Titel:
Nichtigkeit einer in einer ordentlichen Mitgliederversammlung beschlossenen Satzungsänderung
Normenketten:
BGB § 33 Abs. 1 S. 1, S. 2
AO § 57 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Eine Änderung des Vereinszwecks liegt vor, wenn die Leitidee des Vereins ausgetauscht wird und sich die große Linie ändert, wegen der sich die Vereinsmitglieder zusammengeschlossen haben, so dass die Mitgliedschaft einen gänzlich anderen Charakter annimmt, mit dem kein Mitglied bei seinem Beitritt rechnen konnte. Hierzu bedarf es der Zustimmung sämtlicher Mitglieder gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB. (Rn. 42 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Behält dagegen der Verein seine bisherige Leitidee im Wesentlichen bei oder wird der Vereinszweck an veränderte Umstände angepasst, dann wird in der Regel das Interesse des Vereins überwiegen, Modifikationen des Vereinszwecks mit satzungsändernder Mehrheit vorzunehmen. Daher liegt keine Änderung des Vereinszwecks vor, wenn unter Aufrechterhaltung der bisherigen Leitidee der Vereinszweck lediglich erweitert oder beschränkt wird oder der Vereinszweck an geänderte Verhältnisse angepasst wird. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vereinszweck, Mitgliederversammlung, Satzungsänderung, sämtliche Mitglieder, Studentenwohnheim
Fundstellen:
NotBZ 2023, 121
MDR 2023, 509
npoR 2023, 133
LSK 2022, 38411
BeckRS 2022, 38411
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der ordentlichen Mitgliederversammlung des … e.V. vom 16.10.2021 bezüglich der beschlossenen Satzungsänderung des … e.V. zum Zwecke der Herbeiführung der Gemeinnützigkeit im Sinne des Abschnittes „steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung nichtig ist.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, die Mehrkosten der Anrufung des unzuständigen Amtsgericht München tragen die Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Kläger machen die Nichtigkeit einer in der ordentlichen Mitgliederversammlung vom 16.10.2021 beschlossenen Satzungsänderung geltend.
2
Die Kläger sind Vereinsmitglieder des Beklagten. Der Beklagte ist Eigentümer des Anwesens …straße …. Er ist zu dem Zweck gegründet worden, im Grundbuch eingetragener Eigentümer des in den zwanziger Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts gebauten Anwesens zu sein und dieses zu verwalten.
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Es besteht neben dem Beklagten ein nahezu Mitglieder identischer nicht rechtsfähiger Verein „…“, der getrennt verwaltet wird und neben den Mitgliedern des eingetragenen Vereins als sogenannte „Aktive“ Studenten als Mitglieder hat. Das studentische und gesellschaftliche Leben findet ausschließlich im Rahmen des nichtrechtsfähigen Vereins statt.
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Das Erdgeschoss des sogenannten Hauptgebäudes des Anwesens …straße … wird seit ca. 1920 an ein Restaurant vermietet, das nahezu durchgehend unter dem Namen „…“ in … bekannt ist. Seit vielen Jahrzehnten wird der sogenannte „Saalbau“ fremdvermietet, derzeit an eine bekannte … akademie.
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Der 1. Stock des Hauptbaus und des sogenannten Zwischenbaus wird ausschließlich und von Anfang an von dem nichtrechtsfähigen Verein „…“ genutzt und an diesen vermietet. Seit über 20 Jahren dient der 2. Stock des Hauptbaus als Studentenwohnheim und wurde im Wesentlichen an die studentischen Mitglieder des nichtrechtsfähigen Vereins „…“ vermietet. Der Beklagte trägt im Rahmen dieser Nutzungsüberlassung/Vermietung zahlreiche Kosten, die dem nicht rechtsfähigen Verein zu Gute kommen (Hausmeisterin für das gesamte Gebäude, Tragung der Instandhaltungskosten auch der sogenannten „…-Etage“, Renovierung der „…-Etage“, soweit notwendig, sowie Übernahme der Reparaturkosten).
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In den letzten 3 Jahren wurde das im Zweiten Weltkrieg zerbombte Dachgeschoss in der ursprünglichen und denkmalgeschützten Form wiederhergestellt. Dort wurden 7 weitere Studentenapartments hergestellt, so dass das Studentenwohnheim nunmehr insgesamt 14 Apartments aufweist, die im Wesentlichen an studentische Mitglieder des nichtrechtsfähigen Vereins vermietet werden, gelegentlich auch an Bekannte oder Verwandte anderer Mitglieder (sogenannter „…“).
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Auf verschiedenen Mitgliederversammlungen des Beklagten wurden neben der generellen Aufstockung und Sanierung des Anwesens …straße … auch die Beantragung öffentlicher Fördermittel durch die Bayerische Landesbodenkreditanstalt beschlossen und in Anspruch genommen. Gegenstand der Förderrichtlinien ist die Vergabe der Zimmer des Studentenwohnheims an bedürftige Studierende unter ausreichender Berücksichtigung ausländischer Studenten (Richtlinie für die Förderung von Wohnraum für Studierende, AllMBl. 2015, 546, Nr. 2330-I).
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Vor der Renovierung und Erweiterung fielen jährliche Steuerbeträge in Höhe von 10.000 €-15.000 € an, durch die Ausweitung des Studentenwohnheims einerseits sowie die seither erhöhten Mieten andererseits werden künftig die Steuern zunächst in geringerem Umfang, später jedoch stetig steigen.
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Mit Ladung vom 08.09.2021 (Anlage K 1) wurde den Klägern im Vorfeld der ordentlichen Mitgliederversammlung vom 16.10.2021 postalisch eine Beschlussvorlage übersandt, wonach die ordentliche Mitgliederversammlung am 16.10.2021 eine Änderung der Satzung des Beklagten zum Zwecke der Erlangung der Gemeinnützigkeit beschließen möge.
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Die Beschlussvorlage (Anlage K 1) lautet wie folgt:
„Mit sofortiger Wirkung beschließt die Mitgliederversammlung die Gültigkeit der in Anlage beigefügten geänderten Satzung zum Zwecke der Herbeiführung der Gemeinnützigkeit im Sinne des Abschnittes „steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung.“
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In der ordentlichen Mitgliederversammlung vom 16.10.2021 unter Leitung des damaligen Vorstandsvorsitzenden des Beklagten wurde dieser Antrag auf Satzungsänderung nach einer diesbezüglichen Aussprache von der Mitgliederversammlung mit 27 Ja-Stimmen gegen 8 Nein-Stimmen beschlossen (Protokoll der Mitgliederversammlung, Anlage K2).
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Dabei wurde eine in Bezug auf den postalisch an die Vereinsmitglieder verschickten Entwurf eine noch in weiteren Punkten geänderte Neufassung der Vereinssatzung zur Abstimmung gestellt. Insbesondere wurde der 2. Absatz von § 1 Ziffer 2. in die Präambel verschoben.
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Der Vereinszweck des Beklagten lautete vor der Änderung vom 16.10.2021 wie folgt (Satzung am 15.10.2021, Anlage K3):
§ 1 Name, Sitz und Zweck des Vereins
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1. Der Verein führt den Namen „… e.V.“.
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Er hat seinen Sitz in …. Er ist im Vereinsregister eingetragen.
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2. Im … sind alle „…“ der studentischen Verbindung … zusammengeschlossen. Der Verein hat den Zweck, durch diesen Zusammenschluss das … in ideeller und materieller Hinsicht in seinem Ziel zu unterstützen, seine Mitglieder in aufrichtiger Freundschaft zu verbinden und - ohne Beeinflussung ihrer politischen, religiösen und wissenschaftlichen Ansichten zu Vertretern eines ehrenhaften Studententurms und zu charakterfesten, tatkräftigen, pflichttreuen Persönlichkeiten zu erziehen.
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Der neue Vereinszweck des Beklagten lautet nach dem Beschluss der Mitgliederversammlung vom 16.10.2021 (Anlage K2) nunmehr wie folgt:
Im Rahmen des steuerbegünstigten Zweckes soll das … in ideeller und materieller Hinsicht in seinem Ziel unterstützt werden, seine Mitglieder in aufrichtiger Freundschaft zu verwinden und - ohne Beeinflussung ihrer politischen, religiösen und wissenschaftlichen Ansichten - zu Vertretern eines ehrenhaften Studententums und zu charakterfesten tatkräftigen pflichttreuen Persönlichkeiten zu erziehen.“
§ 1 Name, Sitz und Vereinszweck
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1. Der „… e.V.“ mit Sitz in … verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung, ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
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2. Der Zweck des Vereins ist das Betreiben eines oder mehrerer Studentenwohnheime für hilfsbedürftige Studenten, die Förderung hilfsbedürftiger Studenten in sonstiger Weise, etwa durch finanzielle Zuwendungen oder Vergabe von Stipendien, weiterhin die Förderung von Bildung und sonstiger Studentenhilfe. Die Förderung politischer Parteien oder religiöser Gemeinschaften ist ausgeschlossen.
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3. Der Vereinszweck wird schwerpunktmäßig verwirklicht:
a) auf dem Gebiet der Förderung hilfsbedürftiger Studenten insbesondere durch das Betreiben
- eines oder mehrerer Studentenwohnheime, insbesondere um hilfsbedürftige Studenten ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer Studentenverbindung oder … Vereinigung eine angemessene Wohnung für die Dauer ihres Studiums zu gewähren;
- Förderung hilfsbedürftiger Studenten in sonstiger Weise, etwa durch Gewährung von Lernmittelzuschüssen, Stipendien oder die Förderung einzelner Arbeiten und Projekte,
b) auf dem Gebiet der Bildung und sonstigen Studentenhilfe insbesondere durch
- Organisation, Durchführung und Unterstützung von Vorträgen und Veranstaltungen zur Berufs- und Studienberatung und Studien- und Bildungsförderung,
- das Sammeln und Weiterleiten von Mitteln an eine steuerbegünstigte Körperschaft oder Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Förderung der Bildung und der Studentenhilfe.
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4. Der Verein kann zur Durchführung seiner Vorhaben unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 AO Hilfspersonen hinzuziehen, soweit die Mittel des Vereins dies gestatten.
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Die Kläger sind der Auffassung, der neue Vereinszweck des Beklagten differiere massiv vom bisherigen Vereinszweck des Beklagten. So sei es zuvor das Ziel des Beklagten gewesen, den klar abgrenzbaren Kreis der Mitglieder der studentischen Verbindung … in ideeller und materieller Hinsicht zu unterstützen und in Freundschaft zu verbinden.
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Der Beklagte sei dabei ein Vehikel, mit dem der ideelle Verein unterstützt werde, er betreibe Vermögensverwaltung im Dienste des nicht rechtsfähigen ideellen Vereins. Obgleich rechtlich selbstständig, werde der Beklagte von seinen Mitgliedern als bloßes Element der Studentenverbindung verstanden. Die Mitgliedschaft in dem Beklagten sei dabei in der Wahrnehmung der Vereinsmitglieder ein lediglich administrativer Annex zur Aufnahme in die Studentenverbindung …. Der Fortbestand des Beklagten stehe und falle mit dem Schicksal des nicht rechtsfähigen …. Sollte Letzteres wegen Nachwuchsmangel seinen Betrieb einstellen müssen, würde der Fortbestand des Beklagten als „Förderer“ der studentischen Verbindung ebenfalls infrage stehen. Dies komme in dem bisherigen Vereinszweck zum Ausdruck.
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Abweichend von dem vorherigen Ziel sei es das neue Ziel des Beklagten, selbstlos tätig zu sein und allgemein. Studentenwohnheime zu betreiben und dies darüber hinaus explizit ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer Studentenverbindung.
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Das sei eine komplette Umgestaltung der bisherigen Leitidee des Beklagten. Beispielhaft zeige sich die vollständige Änderung der Ausrichtung des Beklagten schon an der Tatsache, dass im Fall einer Vereinsauflösung nicht mehr die Vereinsmitglieder des Beklagten Begünstigte des über Generationen von Vereinsmitgliedern geschaffenen Vereinsvermögen wären, sondern eine gemeinnützige Institution, d.h. im Ergebnis die öffentliche Hand.
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Eine derartige Änderung des Vereinszwecks bedürfe mangels anderweitiger Bestimmungen in der bisherigen Satzung des Beklagten gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB der Zustimmung aller Vereinsmitglieder, die in der Mitgliederversammlung vom 16.10.2021 nicht gegeben war.
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Es handele sich nicht um rein formale Änderungen der zur Abstimmung gestellten Satzung gegenüber der mit der Einladung mitgeteilten Satzung, wenn die Passage aus dem Bereich Vereinszweck am Tag der Abstimmung in die unverbindliche Präambel verschoben werde. Die nicht zur Abstimmung erschienenen Vereinsmitglieder hätten zumindest davon ausgehen können, dass im neu beabsichtigten Vereinszweck noch irgend ein Bezug zum nicht rechtsfähigen Verein … existiere. Dass selbst dieser Bezug am Abstimmungstag dann vom Vorstand des Beklagten kurzfristig aus dem zur Abstimmung gestellten Vereinszweck gestrichen wurde, gehe weit über eine „rein formale“ Änderung hinaus, mit der die nicht erschienenen Vereinsmitglieder nicht zu rechnen hätten.
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Die Kläger beantragen daher:
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der ordentlichen Mitgliederversammlung des … e.V. vom 16.10.2021 bezüglich der beschlossenen Satzungsänderung des … e.V. zum Zwecke der Herbeiführung der Gemeinnützigkeit im Sinne des Abschnittes „steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung nichtig ist.
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Der Beklagte beantragt,
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Der Beklagte ist der Auffassung, eine Veränderung des Vereinszwecks im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB liege dann vor, wenn die Leitidee des Vereins ausgetauscht werde und sich die große Linie ändere, wegen der sich die Vereinsmitglieder zusammengeschlossen haben, sodass die Mitgliedschaft einen gänzlich anderen Charakter annimmt, mit dem kein Mitglied bei seinem Beitritt rechnen konnte. Im vorliegenden Fall werde die Leitidee nicht geändert, schon gar nicht in einem Sinn, den keiner der Mitglieder/… bei seinem Eintritt habe vorhersehen können.
31
Nach wie vor sei es die ausschließliche Leitidee des Beklagten, das Anwesen …straße … in … zu verwalten. Etwas anderes habe der Beklagte noch nie getan, insbesondere habe der Beklagten keine einzige Tätigkeit durchgeführt, mit der er die „ideellen Ziele“ des nicht rechtsfähigen „…“ unmittelbar verwirklicht habe. Dies sei immer und ausschließlich im Rahmen der mittelbaren Förderung durch die Zurverfügungstellung der ersten Etage des Hauptgebäudes und des Zwischenbaus im Rahmen der Nutzungsüberlassung/Vermietung geschehen.
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Der Umstand, dass das von dem Beklagten betriebene Studentenwohnheim um weitere 7 Apartment aufgestockt und die ursprünglich vorhandenen 7 Apartment vollständig saniert wurden, führe nicht zu einer Änderung der Leitidee des Beklagten.
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Der in der ursprünglichen Satzung niedergelegte Vereinszwecks sei zu keinem Zeitpunkt erfüllt worden. Der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt die studentischen Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins, die nicht auch Mitglieder des Beklagten sind, im Sinne des § 1 Ziffer 2 der alten … vereinssatzung unmittelbar gefördert, nämlich die Erziehung der studentischen Mitglieder des nichtrechtsfähigen Vereins zu Vertretern eines „ehrenhaften Studenten zu charakterfesten tatkräftigen und pflichttreuen Persönlichkeiten“. Er habe noch nicht einmal die ebenfalls dort niedergelegte Stärkung der Bindung der Vereinsmitglieder direkt gefördert. Es sei unzutreffend, wenn vorgetragen werde, es finde eine wie auch immer geartete „Querfinanzierung“ statt.
34
Der Beklagte sei nicht lediglich ein Element des nicht rechtsfähigen Vereins, es handele sich rechtlich und wirtschaftlich streng zu trennende und tatsächlich streng getrennte Vereine. Die Tatsache, dass in den beklagten Verein nur sogenannte „…“ des nicht rechtsfähigen Vereins aufgenommen werden können, belege die Verbindung der beiden Vereine und belege des weiteren, dass der Beklagte auch in Zukunft zum Wohle des nicht rechtsfähigen Vereins handeln werde, indem er bevorzugt, wenn nicht ausschließlich, seine Apartments nur an studentische Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins vermiete und diesen Stipendien zukommen lasse.
35
Die vorliegende Einführung der Gemeinnützigkeit stelle letztlich nichts anderes dar, als ein legales Steuervermeidungsmodell ohne Änderung der schon immer durchgeführten Aufgaben und damit die Ersetzung des bis 2014 gehandhabten Steuerhinterziehungsmodells.
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In beiden Fällen würden keine Steuern bezahlt. Dies geschehe allerdings nunmehr auf legale Weise, indem der Beklagte das von ihm schon immer betrieben Studentenwohnheim der steuerlichen Ausnutzung der Studentenhilfe gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO unterwerfe. Die Wahl der Gemeinnützigkeit sei deshalb nichts anderes als eine „nähere Darstellung von Aufgaben und den einzuschlagenden Wegen“ (BayObLG, Beschluss vom 25. Januar 2001, 3 ZBR 319/00, NJW-RR 2001, 1260).
37
Damit ergebe sich, dass die Aufrechterhaltung des Vereinszwecks unter Ausnutzung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung keine Zweckänderung im Sinne der Satzung des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB sei. Entgegen der Ansicht der Kläger sei die Vorschrift des § 33 Abs. 1 S. 2 nicht anwendbar. Maßgeblich sei § 33 Abs. 1 S 1, der im Fall einer Satzungsänderung eine Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen voraussetzt.
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Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB sei es zur Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich, dass der Gegenstand in der Berufung bezeichnet wird, was vorliegend der Fall gewesen sei.
39
Es sei rechtlich richtig und zutreffend, den in der ursprünglichen Satzung unzutreffend angegebenen Vereinszweck in die Präambel zu verlagern, um damit die Verbundenheit der beiden Vereine zum Ausdruck zu bringen. Rechtlich falsch sei die Annahme der Kläger, die Bestimmungen der Präambel seien „unverbindlich“. Sie diene der Erleichterung der Auslegung der Satzung und deren Verständnis sowie als Geschäftsgrundlage.
40
Es sei jedem Tagesordnungspunkt immanent, dass die Mitglieder Beschlussvorschläge ändern und über diese Änderungen Beschluss fassen. Jedes nicht anwesende Mitglied müsse im Falle der Abwesenheit mit solchen Änderungen rechnen. Der Beschlussgegenstand müsse lediglich bezeichnet, keinesfalls aber unverrückbar formuliert werden.
41
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
42
Die zulässige Klage ist begründet, da der Beschluss der Mitgliederversammlung vom 16.10.2021 über die Änderung der Satzung nicht mit der erforderlichen Zustimmung sämtlicher Mitglieder gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB erfolgt ist und daher nichtig.
43
Die in der Mitgliederversammlung vom 16.10.2021 beschlossene Satzungsänderung führt zu einer Änderung des Vereinszwecks und bedarf daher gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB der Zustimmung sämtlicher Mitglieder.
44
Nach der in der Rspr verwendeten Formel liegt eine Änderung des Vereinszwecks vor, wenn die Leitidee des Vereins ausgetauscht wird und sich die große Linie ändert, wegen der sich die Vereinsmitglieder zusammengeschlossen haben, so dass die Mitgliedschaft einen gänzlich anderen Charakter annimmt, mit dem kein Mitglied bei seinem Beitritt rechnen konnte.
45
Bei der Frage, ob die erhöhte Mehrheit aus Abs. 1 Satz 2 zum Tragen kommt, ist eine Abwägung der Interessenlage der satzungsändernden Mehrheit und des einzelnen Mitglieds vorzunehmen. Behält der Verein seine bisherige Leitidee im Wesentlichen bei oder wird der Vereinszweck an veränderte Umstände angepasst, dann wird in der Regel das Interesse des Vereins überwiegen, zur Verhinderung einer Versteinerung Modifikationen des Vereinszwecks mit satzungsändernder Mehrheit vornehmen zu können. Daher liegt keine Änderung des Vereinszwecks liegt vor, wenn unter Aufrechterhaltung der bisherigen Leitidee der Vereinszweck erweitert oder beschränkt wird oder der Vereinszweck an geänderte Verhältnisse angepasst wird oder wenn die Gewichtung mehrerer Vereinszwecke zueinander verändert wird. Die Einführung zusätzlicher Vereinszwecke ist dagegen eine Zweckänderung (Staudinger/Schwennicke (2019) BGB § 33, Rn. 36, 37).
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1. In der ursprünglichen … vereinssatzung (Anlage K3) wurde in § 1 Abs. 2 Satz 2 der Zweck des Vereins festgelegt, nämlich die studentische Verbindung in ideeller und materieller Hinsicht in ihrem Ziel zu unterstützen, die Mitglieder in aufrichtiger Freundschaft zu verbinden und ohne Beeinflussung ihrer politischen, religiösen und wissenschaftlichen Ansichten zu Vertretern eines ehrenhaften Studententum und zu charakterfesten, tatkräftigen und pflichttreuen Persönlichkeiten zu erziehen. Weitere Vereinszwecke sind der Satzung nicht zu entnehmen.
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Tatsächlich hat der Verein das … dadurch unterstützt, dass er diesem die erste Etage des Hauptgebäudes und des Zwischenbaus vermietete und in diesem Zusammenhang zahlreiche Kosten übernahm, die dem … zugute kamen. Darüber hinaus wurden die in dem Anwesen …straße … in … vorhandenen Apartments für Studenten vor allem an studentische Mitglieder des … vermietet.
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2. Ausweislich der in der Mitgliederversammlung vom 16.10.2021 verabschiedeten Satzung (Anlage K2) wird in § 1 Ziffer 2 als Vereinszweck festgelegt das Betreiben eines oder mehrerer Studentenwohnheime für hilfsbedürftige Studenten, die Förderung hilfsbedürftiger Studenten in sonstiger Weise, etwa durch finanzielle Zuwendungen oder durch Vergabe von Stipendien, weiterhin die Förderung von Bildung und sonstige Studentenhilfe, wobei die Förderung politischer Parteien oder religiöser Gemeinschaften ausgeschlossen ist. Nach Ziffer 3 soll der Satzungszweck schwerpunktmäßig durch das Betreiben eines oder mehrerer Studentenwohnheime, insbesondere um hilfsbedürftigen Studenten ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer Studentenverbindung oder … vereinigung eine angemessene Wohnung für die Dauer ihres Studiums zu gewähren, sowie die Förderung hilfsbedürftiger Studenten in sonstiger Weise gewährleistet werden. Auf dem Gebiet der Bildung und der sonstigen Studentenhilfe soll der Vereinszweck insbesondere durch Organisation, Durchführung und Unterstützung von Vorträgen und Veranstaltungen zur Berufs- und Studienberatung und Studien- und Bildungsförderung sowie das Sammeln und weiterleiten von Mitteln an eine steuerbegünstigte Körperschaft oder Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Förderung der Bildung und der Studentenhilfe realisiert werden.
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Der in der ursprünglichen Satzung definierte Vereinszweck ist nunmehr in der Präambel enthalten.
50
3. Damit findet sich in der am 16.10.2021 verabschiedeten Satzung der in der vorangehenden Satzung definierte ausschließliche Vereinszweck nur noch in der Präambel, während der eigentliche Vereinszweck in § 1 der Satzung als das Betreiben eines oder mehrerer Studentenwohnheime, die Förderung hilfsbedürftiger Studenten und die Vergabe von Stipendien sowie die Förderung von Bildung und sonstiger Studentenhilfe festgelegt wird. Die in der ursprünglichen Satzung als ausschließlicher Zweck des Vereins festgelegte Förderung des studentischen … ist damit zwar noch als grundlegende und bei der Auslegung der Satzung zu berücksichtigende Zielrichtung des Vereins in der Präambel festgehalten, der eigentliche Vereinszweck gibt jedoch die enge Bindung zwischen dem Beklagten und dem studentischen … auf, zumal ausdrücklich vorgesehen ist, dass hilfsbedürftigen Studenten ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer Studentenverbindung oder … vereinigung eine angemessene Unterkunft für die Dauer des Studiums gewährt werden soll. Diese Regelung steht in deutlichem Widerspruch zu dem Ursprung zu dem in der alten Satzung festgelegten Vereinszweck.
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Damit jedoch ändert sich die Leitidee des Vereins grundlegend.
52
Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass bereits zuvor von dem Verein Apartments an Studenten vermietet wurden und die Unterstützung des … in seinem Ziel, die Mitglieder in aufrichtiger Freundschaft zu verbinden und zu charakterfesten Persönlichkeiten zu erziehen, im Wesentlichen durch finanzielle Unterstützung des … mit dem zur Verfügung stellen von Räumen und Dienstleistungen erfolgte. Insoweit war durch den definierten Vereinszweck der ursprünglichen Satzung vorgegeben, die von dem Beklagten zur Verfügung gestellten Leistungen primär und vor allem gegenüber … mitgliedern zu erbringen.
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In dem in der neuen Satzung ausdrücklich festgelegten Satzungszweck wird nicht auf die Mitgliedschaft in dem studentischen … sondern auf die Hilfsbedürftigkeit der geförderten Studenten abgestellt. Daran vermag auch die Präambel, die bei der Auslegung der Satzung sicher zu berücksichtigen ist, nichts zu ändern.
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Wie weitreichend die Änderung der Satzung ist, lässt sich auch daraus entnehmen, dass in der alten Satzung in § 8 die Auflösung des Vereins dahingehend geregelt ist, dass im Fall der Auflösung das Vermögen des Vereins in angemessener Frist zu verwerten und das verbleibende Reinvermögen an alle Mitglieder zu gleichen Teilen auszuzahlen ist, sofern nicht die Mitgliederversammlung mit einer Mehrheit von 3/4 eine andere Verwendung des Vermögens beschlossen hat. In der am 16.10.2021 verabschiedeten Satzung finden sich keine Regelungen zur Auflösung des Vereins.
55
Da damit mit der Änderung der Satzung zur Überzeugung des Gerichts eine Änderung des Zweckes des Vereins einhergeht, war die Zustimmung von mehr als 3/4 der anwesenden Vereinsmitglieder nicht ausreichend, es hätten sämtliche Vereinsmitglieder der Satzungsänderung zustimmen müssen.
56
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
57
Für die Festsetzung des Streitwertes war das Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung maßgeblich, wobei die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Verein zu berücksichtigen waren. Angesichts der auf Dauer zu erwartenden Steuerbelastung erscheint dem Gericht ein Streitwert von 30.000 € angemessen.