Titel:
Keine Zuerkennung von kausalen Finanzierungskosten bei möglicher alternativer Kreditfinanzierung eines anderes Autos
Normenketten:
ZPO § 141 Abs. 1 S. 1, § 313a Abs. 1 S. 1, § 544 Abs. 2 Nr. 1
StGB § 156
Leitsätze:
1. Kausale Finanzierungskosten sind grundsätzlich im Rahmen eines Schadensersatzes erstattungsfähig. Umstritten ist jedoch, ob dies auch dann gilt, wenn feststeht, dass der Käufer anderenfalls ein anderes Auto kreditfinanziert erworben hätte. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. In den Fällen, in denen die Kreditfinanzierung (deutlich) im Vorfeld des Autokaufs durch eine Drittbank, also durch eine nicht mit Autoherstellern verbundene Bank, und damit rechtlich unabhängig vom konkreten Autokauf erfolgt, besteht jedoch keine Erstattungsfähigkeit. Vielmehr stellen diese Kreditfinanzierungskosten dann "Sowieso-Kosten" dar. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Sowieso-Kosten, kausale Finanzierungskosten, Kreditfinanzierungskosten, eidesstattliche Versicherung, persönliche Erscheinen
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Endurteil vom 25.10.2021 – 53 O 1595/20 Die
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38162
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.10.2021, Az. 53 O 1595/20 Die, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
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Von der Fertigung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel aufgrund des Streitwertes von 2.735,94 € unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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Das Landgericht hat, soweit für die Berufung von Interesse, die beklagte Herstellerin eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs zur Zahlung des Kaufpreises Zugum-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt, jedoch nicht Finanzierungskosten in Höhe von (unstreitig) 2.735,94 € zuerkannt, da es sich nicht vom Zusammenhang des Abschlusses des Darlehensvertrages mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugkauf überzeugen konnte, im Übrigen die Finanzierungskosten als Sowieso-Kosten ansah. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Diese bleibt ohne Erfolg.
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Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind kausale Finanzierungskosten grundsätzlich im Rahmen des Schadensersatzes erstattungsfähig. Der Bundesgerichtshof hat jedoch offengelassen (BGH, Urteil vom 13.04.2021 - VI ZR 274/20, juris-Rn. 16), ob dies auch dann gilt, wenn festgestellt ist, dass der Kläger anderenfalls ein anderes Auto kreditfinanziert erworben hätte. Sowohl das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Urteil vom 15.02.2022 - 7 U 41/21, juris-Rn. 39) als auch das Oberlandesgericht Saarbrücken (Urteil vom 10.08.2022 - 2 U 132/21, juris-Rn. 35) haben die Erstattungsfähigkeit verneint, da in einem solchen Fall der Kläger ebenfalls Kreditfinanzierungszinsen hätte aufwenden müssen, die Kreditfinanzierungskosten somit Sowieso-Kosten darstellten. Diese Argumentation überzeugt jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, die Kreditfinanzierung (deutlich) im Vorfeld des Autokaufs durch eine Drittbank, also durch eine nicht mit Autoherstellern verbundene Bank, und damit rechtlich unabhängig vom konkreten Autokauf erfolgt. In diesem Fall kann - auch bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise - keine Rede davon sein, dass es sich bei den Kreditfinanzierungskosten um echte Anschaffungskosten für das Auto handelt (bilanzrechtlich träfe diese These auch generell nicht zu, vgl. Schubert/Hutzler in Beck Bil.-Komm., 13. Aufl., § 255 HGB Rn. 13, zu Herstellungskosten: § 255 Abs. 3 Satz 1 HGB); vielmehr handelt es sich bei Autokauf und Darlehen um zwei völlig getrennte Rechtsverhältnisse.
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Aus Vorstehendem folgt für den vorliegenden Fall:
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1. Zu Recht meldet das Landgericht bereits Zweifel an (LGU 14), ob die Kreditfinanzierung für den Autokauf erfolgt ist. Zwar trifft zu, dass der Darlehensvertrag (Anlage K13) in der Überschrift auf einen Autokauf hinweist. Auffällig ist jedoch, dass der Darlehensvertrag vom 04.05.2015 stammt, der Kaufvertrag erst am 18.06.2015 abgeschlossen wurde. Es erscheint erklärungsbedürftig, warum der Abschluss des Darlehensvertrags weit mehr als einen Monat vor dem Autokauf erfolgt sein soll und dass das streitgegenständliche Auto - ein Gebrauchtwagen - in dieser Zeit von der Beklagten für den Kläger vorgehalten worden sein soll. Hat aber der Kläger den Kreditvertrag abgeschlossen, ohne dass der Kauf des konkret streitgegenständlichen Autos bereits feststand, fehlt es an einem kausalen Zusammenhang zwischen der Kreditaufnahme und der schädigenden Handlung der Beklagten.
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2. Nach den obigen Ausführungen kommt eine Zuerkennung von Finanzierungskosten nicht in Betracht, wenn feststeht, dass der Kläger alternativ ein anderes Auto kreditfinanziert gekauft hätte. Das Landgericht ist von einem solchen Sachverhalt ausgegangen. Es hat dies aus der eigenen Aussage des Klägers abgeleitet, der auf die Frage, ob er auch ein anderes Auto finanziert hätte bzw. warum sich der Kläger für die Finanzierung des Kaufpreises entschieden hat, geantwortet hat, Kredite seien damals relativ günstig gewesen. Im Urteil stellt das Landgericht ferner fest (LGU 15) - ohne dass gegen diese Tatbestandsinsel in den Entscheidungsgründen Tatbestandsberichtigung beantragt worden wäre -, dass der Kläger angegeben habe, dass er auch jedes andere Auto hätte entsprechend finanzieren müssen. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, der Kläger hätte ohne Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein anderes Auto kreditfinanziert erworben, überzeugt auch den Senat. Hätte der Kläger tatsächlich überhaupt kein anderes Auto erwerben wollen, wie er nunmehr in Form seiner im Termin übergebenen eidesstattlichen Versicherung vortragen lässt, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies in der Verhandlung auch so zum Ausdruck gebracht hätte und nicht Gegenteiliges suggeriert. Im Übrigen wird die Behauptung, der Kläger hätte als hypothetische Alternative zum streitgegenständlichen Fahrzeugerwerb überhaupt kein Auto erworben, auch nicht aus der Berufungsbegründung deutlich (vgl. dort S. 8: „Es stellt eine Binsenweisheit dar, dass der Kläger ein anderes Fahrzeug möglicherweise gleichzeitig finanziert hätte. […] Die Zinsen und die Darlehensvaluta sind wegen des Kaufs verbraucht worden. Bei Kauf eines anderen Fahrzeugs wären sie dem gewollten Vertragszweck entsprechend verwandt worden.“).
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3. Der Senat hätte dem Kläger Gelegenheit gegeben, im Rahmen einer Anhörung die konkreten Umstände der Darlehensaufnahme und den Zusammenhang mit dem Autokauf zu erläutern. Er hat daher das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet (§ 141 Abs. 1 S. 1 ZPO). Dort hätte der Kläger auch die nunmehrige - überraschende - Behauptung erläutern können, er hätte anderenfalls überhaupt kein Auto gekauft. Die bloße Behauptung, wenn auch an Eides Statt versichert (streng genommen ohnehin ohne Beweiswert, weil eine eidesstattliche Versicherung kein zugelassenes Beweismittel darstellt, womit die eidesstattliche Versicherung auch ihre Strafbewehrung verliert, vgl. Kudlich in BeckOK, § 156 StGB Rn. 8 [Stand: 01.08.2022]; H.E. Müller in MüKo StGB, 4. Aufl., § 156 Rn. 64), vermag den Senat jedenfalls ohne Anhörung des Klägers von seinen Zweifeln bzw. seiner Überzeugung nicht abzubringen.
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Die Ladung wurde dem Kläger zugestellt. Auf Beweisnachteile bei Nicht-Erscheinen wurde in der Ladung ausdrücklich hingewiesen. Der Kläger erschien gleichwohl in der Verhandlung nicht, ohne dass er dies ausreichend entschuldigt hätte. Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt schon per se nicht, da sie über die Verhandlungsfähigkeit keine Aussage trifft und auch keine Diagnose mitteilt; erst recht genügt keine (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22.09.2022. Nur am Rande sei erwähnt, dass es eine Missachtung von Gericht und auch des eigenen sowie des gegnerischen Prozessvertreters darstellt, wenn eine Verhinderung so mitgeteilt wird, dass sie erst in der Verhandlung eröffnet werden kann. Ausdrücklich stellte der Klägervertreter keinen Vertagungsantrag. Auch der Senat sieht vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen ebenfalls keinen Anlass zu einer Vertagung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO. Eine Revisionszulassung ist nicht veranlasst, da die obergerichtliche Rechtsprechung einheitlich ist, überdies die Erstattungsfähigkeit vorliegend bereits im Tatsächlichen scheitert.