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LG München II, Endurteil v. 07.03.2022 – 14 O 449/21
Titel:

Kein Anspruch auf Löschung eines Schufa-Eintrags über Erteilung der Restschuldbefreiung

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 1, § 824, § 1004
DS-GVO Art. 6, Art. 17 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1
InsO § 300 Abs. 1
InsOBekV § 3
Leitsätze:
1. Dem Betroffenen stehen keine Ansprüche auf Löschung des Eintrags gem. §§ 1004, 823 Abs. 1, 824 BGB analog zu, weil die Regelungen der DS-GVO in ihrem Anwendungsbereich abschließend sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die erhobene Information über die erteilte Restschuldbefreiung ist iSv Art. 17 Abs. 1 lit. a DS-GVO notwendig, weil sich aus der andauernden Zahlungsunfähigkeit bis zur Restschuldbefreiung für auskunftsberechtigte Schufa-Teilnehmer Schlüsse für die zukünftige Zahlungsfähigkeit ergeben, die für Kreditgewährungen oder Vorleistungen relevant sind; mithin benötigt die Auskunftei diese Daten zur Kreditwürdigkeit ebenfalls noch. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Schufa-Teilnehmer und mithin auch die Auskunftei haben ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis von die Kreditwürdigkeit berührenden Informationen wie dem Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens, das zeigt, dass ein potentieller Vertragspartner in der Vergangenheit seine Verpflichtungen nicht bedient hat und früheren Gläubigern mit der Restschuldbefreiung ein bleibender finanzieller Schaden verblieben ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Regelung des § 3 InsOBekV dient nicht dem Kreditschutz möglicher künftiger individueller Gläubiger und ändert an der Beurteilung einer Erforderlichkeit der erhobenen Daten und der überwiegenden Interessen der Auskunftei nichts. Sie kann zudem als einfachgesetzliche deutsche Norm nicht zur Auslegung des europarechtlich einheitlich auszulegenden europäischen Rechts (hier: DS-GVO) herangezogen werden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schufa-Eintrag, Anspruch auf Löschung eines Eintrags, Eintrag über Erteilung der Restschuldbefreiung, Datenschutz, Notwendigkeit der erhobenen Daten, berechtigtes Interesse an Verarbeitung, Kreditwürdigkeit, Löschungsfrist
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Urteil vom 24.10.2022 – 3 U 2040/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38883

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt von der beklagten Auskunftei die Löschung seiner Restschuldbefreiung aus deren Datenbeständen.
2
Der Kläger hat ein Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung durchlaufen.
3
Die Beklagte ist eine Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden deutschen Wirtschaft, die bezüglich des Klägers am 28.04.2020 folgenden, inhaltlich unstreitig richtigen Eintrag in ihre Dateien aufgenommen hat: „Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen: ... Der Vorgang wird bei den Insolvenzgerichten unter diesem Aktenzeichen geführt. Datum des Ereignisses ...“.
4
Der Kläger widersprach mit Anwaltsschreiben vom 11.11.2020 gegen die Verarbeitung seiner Daten und forderte deren Löschung.
5
Der Kläger behauptet, ihm sei wegen des Eintrags kein wirtschaftlicher Neustart möglich. So scheitere die - wegen Schimmelproblemen besonders dringliche - Suche nach einer größeren Wohnung, der Abschluss eines Mobilfunkvertrages, eine Krediterlangung und sei die Lebensgestaltung des Klägers, seiner Ehefrau und seiner 4 Kinder unzumutbar beeinträchtigt. Seine sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere sein Einkommen, ließen ansonsten entsprechende Vertragsabschlüsse zu.
6
Der Kläger meint, ihm stehe ein Löschungsanspruch bezüglich des Eintrages mit folgender Neuberechnung des Scores zu.
7
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem elektronischen Datenbestand (Computer) gespeicherten Informationen: „Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen: ... Der Vorgang wird bei den Insolvenzgerichten unter diesem Aktenzeichen geführt. Datum des Ereignisses ...“, zu löschen.
2.
Die beklagte wird verurteilt, den Scorewert des Klägers in der Weise wiederherzustellen, als habe es die unter dem Antrag zu 1) vorgenommene Speicherung nicht gegeben.
8
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
9
Ergänzend wird verweisen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2021.

Entscheidungsgründe

10
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 09.09.2021, 27.10.2021, 23.11.2021 (2x) und vom 28.02.2022 geben keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.
11
Die zulässige Klage ist unbegründet.
12
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Löschung des Eintrags und mithin auch keinen Anspruch auf Neuberechung des Scores auf dieser Grundlage.
13
Ansprüche gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1, 824 BGB analog scheitern daran, dass in ihrem Anwendungsbereich die Regelungen der DSGVO abschließend und keine durch Analogie zu schließende planwidrige Regelungslücke besteht. Für eine direkte Anwendung fehlt es an den Tatbestandsvoraussetzungen.
14
Ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 lit a DSGVO scheitert dran, dass die erhobene Daten noch notwendig sind, da sich aus diesen, nämlich aus der andauernden Zahlungsunfähigkeit bis zur Restschuldbefreiung für auskunftsberechtigte Schufa-Teilnehmer Schlüsse für die zukünftige Zahlungsfähigkeit ergeben, die für Kreditgewährungen oder Vorleistungen relevant sind; mithin benötigt die Auskunft gebende Beklagte diese Daten zur Kreditwürdigkeit ebenfalls noch.
15
Ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 lit c i.V.m. Art. 21 Abs. 1 DSGVO scheitert daran, dass trotz Widerspruchs vorrangige berechtigte Gründe für die Verarbeitung bestehen. Die SchufaTeilnehmer und mithin auch die Beklagte haben ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis von die Kreditwürdigkeit berührenden Informationen wie dem Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens, das zeigt, dass ein potentieller Vertragspartner in der Vergangenheit seine Verpflichtungen nicht bedient hat und früheren Gläubigern mit der Restschuldbefreiung ein bleibender finanzieller Schaden verblieben ist. Ohne dass es darauf ankommt, dass der Kläger bereits nicht substantiiert dargelegt hat, welche konkreten Vertragsabschlüsse gerade und nur aufgrund des Eintrags nicht erfolgt seien, hat der Kläger auch ein überwiegendes Interesse i.S.d. Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO des Klägers nicht substantiiert dargelegt. So würde die bestrittene Schimmelproblematik auch in Verbindung mit einer Allergie nicht die Anmietung einer größeren Wohnung erfordern und hat der Kläger eine Unmöglichkeit der Anmietung anderer, kleinerer und billigerer Wohnungen nicht dargetan. Soweit er auf sonstige Schwierigkeiten rekuriert handelt es sich um typische Folgen mangelnder Kreditwürdigkeit, die der Kläger selbst zu verantworten hat und etwa durch Prepaid-Handys selbst aufzufangen hat. Besondere andere Umstände legt der Kläger nicht dar. Unbeschadet der nicht vorliegenden besonderen Umstände fiele die Abwägung hier auch zugunsten der Beklagten aus.
16
Ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 lit d DSGVO besteht ebenfalls nicht, da die Beklagte die Daten rechtmäßig, i.S.d. Art. 6 und 5 DSGVO verarbeitet hat. Zur Kreditwürdigkeitsbeurteilung ist die Kenntnis der Restschuldbefreiung notwendig, Art. 6 Abs. 1 lit f DSGVO.
17
An der Beurteilung der noch bestehenden Erforderlichkeit und der überwiegenden Interessen der Beklagten ändert auch eine Berücksichtigung der für den Kläger günstigeren Regelung im Bereich des § 3 InsoBekV nichts. Diese hat eine andere Zielrichtung und dient nicht dem Kreditschutz möglicher künftiger individueller Gläubigern. Ohnehin kann § 3 InsoBekV als einfachgesetzliche deutsche Norm nicht zur Auslegung des europaweit einheitlich auszulegenden europäischen Rechts herangezogen werden.
18
Kosten: § 91 ZPO.
19
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.