründen gewürdigt hat. Die bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vortrags genügt jedoch den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig wie die schlichte Darstellung der eigenen (gegenteiligen) Rechtsauffassung (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2022 - 15 ZB 22.1621- juris Rn. 12).
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Mit dem Vortrag, das Verwaltungsgericht hätte ein Sachverständigengutachten einholen, Messungen veranlassen und die Luft-Wärmepumpe auf Manipulation überprüfen müssen, leitet der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils aus einem Verfahrensfehler ab. In diesem Fall ist der Zulassungsgrund aber nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird. Entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2022 - 15 ZB 21.2827 - juris Rn. 17). Dies ist hier nicht der Fall (s.u.).
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Dem Zulassungsvorbringen lässt sich bereits nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte hinaus entnehmen, was sich nicht nach den obigen Ausführungen ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären ließe. Eine lediglich unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2022 - 15 ZB 22.1487 - juris Rn. 15).
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3. Die Rechtssache hat auch nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 - 5 B 1.19 D - juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 14.4.2022 - 15 ZB 21.2827 - juris Rn. 25). Dem wird das Zulassungsvorbringen, dem sich schon nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hinaus Dargelegte entnehmen lässt, nicht gerecht. Soweit der Kläger sinngemäß die Frage aufwirft, ob eine bestandskräftige Baugenehmigung bauaufsichtlichem Einschreiten entgegenstehe, ist dies nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Luft-Wärmepumpe derentwegen der Kläger bauaufsichtliches Einschreiten begehrt, planabweichend errichtet worden und somit nicht von der Bestandskraft der Baugenehmigung umfasst sei (UA S. 8, 14).
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4. Das Zulassungsvorbringen zeigt auch keinen Verfahrensfehler i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auf.
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Mit dem Vortrag, das Verwaltungsgericht habe kein Sachverständigengutachten eingeholt, keine Messungen vor Ort durchgeführt und eine Manipulation der Luft-Wärmepumpe nicht überprüft, macht der Kläger einen Aufklärungsmangel gem. § 86 Abs. 1 VwGO geltend. Der Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz erfordert die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der getroffenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 3.6.2014 - 2 B 105.12 - juris Rn. 26). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht. Der Kläger legt zudem nicht dar, inwiefern sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Aufklärung des Sachverhalts aufdrängen musste, obwohl der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht anwaltlich vertretene Kläger in dieser keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Klägers zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 15.7.2022 - 4 B 32.21 - juris Rn. 33).
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladenen im Zulassungsverfahren nicht beteiligt haben, entspricht es der Billigkeit, dass diese ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).