Inhalt

VG München, Beschluss v. 08.11.2022 – M 28 S7 22.5201
Titel:

Beseitigung einer Grundstückszufahrt an einer Staatsstraße

Normenketten:
GG Art. 3, Art. 14
BV Art. 118
VwGO § 60, § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 123
Leitsätze:
1. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist. Darüber hinaus müssen die geänderten Umstände geeignet sein, eine andere Entscheidung herbeizuführen (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen des Abänderungsverfahrens gilt für die ohne Verschulden nicht geltend gemachten ("neuen") Tatsachen der gleiche Verschuldensmaßstab wie bei § 60 VwGO. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es besteht kein Anspruch aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauch oder direkt aus Art. 14 GG auf den Erhalt einer konkreten Gestalt einer Grundstückszufahrt. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenrecht, Abänderungsverfahren im einstweiligen Rechtsschutz, Beseitigung einer Grundstückszufahrt an einer Staatsstraße, Anliegergebrauch, Grundstückszufahrt, Verschulden, landwirtschaftlich genutztes Grundstück, Erschließung des Grundstücks
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.01.2023 – 8 CS 22.2500
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38078

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragssteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren die Abänderung eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts München, mit dem dieses einen Antrag der Antragsteller auf vorläufige Einstellung von Brücken- und Straßenbaumaßnahmen, in deren Folge eine Zufahrt von ihrem Grundstück auf eine S2. straße beseitigt werden soll, abgelehnt hat.
2
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. 991, Gemarkung B. Sie führen dort einen landwirtschaftlichen Betrieb. Das Grundstück liegt ca. 1 km nördlich der geschlossenen Ortslage von B. Entlang der nördlichen Grundstücksgrenze fließt die L.; parallel zu dessen Westgrenze verläuft die S2. straße (St) … Im Nordwesten des Grundstücks besteht eine asphaltierte Zufahrt zur St … Nördlich der Zufahrt führt eine Brücke über die L. („…brücke“). Das Grundstück ist zudem im Südosten (Kreisstraße … ) mit Kraftfahrzeugen anzufahren.
3
Der Antragsgegner plant die Erneuerung der …brücke im nichtförmlichen Verfahren. Die Planung sieht die Schließung der Grundstückszufahrt der Antragsteller zur St … vor. Mit den Bauarbeiten an der St … wurde begonnen. Nach Angaben des Antragsgegners wurde die Zufahrt Anfang November durch das Aufstellen eines Bauzauns faktisch geschlossen. Mit dem Aushub der Fundamente für die Widerlager, der zur endgültigen Beseitigung der Zufahrt führen wird, soll „Mitte November“ begonnen werden.
4
Nachdem sich die Beteiligten im Verwaltungsverfahren nicht über zwischenzeitlich diskutierte alternative Zufahrtsvarianten an der Westseite des Grundstücks zur St … einigen konnten, suchten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht München um vorläufigen Rechtsschutz nach, den sie im Kern damit begründeten, dass ihre (Milch-)Lieferanten die Hofstelle nicht mehr anfahren könnten und sie selbst keine neue Zufahrt auf die S2. straße anlegen dürften. Damit sei ihr Anliegergebrauch beeinträchtigt und ihr Gewerbebetrieb in seinem Bestand gefährdet. Dies hätte der Antragsgegner im Rahmen der Abwägung nicht oder jedenfalls nicht ausreichend gewürdigt.
5
Die mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Bauarbeiten erhobenen Eilanträge wurden mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juli 2022 (M 2 E 21.5421) abgelehnt. Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Hauptantrag erfolglos bleibe, weil das Grundstück der Antragsteller nicht in Anspruch genommen werde. Den Antragstellern stehe auch kein Anspruch auf vorläufige Beibehaltung ihrer Zufahrt zur St … zu (Hilfsantrag). Die Baugenehmigungen enthielten keine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis. Ein Anspruch auf Beibehaltung der Zufahrt sei auch aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht gegeben. Das Grundstück sei über die Kreisstraße … erschlossen. Als Straßenanlieger seien die Antragsteller nicht auf die Zufahrt zur St … angewiesen. Die Zufahrt … reiche auch für den Lieferverkehr aus; betriebliche Abläufe innerhalb des Grundstücks seien ggf. anzupassen. Das Straßenbauamt habe die Interessen der Antragsteller auf Beibehaltung der Zufahrt hinreichend abgewogen, den für die Schließung sprechenden öffentlichen Belangen aber den Vorzug gegeben. Eine Alternativtrasse dränge sich nicht auf. Auch eine wesentliche Änderung der Lärmimmissionen sei nicht zu erwarten. Eine gegen den ablehnenden Eilbeschluss gerichtete Beschwerde der Antragsteller wies der Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. September 2022 (8 CE 22.1865) unanfechtbar zurück.
6
Am 20. Oktober 2022 haben die Antragsteller „analog § 80 Abs. 7 VwGO“ erneut um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht, den sie insbesondere damit begründen, dass ihren Rechtsvorgängern mit Bescheid vom 1. Dezember 1992 sowie ihnen selbst mit Bescheiden vom 26. Juli 2002 und vom 11. Februar 2015 insgesamt drei Baugenehmigungen für diverse Vorhaben auf dem Grundstück FlNr. 991 der Gemarkung B. erteilt worden seien und in den jeweils getroffenen Nebenbestimmungen (unmittelbar in Textform oder mittelbar durch planerische Darstellungen) geregelt worden sei, dass die bisherige Zufahrt von dem Grundstück auf die S2. straße … nicht geändert werden darf. Auch dürfe eine neue direkte Zufahrt auf die S2. straße nicht angelegt werden. Der Antragsgegner, der eine Schließung der Zufahrt ab dem 27. Oktober 2022 plane, lehne die von den Antragstellern vorgeschlagene alternative Zufahrt auf die S2. straße mit der Begründung, die Richtlinie für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS) 2009 würde hier eine Unterbrechung der Schutzplanken nicht zulassen, ab. Dies sei deshalb erstaunlich, weil auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine solche Unterbrechung, die der Zufahrt auf ein anderes landwirtschaftlich genutztes Grundstück diene, offensichtlich kein Problem darstelle. Es lägen auch mehrere Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO, der im vorliegenden Verfahren entsprechend anwendbar sei, vor, die die Antragsteller im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht hätten. So das Bekanntwerden bislang nicht vorgelegter Akten des Staatlichen Bauamts W. zu den Bauanträgen von 1992, 2002 bzw. 2015, deren Beiziehung beantragt werde. Weiterhin das Bekanntwerden eines genehmigten Lageplans 2002 mit Roteintrag Zufahrt, von bislang nicht vorgelegter interner E-Mail-Korrespondenz des Staatlichen Bauamts W. zur gegenüberliegenden Zufahrt vom 30. August 2022 sowie diverser Kommentar- bzw. Literaturstellen. Hinsichtlich der Begründetheit des Antrags wiederholten und vertieften die Antragsteller ihre bereites in den vorangegangenen Eil- und Beschwerdeverfahren geäußerten Bedenken und Rechtsansichten.
7
Die Antragsteller beantragen,
den Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juli 2022 zu verpflichten, es zu unterlassen, die im beigefügten Lageplan vom 20. August 1992 grün eingezeichnete Zufahrt von der S2. straße … auf das Grundstück FlNr. 999 (richtig gemeint: 991), Gemarkung B., zu behindern,
hilfsweise, den Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juli 2022 zu verpflichten, es zu unterlassen, die im beigefügten Lageplan vom 20. August 1992 grün eingezeichnete Zufahrt von der S2. straße … auf das Grundstück FlNr. 999 (richtig gemeint: 991), Gemarkung B., zu schließen.
8
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen,
9
und begründet dies vor allem damit, dass der Antrag bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. Erforderlich sei, dass geänderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorliegen. Dies sei offenkundig nicht der Fall. Es haben sich gegenüber der vorherigen Entscheidung keinerlei Änderungen hinsichtlich der Folgen für die Antragsteller ergeben. Soweit sich die Antragsteller darauf beriefen, dass die Stellungnahmen zu den Bauanträgen bislang nicht vorgelegen hätten und deshalb hieraus Erkenntnisse nicht gemäß § 100 VwGO hätten gewonnen werden können, sei dies in doppelter Hinsicht nicht zutreffend. Zum einen seien diese nicht Verfahrensakten des hier streitgegenständlichen Verfahrens und damit nicht vorlagepflichtig gewesen. Zum anderen seien die Aktenstücke den Antragstellern bekannt gewesen. Der erwähnte Lageplan mit Roteintragung sei diesseits nicht bekannt. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich oder dargelegt worden, inwieweit dieser einen neuen, bislang unbekannten Umstand darstelle. Soweit die Antragsteller rügten, dass nicht der gesamt E-Mail-Verkehr vorgelegt worden sei, sei nicht ersichtlich, inwieweit dies für die ergangene Entscheidung von Relevanz sein soll. Der Schriftverkehr stamme vom 30. August 2022, also einem Zeitraum, als sich das Verfahren in der Beschwerdeinstanz befunden habe. Soweit es die Literaturlage betrifft werde schließlich nicht dargetan, wie das ein neuer Umstand sein soll. Ein Anordnungsanspruch sei nach wie vor nicht gegeben. Der Antrag werde mit keinen neuen Gesichtspunkten begründet. Er beschränke sich im Wesentlichen auf eine Kritik der ergangenen Entscheidung.
10
Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens legten die Antragsteller zwei Schreiben vor, ausweislich derer ihnen von einem Futterlieferanten bzw. einem Müllentsorger mitgeteilt worden sei, dass die bisherige Zufahrt für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen unerlässlich sei. Zudem beantragten sie mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2022 den Erlass eines „Hängebeschlusses“.
11
Mit Schriftsatz vom 7. November 2022 ergänzten die Antragsteller ihre Antragsbegründung und trugen im Wesentlichen vor, dass ihr landwirtschaftlicher Betrieb in seiner Existenz gefährdet sei. Kein einziges Lieferfahrzeug könne auf ihrem Grundstück wenden, da es an einer Wendemöglichkeit auf dem Grundstück fehle und die Errichtung einer solchen aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten (Baumbestand, Kläranlage) dort auch nicht möglich sei. Auf dem Grundstück befinde sich zudem eine Brücke über einen Bach. Diese Brücke würde das Gewicht eines vollen Fahrzeugs niemals aushalten, weshalb die Fahrzeuge zwingend vor Überqueren dieser Brücke abladen müssten. Eine Erschließung des Grundstücks über die südlich gelegene Kreisstraße … würde ausweislich eines Angebots der Fa. … … Tiefbau GmbH & Co. KG mehr als 100.000 Euro veranschlagen, was für die Antragsteller nicht leistbar sei. Im Übrigen hinaus wiederholten sie auch nochmals ihre inhaltliche Kritik an den vorangegangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.
12
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, auch in den Verfahren M 2 E 21.5421 und M 28 K 22.3959, sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
13
1. Der Abänderungsantrag bleibt jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.
14
a) Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 und 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben; jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
15
Ein Anspruch auf Abänderung einer getroffenen Entscheidung im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist dann gegeben, wenn sich nach der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eine Veränderung der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- oder Rechtslage ergeben hat und sich aus den veränderten Umständen zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der früheren Eilentscheidung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1999 - 11 VR 8.98 - NVwZ 1999, 650). Das Abänderungsverfahren dient hingegen nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig ist. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2008 - 2 VR 1/08 - juris; VGH BW, B.v. 16.12.2001 - 13 S 1824/01 - juris; OVG NRW, B.v. 7.2.2012 - 18 B 14/12 - juris). Dasselbe gilt bei einer Veränderung der Prozesslage, etwa aufgrund neuer Erkenntnisse. Darüber hinaus müssen die geänderten Umstände geeignet sein, eine andere Entscheidung herbeizuführen (vgl. VG Augsburg, B.v. 30.9.2013 - Au 5 S 13.30305 - juris Rn. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 202 ff. m.w.N.).
16
Nach überwiegender Meinung gilt Entsprechendes auch für ein Verfahren, in dem der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO abgelehnt worden ist (BayVGH, B.v. 9.7.1999 - 25 ZE 99.1581 - NVwZ 2000, 210; Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 123 Rn. 177; a.A. Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 123 Rn. 81, der unter Hinweis auf die gegebene Möglichkeit, einen neuen Antrag nach § 123 VwGO zu stellen, keine Regelungslücke sieht). Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Beseitigung der Zufahrt der Antragsteller soll im Interesse effektiven Rechtsschutzes offen bleiben, welche Rechtsschutzform (Antrag analog § 80 Abs. 7 oder § 927 ZPO oder nach § 123 VwGO) vorliegend statthaft ist.
17
b) Veränderte Umstände oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte („neue“) Tatsachen, die zu einer Abänderung des Beschlusses vom 13. Juli 2022 führen würden, liegen nicht vor. Es kommt mithin nicht mehr auf die Frage an, ob aufgrund solcher Umstände der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten wäre (zu den Prüfungsschritten im Rahmen des Abänderungsverfahrens: Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 134).
18
Die Antragsteller machen schon nicht geltend, dass sich gegenüber der Erstentscheidung Umstände verändert haben. Auch soweit sie sich darauf berufen, dass mehrere Umstände vorlägen, die sie im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht haben, rechtfertigt dies im Ergebnis keine Abänderung des Beschlusses vom 13. Juli 2022:
19
aa) Soweit es den erstmals vorgelegten „Lageplan 2002 mit Roteintrag Zufahrt“ betrifft, tragen die Antragsteller vor, dass sie diesen erst aufgefunden haben, nachdem sie ihr (neuer) Bevollmächtigter auf die Bedeutung des Regelungsinhalts der jeweiligen Verwaltungsakte (gemeint sind wohl die Baugenehmigungen von 1992, 2002 und 2005) hingewiesen habe. Dies zugrunde gelegt liegt bereits keine im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Tatsache vor.
20
Im Rahmen des Abänderungsverfahrens gilt der gleiche Verschuldensmaßstab wie bei § 60 VwGO (Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 134; Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 80 Rn. 588). Verschulden liegt immer dann vor, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist (objektive Voraussetzung) und die ihm (subjektiv) nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Den Antragsteller hätte es mithin oblegen, den Lageplan bereits im Erstverfahren vorzulegen. Dass sie dessen Bedeutung zunächst nicht gekannt haben, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, da dies jedenfalls den (bisherigen) Bevollmächtigten der Antragsteller - deren Verschulden sie sich zurechnen lassen müssen (VGH BW, B.v. 6.12.2001 - 13 S 1824/01 - NVwZ-RR 2002, 908; Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 80 Rn. 588) - hätte bewusst sein müssen.
21
bb) Unbeschadet dessen hält das Gericht weder den vorgelegten Lageplan noch die bislang nicht vorgelegten Akten des Bauamts zu den Bauanträgen von 1992, 2002 bzw. 2015 für geeignet, eine Abänderung des Beschlusses zu rechtfertigen.
22
Es ist nicht erkennbar, inwiefern die vorgelegten Unterlagen (u.a. diverse [interne] Behördenschreiben und Lagepläne, die im Rahmen der den Antragstellern bzw. ihren Rechtsvorgängern erteilten Baugenehmigungen angefertigt worden sind) eine Abänderung des ursprünglichen Beschlusses notwendig machen sollten. Inhaltlich liefern die vorgelegten Unterlagen und der diesbezügliche Vortrag des Bevollmächtigten der Antragsteller jedenfalls keine neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse.
23
Mit dem insoweit wesentlichen Argument der Antragsteller, dass sich aus dem bisherigen („zustimmenden“) Verhalten des Straßenbauamts sowie den erteilten Baugenehmigungen und den darin festgesetzten Nebenbestimmungen ein Anspruch auf unveränderten Fortbestand und Nutzung der bisherigen Zufahrt zur S1.straße ergebe (S. 10 - 18 der Antragsschrift), haben sich bereits das Verwaltungsgericht München (Rn. 24 ff.) sowie der Bayerische Verwaltungsgerichthof (Rn. 20 ff.) in den vorangegangenen Entscheidungen im Eilverfahren ausführlich befasst. Auf die dortigen Ausführungen, denen sich die erkennende Kammer auch inhaltlich vollumfänglich anschließt, wird verwiesen.
24
Nichts Anderes gilt im Ergebnis auch für die erstmals bekannt gewordene interne E-Mail-Korrespondenz des Staatlichen Bauamts W. zur gegenüberliegenden Zufahrt vom 30. August 2022. Mit dem insoweit wesentlichen Argument der Antragsteller, dass die Abwägung fehlerhaft gewesen sei, weil hinsichtlich der gegenüberliegenden Zufahrt auf ein ebenfalls landwirtschaftlich genutztes Grundstück im Hinblick auf die Leitplankenregelung eine Ausnahme gemacht worden sei, eine solche im Falle der Antragsteller aber nicht erwogen worden sei, hat sich das Verwaltungsgericht München in seinem Beschluss vom 13. Juli 2022 im Ergebnis bereits inhaltlich auseinandergesetzt (vgl. dort Rn. 43), indem es hierzu ausgeführt hat: „Selbst wenn eine solche [Ausnahme] möglich wäre, ist nicht ersichtlich, warum die Antragsteller ein subjektives Recht auf Nutzung dieser Ausnahme haben sollten. Wie dargestellt (vgl. Rn. 31 ff. und 35 ff.) besteht schon kein Anspruch aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauch oder direkt aus Art. 14 GG auf den Erhalt einer konkreten Gestalt einer Grundstückszufahrt.“ Soweit die Antragsteller darüber hinaus eine Verletzung von Art. 3 GG bzw. Art. 118 BV rügen, haben sie im Übrigen schon nicht substantiiert dargetan, dass vorliegend in Bezug auf die konkreten örtlichen Verhältnisse tatsächlich Gleiches ungleich behandelt würde.
25
cc) Soweit die Antragsteller erstmals im Abänderungsverfahren vortragen, dass eine hinreichende Erschließung des Grundstücks der Antragsteller nicht über die Anbindung zur Kreisstraße … erfolgen könne, weil über das Grundstück ein Bach fließe, der von schweren Lastkraftwagen nicht überfahren werden könne, rechtfertigt diese Behauptung aus Sicht des Gerichts im Ergebnis keine Abänderungsentscheidung.
26
Zum einen dürfte dieser Umstand bereits präkludiert sein, da er ohne weiteres bereits im vorangegangenen Eilverfahren hätte geltend gemacht werden können, aber nicht geltend gemacht wurde. Zum anderen betrifft er nur den in den Verantwortungsbereich der Antragsteller fallenden Aspekt der Organisation der betrieblichen Abläufe innerhalb des Grundstücks der Antragsteller (vgl. hierzu ausführlich bereits den vorangegangenen Beschluss des VG München, dort Rn. 34, 37 f.). Vor allem vermag der Einwand der Antragsteller die Kammer auch inhaltlich nicht zu überzeugen:
27
Die Behauptung der Antragsteller, dass schwere Lastkraftwagen die Brücke über den Bach nicht überqueren könnten, ist jedenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Im bisherigen Verfahren haben die Antragsteller selbst vorgetragen, dass ihr Grundstück von ihren Lieferanten bzw. Entsorgern durchquert werden müsste, da eine Wendemöglichkeit auf dem Grundstück nicht bestehe und aus tatsächlichen Gründen auch nicht geschaffen werden könnte. Alle Fahrzeuge müssten demnach entweder über die S2. straße zu- und über die Kreisstraße abfahren (dies sei der Regelfall) oder umgekehrt über die Kreisstraße ein- und über die S1.straße abfahren. Gerade aus diesem Grund könne auf die Zufahrt zur S2. straße nicht verzichtet werden. Die Antragsteller stellen mithin nicht in Abrede, dass die Überquerung des (verrohrten) Bachlaufs bisher für den Zuliefer- und Abholverkehr - auch mit schweren LKWs - im Grundsatz ohne weiteres möglich war. Die nun erstmalige Behauptung der Antragsteller, dass dies lediglich deshalb möglich gewesen sei, weil die Fahrzeuge entweder das Grundstück der Antragsteller früh morgens „als Erste“ bedienen würden und deshalb noch nicht zu schwer seien bzw. weil die Fahrzeuge ihre Güter bereits vor der Überquerung des Baches auf dem Grundstück der Antragsteller leeren würden und die Fahrzeuge deshalb jeweils wieder leicht genug seien, vermag das Gericht jedenfalls nicht zu überzeugen. Es verwundert die Kammer, dass diese eine aufwendige betriebliche Logistik und ein nicht selbstverständliches Entgegenkommen der Firmen des genannten Zuliefer- und Abholverkehrs voraussetzende Gestaltung in keiner der bislang von diesen Firmen vorgelegten Schreiben auch nur mit einem Wort angesprochen wurde. Im Übrigen haben die Antragsteller weder vorgetragen, welche Last die als Brücke bezeichnete Überquerung tatsächlich aushalten würde, noch wurde näher dargelegt, mit welchem Gewicht die Fahrzeuge die Brücke bisher überquert haben bzw. mit welchem Gewicht die Fahrzeuge die Brücke nach Schließung der Zufahrt auf die S2.straße überqueren müssten. Im Übrigen obläge es den Antragstellern ohnehin, die Querung des Baches so zu verstärken, dass ein Überfahren für Lieferfahrzeuge möglich wäre. Auch insoweit gilt, dass betriebliche Abläufe nötigenfalls anzupassen sind (vgl. hierzu schon den Beschluss des VG München vom 13.7.2022 - Rn. 34.). Dass die Antragsteller hierdurch ernsthaft in ihrer Existenz bedroht wären, ist weder hinreichend glaubhaft gemacht worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist offensichtlich, dass die von der Firma … … Tiefbau GmbH & Co. KG angebotenen Baumaßnahmen weit über eine entsprechende Ertüchtigung nur der Querung des Baches hinausgehen würden und dementsprechend auch in finanzieller Hinsicht dasjenige bei weitem übersteigen, was tatsächlich von den Antragstellern aufzuwenden wäre.
28
dd) Im Übrigen beschränkt sich der Vortrag der Antragsteller weitestgehend auf eine bloße Kritik an den vorangegangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts bzw. des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Neue oder veränderte Umstände werden, etwa im Hinblick auf die Frage, ob ein Abwägungsfehler vorliegt, nicht aufgezeigt. Wie bereits dargelegt dient das Abänderungsverfahren jedoch nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig war.
29
Vor diesem Hintergrund erscheint auch die - von den Antragstellern wiederholt beantragte - Beiziehung der Baugenehmigungsakten des Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen und ggf. der Erlass eines sog. „Hängebeschlusses“ bis dahin nicht angezeigt. Den Antragstellern ist zwar zuzugestehen, dass die Pflicht des § 99 VwGO sämtliche Behörden trifft, unabhängig davon, ob sie selbst an dem Rechtsstreit beteiligt sind (Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 99 Rn. 8). Allerdings beschränkt sich die Pflicht zur Aktenvorlage auf die Fälle, in denen das Gericht die Akten ausdrücklich von der Behörde anfordert, weil es deren Inhalt für (potentiell) entscheidungserheblich hält. Vorliegend ist gemessen am Vortrag des Bevollmächtigten der Antragsteller nicht ersichtlich, dass sich aus den Behördenakten des Landratsamts neue und für das hiesige Verfahren entscheidungserhebliche Erkenntnisse ergeben sollten.
30
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai bzw. 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.