Titel:
Kündigung eines Bausparvertrages nach Ansparen der vollen Bausparsumme
Normenkette:
BGB $ 488
Leitsatz:
Wenn der vereinbarte Zweck des Bausparvertrages erreicht ist, nämlich dem Bausparer die vollständige Bausparsumme zur Verfügung stellen zu können, sei es durch Rückzahlung des Bausparguthabens in Verbindung mit einem Bauspardarlehen, sei es durch Auszahlung der vollständig angesparten Summe ohne Darlehen, besteht kein Grund, der Bausparkasse die allgemeine Kündigung des Bausparvertrages zu versagen (Rn. 22). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bausparvertrag, Bausparsumme, Kündigung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38149
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung des Fortbestehens eines von der Beklagten gekündigten Bausparvertrages sowie in Anspruch.
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Am 06.12.2008 schlossen die Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die …, den streitgegenständlichen Bausparvertrag mit der Nummer ... über eine Bausparsumme von 10.000,- € (Anlage K 1, Bl.8 d.A.). Diesem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (im Folgenden: ABB) - Tarif … - der Beklagten (Anlage K2 Bl. 9/13 d.A.) zugrunde. Vereinbart wurde der Tarif „…“.
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Nach § 3 Abs. 1 S. 1 ABB sollte das Bausparguthaben mit mindestens 1,0% p.a. verzinst werden (Basiszins). Nach § 3 Abs. 1 S. 2 bis 4, Abs. 2 ABB sollte das Bausparguthaben laufzeitmäßig gestaffelt ab dem vierten Vertragsjahr, gerechnet ab Ende des Monats des Vertragsbeginns mit weiteren 2,15% p.a. bis 5.3% für die Dauer von bis zu 10 Jahren verzinst werden (Bonus), wenn der Bausparer nach § 15 ABB kündigt oder auf das zugeteilte Bauspardarlehen verzichtet. Ab dem Jahr 10 gerechnet ab Ende des Monats des Vertragsbeginns sollte erneut eine Verzinsung zum Basiszins von 1,0% p.a. erfolgen (§ 3 Abs. 2 S.5 ABB). Der Bonus sollte dabei auf einem gesonderten Konto geführt und mit Auszahlung des Bausparguthabens fällig werden (§ 3 Abs. 3 S. 2 ABB).
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Nach § 5 Abs. 2 ABB sollte der Bausparvertrag fortgesetzt werden, wenn der Bausparer die Zuteilung nicht fristgemäß annahm oder die Annahme der Zuteilung wirksam widerrief. Die Kündigung des Bausparvertrags durch die Bausparkasse ist in §§ 2 Abs. 4, 12 ABB, die Kündigung durch den Bausparer in § 15 ABB geregelt.
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Weiter enthält § 6 Abs. 1 S. 3 und 4 ABB folgende Regelung:
„Die Höhe des Bauspardarlehens errechnet sich aus dem Unterschied zwischen Bausparsumme und Bausparguthaben. Ein Anspruch auf ein Bauspardarlehen in Höhe von weniger als 1000 € besteht nicht.“
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Nach Eintritt der Zuteilungsreife am 31.10.2014 verlangten die Kläger keine Zuteilung des Bauspardarlehens, so dass der Vertrag weitergeführt und bis 29.06.2018 weiter bespart wurde. Ab Mitte 2018 stellten die Kläger ihre Sparleistungen ein.
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Am 31.12.2019 betrug das Bausparguthaben 9.688,79 € (Anlage B1 Bl.48 d.A.).
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Mit Schreiben vom 27.02.2016 kündigte die Beklagte den streitgegenständlichen Bausparvertrag unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum 03.06.2020, da kein Anspruch auf ein mögliches zugeteiltes Bauspardarlehen mehr bestehe und der Vertragszweck nicht mehr erreicht werden könne (Anlage K 5 Bl. 16 d.A.) und rechnete das Bausparkonto zum 03.06.2020 mit einem Bausparguthaben von 9.676,79 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 41,91 € ab (Anlage K 4 Bl. 15 d.A.). Die Kläger widersprachen der Kündigung mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25.03.2021 (Anlage K 8, Bl. 21/22). Die Beklagte hat die Fortsetzung des Bausparvertrages endgültig abgelehnt.
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Die Kläger sind der Meinung, eine wirksame Kündigung nach §§ 488 Abs. 3 BGB durch die Beklagte sei nicht erfolgt. Nach der vertraglichen Ausgestaltung des Bausparvertrages hätten die Kläger in der Ansparphase ein in Rechtsprechung und Literatur anerkanntes Recht auf Besparung des Vertrages bis zum Erreichen der Bausparsumme, bis dahin sei eine Kündigung durch die Bausparkasse nach § 488 Abs. 3 BGB unzulässig. Erst wenn das Bausparguthaben die Bausparsumme erreicht habe, unterscheide sich der Vertrag nicht mehr von dem gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertrages und erst dann könne die Bausparkasse den Vertrag nach § 488 Abs. 3 BGB kündigen. Zum Zeitpunkt der Kündigung am 27.02.2020 habe das Bausparguthaben die Bausparsumme nicht erreicht, sodass der Vertrag nicht voll bespart und eine Kündigung unzulässig sei.
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Dass bei dem vorliegenden Tarif ein Anspruch auf ein Bauspardarlehen von weniger als 1000,00 € nicht bestehe, habe mit der noch nicht erreichten Vollbespannung nichts zu tun, die Regelung nach § 6 ABB sei unwirksam, da sie den Bausparer unangemessen benachteilige und im Übrigen weder hinreichend bestimmt noch transparent sei.
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Die Kläger beantragen daher,
I. festzustellen, dass der Bausparvertrag mit der Vertragsnummer … durch die Kündigung der Beklagten vom 27.02.2020 nicht beendet worden ist und über den 03.06.2020 hinaus fortbesteht und II. die Beklagten zu verurteilen, die Kläger von der Verpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten … zur Leistung der vorgerichtlichen Anwaltskosten freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte ist der Meinung, der bedingungsmäßige Ausschluss des Kündigungsrechts gelte nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21.02.2017, XI ZR 185/16) dann nicht mehr, wenn ein Bauspardarlehen nicht mehr beansprucht werden könne. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben, da bei dem vorliegenden Tarif zum Kündigungszeitpunkt aufgrund der Regelung nach § 6 ABB sich bereits zum 01.01.2018 das Bausparguthaben auf 9082,96 € belaufen habe und ein Bauspardarlehen ab diesem Moment nicht mehr möglich gewesen sei. Das Kündigungsrecht der Bausparkasse sei nach der Rechtsprechung des BGH jedoch nur ausgeschlossen, solange der Bausparer ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen könne.
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Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Parteien haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Das Gericht hat mit Beschluss vom 02.06.2022 als Zeitpunkt, der dem Beschluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, den 30.06.2022 bestimmt. -
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet, der Bausparvertrag ist wirksam durch ordentliche Kündigung durch die Beklagte am 27.02.2020 zum 03.06.2020 nach § 488 Abs. 3 BGB beendet worden.
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1. Der Beklagten stand ein Recht zur ordentlichen Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB zu.
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Ein Bausparvertrag kann durch die Bausparkasse dann gemäß § 488 Abs. 3 BGB gekündigt werden, wenn für die Gewährung eines Bauspardarlehens auf der Grundlage des Bausparvertrages kein Raum mehr besteht.
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Gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 7 BauSparkG haben die Allgemeinen Bausparbedingungen Bestimmungen darüber zu enthalten, unter welchen Voraussetzungen ein Bausparvertrag gekündigt werden kann. Die Allgemeinen Bausparbedingungen der Beklagten sehen ein Kündigungsrecht der Beklagten während der Ansparphase nur unter den - vorliegend nicht erfüllten - Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 ABB vor. Hieraus folgt, dass einem Bausparer bei vertragsgemäßer Erbringung der Ansparleistungen grundsätzlich ein Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zusteht. Dies bedingt einen stillschweigend vereinbarten Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechts aus § 488 Abs. 3 BGB aF, weil anderenfalls die Bausparkasse dem Bausparer jederzeit den bedingungsgemäßen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens entziehen könnte (BGH Entscheidung v. 21.2.2017 - XI ZR 272/16, BeckRS 2017, 105120, beckonline).
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Etwas anderes gilt hingegen, wenn die Bausparsumme - was hier nicht der Fall ist - voll angespart worden ist. Denn ab diesem Zeitpunkt kann ein Bauspardarlehen nicht mehr beansprucht werden (BGH Entscheidung v. 21.2.2017 - XI ZR 272/16, BeckRS 2017, 105120, beckonline).
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Ein Bausparvertrag kann somit durch die Bausparkasse dann gemäß § 488 Abs. 3 BGB gekündigt werden, wenn für die Gewährung eines Bauspardarlehens auf der Grundlage des Bausparvertrages kein Raum mehr besteht.
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Der Bausparvertrag ist darauf ausgerichtet, dem Bausparer ein zinsgünstiges Darlehen zu gewähren. Dieses bemisst sich der Höhe nach auf die Differenz zwischen dem Bausparguthaben im Zeitpunkt der Zuteilung bzw. der Inanspruchnahme des Darlehens und der Höhe der Bausparsumme.
22
Hat der Bausparer die Bausparsumme (zumindest) vollständig angespart, besteht für die Gewährung eines Bauspardarlehens auf der Grundlage dieses Vertrages kein Raum mehr. Aus der Präambel und § 6 ABB folgt, dass Ziel eines Bausparvertrages die Zurverfügungstellung der Bausparsumme, nicht jedoch eine verzinsliche Geldanlage darüber hinaus ist. Wenn jedoch der vereinbarte Zweck des Bausparvertrages erreicht ist, nämlich dem Bausparer die vollständige Bausparsumme zur Verfügung stellen zu können, sei es durch Rückzahlung des Bausparguthabens in Verbindung mit einem Bauspardarlehen, sei es durch Auszahlung der vollständig angesparten Summe ohne Darlehen, besteht jedenfalls kein Grund, der Beklagten die allgemeine Kündigung des Bausparvertrages zu versagen (Landgericht Nürnberg-Fürth; Hinweisbeschluss gemäß § 522 ZPO vom 19.09.2016 - 10 S 4258/16; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02. September 2013 - 19 U 106/13 -, Rn. 2, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02. Oktober 2013 - 19 U 106/13; nachgehend BGH, 24. Juni 2014, Az: XI ZR 384/13, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
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Zwar ist hier im konkreten Fall die Bausparsumme selbst noch nicht erreicht worden, sodass kein vollbesparter Bausparvertrag vorliegt. Der bedingungsmäßige Ausschluss des Kündigungsrechts nach § 488 Abs. 3 BGB gilt nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21.02.2017, XI ZR 185/16) jedoch dann nicht mehr, wenn ein Bauspardarlehen nicht mehr beansprucht werden kann. Nach § 6 der vertraglich vereinbarten ABB besteht ausdrücklich ein Anspruch auf ein Bauspardarlehen in Höhe von weniger als 1000,00 € nicht. Bereits zum 01.01.2018 belief sich ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge das Bausparguthaben auf 9082,96 € und ein Bauspardarlehen war ab diesem Moment - ebenso wie bei Vollbesparung des Vertrages - nicht mehr möglich.
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Die Regelung in § 6 ABB ist nach Auffassung des Gerichts wirksam. Warum diese intransparent sein soll erschließt sich dem Gericht nicht. Auch eine unangemessene Benachteiligung des Bausparers liegt nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Vorrangiger Zweck eines Bausparvertrages ist grundsätzlich die Erlangung des Anspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens (§ 1 Bausparkassengesetz). Hierauf wird auch in der Präambel oder § 1 ABB hingewiesen. Sofern nach Zuteilungsreife - hier am 31.10.2014 - eine Besparung bis nahe an die Bausparsumme erfolgt, benachteiligt es nach Sinn und Zweck des Vertrages den Bausparer nicht unangemessen, ihm die Gewährung des Bauspardarlehens in, im Verhältnis zur Bausparsumme nur geringem Umfang von maximal 1000,00 € zu verwehren.
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Zum Kündigungszeitpunkt am 27.02.2020 belief sich das Bausparguthaben der Kläger auf 9688,79 €, sodass ein Bauspardarlehen nicht mehr gewährt werden konnte.
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Die Beklagte war daher zur Kündigung des Bausparvertrages berechtigt. Der Vertrag ist durch die wirksame Kündigung beendet, sodass die Klage als unbegründet abzuweisen war.
3. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr.11,711,713 ZPO 4.
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Der Streitwert war auf 271,28 € festzusetzen. Das Interesse der Kläger besteht darin, den Fortbestand des Vertrages festzustellen. Nicht die Höhe des angesparten Bausparguthabens ist daher nach herrschender Rechtsprechung für den Streitwert maßgeblich, sondern der zu erzielende Zins, der bei einem Fortbestehen des Vertrages zu zahlen wäre (LG Nürnberg-Fürth,29.02.16, 6 O 5366/16). Nach § 3 der von der Klagepartei vorgelegten Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) -Tarif … - war das Bausparguthaben grundsätzlich mit ein Prozent zu verzinsen, in den Jahren 4-10 wurde ein Bonuszins gewährt, ab dem Jahr 10 wird das Bausparguthaben wieder mit ein Prozent jährlich verzinst. Der Bausparvertrag wurde am 06.12.2008 geschlossen sodass ab 06.12.2018 von einer jährlichen Verzinsung von ein Prozent auszugehen ist. Gemäß § 9 ZPO ist bei wiederkehrenden Leistungen auf den dreieinhalbfachen Jahresbezug abzustellen. Bei einem Bausparguthaben von 9688,79 € zum 31.12.2019 beträgt der Jahresbetrag 96,89 €, das dreieinhalbfache somit 339,11 €. Hinsichtlich der Feststellungsklage ist weiter nach der ständigen Rechtsprechung ein Abzug vorzunehmen. Das Gericht bemisst diesen mit 20%, sodass sich für den Antrag Ziff. 1 ein Streitwert von 271,28 € ergibt.