Inhalt

LG Ingolstadt, Beschluss v. 24.06.2022 – 3 Ns 25 Js 21832/20
Titel:

Erfolgloser Wiedereinsetzungsantrag bei Weigerung des Angeklagten, eine Gesichtsmaske zu tragen

Normenketten:
StPO § 44, § 329 Abs. 7
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz:
Das rechtliche Gehör des Angeklagten ist nicht verletzt und Wiedereinsetzung kann ihm nicht gewährt werden, wenn er nicht glaubhaft macht, weshalb das kurzzeitige Anlegen einer Papiermaske für den Weg vom Eingang des Gerichts bis zum Platz im Sitzungssaal ihn in seiner physischen oder psychischen Gesundheit in relevanter Weise hätte beeinträchtigen können und weshalb es ihm nicht wenigstens möglich war, sich im Termin durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten zu lassen. (Rn. 10) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Wiedereinsetzung, Berufungsverhandlung, rechtliches Gehör, Maske, Maskenpflicht, Vertretung durch Rechtsanwalt
Vorinstanz:
AG Pfaffenhofen vom -- – 2 Cs 25 Js 21832/20
Fundstelle:
BeckRS 2022, 37884

Tenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand vor Ablauf vor Versäumung der Berufungshaupthandlung wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1
Die Ladung ist dem Angeklagten am 22.03.2022 ordnungsgemäß durch Niederlegung zugestellt worden.
2
Der Angeklagte ist zu dem Termin zur Hauptverhandlung am 10.05.2022 ungeachtet der am 22.03.2022 erfolgten und durch Zustellurkunde nachgewiesenen Ladung unentschuldigt ausgeblieben und nicht in zulässiger Weise vertreten worden.
3
Der Angeklagte beantragt mit dem Schreiben vom 31.05.2022, ergänzt durch Schreiben vom 03.06. Und 08.06.22 Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Hauptverhandlung.
4
Der Angeklagten trägt im Wesentlichen vor, das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, weil ihr verwehrt worden sei, sich zu äußern. Damit sei der Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt worden. Es hätten psychologische Aspekte vorgelegen, wobei behauptet wird, es habe eine „Maskenphobie“ beim Angeklagten vorgelegen. Außerdem sei eine Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen die behauptete rechtsgrundlos ergangene Hausrechtsanordnung der Präsidentin anhängig. Der Angeklagte hätte einen Anspruch auf „Willkür-Freiheit“. Momentan liege ein „Rechtsbankrott“ vor, und der Angeklagte hätte ein Recht auf eine maskenfreie Hauptverhandlung.
5
Es fehlt bereits an der erforderlichen Glaubhaftmachung eines anzuerkennenden Wiedereinsetzungsgrundes.
6
Der bloße Verweis auf eine anhängige Beschwerde des Antragstellers gegen den Ablehnungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München betreffend eine Hausrechtsanordnung der Präsidentin des Landgerichts im Schriftsatz vom 31.05.2022 unter Vorlage der Beschwerdebegründung genügt ebensowenig als Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes für die vom dem Strafberufungsgericht hier festgestellte Abwesenheit und fehlende Vertretung des Angeklagten im anberaumten Termin zur Hauptverhandlung über die Berufung gegen das Verwerfungsurteil des Landgerichts Ingolstadt, wie die weiteren allgemeinen Rechtsausführungen und Verweisungen auf allgemeine Internetseiten mit Veröffentlichungen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder allgemeine Verweise auf psychologische Aspekte im ergänzenden Schriftsatz vom 03.06.2022, wobei erneut Diagnosen behauptet werden, ohne diese durch Vorlage konkreter fachärztlicher Attest zu belegen. Eine Glaubhaftmachtung erfolgt auch nicht in hinreichender Weise durch den Hinweis auf angebliche Bemühungen des Antragstellers auf eine „komplexe ambulante psychiatrische Behandlung“ und den Hinweis auf die etwaige Teilnahme des Antragstellers an einem „KALIMBA Versorgungsprogramm der DAK-Krankenkasse“, da beides nicht im Ansatz erkennbar geeignet erscheint, seine Säumnis im Berufungsverhandlungstermin vor dem Landgericht zu entschuldigen. Insoweit wäre auch ein Zeugenbeweis über eine „Therapiebegleiterin“ mit einer Adresse in Hamburg ungeeignet, ganz abgesehen davon, dass es sich nicht um ein präsentes Beweismittel handelt. Auf die angeblich im Anhang zum Schriftsatz beigefügte, aber tatsächlich nicht vorhandene Bestätigung dieser Therapiebegleiterin kommt es mangels Geeignetheit aber auch nicht mehr an.
7
Die Staatsanwaltschaft erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag und hat beantragt, diesem nicht stattzugeben unter Hinweis, dass kein unverschuldetes Versäumnis des Angeklagten im Termin vorgelegen hätte, da er unter den gegebenen Umständen durch das kurzfristige Anlegen der Maske nur für den Weg in den Gerichtssaal allenfalls von minimaler Dauer beeinträchtigt gewesen wäre.
8
Die Kammer kann – abgesehen von der fehlenden Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes – im Einklang mit der Staatsanwaltschaft ebenfalls in der Sache aus den vorgebrachten Argumenten des Antragstellers weiterhin keinen hinreichenden Grund erkennen, der die Säumnis des Angeklagten im Termin zu rechtfertigen geeignet wäre. Insbesondere wurde das rechtliche Gehör dem Angeklagten nicht verweigert, sondern dieser hat es im Gegenteil bewusst abgelehnt, die Voraussetzungen zu schaffen, die ihm ohne jegliche nennenswerte Beeinträchtigung den Zugang zum Gerichtssaal geebnet hätten. Dort warteten nicht nur die gesamte Kammer, die Protokollführerin und die Staatsanwaltschaft auf sein Erscheinen, um ihn zu hören, sondern ihm war auch mehrfach vor Ort angeboten worden, dass ihm von der Vorsitzenden im Gerichtssaal rechtliches Gehör unter Entbindung von der Pflicht zum Tragen einer Maske gewährt werden würde, sobald er hinter den dort vorhandenen Glasschutzwänden Platz genommen hätte. Von dieser Möglichkeit hat der Angeklagte – gemäß seiner schriftlich vorher bereits eindeutig zum Ausdruck gebrachten vorgefassten Absicht, ohne Erfolg beim Verwaltungsgericht im Gerichtssaal nicht zu erscheinen – absichtlich keinen Gebrauch machen wollen, da seinen völlig unbegründeten, dafür aber umso lautstärker zum Ausdruck gebrachten Forderungen im Eingangsbereich des Gerichts, er müsse ohne jeglichen medizinischen Nachweis von der Maskenpflicht im gesamten Gerichtsgebäude und entgegen der hausrechtlichen – und vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren auch nochmals als wirksam bestätigten – Anordnung der Präsidentin nicht nur selbst befreit werden, sondern es müssten darüber hinaus auch noch alle anderen Personen wie die Wachtmeister, anwesenden Polizeibeamten und die übrigen Verfahrensbeteiligten ungeachtet der diesen drohenden Gesundheitsgefahren durch eine dadurch erhöhte Ansteckungsgefahr mit dem Covidvirus trotz damals noch hoher Inzidenzzahlen ihre Masken ebenfalls abnehmen, bevor er bereit sei, das Gebäude und den Gerichtssaal zu betreten, in keiner Weise nachzukommen war und er auch genau wusste, dass es sich hier um unerfüllbare Forderungen handelte. Die Behauptungen in dem Wiedereinsetzungsantrag, ihm sei daher keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden und in Folge sein Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt worden, sind daher unzutreffend und gehen ins Leere. Ebenso abwegig erscheinen die weiteren Ausführungen zu angeblichen Verstößen gegen Verfassungs- oder sonstige „höherrangiges“ Recht.
9
Die rechtlichen Ausführungen in dem Wiedereinsetzungsgesuch orientieren sich erkennbar nicht am konkreten Fall, sondern sind offenbar vorgefertigte, allgemein zusammengestellte und vervielfältigte Ausführungen aus der in der Querdenkerszene vorzufindenden Pseudoargumente angeblicher Verletzungen von Grund- und Menschenrechten durch das bloße Aufsetzen einer Schutzmaske, die letztlich auf einer pauschalen und generellen Ablehnung der Maskenpflicht insgesamt gründen, die auch beim Antragsteller im gesamten Verfahren immer wieder festzustellen ist.
10
Zurückkehrend zu einer sachlichen Betrachtung ist festzustellen, dass es dem Antragsteller mit äußerst geringfügigen Aufwand und daher einem Angeklagten zumutbar möglich gewesen wäre, rechtliches Gehör zu erlangen, ohne dass er – bis heute – auch nur annähernd plausibel erklären geschweige denn glaubhaft machen könnte, weshalb das kurzzeitige Anlegen einer Papiermaske vor Nase und Mund für die Dauer von geschätzt max. 1 bis 2 Minuten für den Weg vom Eingang des Gerichts bis zum Platz im Sitzungssaal, ihn in seiner physischen oder psychischen Gesundheit in relevanter Weise hätte beeinträchtigen können. Nicht glaubhaft gemacht wurde auch weiterhin die Frage, weshalb er bei entsprechender angeblicher Diagnose bis heute kein entsprechendes ärztliches Attest darüber vorlegen konnte, und weshalb es ihm nicht wenigstens möglich war, sich im Termin durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten zu lassen, nachdem er sich einen solchen jedenfalls im Revisionsverfahren entgegen seiner Behauptungen finanziell offenbar nunmehr doch leisten konnte. Über sämtliche Möglichkeiten war der Angeklagte wiederholt belehrt worden, hat von diesen jedoch bewusst keinen Gebrauch machen wollen und auch entsprechende Belege nicht begebracht.
11
Es wird ergänzend zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im Verwerfungsurteil getätigten Ausführungen Bezug genommen. An der dort getroffenen Beurteilung über das bis heute unentschuldigte Versäumnis des Angeklagten im Termin ändert sich – wie oben dargestellt – auch nichts durch die Ausführungen im Zusammenhang mit dem gestellten Wiedereinsetzungsantrag.
12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 7 StPO.