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AG Nürnberg, Endurteil v. 28.03.2022 – 21 C 6578/21
Titel:

Anpassung eines Fitnessstudio-Vertrags bei pandemiebedingter Schließung

Normenkette:
BGB § 275 Abs. 1, § 313 Abs. 1, § 326 Abs. 1
Leitsätze:
1. Auch für den Zeitraum der Schließung eines Fitnessstudios aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schuldet der Nutzungsberechtigte dem Betreiber die vereinbarten Beiträge (Abweichung von BGH BeckRS 2022, 9338). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Betreiber eines Fitnessstudios hat gegen den Nutzungsberechtigten einen Anspruch auf eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage dahingehend, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit um den Zeitraum einer behördlich angeordneten Schließung des Fitnessstudios ohne zusätzliche Vergütung verlängert wird (Abweichung von BGH BeckRS 2022, 9338). (Rn. 7 und 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Coronavirus, Coronapandemie, COVID-19, SARS-CoV-2, Fitnessstudio, Vertragsanpassung, Vertragsverlängerung, Störung der Geschäftsgrundlage, Unmöglichkeit
Rechtsmittelinstanzen:
AG Nürnberg, Beschluss vom 13.04.2022 – 21 C 6578/21
VerfGH München, Entscheidung vom 27.12.2022 – Vf. 32-VI-22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 37997

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 389,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2021 sowie weitere 90,96 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 389,99 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

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Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
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Die Klage ist zulässig und im zugesprochenen Umfang auch begründet.
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1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem am 14.06.2008 gültig ab dem 01.01.2019 geschlossenen Fitnessstudiovertrag Anspruch auf Zahlung restlicher 383,94 €. Dabei handelt es sich um den vereinbarten Mitgliedsbeitrag für ein halbes Jahr in Höhe von 353,99 € sowie die jährliche TrainerJahrespauschale von 29,95 € für die Monate 01.01.2021 bis zum 30.06.2021.
A
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Die Beklagte hat unstreitig am 21.12.2020 ihre Mitgliedschaft bei der Klägerin zum Ende der Vertragslaufzeit gekündigt. Entsprechend dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ist dieser Vertrag mit einer Frist von 3 Monaten zum Vertragsende kündbar, ansonsten verlängert sich der Vertrag um die vereinbarte Vertragslaufzeit.
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Die Parteien hatten eine Vertragslaufzeit von 6 Monaten vereinbart. Am 21.12.2020 war daher eine Kündigung zum März 2021 nicht möglich, sondern nur zum nächsten Ende der Vertragslaufzeit also zum 30.06.2021. In soweit schuldet die Beklagte Beiträge für Januar 2021 bis zum 30.06.2021 in Höhe von 353,99 € zuzüglich der Jahrestrainerpauschale, die laut Vertrag zum 01.01.2021 fällig wird, in Höhe von 29,95 €. Dies ergibt den geschuldeten Betrag von 383,94 €. Zu diesem war die Beklagte zu verurteilen.
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2. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Vertrag nicht aufgrund der CoronaPandemie vorzeitig kündbar.
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Die Klägerin war berechtigt den Vertrag anzupassen und diesen um den Zeitraum der behördlich angeordneten Schließung von insgesamt 7 Monaten und 7 Tagen bis zum 14.12.2021 zu verlängern.
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Es finden insoweit die Vorschriften über die Anpassung der Geschäftsgrundlage Anwendung. Es liegt kein Fall der Unmöglichkeit vor, der die Beklagte von ihrer Verpflichtung zur Gegenleistung befreien würde. Unmöglichkeit liegt bei einem Dauerschuldverhältnis nicht vor, wenn die geschuldete Leistung nachholbar ist (MÜKO BGB/Ernst zu § 275 Rn. 52). Dies ist der Fall. Die Beklagte konnte die Leistungen der Klägerin zwar von November 2020 bis unstreitig 07.06.2021 nicht wahrnehmen und nicht im Studio trainieren. Danach waren die Fitnessstudios wieder geöffnet, so dass die Klägerin berechtigt war, die nicht erbrachte Trainingszeit von 7 Monaten und 7 Tage an diesem Zeitpunkt anzuhängen.
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Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung des Vertrages verlangt werden, wenn die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert wurden und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Eine Anpassung des Vertrags ist möglich, wenn einem Teil, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
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Die Regelung der Corona-Schutzverordnung über die zu Infektionsschutzzwecken nötige Schließung von Fitnessstudios stellen eine wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage dar. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien den zuvor bezeichneten Vertrag mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Die Umstände, die zur Schließung der Räumlichkeiten der Klägerin geführt haben, liegen auch nicht in deren Verantwortungsbereich. Die CoronaPandemie stellt einen Fall der höheren Gewalt dar, welche keinem Risikobereich der Parteien zugeordnet werden kann.
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Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist den Parteien eine Vertragsanpassung, wie sie die Klägerin vorgenommen hat, zumutbar. Hierin liegt keine unangemessene Benachteiligung der Beklagten. Während des Zeitraums der Schließung des Fitnessstudios hat die Beklagte zwar nicht im Studio der Klägerin trainiert, musste hierfür aber auch keinen Beitrag bezahlen. Die Bezahlung erfolgt nur 3 Monate während der Schließung. Die übrigen 3 Monate sollten dann nach der Beendigung der Laufzeit bezahlt werden. Insoweit war die Risikoverteilung gleich vorgenommen, sodass jede der Parteien die Hälfte des Zahlungsrisikos getragen hat. Ein erzwungener Verzicht der Klägerin auf das vereinbarte Entgelt für den Zeitraum der Schließung dies bei einer Vielzahl von Verträgen würde die Klägerin unangemessene Benachteiligung benachteiligen. Eine einseitige Aufbereitung der Lasten der Pandemie auf die Beklagte findet nicht statt. Insoweit war die Klägerin berechtigt den Vertrag anzupassen.
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3. Diese Vertragsanpassung hat die Klägerin der Beklagten auch kommuniziert. In dem vorgelegten E-Mail wurde der Beklagten angeboten, dass zwar die Bezahlung der insgesamt 6 Monaten geschuldet ist, aber die Zeit der Schließung im Training einfach an das Ende der Laufzeit drangehängt werden kann, so E-Mail vom 03.03.2021. Dort wurde ausdrücklich gesagt, dass am Ende der Laufzeit das Training gratis nachgeholt werden kann. Insoweit liegt ein Angebot der Klägerin vor. Dieses Angebot hat die Klägerin der Beklagten bereits mit E-Mail vom 17.01.2021 gemacht. In soweit schuldet die Beklagte die Zahlung bis zu der bis zum Ende der Laufzeit des Vertrages zum 30.06.2021.
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4. Hinsichtlich der 0,4 Cent war die Klage abzuweisen, da die Beklagte nur den Halbjahresbeitrag in Höhe von 353,99 € und die jährliche Trainerpauschale von 29,95 € schuldet.
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5. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
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Die von der Klagepartei geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten sind schlüssig dargetan. Allerdings hat die Beklagte unbestritten behauptet, dass die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, so dass die Umsatzsteuer abzuziehen war
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.