Titel:
Zur Einordnung eines Öls mit 30% CBD-Gehalt als Lebensmittel und Bewertung als (nicht) gesundheitsschädlich
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
LFGB § 39 Abs. 1, Abs. 7, § 42 Abs. 2 Nr. 5, § 44 Abs. 2 S. 1
BayVwVfG Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
VO (EU) 2017/625 Art. 138 Abs. 1 S. 1 lit. b
Lebensmittel-Basis-VO Art. 2 Abs. 1, Abs. 3, Art. 14, Art. 18 Abs. 2, Art. 19 Abs. 1 S. 2
Novel-Food-VO Art. 3 Abs. 2 lit. a Nr. iv, Art. 6 Abs. 2
Kosmetik-VO Art. 2 Abs. 1 lit. a
Leitsätze:
1. Stützt die Behörde die Anordnung des Rückrufs neben Art. 138 Abs. 1 S. 1 lit. b VO (EU) 2017/625 zudem auf § 39 LFGB, ist dies unbeachtlich, da die europarechtliche Vorschrift des Art. 138 VO (EU) 2017/625 in ihrem Anwendungsbereich Vorrang vor § 39 LFGB hat, der Regelungsgehalt der Rückrufsanordnung durch ein alleiniges Abstellen auf Art. 138 Abs. 1 S. 1 lit. b VO (EU) 2017/625 unberührt bleibt und sich insbesondere wegen der inhaltlichen und strukturellen Parallelen der Vorschriften auch in Bezug auf die Ermessensbetätigung keine wesentlichen Änderungen ergeben. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Begriff des Lebensmittels iSd Art. 2 Abs. 1 Lebensmittel-Basis-VO ist dem Schutzzweck der Verordnung entsprechend weit auszulegen. Erfasst sind alle Stoffe, die nach ihrer Zweckbestimmung von Menschen aufgenommen werden, auch wenn daneben noch ein anderer Verwendungszweck möglich ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für diese Zweckbestimmung ist ebenso wie in Bezug auf die Lebensmitteleigenschaft nicht allein die, auf dem inneren Willen beruhende, subjektive Vorstellung desjenigen, der das Erzeugnis herstellt oder auf dem Markt bereitstellt, ausschlaggebend, maßgebend ist vielmehr die allgemeine Verkehrsauffassung, also der Eindruck, den die beteiligten Verkehrskreise über die Verwendung des Erzeugnisses gewinnen. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Einstufung als gesundheitsschädlich ist nur auf die normalen Bedingungen der Verwendung abzustellen und nicht ein etwaiger unüblicher Gebrauch oder ein Verbrauch im Übermaß sowie ein Fehlgebrauch in Betracht zu ziehen. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
CBD-Öl, Anordnung der Übermittlung von lebensmittelrechtlichen Informationen, Produktrückruf, Definition von Lebensmitteln in Abgrenzung zu kosmetischen Mitteln, Verwendungszweck, Gesundheitsschädlichkeit eines Lebensmittels nicht gegeben, Rückruf, Übermittlung von Informationen, Hanf, Lebensmittelüberwachung, Cannabidiol, gesundheitsschädlich, Lebensmittel, kosmetisches Mittel, Zweckbestimmung, Anwendungsempfehlung, Prognoseentscheidung, Gesamtbetrachtung, Risikoanalyse, Arzneimittel, VO (EG) 178/2002, VO (EU) 2015/2283, VO (EG) 1223/2009
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.02.2023 – 20 CS 22.2652, 20 CS 22.2654
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38639
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 10. November 2022 gegen Nrn. 1, 2 und 3 des Bescheids der Stadt W. vom 4. November 2022 wird angeordnet.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin, die in der Rechtsform einer GmbH u.a. unterschiedliche Produkte mit Cannabinoid-Gehalt vertreibt, begehrt die Anordnung bzw. Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, in welchem diese die Übermittlung von Informationen bzgl. des streitgegenständlichen Öls mit 30% CBD-Gehalt sowie dessen Rückruf anordnet.
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1. Am 30. August 2022 wurde durch die Lebensmittelüberwachung der Stadt W. eine Planprobe „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold“ im Ladengeschäft der Antragstellerin amtlich zur Untersuchung entnommen.
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In dem der Antragsgegnerin übermittelten Befund/Gutachten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom 31. Oktober 2022 wird zu dem Produkt „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% Cannabidiol Vollspektrum Hanföl mit 24 Karat Gold“ unter anderem ausgeführt: Das Produkt trage auf der Schauseite den Hinweis „30% Cannabidiol Vollspektrum Hanföl“ sowie die Angabe „3000 mg“, welche sich offensichtlich auf die Gesamtmenge an CBD im Produkt beziehe. Auf einer Seitenfläche finde sich zudem die Angabe „30% CBD“, welche die gesamte Fläche fülle. Auf der Rückseite sei weiter ausgeführt: „Qualitatives, goldenes Hanföl mit dem vollen Spektrum an Cannabioniden, Flavonoiden und Terpenen. Ohne zusätzlich beigefügtes CBD. Zudem finde sich auf einer weiteren Seitenfläche die empfohlene Tagesdosis von 9 Tropfen, welche ca. 84 mg Cannabidiol entspreche. Die Hinweise „3000 mg“ bzw. „30% CBD“ seien zudem auf dem Etikett des Fläschchens wiederholt. Gleichzeitig befinde sich auf der Umverpackung sowie auf dem Etikett des Fläschchens die Anwendungsempfehlung: „Das Mundöl unter die Zunge tröpfeln, mind. 1 Minute einwirken lassen und danach mit Wasser ausspülen. Bei Bedarf 1-3 Tropfen bis zu 3 Mal täglich.“ Laut Kennzeichnung solle es sich bei dem Präparat daher (angeblich) um ein kosmetisches Mittel zur Mundpflege handeln. Dem könne jedoch nicht gefolgt werden. Die Zweckbestimmung des Produktes zur Pflege des Mundraums stehe im unmittelbaren Widerspruch zur sonstigen Produktkennzeichnung und Bewerbung. Bereits die Bezeichnung als „30% Cannabidiol Vollspektrum Hanföl“ bzw. entsprechende quantitative Verweise auf das enthaltene CBD würden aus Verbrauchersicht vielmehr dahingehend verstanden, dass der Konsum des vorliegenden Produkts hauptsächlich der Zufuhr von CBD diene. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, welche Art von „Bedarf“ im Rahmen des Anwendungshinweises angesprochen werde, sofern der Zweck der Anwendung des Produktes nicht die Einnahme und mithin die Aufnahme von CBD sei. Weiter werde das Produkt online zum Kauf angeboten. Hierbei fänden sich keinerlei Hinweise auf die Zweckbestimmung des Produkts zur Mundpflege. Auch ergebe sich aus dem online zu findenden Anwendungshinweis, „Bei Bedarf 1-3 Tropfen bis zu 3 x täglich verwenden. Die Dosis kann nach Bedarf und eigenem Ermessen erhöht werden.“, nicht, dass man den Mund nach der Anwendung mit Wasser spülen solle, stattdessen sei angeben, dass die angegebene Dosis sogar noch erhöht werden könne. Auf der Website fänden sich diverse Kundenbewertungen, welche zeigten, dass das Produkt auch von einem durchschnittlich informierten Verbraucher keinesfalls mit der Zweckbestimmung zur Mundpflege gekauft bzw. dafür angewendet werde. So führe eine Kundin an, das Öl helfe ihr gegen Arthrose, ein Kunde, das Öl habe super gegen seine Rückenschmerzen geholfen, und ein weiterer, es lindere seine Migräne sehr gut. Darüber hinaus betreibe der Produktverantwortliche auf der Website einen Blog, auf dem CBD diverse Eigenschaften zugeschrieben würden, welche über die Geeignetheit zur Mundpflege deutlich hinausgingen bzw. von denen kein Verbraucher erwarten dürfte, diese durch die Anwendung eines Mundkosmetikums zu erreichen. Es werde aufgeführt, die Anwendung von CBD wirke sich insbesondere auf die Bereiche Entspannung, Schlaf, Verdauung, Stressbewältigung aus. Hierbei heiße es explizit, dass das CBD-Öl eingenommen werden solle. Aufgrund der massiven Diskrepanz zwischen dem abgedruckten Hinweis zur Anwendung und der Produktaufmachung und -bewerbung sei nach vernünftigen Ermessen davon auszugehen, dass ein durchschnittlich informierter Verbraucher nach Ablauf der angegebenen Minute die Tropfen herunterschlucke, um das enthaltene CBD quantitativ aufzunehmen. In dem Anwendungshinweis sei auch nicht explizit aufgeführt, dass man das Öl ausspucken solle oder es nicht herunterschlucken dürfe. Ferner würden bereits weite Teile der Rechtsprechung von einer „gefestigten Verkehrserwartung“ hinsichtlich CBD-Ölen als „Lifestyle“- Produkte zur oralen Einnahme sowie von der Tatsache ausgehen, dass eine Listung derartiger Produkte als Aroma-Öl, Saatgut, Kosmetikum, Hanföl für Tiere oder dergleichen allein mit dem Zweck der Umgehung lebensmittelrechtlicher Vorschriften erfolge. Weiter sei zu berücksichtigen, dass das Produkt mit einer Nennfüllmenge von 10 ml über die Website der Antragstellerin zu einem Preis von 110,00 EUR vertrieben werde, was einem Literpreis von 11.000,00 EUR entspreche. Es sei davon auszugehen, dass ein durchschnittlich informierter Verbraucher ein derart teures Öl nach der angegebenen Verweildauer im Mund trotz gegenteiligem Hinweis in jedem Fall in der Erwartung, so den Teil des CBDs, welcher nicht bereits über die Mundschleimhaut resorbiert worden sei, aufzunehmen, herunterschlucken werde. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass offensichtlich widersinnige Anwendungsempfehlungen unbeachtlich seien. Das Produkt sei daher ein Lebensmittel i. S. v. Art. 2 VO (EG) 178/2002. Es könne sich bei dem Produkt auch nicht um ein kosmetisches Mittel handeln. In der Deklaration seien keine für die Mundpflege relevanten Inhaltsstoffe erkennbar und die Art der Anwendung, 1-3 Tropfen unter der Zunge einwirken lassen, sei für Mundwässer und ähnliche kosmetische Mittel zur Mundpflege nicht üblich. Ungeachtet dessen seien Stoffe, die dazu bestimmt seien eingenommen zu werden, grundsätzlich keine kosmetischen Mittel. In der vorliegenden Probe sei ein Gehalt von 282,7 g/kg CBD (= 28,3%) CBD nachgewiesen worden. Da verschiedene Cannabionide nachgewiesen worden seien, sei davon auszugehen, dass es sich bei der als „Cannabis Sativa Extract“ bezeichneten Zutat um einen cannabidiolreichen Extrakt aus der Hanfpflanze handele. Im Rahmen der toxikologischen Beurteilung des CBD-Gehalts der Probe wird zunächst ausgeführt, dass sich in Versuchen an menschlichen Probanden nach CBD-Gabe als kritischer Endpunkt der Toxizität von CBD die Schädigung der Leber erwiesen habe. Ausgehend von einer aktuellen Studie sei bzgl. CBD von einer Dosis von 4,3 mg/kg KG und Tag als niedrigsten Dosis mit beobachteter schädlicher Wirkung (Lowest Observed Adverse Effect Level - LOAEL) auszugehen. Unter Einrechnung eines Sicherheitsfaktors von 30 für die interindividuelle Variabilität sowie der Extraploration von einem LOAEL auf einen NOAEL (no adverse effect level), sei davon auszugehen, dass eine tägliche Aufnahmemenge von 0,143 mg/ pro Kilogramm Körpergewicht kurzfristig gesundheitlich duldbar sei. Die maximal empfohlene, tägliche Verzehrmenge von 9 Tropfen des streitgegenständlichen Öls mit 30% CBD entspreche einer Aufnahmemenge von 1,248 mg/ pro Kilogramm Körpergewicht. Da dieser festgestellte CBD-Gehalt die festgestellte tolerierbare Aufnahmemenge mit einen Faktor von 8,7 erheblich übersteige und die Grenze zum LOAEL für den Endpunkt Hepatotoxizität lediglich um den Faktor 3,4 unterschreite, sei davon auszugehen, dass schon wegen des Unterschreitens des auf Grund der pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Unterschiede innerhalb der menschlichen Bevölkerung notwendigen Sicherheitsfaktors von 10 gesundheitsschädliche Wirkungen bei einem Teil der Erwachsenen als wahrscheinlich anzusehen seien. Es sei somit davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Öl mit 30% CBD-Gehalt unter den normalen und vorhersehbaren Bedingungen seiner Verwendung durch den Verbraucher (Erwachsene) beim regelmäßigen Verzehr gesundheitsschädlich sei. Das streitgegenständliche Öl mit 30% CBD Gehalt sei daher insgesamt unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 3 und 4 VO (EG) 178/2002 als gesundheitsschädlich und damit als nicht sicher gemäß Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 zu beurteilen. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass es sich bei dem enthaltenen Hanfextrakt zudem um ein neuartiges Lebensmittel i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Ziffer iv) VO (EU) 2015/2283 handle, welches nicht Art. 6 Abs. 2 VO (EU) 2015/2283 entspreche.
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Mit E-Mail vom 2. November 2022 leitete die Antragsgegnerin den vormaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin das Gutachten des LGL vom 31. Oktober 2022 weiter und teilte mit, das Öl mit 30% CBD-Gehalt sei gesundheitschädlich und damit nicht sicher gem. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 und dürfe daher gem. Art. 14 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 nicht in den Verkehr gebracht werden. Die Antragstellerin werde daher umgehend, spätestens jedoch bis 2. November 2022, dazu aufgefordert, Namen und Adresse des Herstellers des Produktes mitzuteilen und dies mit entsprechenden Rechnungen und Lieferscheinen zu belegen, die vollständige Lieferliste des Produkts des Online-Fernabsatzhandels an Endverbraucher seit dem 1. Januar 2022 vorzulegen und gegebenenfalls Nachweise über weitere Vertriebswege an Endverbraucher vorzulegen.
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Mit Bescheid vom 4. November 2022 ordnete Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin folgendes an:
1. Die C. … hat dem Fachbereich Verbraucherschutz, Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung der Stadt W. folgende Informationen in Bezug auf das Produkt „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold“ zu übermitteln:
1.1 Name und Adresse des Herstellers des Produktes.
Als Nachweise sind entsprechende Rechnungen und Lieferscheine vorzulegen.
1.2 Lieferliste des Online-Fernabsatz-Handels des Produktes an Endverbraucher seit dem 01.01.2022;
1.3 Nachweise ggf. weiterer Vertriebswege an Endverbraucher.
2. Der Rückruf der seit dem 01.01.2022 in Verkehr gebrachten Ware Produkt „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold“ wird angeordnet.
3. Falls die C. G. den unter Ziffer 1 und Ziffer 2 dieses Bescheides getroffenen Anordnungen nicht innerhalb von zwei Tagen ab Bekanntgabe des Bescheides nachkommt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 1000,00 € zur Zahlung fällig.
4. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 dieses Bescheides wird angeordnet.
5. Die C. … hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 106,40 EUR festgesetzt. Auslagen werden nicht erhoben.
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In den Gründen des Bescheids ist im Wesentlichen ausgeführt: Nachdem die Stadt das Gutachten des LGL erhalten habe, habe sie handeln müssen, um zu unterbinden, dass nicht sichere Lebensmittel in den Verkehr gebracht würden.
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Es habe gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG von einer Anhörung abgesehen werden könne, da eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten gewesen sei. Nachdem die per E-Mail angeforderten Auskünfte nicht fristgemäß erteilt worden seien, sei eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig erschienen.
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Die Anordnungen unter Ziffer 1 beruhten auf Art. 138 Abs. 1 VO (EU) 2017/625 i. V. m. § 39 Abs. 1 LFGB i. V. m. § 44 Abs. 2 Satz 1 i. V. m § 42 Abs. 2 Nr. 5 LFGB und § 44 Abs. 3 Satz 1 LFGB i. V. m. Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EG) 178/2002. Mit E-Mail vom 2. November 2022 sei die C. … aufgefordert worden, dem Fachbereich Verbraucherschutz, Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung der Stadt Würzburg umgehend die erforderlichen Auskünfte über die Herkunft und den Vertrieb des beanstandeten Produktes „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold zu erteilen. Dieser Aufforderung sei die C. nicht nachgekommen. Die C. G. habe demnach gegen ihre gesetzlichen Mitwirkungs- und Übermittlungspflichten verstoßen. Um die Ca. künftig mit Nachdruck zur Erfüllung dieser Verpflichtungen anzuhalten, seien die unter Ziffer 1 dieses Bescheides genannten Anordnungen getroffen worden. Der unter Ziffer 2 dieses Bescheides angeordnete Rückruf des Produktes „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold“ stütze sich auf Art. 138 Abs. 1. i. V. m. Abs. 2 Buchst. g) VO (EU) 2017/625 i. V. m. Art. 19 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 i. V. m. mit § 39 Abs. 1 LFGB. Die unter Nr. 1 und 2 des Bescheides getroffenen Anordnungen entsprächen pflichtgemäßer Ermessensausübung. Nachdem die C. - … ihren gesetzlichen Mitwirkungs- und Übermittlungspflichten nicht nachgekommen sei, sei ein Einschreiten der Stadt unabdingbar notwendig gewesen, um die Erfüllung dieser Verpflichtungen mit Nachdruck sicherzustellen. Die Anordnungen seien geeignet, die Einhaltung der Mitwirkungs- und Übermittlungspflichten sowie der Verpflichtung des Lebensmittelunternehmers, das Produkt „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold, welches den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit nicht entspreche, zurückzurufen, gegenübender C. … nachdrücklich geltend zu machen. Sie seien auch erforderlich, da keine gleich wirksamen, die C. … weniger belastenden Mittel ersichtlich seien. Die Anordnungen seien zudem angemessen, da sie den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherstellen sollen. Das öffentliche Interesse übersteige somit das wirtschaftliche Interesse der C. an der ungehinderten Ausübung des Betriebes. Die Androhung von Zwangsgeld unter Nr. 3 des Bescheids stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG und solle die Antragstellerin mit Nachdruck dazu veranlassen, die angeordneten Maßnahmen zu erfüllen und künftig zu befolgen bzw. zu dulden. Die sofortige Vollziehung unter Ziffer 3 dieses Bescheides werde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse angeordnet, da nur durch die fristgerechte Erfüllung der unter Nummern 1 und 2 des Bescheids erlassenen Anordnungen der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit sichergestellt werden könne. Hier liege zudem eine besondere Eilbedürftigkeit vor. Das Gutachten des LGL vom 31. Oktober 2022 beurteile die Probe „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold CBD-ÖI“ als gesundheitsschädlich und damit als nicht sicher gemäß Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2022. Da die menschliche Gesundheit als höchstes Gut angesehen werden könne, sei es von herausragender Bedeutung, die Herkunfts- und Betriebswege des gesundheitsschädlichen Produkts zu ermitteln und zudem das weitere Inverkehrbringen von gesundheitsschädlichen Produkten zu unterbinden. Das Interesse der Allgemeinheit übersteige somit eindeutig das wirtschaftliche Interesse des Gewerbetreibenden an der ungehinderten Ausübung des Gewerbebetriebs. Aufgrund des hohen Stellenwertes der gefährdeten Rechtsgüter könne mit dem Vollzug der Anordnungen nicht bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides gewartet werden. Die Kostenentscheidung beruhe auf Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 Satz 2 KG i. V. m. mit Tarif-Stelle 7.1X.11/5.7 des Bayerischen Kostenverzeichnisses.
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2. Am 10. November 2022 ließ die Antragstellerin unter dem Aktenzeichen W 8 K 22.1677 Klage gegen den Bescheid erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 10. November 2022 gegen den Bescheid vom 04.11.2022, Az. … … … wird wiederhergestellt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Verfügung sei rechtswidrig und verletze die Rechte der Antragstellerin. Weder handele es sich um ein gesundheitsschädliches Lebensmittel, noch sei die Anordnung des Rückrufs rechtmäßig. Auch die Begründung des Sofortvollzugs entspreche nicht den Vorgaben der aktuellen Rechtsprechung. Der Bescheid sei bereits mangels Anhörung i. S. d. § 28 Abs. 1 VwVfG rechtswidrig. Darüber hinaus handele es sich bei dem streitgegenständlichen Präparat nicht um ein Lebensmittel, sondern um ein kosmetisches Erzeugnis. Auf dem Produkt heiße es klar und deutlich: „Zur Pflege des Mundraumes. Anwendungsempfehlung: Das Mundöl unter die Zunge tröpfeln, mind. 1 Minute einwirken lassen und danach mit Wasser ausspülen. Bei Bedarf 1-3 Tropfen bis zu 3 x täglich.“ Ein Mundpflegeöl stelle aus Verbrauchersicht ein Kosmetikum dar. Das Produkt würde die Voraussetzungen der Legaldefinition des Kosmetikums des Art. 2 Buchst. a) VO (EG) 1223/2009 erfüllen. Es handle sich um „Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen.“ Es sei zu berücksichtigen, dass dies nicht der ausschließliche Zweck sein müsse, sondern dass bei einem Kosmetikum auch andere Zwecke untergeordnet verfolgt werden dürften. Die Zweckbestimmung des Produktes zur Mundpflege stehe auch nicht im Widerspruch zur sonstigen Produktkennzeichnung. Dass es als CBD-Öl bezeichnet werde und mithin der Wirkstoff CBD benannt werde, sei auch bei einem Kosmetikum nichts Ungewöhnliches. Bei CBD handele es sich um einen ambivalenten Wirkstoff, der in einer Vielzahl von Produktkategorien zu finden sei, eben auch als Wirkstoff in kosmetischen Erzeugnissen. Es werde auf die Einordnung von Zahnpflegekaugummis und Anti-Karies Bonbons als kosmetische Mittel verwiesen, und dass dabei die Tatsache, dass die Inhaltstoffe bzw. das Produkt beim Lutschen bzw. Kauen naturgemäß auch - durch den Speichelfluss - in den menschlichen Körper Aufnahme finde, nicht gegen die Einordnung als kosmetisches Mittel spreche, da nicht die Aufnahme, sondern aufgrund der Aufmachung - für den Verkehr erkennbar - der zahnpflegende und frischefördernde Zweck im Vordergrund stehe. Es sei nicht der Zweck dieser Produkte, den Magen zu erreichen, sondern nur seine zwangsläufige Folge. Notwendig sei, dass der Zweck zur Reinigung und Pflege überwiege. Bei dem streitgegenständlichen CBD-Öl ergebe sich aus seiner Kennzeichnung unschwer die überwiegende Zweckbestimmung zur Mundpflege, welche eine klassische Zweckbestimmung eines kosmetischen Erzeugnisses gemäß Art. 2 Abs. 1a der VO 1223/2009/EG darstelle, da damit gleich mehrere kosmetische Zwecke erfüllt würden, wie die Pflege, der Schutz und die Erhaltung des guten Zustands. Auch die Gestaltung des Produktes im Übrigen, nämlich eine Ingredients-Liste sei klassisch für kosmetische Erzeugnisse. Lebensmittel würden hingegen eine Zutatenliste aufweisen und keine englischsprachigen Ingredients. Auch fehle eine für Lebensmittel typische Nährwerttabelle. Es schade nicht, dass im Rahmen der Gesamtaufmachung der Inhaltsstoff Cannabidiol genannt werde. Nach der Rechtsprechung komme es maßgeblich auf den Wirkort (Mundhöhle) und die Zweckbestimmung (Mundpflege) und nicht die Zusammensetzung der Stoffe an. Das Gesetz verlange vielmehr die Würdigung des Gesamtprodukts im Hinblick auf die Erwartungen eines durchschnittlich informierten Verbrauchers. Im Gesamteindruck des streitgegenständlichen CBD-Öls würden jedoch Pflege, Schutz und Erhaltung der Mundflora sowie die Produktbezeichnung als Kosmetikum die weit überwiegende Rolle spielen. Bei einem kosmetischen Mittel sei es nicht unzulässig, dass darüber hinaus auch untergeordnet entzündungsfördernde Mikroorganismen bei Hautwunden vorgebeugt werden könnten. Auch die Definition des Pflegebegriffs werde von der Kommentarliteratur so verstanden, dass damit gleichzeitig auch der Schutz vor krankhaften Zuständen gemeint sei. Die aus der Abgrenzung von Arzneimitteln zu kosmetischen Mitteln getroffenen Erwägungen, dass es auf die überwiegende Zweckbestimmung des Produkts ankomme, müssten auch für die Abgrenzung zwischen kosmetischen Mitteln und Lebensmitteln gelten. Die Antragstellerin bezwecke nicht die Umgehung des Lebensmittelrechts. Gegen eine solche Umgehung spreche bereits, dass sowohl die Cannabis sativa-Pflanze als auch Cannabidiol grundsätzlich in kosmetischen Erzeugnissen erlaubt seien, sofern die Vorgaben des Suchtübereinkommens eingehalten seien, also das Produkt keine berauschende Wirkung habe. Sowohl für die Pflanze Cannabis sativa als auch Cannabidiol gebe es sog. INCI-Bezeichnungen, die unter der Liste kosmetischer Bestandteile abgerufen werden könnten. Wäre eine Verwendung von Cannabis sativa-Pflanzenbestandteilen in kosmetischen Erzeugnissen nicht möglich, dürfte es auch keine entsprechende INCI-Bezeichnung geben. Dementsprechend seien Cannabis-Bestandteile nur dann in kosmetischen Erzeugnissen unzulässig, wenn sie mit z.B. Cannabis-Blüten oder -Fruchtständen eine rauschhafte Wirkung hätten, was hier unstreitig nicht der Fall sei. Dementsprechend seien die kosmetischen Wirkungen von Hanf (Cannabis sativa), aber auch von Cannabidiol allgemein in der Fachliteratur und bei interessierten Verbrauchern anerkannt. Dem Cannabidiol würden in kosmetischen Mitteln die Eigenschaften hautschützend, hautpflegend, antiseborrhoisch und als Antioxidant zugeschrieben. Entsprechend sei eine Vielzahl von kosmetischen Hanf- und CBD-Erzeugnissen auf dem Markt erhältlich. Vor diesem Hintergrund erwarte der aufmerksame, verständige Durchschnittsverbraucher bei Mundpflege-Kaugummi durchaus eine entsprechende kosmetische Wirkung von Cannabis bzw. Cannabidiol. Auch die Europäische Kommission führe den kosmetischen Inhaltsstoff Cannabidiol u. a. mit den kosmetischen Funktionen „antioxidativ, hautschützend“. Dies sei entsprechend nützlich für die Mundpflege. Ferner werde auf Rechtsprechung verwiesen, nach der für das Vorliegen eines Lebensmittels die Aufnahme durch den Magen-Darm-Trakt notwendig sei und eine Aufnahme über die Mundschleimhaut oder nur in marginalem Umfang über den Magen-Darm-Trakt nicht genüge. Auch hierbei sei auf den bestimmungs- bzw. erwartungsgemäßem Gebrauch des Produkts abzustellen. Überdies sei für die Feststellung der Verbrauchererwartung unerheblich, ob Lebensmittel mit CBD-Zusatz verkehrsfähig seien oder nicht. Es sei den Quellen unstreitig zu entnehmen, dass sich zahlreiche CBDhaltige Erzeugnisse auf dem Markt als Nahrungsergänzungsmittel und als kosmetische Erzeugnisse befänden und damit die Verkehrsauffassung prägten. Soweit darauf abgestellt werde, dass aus Kundenbewertungen eine andere Zweckbestimmung ersichtlich werde, wie z. B. die Anwendung gegen Schmerzen, seien diese dem Lebensmittelunternehmer nicht zuzurechnen und daher außer Betracht zu lassen. Da es sich somit bereits nicht um ein Lebensmittel, sondern um ein kosmetisches Erzeugnis handle, sei Art. 14 der VO (EG) 178/2002 von vornherein nicht anwendbar.
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Das CBD-Öl mit 30% CBD-Gehalt sei darüber hinaus nicht gesundheitsschädlich i. S. d. Art. 14 Abs. 2 a) der VO (EG) 178/2002. Zunächst sei festzustellen, dass das Produkt gerade keine orale Zweckbestimmung aufweise. In der Anwendungsempfehlung heiße es dagegen ausdrücklich „Das Mundöl unter die Zunge tröpfeln, mind. 1 Minute einwirken lassen und danach mit Wasser ausspülen.“ Diese sei auch für die Bewertung als gesundheitsschädlich ausschlaggebend, da sie die bestimmungsgemäße Anwendung darstelle. Für einen Missbrauch durch den Anwender hafte der Inverkehrbringer nicht. Da in der Bewertung als gesundheitsschädlich nicht berücksichtigt werde, dass die Verbraucher das Produkt gerade nicht in vollem Umfang herunterschlucken sollten, gehe die Beurteilung bereits von einem völlig falschen Sachverhalt und einer falschen Anwendung aus. Vor diesem Hintergrund seien entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse zum oralen Verzehr bestimmter Mengen nicht auf das Produkt übertragbar. Da es sich somit um ein verkehrsfähiges Produkt handle, gebe es keine Veranlassung, die entsprechenden Daten von Hersteller, Rechnungen, Lieferscheine, Lieferliste und Vertriebswege an Endverbrauchern anzugeben.
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Vor diesem Hintergrund sei der Rückruf des Produktes rechtswidrig. Ein solcher komme nach der Rechtsprechung nur in Betracht, wenn die Produkte nicht nur nicht verkehrsfähig seien, sondern darüber hinaus gesundheitsschädlich seien. Wenn kein konkretes Gesundheitsrisiko ersichtlich sei, scheide ein Rückruf der Ware aus. Vorliegend sei das Gesundheitsrisiko bereits ausgeschlossen.
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Die Anordnung des Sofortvollzugs sei rechtswidrig. Die Begründung des Sofortvollzugs beschränke sich auf Ausführungen zur angeblichen, abstrakten Gesundheitsschädlichkeit, ohne überhaupt auch nur Details anzugeben, um was für Risiken es gehen solle und welche Intensität diese aufweisen sollten. Diese genüge den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO nicht, wonach die Notwendigkeit des Sofortvollzugs im konkreten Einzelfall begründet werden müsse. Es müsse gewährleistet sein, dass die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt wurden. Formelhafte Begründungen genügten diesem Erfordernis nicht. Den erforderlichen Einzelfallbezug weise der Bescheid nicht auf. Die Begründung beschränke sich darauf, dass ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung ein Rechtsmittel aufschiebende Wirkung entfalten würde. Die bloße Wiederholung der Rechtsfolge der Anordnung der sofortigen Vollziehung könne nicht die Begründung der Notwendigkeit dieser Maßnahmen im Einzelfall ersetzen. Auch seien keine Gründe für den Sofortvollzug angeführt, die über die Gesichtspunkte hinausgingen, die den Erlass des Verwaltungsakts trügen. Die Begründung stütze sich im Wesentlichen auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Produktes. Das alleinige Abstellen, dass es im Interesse der Allgemeinheit und des Verbraucherschutzes sei, das Inverkehrbringen nicht zugelassener neuartiger Lebensmittel zu unterbinden, genüge nicht. Diese Interessenlage sei grundsätzlich immer gegeben. Hierdurch werde nicht auf den konkreten Einzelfall abgestellt. Dass das Inverkehrbringen nicht zugelassener neuartiger Lebensmittel verhindert werden solle, entspreche insoweit einer Verpflichtung, die sich ohnehin schon aus der Novel-Food-Verordnung ergebe. Darüber hinaus überwiege das öffentliche Sofortvollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht. Es sprächen vielmehr gewichtige Gründe dafür, dass der Bescheid rechtswidrig sei und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt werde, da es sich weder um ein Lebensmittel handle noch eine Gesundheitsschädlichkeit vorliege und daher das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege.
14
Mit Schreiben vom 10. November 2022 erhob der Verfahrensbevollmächigte zeitlich nach der Klage für die Antragstellerin Widerspruch gegen die Anordnungen.
15
Mit Beschluss vom 11. November 2022 ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Stadt W. vom 4. November 2022, bis das Gericht im vorliegenden Sofortverfahren über den Antrag der Antragstellerin vom 10. November 2022 entschieden hat, an (I.) und untersagte der Antragsgegnerin, bis zu dem vorgenannten Zeitpunkt vollendete Tatsachen zu schaffen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind (II.)
16
Mit Schreiben vom 23. November 2022 beantragte die Antragsgegnerin:
17
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 10. November 2022 (Az. W 8 S 22.1678) gegen den Bescheid der Stadt W. vom 4. November 2022, Az. … … …, wird abgelehnt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen aufgeführt, der Antrag sei unbegründet. Von einer Anhörung vor Bescheidserlass habe gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG abgesehen werden können, da eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten gewesen sei, nachdem die per E-Mail angeforderten Auskünfte nicht fristgerecht erteilt worden seien, um zeitliche Verzögerungen bei der Ermittlung der Herkunfts- und Vertriebswege zu vermeiden und zudem den Rückruf des gesundheitsschädlichen Produkts zum Schutz der Verbraucher möglichst rasch umzusetzen. Im Übrigen könne die Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG. Bei dem Produkt handle es sich um ein Lebensmittel. Es werde auf den entsprechenden Abschnitt in der Stellungnahme des LGL 21. November 2022 Bezug genommen, in dem dieses seine Ausführungen aus seinem Befund/Gutachten vom 31. Oktober 2022 wiederhole und weitergehend ausführe, dass ein durchschnittlich informierter Verbraucher vorliegend der Zweckbestimmung „Zur Pflege des Mundraums“ wenig Glaubwürdigkeit zuerkennen würde, da diese im Rahmen der Kennzeichnung nicht einmal ansatzweise mit weiteren, konkreten Zweckbestimmungen untermauert werde. Ein durchschnittlich informierter Verbraucher würde bei einem zur Mundpflege bestimmten kosmetischen Mittel weitere, konkrete Aussagen zu reinigenden oder parfümierenden Wirkungen („saubere Zähne“, „frischer Atem“, etc.) erwarten. Darüber hinaus würden durchschnittlich informierte Verbraucher CBD keinesfalls als einen Stoff zur Mundpflege sehen, sondern die physiologischen Wirkungen von CBD bei der jeweiligen Kaufentscheidung im Vordergrund sehen. Ihnen seien CBD-Öle durch den jahrelangen (obgleich unzulässigen) Vertrieb als Nahrungsergänzungsmittel als zur Einnahme bestimmte Produkte hinreichend bekannt. Dies ergäben auch mehrere Umfragen unter Verbrauchern. Ferner seien für CBD keinerlei mundpflegende Wirkungen bekannt. Das in Rede stehende Präparat wäre somit aufgrund seiner stofflichen Zusammensetzung schon vollkommen ungeeignet, um den angeblichen Zweck des Produktes zur Mundpflege zu erfüllen. Auch deshalb könne die Einstufung von „Zahnpflegekaugummis“ als kosmetische Mittel mangels Vergleichbarkeit mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht auf die Öle übertragen werden. Für die Einordnung von Kaugummis sei überdies immer eine Einzelfallprüfung notwendig. Dass das Produkt über eine englischsprachige Ingredients-Liste, aber über kein Nährwertkennzeichnung verfüge, führe nicht zu einer Einordnung als kosmetisches Mittel. Denn bei den Angaben auf den streitgegenständlichen Produkten handle es sich nicht um qualitative Angaben zum bloßen Vorhandensein von Stoffen, wie sie auch bei Kosmetika üblich wären, sondern um quantitative Angaben, die sogar auf die konkrete Tagesdosis bezogen seien. Derartige quantitative Angaben würden über die auch auf anderen kosmetischen Mitteln zu findenden rein qualitativen Angaben deutlich hinausgehen und seien eher für Nahrungsergänzungsmittel als für Kosmetika typisch. Daraus, dass eine INCI-Bezeichnung für CBD existiere, könnten keine Schlüsse über die Zulässigkeit und Verkehrsfähigkeit des entsprechenden Stoffes auf dem europäischen Markt abgeleitet werden, da es sich bei den INCI-Bezeichnungen um eine internationale Nomenklatur handele, welche aus den USA herausgeführt werde. Dass für den „Cannabis Sativa Extract“ ein entsprechender Eintrag im Glossar gemäß Art. 33 VO (EG) 1223/2009 existiere, führe zu keiner anderen Bewertung, da der Glossar gemäß Art. 33 Abs. 1 Satz 3 VO (EG) 1223/2009, keine Liste von Stoffen darstelle, deren Verwendung in kosmetischen Mitteln zulässig sei. Auch reiche eine bloß abweichende Bezeichnung nicht, um eine Lebensmitteleigenschaft des jeweiligen Erzeugnisses auszuschließen, noch dazu, wenn diese (wie vorliegend ebenfalls der Fall) aus Sicht eines durchschnittlich informierten Verbrauchers nicht plausibel sei. Dass aufgrund von Cremes mit CBDGehalt CBD von Verbrauchern nicht zwangsläufig mit einer oralen Anwendung assoziiert werde, führe ebenfalls zu keiner anderen Zweckbestimmung. Ein Öl sei aufgrund der abweichenden Darreichungsform im Gegensatz zu einer Creme nicht zweifelsfrei äußerlich anzuwenden. CBD-Öle seien den Verbrauchern vielmehr als Produkte zur Einnahme bekannt. Die Lebensmitteleigenschaft sei auch nicht ausgeschlossen, da das Öl nach Anwendungsempfehlung nach dem Einwirken ausgespült werden solle. Die Lebensmitteldefinition erfordere lediglich eine Aufnahme des Produkts durch den Menschen, welche auch über die Mundschleimhaut erfolgen könne. Vorliegend würde das Öl aber sowieso entsprechend seiner Zweckbestimmung über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen.
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Die sichergestellte Ware „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold“ sei gesundheitsschädlich. Auch diesbezüglich werde auf den entsprechenden Abschnitt in der Stellungnahme des LGL 21. November 2022 Bezug genommen, in dem dieses seine Ausführungen aus seinem Befund/Gutachten 31. Oktober 2022 wiederhole und weitergehend zur Risikobewertung des Produktes anhand einer vollständigen Aufnahme von 9 Tropfen des Öls vortrage.
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Der Rückruf des streitgegenständlichen Produktes sei rechtmäßig. Durch die Sachverständigen des LGL sei eine Gesundheitsschädlichkeit i. S. v. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 festgestellt und begründet worden. Die Information der Verbraucher über gesundheitsschädliche Lebensmittel, die den Verbraucher bereits erreicht hätten oder erreicht haben könnten, sei primär eine Pflicht des Lebensmittelunternehmers (vgl. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 VO (EG)178/2002). Hierbei würden sämtliche Lebensmittelunternehmer in die Pflicht genommen, die das Lebensmittel eingeführt, erzeugt, verarbeitet, hergestellt oder vertrieben hätten. Die für den jeweiligen Lebensmittelunternehmer zuständige Kreisverwaltungsbehörde trage durch geeignete Maßnahmen Sorge dafür, dass die betroffenen Lebensmittelunternehmer diesen Pflichten zum Schutze der Verbraucher auch nachkämen. Hierzu gehöre auch die Durchsetzung mittels Anordnungen, Art. 138 Abs. 2 Buchst. g) VO (EU) 2017/625. Nachdem die Antragstellerin dieser Pflicht nicht umgehend nachgekommen sei und infolge der anwaltlichen Beauftragung auch keine entsprechende freiwillige Handlung hättet erwartet werden können, habe in Vollzug der europarechtlich begründeten Verpflichtungen die behördliche Anordnung des Rückrufs unter Ziffer 2 des Bescheides vom 4. November 2022 erfolgen müssen, da mildere Mittel nicht ersichtlich seien.
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Zur vorgetragenen Rechtswidrigkeit des Sofortvollzuges wird ausgeführt: Nr. 1 und 2 des Bescheids vom 4. November 2022 seien ungeachtet der im Bescheid gegebenen Begründung bereits kraft Gesetzes gem. § 39 Abs. 7 Nr. 1 LFGB sofort vollziehbar, da das Öl mit 30% CBD-Gehalt gesundheitsschädlich und damit nicht sicher gemäß Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) der VO (EG) 178/2002 sei.
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3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich des Verfahrens W 8 K 22.1677) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig und - nur - im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist er unbegründet.
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Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (§ 122 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 88 VwGO) ist ihr Antragsbegehren dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen Nr. 1 und 2 des Bescheides gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO begehrt, da und soweit diese vorliegend bereits kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 39 Abs. 7 LFGB entfällt. Für die Frage, ob die sofortige Vollziehbarkeit nach § 39 Abs. 7 LFGB eintritt, kommt es nicht darauf an, ob die Anordnung der Behörde zu Recht von der Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen der dort genannten Normen ausgeht, beispielsweise von einer (möglichen) Gesundheitsschädlichkeit nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002. Vielmehr wird der Sofortvollzug schon dann ausgelöst, wenn die Behörde - wie hier - eine Gesundheitsschädlichkeit angenommen hat und eine Anordnung erlassen hat, die dem Schutz der Gesundheit zu dienen bestimmt ist (vgl. im Einzelnen m.w.N. VG Würzburg, B.v. 16.12.2020 - W 8 S 20.1841 - juris Rn. 20).
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Da die Nr. 3 und 5 des streitgegenständlichen Bescheides, die Zwangsgeldandrohung sowie die Kosten und Gebührenfestsetzung ebenfalls kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 i. V. m. Art. 21a VwZVG) ist der Antrag der Antragstellerin bei verständiger Würdigung (§ 122 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 88 VwGO) ebenfalls dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO gegen die Nr. 3 und 5 des Bescheids begehrt.
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1. Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Anordnung der Übermittlung von Informationen in Bezug auf das Produkt „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold“ (Nr. 1 des Bescheids vom 2. November 2022) ist begründet.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3a VwGO ganz oder teilweise anordnen bzw. im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
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Eine summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass die Klage der Antragstellerin hinsichtlich Nr. 1 und Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids voraussichtlich Erfolg haben wird. Die getroffenen Regelungen sind voraussichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Bescheid vom 4. November 2022 ist formell rechtmäßig. Soweit die Antragstellerin einen Anhörungsmangel geltend macht, ist festzuhalten, dass eine Anhörung gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG noch bis zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und damit zum Abschluss des gegenwärtig noch anhängigen Hauptsacheverfahrens nachgeholt werden könnte. Sowohl im Sofortverfahren als auch im Klageverfahren besteht ausreichend Gelegenheit, die Belange des Antragstellers geltend zu machen (vgl. auch VGH BW, B.v. 5.7.2022 - 1 S 1224/22 - juris Rn. 7). Infolgedessen wäre ein schlichter Anhörungsmangel nicht geeignet, einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Erfolg zu verhelfen. Ein heilbarer Formmangel des Bescheides rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass die betreffende Klage voraussichtlich erfolgreich sein werde. Eine Aussetzung der erforderlichen Vollziehung ist angesichts einer erfolgten bzw. noch zu erwartenden Heilung einer möglicherweise zu Unrecht unterbliebenen ausreichenden Anhörung nicht geboten (VG Würzburg, B.v. 10.2.2021 - W 8 S 21.117 - juris Rn. 27 m.w.N.). Vorliegend wurde die Anhörung aber jedenfalls bereits im Sinne des Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG nachgeholt, indem sich die Antragsgegenerseite in ihrer Antragserwiderung, auch unter Bezugnahme auf das LGL, mit dem ausführlichen Vortrag der Antragstellerin auseinandergesetzt hat.
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Rechtsgrundlage der Anordnungen in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids, die Anordnung der Übermittlung von Informationen bzgl. des Öls mit 30% CBD-Gehalt, ist bzgl. Nr. 1.1 des Bescheides Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 i. V. m. Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 i. V. m. Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EG) 178/2002 und bzgl Nrn. 1.2 und 1.3. Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 i. V. m. Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 i. V. m. § 39 LFGB i. V. m.§ 44 Abs. 2 Satz 1 LFG i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 5 LFGB i. V. m. Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002. Nach Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 ergreifen die zuständigen Behörden, wenn sie einen Verstoß gegen das Lebensmittelrecht festgestellt haben, geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen berücksichtigen die zuständigen Behörden die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften, Art. 138 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 2017/625. Wenn die zuständigen Behörden im Einklang mit Absatz 1 tätig werden, ergreifen sie alle ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 zu gewährleisten, Art. 138 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VO (EU) 2017/625. Nach Art. 14 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 dürfen Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in Verkehr gebracht werden. Dabei gelten nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 Lebensmittel als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie gesundheitsschädlich sind. Gem. § 18 Abs. 2 Unterabs. VO (EG) 178/2002 richten Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer Systeme und Verfahren ein, mit denen sie den zuständigen Behörden auf Aufforderung jede Person mitteilen können, von der sie ein Lebensmittel, Futtermittel, ein der Lebensmittelgewinnung dienendes Tier oder einen Stoff, der dazu bestimmt ist oder von dem erwartet werden kann, dass er in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet wird, erhalten haben. Gem. § 39 Abs. 1 LFGB treffen die für die Überwachung von Lebensmitteln zuständigen Behörden die Maßnahmen, die nach den Artikeln 137 und 138 VO (EU) 2017/625 zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, erforderlich sind. Gem. § 42 Abs. 2 Nr. 5 LFGB sind die mit der Überwachung beauftragten Personen, […] soweit es zur Überwachung der Einhaltung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union, dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlich ist, befugt, von natürlichen und juristischen Personen und nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen alle erforderlichen Auskünfte, insbesondere solche über die Herstellung, das Behandeln, die zur Verarbeitung gelangenden Stoffe und deren Herkunft, das Inverkehrbringen und das Verfüttern zu verlangen. Gem. § 44 Abs. 2 Satz 1 LFB sind die in § 42 Abs. 2 Nr. 5 LFGB genannten Personen und Personenvereinigungen verpflichtet, den in der Überwachung tätigen Personen auf Verlangen unverzüglich die dort genannten Auskünfte zu erteilen.
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Rechtsgrundlage der Anordnung des Rückrufs in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 i. V. m. Art. 138 Abs. 2 Buchst. g) VO (EU) 2017/625 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 i. V. m. Art. 19 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002. Dass sich die Antragsgegnerseite zudem auf § 39 LFGB stützen will, ist unbeachtlich, da die europarechtliche Vorschrift des Art. 138 VO (EU) 2017/625 in ihrem Anwendungsbereich Vorrang vor § 39 LFGB hat, der Regelungsgehalt der Rückrufsanordnung durch ein alleiniges Abstellen auf Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 unberührt bleibt und sich insbesondere wegen der inhaltlichen und strukturellen Parallelen der Vorschriften auch in Bezug auf die Ermessensbetätigung keine wesentlichen Änderungen ergeben (vgl. VGH BW, B.v. 17.9.2020 - 9 S 2343/20 - juris; zur Vorgängerregelung schon BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 3 C 7/14 - juris Rn. 15 und VG Würzburg, B.v. 27.7.2018 - W 8 S 18.904 - LMuR 2018, 261, m.w.N). Zu den nach § 138 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 ergreifbaren Maßnahmen, gehört u.a. die Anordnung des Rückrufs, die Rücknahme, die Beseitigung und die Vernichtung von Waren (Art. 138 Abs. 2 Buchst. g) VO (EU) 2017/625). Nach Art. 19 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 leitet ein Lebensmittelunternehmer, wenn er erkennt oder Grund zu der Annahme hat, dass ein von ihm eingeführtes, erzeugtes, verarbeitetes, hergestelltes oder vertriebenes Lebensmittel den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit nicht entspricht, unverzüglich Verfahren ein, um das betreffende Lebensmittel vom Markt zu nehmen, sofern das Lebensmittel nicht mehr unter der unmittelbaren Kontrolle des ursprünglichen Lebensmittelunternehmers steht, und um die zuständigen Behörden darüber zu unterrichten. Wenn das Produkt den Verbraucher bereits erreicht haben könnte, unterrichtet der Unternehmer die Verbraucher effektiv und genau über den Grund für die Rücknahme und ruft erforderlichenfalls bereits an diesen gelieferten Produkten zurück, wenn andere Maßnahmen zur Erzielung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nicht ausreichen.
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Das Gericht hat zunächst bei summarischer Prüfung keine Zweifel daran, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold“ um ein Lebensmittel handelt und daher die aufgeführten lebensmittelrechtlichen Vorschriften Anwendung finden. Nach überschlägiger Prüfung ist unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 3 und 4 VO (EG) 178/2002 jedoch nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen, dass das streitgegenständliche Produkt gesundheitsschädlich ist und daher mangels lebensmittelrechtlicher Sicherheit gemäß Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 nicht in Verkehr gebracht werden darf. Mithin liegt nach überschlägiger Prüfung kein Verstoß i. S. d. Art. 138 VO (EU) 2017/625 vor. Es konnte daher voraussichtlich weder die Übermittlung von Informationen bzgl. des Öls mit 30% CBD-Gehalt gem. Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 i. V. m. Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EG) 178/2002 i. V. m. § 39 LFGB i. V. m. § 44 Abs. 2 Satz 1 LFG i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 5 LFGB i. V. m. Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 noch der Rückruf des Produktes gemäß Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) i. V. m. Art. 138 Abs. 2 Buchst. g) VO (EU) 2017/625 i. V. m. Art. 19 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 angeordnet werden.
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Bei dem streitgegenständlichen Öl mit 30% CBD-Gehalt handelt es sich nach der hier einzig möglichen und gebotenen summarischen Prüfung um ein Lebensmittel i. S. d. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002.
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Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Damit sind zunächst alle Stoffe erfasst, die nach ihrer Zweckbestimmung von Menschen aufgenommen werden, auch wenn daneben noch ein anderer Verwendungszweck möglich ist. Der Begriff des Lebensmittels ist dem Schutzzweck der Verordnung entsprechend weit auszulegen (vgl. Rohnfelder/Freytag in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand 242. EL Juni 2022, § 2 LFBG Rn. 7 ff.; NdsOVG, B.v. 9.2.2021 - 13 ME 580/20 - juris Rn. 24). So stellt auch Art. 2 Abs. 2 VO (EG) 178/2002 klar, dass auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe (einschließlich Wasser), die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden, zu den Lebensmitteln zählen. Schließlich bestimmt Art. 2 Abs. 3 VO (EG) 178/2002, dass einzelne Erzeugnisse, wie u.a. kosmetische Mittel sowie Arznei- und Futtermittel, nicht zu den Lebensmitteln gehören. Damit werden diese Erzeugnisse aus dem umfassenden Tatbestand des Abs. 1 herausgenommen, obwohl sie zunächst unter den weit gefassten Lebensmittelbegriff fallen würden (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR, 183. EL März 2022, EG-Lebensmittel-Basisverordnung, Art. 2 Rn. 16 u. 33). Maßgeblich für die Einordnung als Lebensmittel ist nicht die Beschaffenheit oder Eignung des Produktes, sondern seine Zweckbestimmung. Darunter ist die vorgesehene Verwendung des Stoffes zu verstehen, wie sie im Verkehr bei natürlicher Betrachtungsweise für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen Verbraucher erkennbar ist (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR, 183. EL März 2022, EG-Lebensmittel-Basisverordnung, Art. 2 Rn. 23; BGH, U.v. 11. 7. 2002 - I ZR 273/99 - LMRR 2002, 70). Dabei wird die primär subjektive Zweckbestimmung durch den verantwortlichen Lebensmittelunternehmer durch die nach objektiver Auffassung zu bestimmende Frage, ob die Aufnahme des betroffenen Stoffes vernünftigerweise erwartet werden kann, korrigiert (vgl. Meisterernst, Lebensmittelrecht, 1. Aufl. 2019, § 4 Rn. 5).
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Ausgehend hiervon handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Öl mit 30% CBD-Gehalt um ein Lebensmittel i. S. d. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002.
36
Entsprechend der Definition des Lebensmittels ist davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Produkt nach vernünftigem Ermessen erwartungsgemäß von Menschen aufgenommen wird. Dies folgt schon daraus, dass das streitgegenständliche Öl mit 30% CBD-Gehalt nach der Anwendungsempfehlung unter die Zunge getröpfelt wird und dort mindestens eine Minute einwirken soll, bevor es mit Wasser ausgespült wird. Hierdurch wird es sowohl über die Mundschleimhaut als auch durch den Magen-Darm-Trakt aufgenommen, da jedenfalls ein gewisser Anteil des Öls bei bestimmungsgemäßem Gebrauch den Magen-Darm-Trakt durchläuft, da ein Teil des streitgegenständlichen CBD-Öls, wenn es entsprechend der Anwendungsempfehlung mindestens eine Minute unter der Zunge behalten wird, naturgemäß auch - durch den Speichelfluss - in den Magen abgeschluckt wird. Dies gilt insbesondere, da weder auf dem Öl selbst noch an anderer Stelle aufgeführt ist, dass es innerhalb seiner Einwirkzeit nicht heruntergeschluckt werden darf oder das Öl generell nicht zum Verzehr geeignet ist. Es kann daher dahinstehen, ob eine Aufnahme i. S. d. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 in jedem Fall ein Gelangen in den Magen-Darm-Trakt erfordert.
37
Die Lebensmitteleigenschaft des streitgegenständlichen Öls mit 30% CBDGehalt i. S. d. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 entfällt entgegen des Vortrags der Antragstellerin nicht gemäß Art. 2 Abs. 3 Buchst. e) VO (EG) 178/2002, da das Öl nicht als kosmetisches Mittel i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) VO (EG) Nr. 1223/2009 einzuordnen ist.
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Unter kosmetischen Mitteln sind gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) VO (EG) 1223/2009 Stoffe oder Gemische zu verstehen, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen.
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Auch für die Abgrenzung eines kosmetischen Mittels zu Lebensmitteln ist die Zweckbestimmung des Produkts maßgeblich. Für diese ist ebenso wie in Bezug auf die Lebensmitteleigenschaft, nicht allein die, auf dem inneren Willen beruhende, subjektive Vorstellung desjenigen, der das Erzeugnis herstellt oder auf dem Markt bereitstellt, ausschlaggebend, maßgebend ist vielmehr die allgemeine Verkehrsauffassung, also der Eindruck, den die beteiligten Verkehrskreise über die Verwendung des Erzeugnisses gewinnen. Insoweit kann der Eindruck des beteiligten Verkehrskreises unter anderem auf die Aufmachung und Darreichungsform des Produktes, seine stoffliche Zusammensetzung, aber auch auf die Art seines Vertriebs zurückzuführen sein (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR, 183. EL März 2022, VO (EG) 1223/2009 Art. 2 Rn. 8-13; LG Köln, U.v. 10. 7. 2007 - 33 O 466/06 - LMRR 2007, 76, beck-online).
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Nach der auch insoweit anzustellenden Gesamtbetrachtung dient das Produkt nicht ausschließlich oder zumindest überwiegend der Pflege des Mundraums.
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Obwohl das Öl nach der Anwendungsempfehlung der Antragstellerin mit den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung kommt, kann nicht angenommen werden, dass dies ausschließlich oder zumindest überwiegend zum Zweck die Mundhöhle oder die Zähne zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen, geschieht. Entsprechend der Zweckbestimmung des Produktes steht insbesondere angesichts der beabsichtigten Einwirkdauer die Aufnahme der Bestandteile des Produktes in den menschlichen Körper ohne Zweifel im Vordergrund.
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Zwar wird das streitgegenständliche Öl mit 30% CBD-Gehalt im Rahmen der Anwendungsempfehlung auf Umverpackung und Seite des Etiketts des Fläschchens als Mundöl bezeichnet und unterhalb dieser Anwendungsempfehlung „Zur Pflege des Mundraums“ aufgeführt. Hierin erschöpft sich jedoch jeglicher Bezug zu einem Verwendungszweck i. S. d. Artikel 2 Abs. 1 Buchst. a) VO (EG) 1223/2009. Auf der Vorderseite der Umverpackung als auch auf dem vorderseitigen Etikett des Fläschchens findet sich kein Hinweis darauf, dass es sich um ein Mundöl handeln soll. Das Öl wird auf der Vorderseite der Umverpackung einzig als „C. G., 30%, 10 ml, Cannabidiol Vollspektrum Hanföl“ und auf dem Etikett des Fläschchens als „C. G. - Das volle Spektrum der Hanfpflanze, 10 ml, 3000mg, 30% CBD“ bezeichnet. Auf der Rückseite der Umverpackung wird das Produkt als „Qualitatives, goldenes Hanföl mit dem vollen Spektrum an Cannabinoiden, Flavonoiden und Terpenen. Ohne zusätzlich beigefügtes CBD“ beschrieben. Eine Aufschrift, dass das Öl nicht verzehrt werden soll, findet sich weder auf dem Fläschchen noch auf seiner Umverpackung. Hinzu kommt, dass sich auf der Website der Antragstellerin (https://c. …), auf der das streitgegenständliche Produkt vertrieben wird, keinerlei Hinweis findet, dass es sich um ein kosmetisches Mittel, insbesondere ein „Mundöl“ handeln soll. Hier wird in der Produktbeschreibung aufgeführt, das Öl sei ein besonders hochwertiges, goldenes Hanföl mit dem vollen Spektrum an Cannabinoiden, Flavonoiden und Terpenen. Das Vollspektrum Hanföl werde in Bio-Qualität auf natürlichstem Weg hergestellt, sei vegan und enthalte 30% CBD. Als Anwendungsempfehlung wird aufgeführt, es solle bei Bedarf 1-3 Tropfen bis zu 3-mal täglich verwendet werden und dass die Dosis bei Bedarf und eigenem Ermessen erhöht werden könne. Dass es nur zur Pflege des Mundraums eingesetzt werde könne oder solle, ist hingegen nicht angeben. Und auch das Produktbild auf der Website zeigt lediglich die Vorderseite der Umverpackung sowie des Fläschchens, sodass die Bezeichnung als Mundöl im Rahmen der dortigen Anwendungsempfehlung und die Angabe „zur Pflege des Mundraums“ nicht sichtbar sind. Im Gegensatz dazu werden auf der Website der Antragstellerin in der Verkaufskategorie „Pflegeprodukte“ Produkte wie unter anderem ein CBD-Balsam vertrieben, in dessen Produktbeschreibung gerade aufgeführt wird, dass dieser trockene oder rissige Haut, kleine Verletzungen und beanspruchte Hände entlasten würde und diese sich dank der pflegenden Inhaltsstoffe regenerieren könnten. Bezüglich des streitgegenständlichen Öls mit 30% CBD-Gehalt werden keine solche Verwendungszwecke beschrieben, vielmehr finden sich auf der Website der Antragstellerin Artikel in denen Verwendungszwecke für CBD-Öl aufgeführt werden, welche nicht denen eines kosmetischen Mittels entsprechen. So wird in dem Artikel „Stress abbauen mithilfe von CBD und Hanf“ vom 1. Dezember 2021 (https://c. …blogs/news/stress-abbauen-mit-cbd, zuletzt aufgerufen am 15.12.2022) u.a. die Einnahme von CBDÖl zur Anwendung gegen Stress aufgeführt und weiter ausgeführt, dass durch die Einnahme von CBD-Tropfen am ehesten die schnelle Entspannung gelinge. In dem Artikel „Leben geniessen: CBD-Anwendung im Alter“ ebenfalls vom 1. Dezember 2021 (https://c. …blogs/news/cbd-anwendung-im-alter, zuletzt aufgerufen am 15.12.2022) wird als Darreichungsform für CBD im Alter die orale Einnahme von CBD-Öl genannt und aufgeführt, das CBD beeinflusse die ECS-Rezeptoren sehr gut und wirke daher im Bereich der Entspannung, des Schlafes, der Verdauung, der Stressbewältigung, der Beruhigung und der gesunden Stimulanz. Es trage im Alltag zu gesteigerter Vitalität und Wohlbefinden bei, womit es die Lebensqualität sehr deutlich erhöhe. Zwar wird in einem anderen Artikel, „CBD Gesichtspflege: Empfehlungen & Tests“ vom 1. Dezember 2021 (https://c. …blogs/news/cbd-gesichtspflege, zuletzt aufgerufen am 15.12.2022) von der Anwendung von CBD in der Gesichtspflege berichtet, Ausführungen zur kosmetischen Wirkungen von CBD für die Schleimhäute in der Mundhöhle oder Zähne finden sich jedoch weder in dem Artikel noch auf der Website. Hinzu kommt, dass das streitgegenständliche Öl mit 30% CBD-Gehalt nicht in der existierenden Verkaufskategorie „Pflegeprodukte“, sondern einzig in der Kategorie „CBD-Produkte“ vertrieben wird.
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Bei einer Gesamtbetrachtung der Aufmachung und des Vertriebs des Öls mit 30% CBD-Gehalt wird der durchschnittlich informierte, aufmerksame Verbraucher bei natürlicher Betrachtungsweise daher nicht wegen der einzig im Rahmen der Anwendungsempfehlung auf Fläschchen und Umverpackung verwendeten Bezeichnung als Mundöl sowie der darunter befindlichen Aufschrift „Zur Pflege des Mundraums“, welche lediglich allgemein auf eine Pflegewirkung hindeutet, ohne dass irgendwo aufgeführt wird, inwiefern die Inhalte des Öls sich positiv auf Zähne oder Schleimhäute der Mundhöhle auswirken sollen oder worin die Pflegewirkung liegt, davon ausgehen, dass es sich um ein Produkt handelt, welches ausschließlich oder zumindest überwiegend mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung kommen soll, um diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen. Soweit die Antragstellerseite vorträgt, dass Verbraucher daraus, dass bekannt sei, dass CDB kosmetisch hautschützend und -pflegend, antiseborrhoisch und antioxidativ wirke, davon ausgehen würden, dass solche Wirkungen Zähne oder Schleimhäute der Mundhöhle positiv beeinflussen sollten, ist dies nicht nachvollziehbar. Insbesondere werden Stoffe, deren hautpflegende und -schützende Wirkung bekannt ist, nicht automatisch als pflegend für die Schleimhäute der Mundhöhle oder gar der Zähne angesehen.
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Ergänzend wird noch angemerkt, dass es sich vorliegend nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Lebensmittel handelt. Aus den vorliegenden Gutachten und auch aus dem Vorbringen der Antragstellerseite ergibt sich nicht, dass das streitgegenständliche Produkt pharmakologische Eigenschaften bzw. pharmakologische Wirkung hat. Ein Erzeugnis ist jedenfalls dann nicht als Arzneimittel einzustufen, wenn die durch die empfohlene oder wahrscheinliche Dosierung erzielten Wirkungen nicht über Wirkungen hinausgehen, die auch durch den normalen Verzehr eines Lebensmittels erzielt werden können. Eine Einstufung als Arzneimittel erfordert hingegen stets den positiven wissenschaftlichen Beleg einer darüberhinausgehenden Wirkung, einer pharmakologischen Wirkung (vgl. Hagenmeyer/Teufer in Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Werkstand: 57. EL August 2022 C. IV. Lebensmittelrecht Rn. 103).
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Das Gericht hat im Ergebnis jedoch durchgreifende rechtliche Bedenken, dass das streitgegenständliche Produkt „C. G. das volle Spektrum der Hanfpflanze 30% mit 24 Karat Gold“ gemäß Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Buchst. a VO (EG) 178/2002 nicht in Verkehr gebracht werden darf, da erhebliche Zweifel am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002, mithin der Gesundheitsschädlichkeit des Produktes, bestehen.
46
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der von ihr zu treffenden Prognoseentscheidung nicht nachvollziehbar und insbesondere nicht anhand der Kriterien des Entscheidungskatalogs des Art. 14 Abs. 4 VO (EG) 178/2002, dargelegt, warum sie das streitgegenständliche Produkt als gesundheitsschädlich i. S. d. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 einstuft. Das zur Begründung allein herangezogene Gutachten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 31. Oktober 2022 trägt diese Einstufung nicht. Die durch die Antragsgegnerin angeordnete Übermittlung von Informationen sowie der Rückruf stellen sich deshalb als offensichtlich rechtswidrig dar.
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Zur Beurteilung der Gesundheitsschädlichkeit des Lebensmittels ist im Einzelfall eine Risikoanalyse (Art. 6 VO (EG) 178/2002) vorzunehmen, die unter Zugrundelegung des Kriterienkatalogs des Art. 14 Abs. 4 VO (EG) 178/2002 erfolgen muss. Bei der Beurteilung der Gesundheitsschädlichkeit eines Lebensmittels i. S. d. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 sind gemäß Art. 14 Abs. 4 VO (EG) 178/2002 die wahrscheinlichen sofortigen und/oder kurzfristigen und/oder langfristigen Auswirkungen nicht nur auf die Gesundheit des Verbrauchers, sondern auch auf nachfolgende Generationen (Buchst. a)), die wahrscheinlichen kumulativen toxischen Auswirkungen (Buchst. b)) und die besondere Empfindlichkeit einer bestimmten Verbrauchergruppe, falls das Lebensmittel für diese Gruppe von Verbrauchern bestimmt ist (Buchst. c)), zu berücksichtigen. Abzustellen ist bei der Risikobewertung auf die Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Gefahr und der Schwere dieser Wirkung als Folge der Realisierung der festgestellten Gefahr (Meisterernst, in: Streinz/Meisterernst, Basis-VO, Stand 2021, Art. 14 Basis-VO Rn. 54 und Art. 3 Basis-VO Rn. 47). Von der Gesundheitsschädlichkeit eines Lebensmittels ist dann auszugehen, wenn sich diese aus der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer gesundheitsschädigenden Wirkung oder wegen der Schwere der zu befürchtenden Gesundheitsschäden oder einer Kombination hieraus ergibt (vgl. zur Abgrenzung in den präventiven Gesundheitsschutz BVerwG, U. v. 14.10.2020 - 3 C 10/19 - ZLR 2021, 276-283, juris Rn. 25; und zu sonst unsicheren Lebensmitteln BVerwG, U.v. 30.1.2020 - 10 C 11/19 - BVerwGE 167, 311-319, juris Rn. 17; zur Risikobewertung im Rahmen des § 39 LFGB vgl. NdsOVG, B.v. 12.1.2019 - 13 ME 320/19 - juris Rn. 48). Bei Vorliegen einer potentiell schweren Wirkung ist auch bei geringer Wahrscheinlichkeit Handeln geboten, während bei geringfügigen Wirkungen unter Umständen eine höhere Wahrscheinlichkeit hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2021 - 20 CS 21.688 - juris Rn. 10 m.w.N.).
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Dabei genügt es für die Bewertung eines Lebensmittels als gesundheitsschädlich, wenn dieses die Eignung zur Gesundheitsschädigung aufweist, wobei diese Eignung nicht aus abstrakten Erwägungen begründet werden darf, sondern sich aus feststellbaren Eigenschaften eines Stoffes ergeben muss. Grundsätzlich ist der Begriff „gesundheitsschädlich“ weit auszulegen, wobei für die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsschädigung eine nur theoretische Möglichkeit nicht ausreicht. Erforderlich ist insofern eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit, die allerdings nicht zahlenmäßig festzustellen ist (VG München, B.v. 28.8.2014 - M 18 S 14.2801 - juris).
49
Für die Einstufung als gesundheitsschädlich ist nur auf die normalen Bedingungen der Verwendung abzustellen und nicht ein etwaiger unüblicher Gebrauch oder ein Verbrauch im Übermaß sowie ein Fehlgebrauch in Betracht zu ziehen, wobei bei den normalen Bedingungen allerdings von dem Schutzzweck der Vorschrift auszugehen ist. Dabei ist in Anlehnung an die Definition des Begriffs Lebensmittel (welches von der Antragstellerseite aber in Abrede gestellt wird) von einer Verwendung nach den normalen Bedingungen auszugehen, wie sie nach vernünftigen Ermessen erwartet werden kann (Rathke in Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR, Werkstand 183. EL März 2022, EG-Lebensmittel-Basisverordnung Art. 14 Rn. 14 f.; Boch, LFGB, 8. Online-Auflage 2019, § 5 LFGB Rn. 12; VG Würzburg B.v. 16.12.2020 - W 8 S 20.1841 - juris Rn. 44).
50
Wie schon oben bei der Einstufung des streitgegenständlichen Produkts als Lebensmittel ausgeführt, geht das Gericht davon aus, dass eine Aufnahme des Produktes entsprechend der Anwendungsempfehlung durch den Verbraucher den normalen Bedingungen seiner Verwendung nach vernünftigen Ermessen entspricht. Es kann nicht unterstellt werden, dass Verbraucher die auf dem Etikett des Produkts angebrachte Anwendungsempfehlung aufgrund von generellen Verzehrempfehlungen bzgl. CBD-Öl im Internet vollständig missachten.
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Davon ausgehend kann dem Gutachten des LGL vom 31. Oktober 2022 keine ordnungsgemäße Risikobewertung des streitgegenständlichen Öls mit 30% CBD-Gehalt entnommen werden. Da das LGL seiner Risikobewertung eine Verzehrmenge von 9 Tropfen des Öls, die - nach der Einwirkzeit - geschluckt würden, was einer aufgenommene CBD-Menge von 87,35 mg/Tag bzw. 1,248 mg/kg KG und Tag entspreche, und nicht, dass nur ein Teil des CBD-Öls bevor es nach einer Minute ausgespült wird, aufgenommen wird, zu Grunde legte, basiert die Einschätzung als gesundheitsgefährdend bereits auf einer falschen Tatsachengrundlage. Ausführungen, dass in der Zeit vor dem Ausspülen trotz diesem der gesamte CBD-Gehalt der 9 Tropfen durch den Verbraucher aufgenommen werden, finden sich nicht. Bezüglich einer niedrigeren Verzehrmenge wurde keine Risikobewertung vorgenommen.
52
Mithin ist nach überschlägiger Prüfung nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen, dass das streitgegenständliche Produkt gesundheitsschädlich ist und daher mangels lebensmittelrechtlicher Sicherheit gemäß Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 nicht in Verkehr gebracht werden darf.
53
Die Antragstellerin konnte daher weder die Übermittlung von Informationen bzgl. des streitgegenständlichen Öls mit 30% CBD-Gehalt noch den Rückruf des Produktes anordnen.
54
Die getroffenen Anordnungen sind daher voraussichtlich rechtswidrig und verletzen die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiegt daher das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Aufforderung zur Übermittlung von Informationen bzgl. des streitgegenständlichen Öls mit 30% CBD-Gehalt und der Anordnung des Rückrufs des streitgegenständlichen Öls mit 30% CBD-Gehalt. Daher war die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen.
55
Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Antragsgegnerin vorliegend nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen die Novel-Foods-Verordnung stützt. Hierzu wird ergänzend auf den Beschluss des Gerichts vom 19. Dezember 2022, Az.: W 8 S 22.1676 verwiesen.
56
2. Hinsichtlich Nr. 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 4. November 2022 (Androhung von Zwangsgeldern) ist die aufschiebende Wirkung der Klage ebenfalls anzuordnen, da es jedenfalls (nunmehr) an der sofortigen Vollziehbarkeit der in Nrn. 1 und 2 getroffenen Anordnungen, auf die sich Nr. 3 des Bescheides bezieht (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), fehlt und die Klage hiergegen Aussicht auf Erfolg hat.
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3. Hinsichtlich der Kostenentscheidung und Gebührenfestsetzung bleibt der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohne Erfolg. Die Antragsbegründung enthält zu der Kostenentscheidung und Gebührenfestsetzung bzw. dem insoweit begehrten vorläufigen Rechtsschutz bereits keine Ausführungen. Nach Aktenlage ist der auf die Gebührenfestsetzung bezogene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO im maßgeblichen Zeitpunkt der Stellung des Eilantrags beim Verwaltungsgericht nicht erfüllt waren. Aus dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin ergibt sich nicht, dass die Antragstellerin dort diesbezüglich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat (vgl. OVG NRW, B.v. 23.8.2021 - 9 B 1002/21 - juris Rn. 40).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da die Antragstellerin mit dem Antrag hinsichtlich Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids (Kostenentscheidung und Gebührenfestsetzung) im Verhältnis zum erfolgreichen Rest nur geringfügig unterlegen ist.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs. Nach Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs richtet sich der Streitwert nach dem Auffangwert, wenn sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der streitgegenständlichen Anordnung wie hier nicht im Einzelnen beziffern lassen. Zum einen hat sich die Antragstellerin selbst nicht zu den möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen geäußert. Zum anderen fehlen weitergehende Informationen darüber, in welcher Größenordnung der mögliche Gewinn zu beziffern wäre, auf den abzustellen ist (vgl. VGH BW, B.v. 17.9.2020 - 9 S 2343/20 - juris). Mangels greifbarer Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts bleibt es damit beim Auffangwert. Der Auffangwert von 5.000,00 EUR war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren, so dass ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war.