Titel:
Keine sittenwidrige Schädigung des Erwerbers eines Diesel-Fahrzeugs mit Thermofenster (hier: VW Touareg 3.0 V6 TDI)
Normenkette:
BGB § 31, § 826
Leitsatz:
Für die Annahme von Sittenwidrigkeit bedarf es im Fall einer auf dem Prüfstand und im Realbetrieb gleichsam wirksamen Abschalteinrichtung, wie z.B. dem Thermofenster, weiterer Umstände, die das Verhalten der für den Kfz-Hersteller handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der klagende Erwerber als Anspruchsteller. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, sittenwidrige Schädigung, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, EA 896 Gen2 m.E., Prüfstandsbezogenheit, Thermofenster
Vorinstanz:
LG Aschaffenburg, Endurteil vom 26.01.2022 – 63 O 41/21
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Beschluss vom 28.06.2022 – 5 U 48/22
OLG Bamberg, Beschluss vom 19.07.2022 – 5 U 48/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38073
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 26.01.2022, Az. 63 O 41/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt weiter, der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 44.722,71 Euro festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 10.06.2022.
Entscheidungsgründe
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Die Parteien streiten um Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. Abgas-Skandal.
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Die Klägerin erwarb am 09.04.2013 bei einer Händlerin das streitgegenständliche Fahrzeug der Marke V. T. 3.0 V6 zum Preis von 64.950,00 € als Neufahrzeug. Im Fahrzeug ist ein von der Beklagten entwickelter Motor des Typs EA 896 Gen2 (EU 5) verbaut. Das Fahrzeug ist mit einem Thermofenster ausgestattet. Auf das Fahrzeug ist ein freiwilliges Softwareupdate aufgespielt worden.
3
Die Klägerin trägt vor, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen würde. Sie behauptet, dass weitere unzulässige Abschalteinrichtungen in Form eines Warmlaufprogramms und einer Fahrzyklus-/ Rollenprüfstandserkennung verbaut seien. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) habe den Rückruf der mit diesen Motoren versehenen Fahrzeuge angeordnet. Auch nach dem Softwareupdate würden die Grenzwerte nicht eingehalten. Das Softwareupdate führe zu nachteiligen technischen Folgen.
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Bezüglich des Sach- und Streitstands und der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 26.01.2022, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, sowie die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
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Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch aus § 826 BGB nicht gegeben sei. Der Sachvortrag der Klägerin sei nicht hinreichend substantiiert. Bei dem Einsatz eines Thermofensters sei schon der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht gegeben. Das Fahrzeug sei nicht von einem amtlichen Rückruf durch das KBA betroffen. Die Behauptung der Klägerin, es sei eine manipulierte Motoraufwärmfunktion verbaut, sei nicht substantiiert, der Vortrag zur Rollenprüfstandserkennung sei ohne greifbare Anhaltspunkte für deren Vorhandensein und willkürlich aufgestellt, was sich bereits daran zeige, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug insbesondere kein AECD Steuergerät verbaut sei.
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In der Berufungsinstanz verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 27.04.2022 (Bl. 490 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt,
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 44.722,71 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs V. T. mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ….
- 2.
-
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu Ziffer 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
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Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Kosten für die Rechtsverfolgung in Höhe von 3.178,40 € freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Es wird auf die Berufungserwiderung vom 18.05.2022 (Bl. 513 ff. d. A.) verwiesen.
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Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 513 Abs. 1, § 546 ZPO). Nun
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Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB zusteht.
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1. Die Klägerin hat schon die Tatbestandsvoraussetzungen für eine sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB nicht hinreichend vorgetragen.
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a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19, Rn. 15; Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19, Rn. 14; Urt. v. 13.07.2021 - VI ZR 128/20, Rn. 11).
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b) Nach diesen Maßstäben liegt ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht deshalb vor, weil sie den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (sog. Thermofenster) ausgestattet hat, die auf dem Prüfstand im Grundsatz in gleicher Weise arbeitet wie im normalen Fahrbetrieb.
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Dieser Umstand reicht für sich genommen nicht aus, um eine Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu begründen, und zwar auch dann nicht, wenn - wie der Kläger behauptet - die Abgasrückführung außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs nicht stattfindet (BGH, Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 13 m. w. N.). Dabei kann zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der 5 U 48/22 - Seite 4 - Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist (BGH aaO).
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Für die Annahme von Sittenwidrigkeit bedarf es im Fall einer auf dem Prüfstand und im Realbetrieb gleichsam wirksamen Abschalteinrichtung, wie z.B. dem Thermofenster, vielmehr weiterer Umstände, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 aaO, Rn. 19; Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 13). Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 13).
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Die Klägerin hat derartige Umstände nicht vorgetragen.
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Auch aus einer etwaigen unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Selbst wenn die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren - erforderliche - Angaben zu den Einzelheiten der Abgasrückführung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung zu prüfen (BGH Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21, Rn. 20).
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Eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB wegen der Verwendung eines Thermofensters kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten vor dem Hintergrund der (zum Genehmigungszeitpunkt) unsicheren Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters nicht vorgelegen hat. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (vgl. BGH Urt. v. 16.9.2021 - VII ZR 190/20, Rn. 31). Bereits aus der Entscheidung des EuGH (Urt. v. 17.12.2020, Az. C-693/18) in Bezug auf die Unzulässigkeit eines Thermofensters lässt sich entnehmen, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine breit geführte Diskussion um die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters geführt wurde. Auch ein Schädigungsvorsatz der Beklagten kann nicht festgestellt werden, denn allein aus der hier zu unterstellenden objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer (vgl. BGH aaO, Rn. 32).
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Soweit die Klägerin geltend macht, das Fahrzeug sei mit einem Warmlaufprogramm und einer FahrzyklusPrüfstandserkennung ausgestattet, ist ihr Sachvortrag nicht hinreichend substantiiert. aa) Der Senat verkennt dabei nicht, dass eine unter Beweis gestellte Behauptung erst dann unbeachtlich ist, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können. Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (BGH, Beschluss vom 28.01.2020 - VIII ZR 57/19, Rn. 7 f.; Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 20 ff.).
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bb) Die Beklagte hat bestritten, dass das Fahrzeug der Klägerin ein manipuliertes Warmlaufprogramm sowie eine Fahrzyklus-/ Prüfstandserkennung enthält. Der Sachvortrag der Klägerin genügt auch unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze den Substantiierungsanforderungen nicht.
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Das Landgericht hat festgestellt, dass kein amtlicher Rückruf des KBA wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen erfolgt ist, da die von der Klägerin mit Anlagenkonvolut vorgelegten Rückrufbescheide nicht den streitgegenständlichen Motor betreffen.
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Der Senat hat diese fehlerfrei getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde zu legen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Berufung zeigt keine Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder der Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen.
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Im Übrigen hat die Klägerin schon selbst vorgetragen, dass es sich bei der Rückrufaktion, die zur Aufspielung des Softwareupdates auf ihr Fahrzeug geführt habe, um eine freiwillige Servicemaßnahme gehandelt habe. Zudem ist sie dem Vortrag der Beklagten, dass ein verpflichtender Rückruf für das streitgegenständliche Fahrzeug gerade nicht vorliege, nicht substantiiert entgegengetreten.
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Entgegen der klägerischen Behauptung über das Vorliegen von unzulässigen Abschalteinrichtungen hat das KBA - ganz im Gegenteil - ausweislich der von der Beklagten vorgelegten, von der Klägerin inhaltlich nicht bestrittenen, Auskünfte den streitgegenständlichen Motor in zahlreichen mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp vergleichbaren und sogar identischen Fahrzeugtypen einer eingehenden und umfassenden Überprüfung unterzogen. Hierbei ist nach dem Inhalt der Auskünfte bei keinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden (vgl. B1, B2 und B4; BE1, BE2 und BE3).
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Vor dem Hintergrund der umfassenden Untersuchungen des KBA als zuständiger Fachbehörde reichen die von der Klägerin vorgetragenen Umstände für die substantiierte Darlegung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht aus.
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c) Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass das Softwareupdate zu Folgemängeln führe, führt auch dieser Vortrag nicht zum Erfolg der Klage. Die Klägerin hat keine Umstände dargetan, die im Hinblick auf etwaige Folgemängel durch das Softwareupdate eine erneute Täuschung des KBA begründen könnten, weshalb es insoweit schon an der Feststellung einer objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20, Rn. 30). Zudem wäre die erforderliche Kausalität einer solchen Täuschungshandlung für den alleine schadensbegründenden Kaufvertragsschluss der Klägerin nicht gegeben.
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2. Selbst wenn die von der Klägerin behaupteten Mechanismen eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der VO 715/2007/EG darstellen sollten, liegen die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht vor, weil das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen auch aus Rechtsgründen nicht als besonders verwerflich und nicht als objektiv sittenwidrig eingestuft werden kann.
30
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, setzt die objektive Sittenwidrigkeit der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen und die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der für die Beklagte handelnden Personen unter anderem voraus, dass die Zulassung des konkreten Fahrzeugs durch eine arglistige Täuschung der zuständigen Typengenehmigungsbehörde, hier des KBA, erreicht wurde (BGH, Urt. v. 25.05.2020 aaO, Rn. 23). Dies ist vorliegend nicht ersichtlich.
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Denn das KBA hat - wie bereits vorstehend ausgeführt - Untersuchungen im Hinblick auf den konkreten Fahrzeug- und Motortyp durchgeführt und dabei festgestellt, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt. Es wurden keine Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung erlassen.
32
Der Senat ist auf dieser Tatsachengrundlage davon überzeugt, dass eine für die Erteilung der Typengenehmigung kausale Täuschung des KBA im Rahmen des Zulassungsverfahrens nicht vorgelegen hat. Die Tatsache, dass das KBA keinen behördlichen Rückruf angeordnet, keine Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung angeordnet und auch sonst keine Maßnahmen ergriffen hat, spricht selbst unter der Annahme, dass etwaig vorhandene emissionsrelevante Mechanismen im Typengenehmigungsverfahren nicht aufgedeckt worden wäre, zwingend dafür, dass das KBA auch bei voll umfassender Kenntnis der behaupteten Mechanismen im Rahmen des Zulassungsverfahrens die Typengenehmigung erteilt hätte.
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Es kommt hinzu, dass der Klägerin unter diesen Umständen auch kein Schaden entstanden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 25.05.2020 aaO, Rn. 48 ff.) liegt bei der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen im Kontext des sogenannten Dieselskandals der dem Fahrzeugkäufer entstandene Schaden in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit in Form des Kaufvertragsschlusses. Es ist danach auszuschließen, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht, 5 U 48/22 - Seite 7 - und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann.
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Danach ist ein Schaden im vorgenannten Sinne bei der Klägerin nicht eingetreten. Dem Fahrzeug der Klägerin drohte aufgrund der von ihr behaupteten Mechanismen keine Betriebsbeschränkungen oder Untersagung durch das hierfür zuständige KBA. Dies ergibt sich ebenfalls aus den zuvor genannten Behördenauskünften, nach welchen rechtlich unzulässige Abschalteinrichtungen aus Sicht des KBA nicht vorliegen. Der Senat schließt hieraus, dass der Klägerin eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung weder in der Vergangenheit drohte, noch im jetzigen Zeitpunkt oder in der Zukunft droht. Es ist weder ersichtlich noch sonst vorgetragen und auch nicht erwarten, dass die sich aus den vorgelegten Auskünften ergebende Beurteilung des KBA im Zeitpunkt des Zulassungsverfahrens anders ausgefallen wäre oder in Zukunft anders ausfallen wird.
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Auch sonstige Schadensersatzansprüche stehen der Klägerin nicht zu.
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1. Ein Anspruch aus § 831 BGB setzt das Vorliegen einer schuldhaften unerlaubten Handlung voraus, an der es vorliegend fehlt (siehe oben unter II.).
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2. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 263 StGB, 31 BGB scheitert bereits an einer Täuschungshandlung durch verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten und jedenfalls an fehlender Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (BGH, Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20, Rn. 18 ff.).
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3. Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 VO 715/2007/EG oder Art. 12,18 RL Nr. 2007/46/EG zu. Diese Verordnungen bzw. diese Richtlinie stellen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Normen liegt (BGH, Urt. v. 30.07.2020 aaO, Rn. 10 ff.; Beschluss vom 07.07.2021 - VII ZR 218/21, Rn. 1 ff.).
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Die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Fall hat weder Grundsatzbedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Es handelt sich um die Subsumtion eines Einzelfalls unter bereits vom Bundesgerichtshof aufgestellte Rechtsgrundsätze.
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Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO.