Titel:
Keine Anwendung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB auf merkantilen Minderwert
Normenkette:
BGB § 249 Abs. 2 S. 2, § 251
Leitsatz:
Der Ersatz der Wertminderung gründet sich nicht auf § 249 BGB (Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands), sondern auf § 251 Abs. 1 BGB. § 251 Abs. 1 BGB erfasst die Schadensposten, die verbleiben, wenn die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist. Dies trifft auf die Wertminderung zu, weil es sich bei dieser um einen zu ersetzenden Vermögensschaden handelt, der auch nach technisch einwandfreier Reparatur verbleibt. Den Abzug der Mehrwertsteuer, wenn diese nicht anfällt, sieht das Gesetz jedoch lediglich im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB, nicht aber im Rahmen des § 251 Abs. 1 BGB vor. Dabei handelt es sich auch nicht um eine planwidrige Regelungslücke. Vielmehr ergibt die historische Auslegung, dass die Regelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB gerade bewusst nicht im Rahmen des § 251 Abs. 1 BGB eingeführt wurde. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Umsatzsteuer, merkantiler Minderwert, fiktive Abrechnung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38070
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klagepartei kann die Vollstreckung der Beklagtenpartei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 723,73 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um Rückforderungsansprüche aus einer Unfallregulierung.
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Die Klagepartei ist ein Versicherungsunternehmen. Zwischen der Klagepartei und dem Versicherungsnehmer bestand zum Unfallzeitpunkt am … ein Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag für das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … . Am .. stieß der Versicherungsnehmer der Klagepartei gegen ein geparktes Kraftfahrzeug des Beklagten. Die vollständige Haftung der Klagepartei dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Das Fahrzeug des Beklagten wurde repariert. Dem Beklagten wurden von der Werkstatt Reparaturkosten in Höhe von 7.147,13 EUR netto in Rechnung gestellt. Dem war ein Kostenvoranschlag der Werkstatt vorangegangen. Der Beklagte macht weiterhin Unkosten in Höhe von 25,00 EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend. Darüber hinaus mietete er vom bis ein Ersatzfahrzeug an. Das verunfallte Fahrzeug war nach Schwacke in die Mietwagenklasse 7 einzuordnen.
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Am … reichte der Beklagte über seine jetzigen Prozessbevollmächtigten den Schadensfall beim Kläger ein und gab dabei an, dass er nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei, obwohl er tatsächlich vorsteuerabzugsberechtigt war. Die Klagepartei regulierte gesamt auf den Schadensfall 9.447,02 EUR brutto. Der Beklagte zahlte nach Rückforderung der Klagepartei 670,49 EUR zurück. Die Klagepartei verfolgt weitere Rückzahlungsansprüche in Höhe von weiteren 723,73 EUR mit der Klage.
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Die Klagepartei ist der Auffassung, dass sie in Höhe weiterer 723,73 EUR überzahlt habe, weil der Beklagte zum Unfallgeschehen lediglich folgende berechtigte Ansprüche habe:
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3. Des Weiteren vertritt die Klagepartei die Auffassung, dass hinsichtlich der - unstreitigen - Wertminderung in Höhe von 250,00 EUR, der Mehrwertsteueranteil abzuziehen sei.
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 723,73 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die ihm in Rechnung gestellten Reparaturkosten in Höhe von 7.147,13 EUR und die ihm in Rechnung gestellten Mietwagenkosten in Höhe von 884,00 EUR netto erstattungsfähig seien. Hinsichtlich der Wertminderung vertritt er die Auffassung, dass die Wertminderung eine steuerneutrale Schadensposition sei und daher die Mehrwertsteuer nicht abzuziehen sei. Weiterhin vertritt er die Auffassung, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten würden gesamt 745,40 EUR betragen.
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Das Gericht hat mit den Parteien mündlich verhandelt am 26.09.2022 und den Beklagten persönliche angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen. Sodann ist das Gericht mit Zustimmung der Parteien durch Beschluss vom 05.10.2022 ins schriftliche Verfahren übergegangen.
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Zur Vervollständigung des Tatbestandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
Weiterhin zu ersetzen ist eine Wertminderung in Höhe von 250,00 EUR.
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Die Höhe der Wertminderung ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist zwischen den Parteien lediglich, ob von der Wertminderung in Höhe von 250,00 EUR der Mehrwertsteueranteil abzuziehen ist, weil der Beklagte vorsteuerabzugsberechtigt ist. Dies ist jedoch aus rechtlichen Gründen nicht der Fall.
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Der Ersatz der Wertminderung gründet sich nicht auf § 249 BGB (Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands), sondern auf § 251 Abs. 1 BGB. § 251 Abs. 1 BGB erfasst die Schadensposten, die verbleiben, wenn die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist. Dies trifft auf die Wertminderung zu, weil es sich bei dieser um einen zu ersetzenden Vermögensschaden handelt, der auch nach technisch einwandfreier Reparatur verbleibt (Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 251 Rn. 14). Der merkantile Minderwert beruht darauf, dass eine Sache, die Unfallschäden von einem Gewicht aufweist, im Verkehr gegebenenfalls trotz ordnungsgemäßer Reparatur geringer bewertet wird als eine unfallfreie Sache (Grüneberg, a.a.O.). Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte die Sache weiter behält und sich der Minderwert daher nicht in einem Verkauf konkretisiert (Grüneberg, a.a.O.). Den Abzug der Mehrwertsteuer, wenn diese nicht anfällt, sieht das Gesetz jedoch lediglich im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, nicht aber im Rahmen des §§ 251 Abs. 1 BGB vor. Dabei handelt es sich auch nicht um eine planwidrige Regelungslücke. Vielmehr ergibt die historische Auslegung, dass die Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB gerade bewusst nicht im Rahmen des §§ 251 Abs. 1 BGB eingeführt wurde. Denn in der Begründung des Gesetzesentwurfes (Bundestagsdrucksache 14/7752, Seite 13) heißt es zur Einführung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB:
„Die Neuregelung beschränkt sich auf die Restitutionsfälle des § 249 BGB und bezieht die Kompensationsfälle des § 251 BGB nicht ein. Beide Fälle sind im Hinblick auf ihre Voraussetzungen und Rechtsfolgen, wie sie von der Rechtsprechung konkretisiert worden sind (vgl. Haug, VersR2000, 1329 ff.; 1471 ff.), zu unterscheiden:“
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Etwaige sich daraus ggf. ergebende wirtschaftliche Vorteile sind aufgrund der klaren Entscheidung des Gesetzgebers daher hinzunehmen.