Titel:
Beseitigungsanordnung für Holzeinfriedung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5
BauGB § 30, § 31 Abs. 2
BayBO Art. 6, Art. 76 S. 1
Leitsätze:
1. Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit den Grundzügen der Planung umschreibt das Gesetz die planerische Grundkonzeption, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu Grund liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt. Hierzu gehören die Planungsüberlegungen, die für die Verwirklichung der Hauptziele der Planung sowie den mit den Festsetzungen insoweit verfolgten Interessenausgleich und damit für das Abwägungsergebnis maßgeblich sind. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein besonderes öffentliches Interesse für die sofortige Beseitigung wird bei einfachen Anlagen (wie z. B. Feldstadel, Werbeanlagen etc.), die problemlos und ohne großen Aufwand, vor allem ohne Substanzverlust, ab- und ggf. später, sollte sich die Beseitigungsanordnung als rechtswidrig erweisen, wiederaufgebaut werden können, zu bejahen sein, weil durch die Beseitigung keine endgültigen, nicht wieder umkehrbaren Verhältnisse geschaffen werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Sofortvollzug, Holzeinfriedung, Bebauungsplan, Funktionslosigkeit einer bauplanerischen Festsetzung, Befreiung, Grundzüge der Planung, besonderes Vollzugsinteresse
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.04.2023 – 1 CS 23.102
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38873
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragsteller wenden sich gegen eine vom Antragsgegner verfügte, für sofort vollziehbar erklärte Beseitigungsanordnung bezüglich einer Holzeinfriedung.
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Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. 759/29 Gem. … Auf diesem Grundstück errichteten die Antragsteller eine Einfriedung aus Holzelementen ohne baurechtliche Genehmigung. Das Grundstück liegt im Bereich des Bebauungsplanes „Wochenendhausgebiet … Hof“ der Gemeinde A* … Gemäß dessen Festsetzung Nr. 3.3.3 können die privaten Gartenflächen durch einen 0,80 m hohen Maschendrahtzaun (Knotengitter) an Metallrohrstützen abgegrenzt werden. Sie dürfen nur mit nicht regelmäßig gesetzten Sträuchern hinterpflanzt werden. Dichtwachsende Pflanzen (z.B. Thuja u.ä.) und geradlinige Anpflanzungen (Hecken) sind nicht zulässig. Die Ausbildung von Sockeln jeder Art bei der Einzäunung ist unzulässig.
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Mit Schreiben vom 10. August 2021 wurde den Antragstellern Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten Beseitigungsanordnung der Einfriedung gegeben. Die Antragsteller teilten dem Antragsgegner mit, dass diese dem Lärmschutz diene und deshalb erlaubt sei. In der Nachbarschaft seien vergleichbare Lärmschutzvorkehrungen in Form von Hecken u.ä. getroffen worden. Darüber hinaus gehöre das „Wochenendgebiet“ als „normales Wohngebiet“ ausgewiesen, weshalb die Einfriedung keiner Genehmigung bedürfe. Die Einfriedung sei im Mai 2021 und somit vor Inkrafttreten der Einfriedungssatzung der Gemeinde A* … vom 4. August 2021 errichtet worden. Die Einfriedung werde durch Kletterpflanzen begrünt und optisch zu den Hecken in der Nachbarschaft in Zukunft keinen Unterschied mehr machen.
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Mit den Antragstellern am 14. Oktober 2021 mittels Postzustellungsurkunde zugestelltem Bescheid ordnete der Antragsgegner die Beseitigung der Holzeinfriedung auf dem Grundstück FlNr. 759/ 29 Gem. … bis spätestens 26. November 2021 an (Nr. 1). Die sofortige Vollziehung der Nr.1 wurde angeordnet (Nr. 2) und ein Zwangsgeld in Höhe von € 2.500 angedroht (Nr. 3).
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Bei der Einfriedung in Höhe von 2,55 m handle es sich um eine genehmigungspflichtige bauliche Anlage, die den Verfahrensfreiheitstatbestand gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 lit. a BayBO nicht erfülle und demnach einer baurechtlichen Genehmigung i.S.d. Art. 68 BayBO bedürfe. Die Erteilung einer Genehmigung sei nicht möglich, weil das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspreche, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfen seien. Die Anlage verstoße gegen die Festsetzungen des Bebauungsplanes „Wochenendhausgebiet … Hof“ zur Gestaltung von Einfriedungen. Eine Befreiung vom Bebauungsplan gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Festsetzungen sei nicht möglich, weil die Grundzüge der Planung erheblich berührt würden. Mit der Begrenzung der Höhe für Zaunanlagen solle die offene Siedlungsgestaltung im Plangebiet gesichert werden. Durch die Erteilung einer Befreiung würde das beabsichtigte Gestaltungsbild nicht mehr gewährleistet und das Ortsbild beeinträchtigt.
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Die Antragsteller ließen mit am 15. November 2021 eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Klage (M 1 K 21.5912) erheben, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich suchen die Antragsteller Eilrechtsschutz und beantragen zuletzt,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen.
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Die Einfriedung diene als Lärmschutz und betrage nach eigenen Messungen lediglich 2,45 m Höhe. Würde der 60 cm hohe Sockel, der einen Geländeabfall zum Nachbargrundstück ausgleiche, weggerechnet, betrage die Höhe lediglich 1,85 m. Vom Kellersockel des Hauses bis zum obersten Rand seien es sogar lediglich 1,50 m. Auf den Nachbargrundstücken befänden sich vergleichbare Einfriedungen mit mindestens 2 m Höhe. Die Holzelemente der Einfriedung würden begrünt werden und dann das Gesamtbild der Straße nicht mehr beeinträchtigen. Vor allem aber seien die ursprünglich als Wochenendhäuser geplanten Immobilien im Plangebiet mittlerweile ständig bewohnt und würden bald neu als Wohngebiet ausgewiesen werden, weshalb der Bebauungsplan in seiner bestehenden Form funktionslos sei. Bis dahin habe der Antragsgegner die Einfriedung zu dulden. Spätestens mit der Umwidmung des Wochenendgebietes in ein reines Wohngebiet wäre die Anordnung nicht mehr rechtmäßig. Der Bescheid sei deshalb rechtswidrig und die sofortige Vollziehung der Beseitigungsanordnung stelle für die Antragsteller eine unbillige Härte dar.
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Der Antragsgegner legte die Behördenakten vor und beantragt mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2021,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Beseitigungsanordnung vom 12. Oktober 2021 sei rechtmäßig. Hinsichtlich der Maße der Einfriedung sei der Sockel zum Nachbargrundstück nicht in Abzug zu bringen, sondern ggf. zu addieren, wodurch sich eine Grenzeinrichtung in Höhe von über 3,0 m ergäbe. Gegen die angezeigten, einschlägigen Bezugsfälle auf den Nachbargrundstücken werde ebenfalls bauaufsichtlich vorgegangen. Im Übrigen handele es sich bei den von den Antragstellern benannten Fällen nicht um Einfriedungen, sondern um Carports bzw. Nebengebäude. Hinsichtlich eines Zauns am Parkplatz werde von einem Einschreiten abgesehen, da es sich wegen der Parkplatznähe um einen Sonderfall handele und der Zaun keine 1,10 m hoch sei. Das Motiv des Lärmschutzes sei unbeachtlich und erscheine im Übrigen sehr weit hergeholt, weil die Umgebungsbebauung nach Art der Nutzung einem Wochenendhaus- bzw. Wohngebiet entspreche und sich das Verkehrsaufkommen nach allgemeiner Lebenserfahrung dort in erträglichen Grenzen halte. Es sei nicht von einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplans oder einzelner darin enthaltener Festsetzungen auszugehen. Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung sei zu ergänzen, dass bereits im Jahr 2020 wegen einer nicht genehmigten Terrassenüberdachung bauaufsichtlich gegen die Antragsteller vorgegangen worden, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aber von einer Beseitigungsanordnung abgesehen worden sei. Ein weiteres Zuwarten in der aktuellen Streitsache könne den Eindruck verfestigen, dass eine zügige Bauausführung zu vollendeten Tatsachen führe, die im Anschluss kaum mehr rückgängig zu machen seien. Angesichts dessen könnten weitere ungenehmigte Bautätigkeiten auf dem Grundstück der Antragsteller nicht ausgeschlossen werden.
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Mit Schreiben vom 7. Dezember 2022 ergänzte der Antragsgegner den Bescheid vom 12. Oktober 2021 im Hinblick auf das angedrohte Zwangsgeld um die Begründung, dass von der Möglichkeit der Zwangsgeldandrohung Gebrauch gemacht worden sei, um die Beseitigungsanordnung auch durchsetzen zu können. Die Zwangsgeldandrohung sei nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens auch bei Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit des Mittels sowie des geringstmöglichen Eingriffs eine gerechtfertigte Maßnahme. Im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit für das öffentliche Interesse und das wirtschaftliche Interesse der Adressaten des Bescheids sei die Höhe des Zwangsgeldes angemessen. Die gesetzte Frist sei ausreichend, der auferlegten Verpflichtung unter zumutbaren Belastungen fristgerecht nachzukommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, auch im Hauptsacheverfahren (M 1 K 21.5912), sowie die beigezogene Behördenakte.
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Der zulässige Antrag, der auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Beseitigungsanordnung sowie auf Anordnung der der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das in Nr. 3 angedrohte Zwangsgeld gerichtet ist, hat in der Sache keinen Erfolg.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen bzw. wiederherstellen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob diejenigen Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten, oder diejenigen, die für die aufschiebende Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Neben den formellen Anforderungen an die Anordnung des Sofortvollzugs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sind im Rahmen der Interessenabwägung die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall nur die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos.
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1. Danach ist der Antrag unbegründet. Die gebotene summarische Prüfung ergibt, dass die Anfechtungsklage vom 12. November 2021 (M 1 K 21.5912) keinen Erfolg haben wird und die Antragsteller somit nicht in ihren Rechten verletzt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Interessenabwägung fällt damit zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit der Beseitigungsanordnung aus.
1.1 Die formell rechtmäßig, insbesondere nach Anhörung (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) der Antragsteller, ergangene Beseitigungsanordnung (Nr.1) ist materiell rechtmäßig. Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, so kann die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, Art. 76 Satz 1 BayBO.
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1.1.1 Die Errichtung der Einfriedung bedurfte einer Baugenehmigung, Art. 55 Abs. 1 BayBO. Insbesondere bestand keine Verfahrensfreiheit gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a BayBO, wonach Einfriedungen mit einer Höhe von bis zu 2 m verfahrensfrei sind. Die Einfriedung weist mindestens die von den Antragstellern angegebene Höhe von 2,45 m auf und ist damit höher als 2 m. Unbehelflich sind die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller, der „Sockel“ zum Nachbargrundstück in Höhe von 0,6 m sei abzuziehen und der Verweis darauf, dass die Höhe vom Kellersockel des Anwesens der Antragsteller aus gemessen sogar nur 1,50 m betrage. Maßgeblich für die Bestimmung der Höhe ist die Geländeoberfläche, siehe hierzu Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO zur Bestimmung der Wandhöhe. Insoweit beträgt die Wandhöhe der Einfriedung mindestens 2,45 m.
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1.1.2 Die Einfriedung stellt sich zudem als materiell baurechtswidrig dar. Sie verstößt sowohl gegen den Bebauungsplan (1.1.2.1) als auch gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften (1.1.2.2).
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1.1.2.1 Die Einfriedung steht mit den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplanes „Wochenendhausgebiet … Hof“ der Gemeinde A* … nicht in Einklang. Im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans ist ein Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht (§ 30 Abs. 1 BauGB). Die Einfriedung widerspricht der Festsetzung Nr. 3.3.3, wonach private Gartenflächen nur durch einen 0,80 m hohen Maschendrahtzaun (Knotengitter) an Metallrohrstützen abgegrenzt werden. Vorliegend ist die Einfriedung aus Holzelementen und damit nicht aus Maschendraht. Die nach der Festsetzung des Bebauungsplans zulässige Höhe wird mit (mindestens) 2,45 m weit überschritten. Somit sind sowohl Material als auch Höhe nicht mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar.
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Entgegen der Ansicht der Antragsteller kommt es hier nur auf den Bebauungsplan des Wochenendhausgebiets … Hof und nicht auf die Satzung der Gemeinde A* … über die Art, Gestaltung und Höhe von Einfriedungen vom 4. August 2021 („Einfriedungssatzung“) an, deren zulässige Gesamthöhe von Einfriedungen von 1,50 m (§ 3 Abs. 4 der Einfriedungssatzung) im Übrigen ohnehin überschritten wäre. Denn gemäß § 2 der Einfriedungssatzung bleiben Festsetzungen über Einfriedungen in Bebauungsplänen von der Satzung unberührt.
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Ebensowenig greift der Einwand der Antragsteller durch, der Bebauungsplan sei funktionslos geworden, weil die Wochenendhäuser mittlerweile dem dauerhaften Wohnen dienten. Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (BayVGH, B.v. 12.8.2014 - 2 ZB 13.912 - juris Rn. 7). Zwar könnte durch die von den Antragstellern beschriebene Entwicklung möglicherweise die Festsetzung in Nr. 2.1 zur Art der baulichen Nutzung funktionslos geworden sein. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass damit auch die Festsetzung des Bebauungsplans zu Einfriedungen funktionslos geworden sein sollte, weil auch in einem durch (dauerhafte) Wohnnutzung geprägten Gebiet diese Festsetzungen noch den vorgesehenen planerischen Zweck (s.o.) erfüllen können.
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Auch könnten nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden, namentlich indem den Antragstellern aufgegeben würde, einen Bauantrag samt Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der oben genannten Festsetzung zu stellen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen liegen nicht vor. Nach § 31 Abs. 2 BauGB ist die Erteilung einer Befreiung nur zulässig, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Dies ist hier jedoch der Fall. Das festgesetzte Höchstmaß von 80 cm für Einfriedungen stellt einen Grundzug der Planung dar. Mit den Grundzügen der Planung umschreibt das Gesetz die planerische Grundkonzeption, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu Grund liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt (BVerwG, B.v. 19.5.2004 - 4 B 35/04 - juris Rn. 3). Hierzu gehören die Planungsüberlegungen, die für die Verwirklichung der Hauptziele der Planung sowie den mit den Festsetzungen insoweit verfolgten Interessenausgleich und damit für das Abwägungsergebnis maßgeblich sind (BayVGH, B.v. 30.3.2009 - 1 B 05.616 - juris Rn. 59). Davon ausgehend stellt das festgesetzte Höchstmaß für Einfriedungen einen Grundzug der Planung dar. Die Festsetzung gilt für sämtliche im Plangebiet liegenden Grundstücke. Der Begründung des Bebauungsplans ist zu entnehmen, dass der planerische Wille darauf gerichtet ist, innerhalb der Anlage große zusammenhängende Grünräume zu schaffen und den optischen Kontakt mit der freien Landschaft zu erhalten und im Plangebiet eine möglichst offene und unverbaute Grundstücksgestaltung zu schaffen, um den erholsamen Charakter der Wochenendhaussiedlung zu bewahren (Textteil, S. 2a, Nr. 5).
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Gemessen am im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Willen würde eine Befreiung von der Festsetzung Nr. 3.3.3 des Bebauungsplans die Grundzüge der Planung berühren. Die streitgegenständliche Einfriedung misst nach eigenen Angaben der Antragsteller straßenseitig 2,45 m in der Höhe und überschreitet das festgesetzte Höchstmaß damit um ein Mehrfaches. Insoweit handelt es sich um eine bauliche Anlage, die das mit der Festsetzung verfolgte städtebauliche Ziel nennenswert beeinträchtigt. Nach seiner Höhe gehört die Einfriedung ersichtlich zu denjenigen Einfriedungen, die die Antragsgegnerin gerade nicht zulassen wollte, um den offenen Charakter der Grundstücke zu erhalten und das für die übrigen im Plangebiet liegenden Grundstücke, auf denen Einfriedungen ebenfalls maximal 0,8 m messen dürfen, als Bezugsfall eine negative Vorbildwirkung hat.
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1.1.2.2 Darüber hinaus hält die Einfriedung die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen nicht ein. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO gilt dies entsprechend für andere Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, also auch der streitgegenständlichen Holzeinfriedung. Zwar privilegiert Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO Stützmauern und geschlossene Einfriedungen dahingehend, dass diese in den Abstandsflächen sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind, außerhalb von Gewerbe- und Industriegebieten jedoch nur bis zu einer Höhe von 2 m. Dieses Höhenmaß überschreitet die streitgegenständliche Einfriedung, weil sie mindestens 2,45 m hoch ist (s. oben 1.1.1).
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1.1.3 Der Bescheid begegnet keinen Bedenken hinsichtlich der Ermessensausübung des Antragsgegners, § 114 Satz 1 VwGO. Die Anordnung ist verhältnismäßig und geeignet, die baurechtswidrigen Zustände zu beenden. Ein gleich geeignetes, weniger belastendes und damit milderes Mittel ist vorliegend nicht ersichtlich. Vor allem kommt aus den oben genannten Gründen eine Befreiung von den Festsetzungen Nr. 2.4 und 3.3.3 des Bebauungsplanes „Wochenendhausgebiet … Hof“ nicht in Betracht.
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Die Anordnung ist auch angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Beseitigung erfordert keinen ungewöhnlich hohen wirtschaftlichen Aufwand. Dies wurde vom Antragsgegner bei der Ermessensausübung auch berücksichtigt. Eine dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG widersprechende Ermessensausübung kommt nur in Betracht, wenn eine Behörde ihr Ermessen ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausübt. Entgegen den Ausführungen der Antragsteller trifft die Beseitigungsanordnung nicht willkürlich ihr Grundstück, während auf Nachbargrundstücken nicht eingeschritten wird. Der Antragsgegner hat vorgetragen, bezüglich der vergleichbaren Einfriedung, wohl betreffend FlNr. 739/27 Gem. …, bauaufsichtlich tätig zu werden. Im Übrigen sind die von den Antragstellern aufgeführten Bezugsfälle mit der streitgegenständlichen Einfriedung nicht vergleichbar. Wie der Antragsgegner ausgeführt hat, handelt es sich bei Hecken schon nicht um bauliche Anlagen, weshalb sie nicht genehmigungsbedürftig sind. Auf den anderen Grundstücken handelt es sich um Nebengebäude in Form von Carports oder Gartenhäuschen, die ebenfalls nicht mit der streitgegenständlichen Einfriedung vergleichbar sind.
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1.1.4 Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung.
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Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist für die Anordnung des Sofortvollzugs ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich. Die Vollziehung des Verwaltungsakts muss wegen öffentlicher oder überwiegender privater Interessen besonders dringlich sein und keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dulden (BayVGH, B.v. 23.8.2012 - 15 CS 12.130 - juris Rn. 12). Eine baurechtliche Beseitigungsanordnung ist in aller Regel eine schwerwiegende Maßnahme, deren Vollzug dem Betroffenen Kosten verursacht und in der Regel nur mehr schwer rückgängig zu machende Zustände schafft. Ihr Gewicht wird durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung verstärkt, weil dadurch die Entscheidung in der Hauptsache im Kern vorweggenommen wird (BayVGH, B.v. 6.10.2000 - 2 CS 98.2373 - juris Rn. 16). Erforderlich ist deshalb ein besonderes Vollzugsinteresse, das im Falle der Baubeseitigung grundsätzlich nicht mit dem Interesse am Erlass des Bescheids identisch ist und regelmäßig im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 Abs. 1 und 2 VwGO grundsätzlich zu verneinen sein wird (Decker in Simon/Busse, BayBO, 144. EL September 2021, BayBO, Art. 76 Rn. 332 ff.). Bei Beseitigungsanordnungen ist deshalb regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (BayVGH, B.v. 28.3.2007 - 1 CS 06.3006 - juris Rn. 27). Selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung genügt in der Regel nicht, um deren sofortige Vollziehung zu begründen (BayVGH, B.v. 30.1.2019 - 9 CS 18.2533 - juris Rn. 25).
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Von dem Grundsatz, dass der Sofortvollzug einer Beseitigungsanordnung die Hauptsache in unangemessener Weise vorwegnimmt, hat die Rechtsprechung jedoch Ausnahmen zugelassen. Ein besonderes öffentliches Interesse für die sofortige Beseitigung wird bei einfachen Anlagen (wie z. B. Feldstadel, Werbeanlagen etc.), die problemlos und ohne großen Aufwand, vor allem ohne Substanzverlust, ab- und ggf. später, sollte sich die Beseitigungsanordnung als rechtswidrig erweisen, wiederaufgebaut werden können, zu bejahen sein, weil durch die Beseitigung keine endgültigen, nicht wieder umkehrbaren Verhältnisse geschaffen werden. Damit läuft auch der effektive Rechtsschutz nicht leer (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 76 Rn. 343 m.w.N.). Vorliegend handelt es sich um einen in einfacher Bauweise errichtete Holzeinfriedung. Der der Aufwand des Rückbaus ist als gering einzustufen, dabei können die Baumaterialien im Wesentlichen wiederverwendet werden. Die Anlage kann daher ohne größeren Substanzverlust beseitigt werden. Hinzu kommt, dass die Anlage aufgrund ihrer Größe von der Straße aus deutlich in Erscheinung tritt und vollständig einsehbar ist. Es besteht damit auch die konkrete Gefahr, dass das Vorhaben Nachahmer nach sich zieht (BayVGH, B.v. 19.3.2019 - 1 CS 18.2340 - juris Rn. 21), weil bei einem Abwarten bis zur Bestandskraft der Eindruck entstehen könnte, derartige Zustände würden - zumindest vorübergehend - von der Verwaltung hingenommen. Nach alledem setzt sich das öffentliche Interesse an der Beseitigung gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Antragsteller am weiteren Bestand durch.
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1.2 Auch hinsichtlich der in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Zwangsgeldandrohung bestehen keine Bedenken. Der Antragsgegner hat das ihm hierbei hinsichtlich des „ob“ und „wie“ zustehende Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt und die Entscheidung ausführlich begründet. Insbesondere bestehen weder hinsichtlich der Zwangsgeldhöhe von 2.500,00 Euro Bedenken, noch hinsichtlich der Frist. So kann die Beseitigung der Einfriedung technisch in kurzer Zeit durchgeführt werden.
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1.3 Im Ergebnis ist die Klage gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2021 voraussichtlich nicht erfolgreich. Damit überwiegt auch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Beseitigungsanordnung und der Zwangsgeldandrohung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Der Antrag war abzulehnen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei der Streitwert im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes halbiert wurde (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).