Titel:
Verpflichtung zur Erstellung einer Bestandsaufnahme eines ungenehmigten Gewässerausbaus
Normenketten:
WHG § 67 Abs. 2, § 68 Abs. 1, § 100 Abs. 1
BayWG Art. 58
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 38
Leitsatz:
Unter den Begriff Gewässerausbau fällt die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer. Eine Umgestaltung ist dann wesentlich, wenn sie den Zustand des Gewässers oder seiner Ufer auf Dauer in einer für den Wasserhaushalt bedeutsamen Weise ändert. Die Verwendung des Begriffs "wesentlich" bedeutet lediglich, dass unwesentliche und offensichtlich nicht ins Gewicht fallende Maßnahmen keinen Gewässerausbau darstellen. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Wasserrechtliche Anordnung, Zusicherung, Gewässerausbau, Wesentliche Umgestaltung, Legalisierungsmöglichkeit, wasserrechtliche Anordnung, Hochwassergefahr, Vermessung, Bestimmtheit, wesentliche Umgestaltung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.01.2023 – 8 CS 22.2580
Fundstelle:
BeckRS 2022, 37814
Tenor
I. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen Ziffer 1 und 2 des Bescheids des * * vom 22. November 2022 und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich Ziffer 3 und 4 des Bescheids vom 22. November 2022 wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung wird abgelehnt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte wasserrechtliche Anordnungen im Zusammenhang mit dem Ausbau eines Gewässers und die damit verbundene Androhung der Ersatzvornahme.
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Die Antragstellerin ist eine * nach altem Recht. Sie ist Eigentümerin von Alpgrundstücken im Y Tal, südlich des Markts A. Das Y Tal befindet sich im Naturschutzgebiet „Z“, im Vogelschutzgebiet I, im FFH-Gebiet „Z“ (II), im Landschaftsschutzgebiet „Schutz von Landschaftsteilen im Bereich der Z Kette mit Einschluss der A Täler und des B Tals im Landkreis *“. Durch das Y Tal fließt der Y Bach, ein Wildbach mit naturnahem Wildflusssystem, der als einer von zwei Fließgewässerkörpern in ganz Bayern den sehr guten ökologischen Zustand nach der Wasserrahmenrichtlinie erreichte. Der streitgegenständliche Abschnitt des Y Bachs liegt in der Alpenbiotopkartierung „Oberlauf des Y Bachs mit seinen Quellbächen (B Bach und E Bach)“. Die Gewässerdynamik ist durch starke jahreszeitliche Schwankungen der Wasserführung bestimmt mit Spitzen durch Schmelzwässer im Frühjahr und Starkregenereignissen im Sommer. Die Gewässerstrukturkartierung des Bayerischen Landesamts für Umwelt weist für den betroffenen Abschnitt - vor der streitgegenständlichen Maßnahme - eine geringe veränderte Gewässerstruktur (Klasse 2) aus.
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Am 19. August 2022 fand ein Starkregenereignis statt, bei dem sowohl der B Bach, ca. 1,3 km südlich gelegen und in den Y Bach mündend, als auch der Y Bach stark betroffen waren. An beiden Bächen wurden die Alpflächen zum Teil meterhoch mit Kies und Geröll überschüttet. Stellenweise erodierten die Ufer und brachen ab.
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Am 30. August 2022 fand eine Ortsbegehung der von dem Starkregenereignis betroffenen Alpe B statt, bei dem es um die Beseitigung der durch das Starkregenereignis entstandenen Schäden auf den Alpflächen ging. An dem Termin nahmen jeweils ein Vertreter der * B und der * Y sowie zwei Vertreter der * *behörde des * * teil. Im Anschluss an die Ortsbegehung der Alpe B fand ein kurzfristig angesetzter Ortstermin bezüglich der Situation der Y statt. Bei dem Termin wurden Bereiche des Y Bachs besichtigt und Maßnahmen zur Beseitigung der Unwetterschäden besprochen.
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Im Nachgang zu dem Termin vor Ort fertigte der Vertreter der * *behörde ein mit
„Aktenvermerk“ überschriebenes Schreiben, das dem Vertreter der Antragstellerin per E-Mail übersandt wurde. In dem Aktenvermerk wird die Situation nach dem Unwetter am 19. August 2022 beschrieben und die von der Antragstellerin geplanten Maßnahmen (Herstellung eines Trapezprofils mit Vertiefung des Flussbetts und seitlich ansteigenden Böschungen) geschildert. Weiterhin wird als Ergebnis der Ortseinsicht zusammengefasst, dass die geplanten Maßnahmen naturschutzfachlich wünschenswert seien, da rechts und links des Bachbetts hochwertiges Grünland wiederhergestellt werde. Die überschütteten Flächen entlang des Bachbetts und die Bereiche um die Querriegel vor dem *weg dürften geräumt werden, der Kies könne innerhalb des aktuellen Bachbetts so modelliert werden, dass ein tieferes Gerinne in der Mitte entsteht und die Böschungen maximal im Verhältnis 1:1 ansteigen. Des Weiteren werden in dem Schreiben Maßnahmen zur Verhinderung der Erosion der Ufer des Y Bachs geschildert. Der Bach solle zudem wieder in ein schmaleres Bett gebracht werden, damit durch erhöhte Fließgeschwindigkeit mehr Kies abtransportiert werden könne. An der Böschungsoberkante könne ein maximal ein Meter hoher, sanft modellierter Wall aufgeschüttet werden, der begrünt werde. Die Baggerarbeiten sollten frühestens am folgenden Freitag (2. September 2022) beginnen. Es sei vereinbart worden, dass am ersten oder zweiten Tag der Baggerarbeiten Fotos des modellierten Bachbetts an den Vertreter der * *behörde gesendet werden.
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Dem Aktenvermerk war ein Luftbild mit gelb markiertem Bereich beigefügt.
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Am 6. Oktober 2022 übersandte die Antragstellerin Aufnahmen von den Maßnahmen an das * (Bl. 27 bis 34 der Behördenakte). Am 6. Oktober 2022 fand ein Telefongespräch zwischen dem Mitarbeiter der * *behörde und dem X der Antragstellerin statt, welches die von der Antragstellerin durchgeführten Maßnahmen zum Inhalt hatte. Dem von dem Mitarbeiter der * *behörde angefertigten Aktenvermerk (Bl. 36 der Behördenakte) ist zu entnehmen, dass dieser den X der Antragstellerin aufforderte, die Bagger so schnell wie möglich aus dem Gebiet herauszuholen. In der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Sohnes des X (Bl. 91 der Gerichtsakte) wird angegeben, der Mitarbeiter der *behörde habe seinem Vater gegenüber angegeben, der Umfang der durch die Fotos dokumentierten Arbeiten würde den abgesprochenen Maßnahmen entsprechen und die Baggerarbeiten könnten fortgesetzt werden.
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Am 25. Oktober 2022 fand ein gemeinsamer Ortstermin mit einem Vertreter der Antragstellerin, Vertretern des *amts, der Gemeinde A sowie Mitarbeitern der Bereiche Naturschutz und Wasserrecht des * * statt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Arbeiten am Y Bach abgeschlossen und der Bach auf einer Länge von 1,6 km massiv umgestaltet worden. In einem Aktenvermerk, angefertigt am gleichen Tag, wurde festgehalten, dass die Antragstellerin wegen des hohen Geschiebeaufkommens, welches zum Verlust von Alpflächen und zur Überflutung des Zufahrtswegs zu den Alpgründen geführt habe, die Geschieberäumung und die damit verbundene Gewässermodellierung bei der Fa. 1 und später bei der Fa. 2 in Auftrag gegeben habe. Der sich vorher verzweigende und mäandrierende Gewässerlauf sei als durchgehende Rinne ausgestaltet worden. Als Eigentümer der Ufergrundstücke seien die Verantwortlichen davon ausgegangen, dass der * die Unterhaltungslast obliege. Es habe Unkenntnis darüber bestanden, dass Träger der Unterhaltslast der Markt A sei. Das Gewässer sei in seiner Struktur und Funktion beschädigt. Es handele sich um einen Gewässerausbau. Die Sohle sei ausgegraben, der Bestand an Kleinlebewesen und Fischen habe Schaden genommen. Wegen des hochaufgeschütteten linken Uferdamms sei die Auwaldfunktion teilweise gestört. Durch die Rinnenstruktur vertiefe sich der Gewässerlauf, das Wasser fließe mit höherer Geschwindigkeit ab. Am Ende der Geschiebestrecke erstelle ein Bagger der Fa. 2 gerade eine befestigte Kiesfläche, die nach Angaben des Vertreters der Antragstellerin als Landeplatz für den Hubschrauber zur Versorgung der Alpwirtschaften dienen solle. Wegen der Einzelheiten der an diesem Termin besprochenen Maßnahmen wird auf den Aktenvermerk (Bl. 40 der Behördenakte) verwiesen.
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Mit Schreiben vom 31. Oktober 2022, gerichtet an den Vertreter der Antragstellerin, wurden die behördlichen Feststellungen des Ortstermins zusammengefasst und mittels Einschreiben an die Adresse,, zugestellt. Das Schreiben wurde mit dem Vermerk des Zustellers „Annahme wurde verweigert“ zurückgesandt.
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Am 8. November 2022 nahm das *amt * zu den wasserwirtschaftlichen und naturräumlichen Belangen der von der Antragstellerin durchgeführten Arbeiten Stellung. Die Maßnahme stelle einen wasserrechtlich nicht genehmigten Gewässerausbau dar. Es liege ein Verstoß gegen allgemeine Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung (§ 6 WHG) vor. Aufgrund des aktuell gestreckt ausgebauten, kanalisierten und ein-getieften Gewässers sei gegen alle Grundsätze der Vorschrift des § 67 WHG (Gewässerausbau) verstoßen worden. Im Weiteren werden die Folgen des Ausbaus für die Infrastruktur, für die Ökologie im Gewässerbett, für die Gewässerstrukturkartierung und die naturschutzfachlichen Auswirkungen erläutert. Um dokumentieren zu können, wie sich das eingetiefte Gewässerbett verhält, wird vorgeschlagen, umgehend, noch vor dem Wintereinbruch, eine Bestand- bzw. Referenzaufnahme mittels Querprofilaufnahme für die gesamte ausgebaute Gewässerstrecke (ca. 1,6 km) durchführen zu lassen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen des *amts im Schreiben vom 8. November 2022 (Bl. 79 der Behördenakte) verwiesen.
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Mit weiterem Schreiben vom 21. November 2022 nahm das *amt * erneut dazu Stellung, welche wasserwirtschaftlichen Maßnahmen erforderlich sind. Zunächst wurde erläutert, welche Sofortmaßnahmen aus fachlicher Sicht zwingend notwendig seien und noch im Herbst während der schneefreien Phase stattfinden sollten. Eine umgehende Bestands- bzw. Referenzaufnahme mittels Querprofilaufnahme, um feststellen zu können, ob sich das Gewässer durch die zukünftigen Abflüsse bis zum Frühjahr 2023 weiter vertieft oder aufladet, sei für die zukünftige Planung wesentlich. Im Frühjahr müsse bei einer Ortseinsicht entschieden werden, ob eine weitere Vermessung zur Schadensdokumentation erforderlich sei. Die Auswertung und ein Vergleich mit alten Messdaten aus der aktuellsten Befliegung des Bereichs von 2021 solle Bestandteil der Sanierungsplanung sein. Es sei dringend erforderlich, dass die aufgeschütteten Erdwälle an mehreren Stellen schnellstmöglich geöffnet bzw. punktuell baulich abgetragen werden, damit das Wasser im Falle eines Hochwassers ausufern könne. Weiterhin werden die langfristig erforderlichen Maßnahmen erläutert. Auf die Einzelheiten der Stellungnahme (Bl. 168 der Behördenakte) wird verwiesen.
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Mit Bescheid vom 22. November 2022, am 23. November 2022 an den damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt, verpflichtete der Antragsgegner die Antragstellerin bis spätestens 29. November 2022 eine von einem geeigneten Fachbüro für Vermessung erstellte Bestandsaufnahme auf der gesamten Ausbaulänge von der Materialseilbahn U Hütte bis zur Brücke oberhalb V Hütte sowie in der Breite von Weidefläche zu Weidefläche bzw. von Auwald zu Weidefläche erstellen zu lassen und dem * * darstellerisch und digital vorzulegen. Die Vermessung hat durch eine hoch aufgelöste Befliegung (10 cm - Genauigkeit) mittels leistungsfähiger Vermessungsdrohne zu erfolgen, die ein aussagekräftiges 3D-Wolkenmodell erstellt. Eventuelle Schneelagen sind rechnerisch zu entfernen (Ziffer 1 des Bescheids). Die Antragstellerin hat zur Entschärfung der Hochwassersituation für die Unterlieger punktuelle Dammöffnungen in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt und der * *behörde bis spätestens 29. November 2022 vorzunehmen. Die Öffnungen sind an den behördlicherseits vorzugebenden Stellen, vorzugsweise im Auwaldbereich vorzunehmen. Das Einbringen von Räumgut in das Gewässer ist zu unterlassen. Das Räumgut ist an geeigneten Stellen zwischenzulagern, die vorab mit dem *amt und der * *behörde abzustimmen sind (Ziffer 2 des Bescheids). Für den Fall, dass die Antragstellerin der Verpflichtung aus Ziffer 1 nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkommt, wird das * die Erstellung der Querprofile auf Kosten der Antragstellerin vornehmen lassen. Der Kostenbetrag für die Ersatzvornahme wurde vorläufig auf 7.000 EUR veranschlagt. Der Betrag ist bereits vor Durchführung der Ersatzvornahme fällig (Ziffer 3 des Bescheids). Für den Fall, dass die Antragstellerin der Verpflichtung aus Ziffer 2 des Bescheids nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkommt, wurde angekündigt, dass das * die Durchführung der erforderlichen Hochwasserentlastungsmaßnahmen auf Kosten der Antragstellerin vornehmen lässt. Der Kostenbetrag für die Ersatzvornahme wurde auf vorläufig 5.000 EUR veranschlagt. Auch dieser Betrag ist bereits vor Durchführung der Ersatzvornahme fällig (Ziffer 4 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer 5 des Bescheids).
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin habe aufgrund eines Schlagwetters im August 2022 bei der * *behörde eine Anfrage bezüglich einer Kiesräumung am Y Bach gestellt. Bei einem Ortstermin am 30. August 2022 seien punktuelle Maßnahmen vereinbart worden. Nach Vorlage wiederholt angeforderter Fotos habe die * *behörde am 6. Oktober 2022 einen sofortigen Baustopp angeordnet. Bei einem Ortstermin mit der Antragstellerin sei am 25. Oktober 2022 festgestellt worden, dass die Arbeiten umfangreich fortgesetzt worden seien. Der Y Bach sei auf einer Länge von ca. 1,6 km komplett ausgebaut worden. Die Sohle sei abgegraben, das linke Ufer massiv aufgeschüttet und das ehemals mäandrierende, naturnahe Gewässer in eine schmale Rinnenstruktur eingeengt worden. Die umfangreichen Eingriffe hätten signifikante Auswirkungen auf die Ökologie, die Hydraulik und die Struktur des Gewässers. Die Wiederherstellung der ursprünglichen Gewässerstruktur sei dringend geboten. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2022 seien der Antragstellerin die behördlichen Feststellungen zusammengefasst und mittels Einschreiben zugestellt worden. Die Antragstellerin habe die Annahme verweigert. Mit Schreiben vom 21. November 2022 habe das *amt * mitgeteilt, dass aus fachlicher Sicht verschiedene - im Einzelnen näher beschriebene - Sofortmaßnahmen zwingend notwendig seien.
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Rechtsgrundlage für die Anordnungen unter Ziffern 1 und 2 des Bescheides sei § 100 Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) i.V.m. Art. 58 Abs. 1 BayWG und § 68 Abs. 1 WHG. Gemäß § 68 Abs. 1 WHG bedürfe der Gewässerausbau der Planfeststellung durch die zuständige Behörde. Der im fraglichen Bereich weitgehend naturnah erhaltene und im Gleichgewicht befindliche Y Bach sei durch Begradigung und Eintiefen des Abflussbereichs sowie massive Aufschüttungen im Gewässerbett und an den Ufern in seiner Struktur und Dynamik einschneidend verändert worden. Hierbei handele es sich nicht um Unterhaltungsmaßnahmen im Sinn von § 39 WHG, für die die Antragstellerin gemäß Art. 22 BayWG im Übrigen auch nicht zuständig wäre. Der Plan zum Gewässerausbau dürfe nur unter Erfüllung aller in § 68 Abs. 3 WHG genannten Voraussetzungen festgestellt werden, die hier jedoch nicht vorliegen würden. Der Maßnahmenbereich liege in naturschutzrechtlich streng geschützten Gebieten (Naturschutzgebiet „Z“, FFH- und SPA-Gebiet „Z“, Landschaftsschutzgebiet „Schutz von Landschaftsbestandteilen im Bereich der Z Kette mit Einschluss der A Täler und des B Tals im Landkreis *“, Alpenbiotopkartierung „Oberlauf des Y Bach mit seinen Quellbächen (B Bach und E Bach)“. Ein Gewässerausbau sei gemäß § 70 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 WHG im Übrigen zwingend zu versagen, wenn dadurch eine Beeinträchtigung Rechte Dritter erfolge, die nicht durch Inhalts- und Nebenbestimmungen vermieden oder ausgeglichen werden können. Die Ausbaumaßnahmen würden zu einer Verschärfung der Hochwassersituation führen. Es sei auszuschließen, dass der Nutzen der Maßnahme für die Antragstellerin den zu erwartenden Nachteil für die Unterlieger erheblich übersteige. Für die durchgeführten Maßnahmen sei weder eine Planfeststellung noch eine anderweitige Gestattung beantragt oder erteilt worden. Da die Maßnahme gegen sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen verstoße, wäre die Feststellung des Plans zwingend zu versagen gewesen. Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sei es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen und gemäß Satz 2 nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen anzuordnen, um die Erfüllung von Verpflichtungen sicherzustellen und Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen. Ein Einschreiten der Gewässeraufsicht sei zur Beseitigung der Gewässerschäden zwingend geboten. Weder auf die Vermessung noch auf die Sofortmaßnahmen könne verzichtet oder bis zur Schneeschmelze gewartet werden. Aufgrund der weitreichenden Zerstörung des ehemals naturnahen Wildbachsystems und seiner Gewässerökologie seien umfangreiche Untersuchungen und Planungen zur Erarbeitung eines Sanierungskonzepts notwendig. Die hierzu erforderlichen Maßnahmen ließen sich derzeit noch nicht überblicken und könnten noch nicht eingefordert werden. Die Verschärfung der Hochwassersituation für die Allgemeinheit gebiete jedoch umgehendes Handeln. Durch gezieltes und effektives Öffnen der auf einer Länge von 1,6 km durchgehenden Dämme müsse das Ausufern des Hochwassers in die ehemaligen Rückhalteflächen ermöglicht und dessen Dynamik reduziert werden. Die unter Ziffer 1 angeordnete Maßnahme sei erforderlich und geeignet, um den Bestand als Referenz für mögliche Veränderungen bis zum Frühjahr datentechnisch zu sichern. Aufgrund des Zeitdrucks sei die Durchführung der Vermessungen innerhalb der gesetzten Frist im Hinblick auf den anstehenden Wintereinbruch angemessen. Die unter Ziffer 2 angeordneten Maßnahmen seien erforderlich, um die geschaffene Verschärfung der Hochwassersituation zu reduzieren. Die Maßnahme sei angemessen, ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Eine nachträgliche Genehmigung als milderes Mittel scheide aus, weil der Ausbau nicht genehmigungsfähig sei. Die Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer 3 und 4 stütze sich auf Art. 29, 30, 32 und 36 VwZVG. Sofern die angeordneten Maßnahmen nicht von der Antragstellerin durchgeführt werden, könnten diese in Vertretung auch von anderen vorgenommen werden. Die vorläufig veranschlagten Kosten für die Vermessung und die Sofortmaßnahmen erfolgte aufgrund von Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG. Gemäß Art. 36 Abs. 4 Satz 2 VwZVG könne bestimmt werden, dass der Betrag bereits vor Durchführung der Ersatzvornahme fällig werde. Das Recht auf Nachforderung bleibe unberührt, wenn die Ersatzvornahme einen höheren Kostenaufwand verursache. Die Anordnung der Ersatzvornahmen sei notwendig, da nach Auffassung des * ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lasse. Aufgrund der Jahreszeit sei jederzeit mit Wintereinbruch und Schneefall zu rechnen. Es müsse von einem sehr begrenzten Zeitfenster für die Durchführung der Maßnahmen ausgegangen werden. Demgegenüber sei die rechtzeitige Durchführung der Maßnahmen von großer Bedeutung für das Wohl der Allgemeinheit. Ein Zuwarten unter Androhung eines oder mehrerer Zwangsgelder erscheine nicht vertretbar, zumal sich die Antragstellerin zuletzt mit der Verweigerung der Annahme eines behördlichen Einschreibens unkooperativ gezeigt habe. Um zu verhindern, dass während des gerichtlichen Verfahrens die für die weitere Planung unbedingt erforderliche Vermessung des Ist-Zustands aufgrund von Gewässerveränderungen unmöglich werde und die durch die Maßnahmen verschärfte Hochwassergefahr fortbestehe, werde im pflichtgemäßen Ermessen die sofortige Vollziehung der Verpflichtungen aus Ziffer 1 und 2 des Bescheides angeordnet. Es sei dringend erforderlich, die aufgeschütteten Erdwälle schnellstmöglich an mehreren Stellen zu öffnen, um das verloren gegangene Überschwemmungsgebiet zu reaktivieren. Das öffentliche Interesse an einer Planungsgrundlage für die Gewässersanierung sowie die Beseitigung der geschaffenen Gefahrensituation für die Unterlieger überwiege das Interesse der Antragstellerin, die Maßnahmen möglicherweise erst nach rechtskräftigem Abschluss des Gerichtsverfahrens durchführen zu müssen.
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Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 23. November 2022 zugestellt.
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Gegen diesen Bescheid ließ die Antragstellerin am 28. November 2022 über ihren Bevollmächtigten Klage erheben (Au 9 K 22.2253) und stellte mit gleichem Schriftsatz einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des * * vom 22. November 2022 wird hinsichtlich dessen Ziffer 1 und 2 wiederhergestellt und hinsichtlich Ziffer 3 und 4 angeordnet.
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Der Antrag sei begründet, da der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig sei. Am Sofortvollzug von rechtswidrigen Verwaltungsakten bestehe kein öffentliches Interesse. Bei der Aktennotiz vom 30. August 2022 handele es sich um einen Verwaltungsakt, dessen Regelungswirkung die von der Antragstellerin ausgeführten Maßnahmen legalisieren würde. Aus objektiver Empfängersicht seien damit die zuvor gemeinsam abgestimmten Maßnahmen aufsichtlich freigegeben worden. Der Bedienstete des * sei als Vertreter der Behörde aufgetreten und habe hoheitlich gehandelt. Durch die Verwendung des Briefpapiers des * werde der Anschein erweckt, dass dieses in hoheitlicher Eigenschaft tätig wurde. Die Aktennotiz habe auch gezielt den Innenbereich der staatlichen Sphäre verlassen. Ausgehend von der behördlichen Beratung habe die Antragstellerin aus objektiver Empfängersicht nicht damit rechnen müssen, dass womöglich weitere Genehmigungen anderer Behörden erforderlich gewesen wären oder die *behörde nicht zuständig gewesen sein könnte. Selbst wenn die Aktennotiz noch keine Genehmigungswirkung entfalte, stelle diese jedenfalls eine Zusicherung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG dar. Das * habe sich im Verhältnis zur Antragstellerin jedenfalls dazu verpflichtet, ein aufsichtliches Einschreiten gegen die mit der Behörde abgestimmten Maßnahmen zu unterlassen. Im Übrigen wäre die Aktennotiz im Rahmen der Ermessenserwägungen zu berücksichtigen gewesen. Insoweit handele es sich um einen Fall des Ermessensausfalls. Am 6. Oktober 2022 sei gegenüber der Antragstellerin keine wirksame Anordnung eines Baustopps ergangen, da es an einer entsprechenden Bekanntgabe gegenüber der Antragstellerin fehle. Ein Baustopp wäre in materieller Hinsicht angesichts der vorangegangenen Geschehnisse und Absprachen materiell-rechtlich auch nicht gerechtfertigt gewesen. Der Antragsgegner habe nicht dargelegt, inwiefern von den mit dem * abgestimmten Maßnahmen abgewichen wurde. Die Legalisierungswirkung der Aktennotiz stehe auch der Anordnung eines Baustopps vom 25. Oktober 2022 entgegen.
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Die für die Anordnung in Ziffer 1 herangezogene Vorschrift des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG könne die Maßnahme nicht stützen. Die streitgegenständliche Anordnung bewirke nicht, dass eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts beseitigt werde. Durch die Vermessung solle lediglich der Umfang der von der Antragstellerin vorgenommenen Arbeiten dokumentiert werden. Die wasserrechtliche Generalklausel könne nicht als Rechtsgrundlage für erste Orientierungsmaßnahmen herangezogen werden. Diese seien im Wege der Amtsermittlung von der zuständigen Behörde selbst vorzunehmen. Im Übrigen stehe die in der Aktennotiz vom 30. August 2022 enthaltene Genehmigungswirkung dem Erlass entsprechender aufsichtsrechtlicher Verfügungen entgegen. Der Verwaltungsakt sei außerdem nichtig, da er gegen Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG verstoße. Die geforderten Maßnahmen seien nicht in der genannten Frist bis zum 29. November 2022 umsetzbar. Außerdem sei es aufgrund der Wintersperre aus Sicherheitsgründen untersagt, den Alpweg mit Fahrzeugen zu befahren, da das Befahren in den Wintermonaten mit einer erheblichen Gefährdung verbunden sei. Ungeachtet dessen drohe der Straßenkörper beim Befahren mit schwerem Gerät während der Frostperioden beschädigt zu werden. Die bestehende Lawinengefahr würde eine Gefährdung der Antragstellerin darstellen. Diese Gefährdung stehe außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme befolgten Zweck der Beweissicherung. Die Anordnung von Maßnahmen, die wegen geschlossener Schneedecke von niemandem ausgeführt werden könnten, sei nicht gerechtfertigt. Der Antragstellerin sei es nicht möglich, ein geeignetes Fachbüro zu finden, welches in Kürze die speziellen Maßnahmen ausführen könnte.
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Der Bescheid sei auch nicht hinreichend bestimmt. Es sei unklar, zwischen welchen genauen Punkten die Vermessung zu erfolgen hat. Der Bescheid leide weiterhin an Ermessensfehlern. Die Anordnung in Ziffer 1 werde mit dem Hochwasserrisiko begründet. Allerdings sei erklärter Zweck der Maßnahme allein die Beweissicherung und Vorbereitung von Sanierungsarbeiten. Die Maßnahme sei unverhältnismäßig. Sie sei bereits nicht geeignet, das verfolgte Ziel zu fördern. Die Situation werde sich aufgrund der Schneeschmelze bis zur Erarbeitung konkreter Maßnahmen nochmals verändern. Es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern die nun avisierte Vermessung taugliche Grundlage für die Planungen im Frühjahr sein könnte. Außerdem stünden ohnehin Daten aus dem Jahr 2021 zur Verfügung. Angesichts des zwischenzeitlich gefallenen Schnees sei nicht klar, inwiefern die gewonnenen Daten in tatsächlicher Hinsicht überhaupt verwertbar seien. Gemessen an der hohen Eingriffsintensität und der drohenden Gefährdung bei der Ausführung der Anordnung erscheine die angeordnete Maßnahme in Verbindung mit der darin gesetzten Frist unangemessen.
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Die in Ziffer 2 enthaltene Anordnung sei ebenfalls rechtswidrig und erfülle nicht die Voraussetzungen von § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG. Die Genehmigungswirkung der Aktennotiz vom 30. August 2022 stehe der Anordnung entgegen. Auch sei es nicht möglich, bis zum 29. November 2022 das zur Umsetzung erforderliche schwere Gerät in das Tal zu bringen. Zusätzlich sei noch eine Abstimmung mit dem *amt gefordert. Hinzu komme, dass für den Gewässerausbau ohnehin das *amt selbst zuständig wäre. Der Antragsgegner fordere die Antragstellerin zur Vornahme von Maßnahmen auf, für die er seinerseits eigentlich unzuständig sei.
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Auch seien die Ermessenserwägungen im Hinblick auf weitere Störer unvollständig. Insbesondere wäre eine Inanspruchnahme der * D in Betracht gekommen, in deren Interessen die Arbeiten ebenfalls erfolgt seien.
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Die Androhung von Zwangsmitteln sei rechtswidrig, da eine Ausführung der geforderten Maßnahme nicht möglich sei. Die Witterungsverhältnisse würden eine Erfüllung der Anordnungen in Ziffer 1 und in Ziffer 2 ohne eine eigene erhebliche Gefährdung der Gesundheit nicht zulassen. Dass eine solche Gefahr bestehe, zeigten die im Alpenraum üblichen Wintersperren von Alpwegen. Die Fristsetzung sei unverhältnismäßig kurz, weil die geforderten Abstimmungen in dieser Zeit nicht zu leisten seien. Die hohe Eilbedürftigkeit beruhe allein auf Versäumnissen des Antragsgegners. Wäre dieser frühzeitig nach Bekanntwerden vermeintlicher Abweichungen von den genehmigten Maßnahmen an die Antragstellerin herangetreten, wäre die verbleibende Zeit ausreichend gewesen.
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Ferner überwiege das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse des Antragsgegners. Sollte man die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren als offen ansehen, falle jedenfalls die gerichtliche Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners zugunsten der Antragstellerin aus. Mit den Anordnungen sei ein Grundrechtseingriff mit hoher Intensität verbunden. Mit dem Vollzug der Anordnungen würden vollendete und irreversible Tatsachen geschaffen, die nicht mehr ohne weiteres unumkehrbar seien. Auch sei das eigene behördliche Vorverhalten des * zu berücksichtigen. Dieses verkenne, dass aus Sicht des Bürgers keine Veranlassung bestanden habe, das Verhalten der Bediensteten zu hinterfragen.
25
Dem Antrag waren eine eidesstattliche Versicherung des Vertreters der * über den Ablauf des Ortstermins vom 30. August 2022, ein von diesem selbst angefertigtes Protokoll über die Begehung an diesem Tag, ein von einem weiteren Mitglied der * angefertigtes Protokoll über ein Telefongespräch mit dem Vertreter der * *behörde vom 6. Oktober 2022, eine eidesstattliche Versicherung über den Verlauf eines in anderer Sache durchgeführten Ortstermins vom 14. Oktober 2022, ein diesbezüglicher Vermerk einer Mitarbeiterin der * *behörde sowie eine eidesstattliche Versicherung des X der * D über die Erschließung des Y Tals und den Zustand des * beigefügt.
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Bezüglich des Inhalts der Schriftsätze wird auf die in der Gerichtsakte enthaltenen Schreiben verwiesen.
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Zusätzlich wurde mit Schreiben vom 28. November 2022 beantragt,
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bis zu einer abschließenden Entscheidung im Verfahren auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des * * vom 22. November 2022 hinsichtlich Ziffer 1 und Ziffer 2 wiederhergestellt und hinsichtlich Ziffer 3 und Ziffer 4 angeordnet.
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Mit Bescheid vom 29. November 2022 verpflichtete der Antragsgegner den Alpwegeverband Y Tal zur Duldung der Benutzung des * bis zur Brücke nach der V Hütte durch die Bediensteten der mit der Sofortmaßnahme befassten Behörden sowie deren Beauftragte im Rahmen der Sofortmaßnahme zur Verbesserung der Hochwassersituation. Die Verpflichtung gilt bis zum 15. Dezember 2022. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet.
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Der Antragsgegner legte am 2. Dezember 2022 die Behördenakte vor und beantragt,
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1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich Ziffer 1 und 2 des Bescheids vom 22. November 2022 (Az. III) sowie auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich Ziffer 3 und 4 des Bescheids vom 22. November 2022 (Az. III) wird abgelehnt.
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2. Der Antrag, bis zu einer abschließenden Entscheidung im Verfahren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich Ziffer 1 und 2 des Bescheids vom 22. November 2022 (Az. III) sowie auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich Ziffer 3 und 4 des Bescheids vom 22. November 2022 (Az. III) wird abgelehnt.
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Es wird ausgeführt, die Anfechtungsklage sei jedenfalls unbegründet, da der Bescheid vom 22. November 2022 rechtmäßig sei und das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin höher zu bewerten sei. Der Aktenvermerk vom 30. August 2022 stelle keinen Verwaltungsakt und insbesondere keine Genehmigung zur Durchführung eines Gewässerausbaus dar. Ob ein Schreiben als Verwaltungsakt anzusehen sei, sei nach dem objektiven Empfängerhorizont zu bewerten. Bei dessen Ermittlung seien alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen. Es sei auf einen verständigen Empfänger abzustellen, der über das Wissen verfügt, welches man im Rechtsverkehr erwarten könne, und der über die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände Bescheid wisse. Nach diesem Empfängerhorizont habe ein objektiver Empfänger wissen müssen, dass es bei dem Beratungsgespräch am 30. August 2022 lediglich um die Beratung hinsichtlich nicht genehmigungspflichtiger Unterhaltungsmaßnahmen ging. Von einem nur halbwegs verständigen Empfänger sei das Wissen zu erwarten, dass die Kanalisierung eines 1,6 km langen Abschnitts eines Wildbachs keine Pflegemaßnahme und damit auch keine genehmigungsfreie Gewässerunterhaltung darstelle. Dem Vertreter der Antragstellerin sei auch bekannt gewesen, dass der Termin von einer Fachkraft der * *behörde durchgeführt worden sei, die nicht die Befugnis habe, wasserrechtliche Planfeststellungsbescheide zu erlassen. Im Übrigen habe der Vertreter der Antragstellerin in der Vergangenheit selbst verschiedene Genehmigungsverfahren durchlaufen (wie zum Bsp. Baugenehmigungsverfahren, wasserrechtliche Genehmigungsbescheide, gaststättenrechtliche Bescheide), sodass ihm bekannt gewesen sei, dass selbst für die Genehmigung kleinerer genehmigungspflichtiger Maßnahmen umfangreiche Planunterlagen erstellt werden müssen. Auch äußerlich fehle es an den Merkmalen eines Verwaltungsakts. Dass der Aktenvermerk auf dem Papier des * erstellt wurde, sei für die Qualifikation als Verwaltungsakt irrelevant.
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Der Aktenvermerk sei auch nicht als Zusicherung im Sinn von Art. 38 BayVwVfG zu qualifizieren. Es fehle bereits an der für Zusicherungen notwendigen Schriftform. Aus den bereits genannten Gründen könne der Aktenvermerk auch nicht als Zusage gewertet werden, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen. Es sei bei dem Ortstermin - auf den sich der Aktenvermerk explizit beziehe - um eine nicht genehmigungspflichtige Gewässerunterhaltung gegangen. Vor diesem Hintergrund könne der Besprechungsvermerk auch nicht als Zusicherung für die Erteilung eines Planfeststellungsbeschlusses für einen Gewässerausbau verstanden werden.
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Das Beratungsgespräch vom 30. August 2022 habe im streitgegenständlichen Bescheid auch Berücksichtigung gefunden.
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Entgegen der Behauptung der Antragstellerin sei am 6. Oktober 2022 eine Baueinstellung verfügt worden. Die Behauptung, der X habe sich von vornherein kooperativ gezeigt und auch sonst nicht gegen Absprachen verstoßen, sei durch den eigenen Vortrag widerlegt. Beim Ortstermin am 25. Oktober 2022 habe er selbst eingeräumt, dass die tatsächlich durchgeführten Maßnahmen nicht abgesprochen gewesen seien. Dass die Baueinstellung vom 25. Oktober 2022 eingehalten worden sei, könne auch nicht zugunsten der Antragstellerin gewertet werden. Diese Baueinstellung habe die Aufkiesung eines Hubschrauberlandeplatzes außerhalb des Gewässers betroffen. Sämtliche Maßnahmen am Y Bach seien am 25. Oktober 2022 bereits abgeschlossen gewesen.
37
Die Maßnahme in Ziffer 1 könne sich auf Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG stützen. Diese Vorschrift benenne mit dem Wasserhaushalt und den öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zwei Schutzgüter, unter deren Bezugnahme die zuständige Behörde Maßnahmen gegenüber dem einzelnen ergreifen dürfe. Das Schutzgut des Wasserhaushalts enthalte insbesondere in den atypischen Gefahrenfällen Bedeutung, in denen eine spezielle gesetzliche Regelung nicht vorliegt, aber dennoch das durch die objektive Rechtsordnung bezweckte Ziel gefährdet ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handele es sich bei der Verpflichtung in Ziffer 1 des Bescheids nicht um eine erste Orientierungsmaßnahme der Schadensfeststellung. Diese sei bereits durch das *amt * erfolgt. Die Anordnung solle Grundlage für die noch anstehende Sanierungsplanung sein, indem festgestellt wird, ob das Gewässer durch die zukünftigen Abflüsse weiter eintieft oder auflandet. Die angeordnete Vermessung könne aufgrund der Höhenlage auf über 1200 m üNN nur noch in einer sehr begrenzten Zeitspanne ausgeführt werden. Sollte die Vermessung nicht mehr möglich sein, würde eine wichtige Grundlage für die spätere Sanierungsplanung fehlen. Dass derzeit bereits Schnee liegt, schließe eine Vermessung nicht aus. Bei einer Drohnenvermessung könne die Schneehöhe herausgerechnet werden. Auch bei einer händischen Vermessung könne an den zu vermessenden Stellen der Schnee zur Seite geschoben werden. Am 23. November 2022 sei der betroffene Bereich mit einem Allradfahrzeug ohne Schneeketten ohne weiteres anfahrbar gewesen. Die Behauptung, die Anordnung sei aufgrund der kurzen Fristsetzung für niemanden umsetzbar, sei nicht substantiiert. Die Antragstellerin habe weder dargelegt, welche Anstrengungen unternommen worden seien, um ein geeignetes Büro zu finden, noch werde konkreter dargelegt, welche Büros angefragt wurden. Die Anordnung sei auch hinreichend bestimmt. Die Länge des zu vermessenden Bereichs sei durch die Angabe „auf der gesamten Ausbaulänge von der Materialseilbahn U Hütte bis zur Brücke oberhalb der V Hütte“ exakt definiert. Auch die Breite der Vermessung sei entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestimmt, da ein objektiver, verständiger Empfänger wisse, dass sich die Anordnung auf die nicht genehmigte Veränderung des Y Bachs beziehe und die Vermessung mögliche Veränderungen des Gewässerbetts aufzeigen solle. Dass die angrenzenden Weideflächen damit nicht in die Vermessung mit einbezogen werden müssen, sei selbsterklärend. Die Genauigkeit der Geländevermessung mittels Vermessungsdrohne werde von einem entsprechend fachkundigen Vermessungsbüro ohne weiteres verstanden. Weiterhin lägen keine Ermessensfehler vor. Es werde mehrfach ausgeführt, dass die Vermessung erforderlich sei, um stattfindende Eintiefungen oder Auflandungen festzustellen und ein Sanierungskonzept erarbeiten zu können. Die Vermessung sei gerade dazu gedacht, noch stattfindende Veränderungen des jetzigen Gewässerbetts über die Wintermonate festzuhalten. Durch den kanalartigen Ausbau mit hohen Dämmen werde, wie sich aus der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 21. November 2022 und der Begründung des angefochtenen Bescheids ergebe, gegen alle Grundsätze des § 67 WHG verstoßen. Die schnellstmögliche Öffnung der Dämme, wie in Ziffer 2 des Bescheids angeordnet, sei erforderlich, um die Gefahrensituation zu entschärfen. Durch den nicht genehmigten Gewässerausbau und den Verlust von Retentionsflächen bestehe eine konkrete Gefahr für die Unterlieger und die Allgemeinheit, bei einem erneuten Starkregenereignis oder der im Frühjahr einsetzenden Schneeschmelze geschädigt zu werden. Die zeitlich knappe Fristsetzung sei aufgrund der Lage des Y Bachs und den Witterungsbedingungen erforderlich, um eine Entschärfung der geschaffenen Hochwassergefahren sicherstellen zu können. Dass im Bereich des Y Bachs derzeit Schnee liege, schließe eine punktuelle Öffnung der Dämme nicht aus. Für die Durchführung der angeordneten Dammöffnungen genügten ein Bagger mit 8 t oder landwirtschaftliche Gerätschaften (Traktor mit Frontlader und Schneeketten). Die Umsetzung der Maßnahme sei nicht unmöglich. Dies gelte weder hinsichtlich der Zufahrtssituation noch der behaupteten Lawinengefahr. Die Störerauswahl sei nicht ermessensfehlerhaft. Beim Ortstermin am 30. August 2022 seien ausschließlich Vertreter der Antragstellerin aufgetreten. Es habe sich kein Hinweis darauf ergeben, dass die tatsächlich durchgeführten Maßnahmen im Auftrag der * D erfolgt seien. Veranlasser der Maßnahmen und damit Handlungsstörer sei der X der * Y gewesen. Auch sei zu berücksichtigen, dass es sich bei Ziffer 2 um eine Anordnung zur Beseitigung einer Gefahr handele. Die Effektivität der Gefahrenabwehr wäre erheblich eingeschränkt, wenn erst sämtliche Beteiligte mit ihren jeweiligen Verursacherbeiträgen hätten ermittelt werden müssen. Die Anordnung der Zwangsmittel sei rechtmäßig. Die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen lägen vor. Die angeordneten Maßnahmen seien auch durchführbar. Der aktuelle Lawinenwarnbericht weise keine Gefahren oder Straßensperrungen für den Bereich des Y Bachs auf. Die Durchführung der im Bescheid vom 22. November 2022 angeordneten Vermessungs- und Sofortmaßnahmen sei möglich. Die Auffassung, die hohe Eilbedürftigkeit beruhe allein auf Versäumnissen des Antragsgegners sei nicht zutreffend. Aufgrund der fachlichen Stellungnahme des *amts vom 21. November 2022 sei am 22. November 2022 der Bescheid erstellt und am 23. November 2022 zugestellt worden. Die Interessenabwägung müsse daher zugunsten des öffentlichen Interesses am Vollzug des Verwaltungsakts ausfallen. Im Übrigen würden keine irreversiblen Tatsachen geschaffen. Es gehe vorliegend um die Entschärfung der von der Antragstellerin durch die nicht genehmigten Arbeiten verschärfte Hochwassersituation für die Unterlieger und die Allgemeinheit.
38
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die elektronisch vorgelegte Behördenakte verwiesen.
39
I. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az. Au 9 K 22.2253) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22. November 2022 hat keinen Erfolg.
40
1. Der Antrag ist zulässig.
41
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 28. November 2022 erhobenen Klage (Az. Au 9 K 22.2253) hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Ziffer 1 und 2 des Bescheids vom 22. November 2022 (Verpflichtung zur Erstellung einer Bestandsaufnahme der gesamten Ausbaulänge des Y Baches durch ein geeignetes Fachbüro für Vermessung und Vornahme punktueller Dammöffnungen zur Entschärfung der Hochwassersituation) sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer 3 und 4 des mit der Klage angegriffenen Bescheids.
42
Ausweislich des klaren Wortlauts des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ausschließlich die im Bescheid vom 22. November 2022 getroffenen und sofort vollziehbaren Anordnungen, nicht jedoch die mutmaßlich mündlichen Anordnungen eines Baustopps vom 6. bzw. 25. Oktober 2022.
43
2. Der Antrag ist in der Sache unbegründet.
44
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Das Gericht prüft bei ersterem, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache hingegen voraussichtlich Erfolg, so ist dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden weiteren Interessenabwägung ab (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 - 10 CS 14.2244 - juris).
45
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung von Ziffer 1 und 2 des Bescheids vom 22. November 2022 ist formell rechtmäßig.
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(1) Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung ausdrücklich angeordnet hat, (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend erweist; ist das nicht der Fall, hat das Gericht die Vollziehungsanordnung ohne weitere Sachprüfung aufzuheben, nicht jedoch die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wiederherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2013 - 10 CS 13.1782 - juris).
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Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55). Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2000 - 10 CS 99.3290 - juris Rn. 16). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind.
48
(2) Diesen Vorgaben wird die streitgegenständliche Begründung des Sofortvollzugs gerecht. Der Antragsgegner führt unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des *amts * vom 21. November 2022, der aufgrund der besonderen Sach- und Fachkunde des Wasserwirtschaftsamts als amtlicher Sachverständiger besondere Bedeutung beizumessen ist, aus, dass in Anbetracht der festgestellten erhöhten Hochwassergefahr und der Umweltverstöße im öffentlichen Interesse nicht hingenommen werden könne, dass die Vermessung und die Maßnahmen zum Schutz der Unterlieger vor Hochwasser so lange hinausgezögert werden, bis über die Klage letztinstanzlich entschieden sei. Die Vermessung sei eine wichtige Grundlage zur Beurteilung der künftigen Abflüsse und eine wesentliche Aussage für die Planung der Gewässersanierung. Es sei dringend erforderlich, die aufgeschütteten Erdwälle schnellstmöglich an mehreren Stellen zu öffnen, um den verloren gegangenen Retentionsraum zu reaktivieren. Diese Begründung stellt auf den vorliegenden Einzelfall ab und lässt erkennen, was den Antragsgegner zum Erlass der Anordnung bewogen hat, und dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der Anordnung des Sofortvollzugs bewusst war. Damit werden die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfüllt. Ob die vom Antragsgegner angeführten Gründe inhaltlich tragen, ist hingegen keine Frage des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern im Rahmen der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung des Verwaltungsaktes und damit beim Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses zu würdigen.
49
b) Der Bescheid vom 22. November 2022 mit dem die Antragstellerin zur Vorlage einer von einem geeigneten Fachbüro für Vermessung erstellten Bestandsaufnahme auf der gesamten Ausbaulänge des Y Bachs und zur Vornahme punktueller Dammöffnungen zur Entschärfung der Hochwassersituation verpflichtet wird, ist nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das öffentliche Interesse und das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seiner Anordnungen überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
50
(1) Die Rechtsgrundlage für die unter Ziffer 1 bzw. Ziffer 2 des Bescheids vom 22. November 2022 getroffenen Anordnungen ist § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 BayWG i.V.m. § 67, § 68 WHG.
51
Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder auf Grund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Nach Satz 2 ordnet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen. Voraussetzung für ein Einschreiten der zuständigen Wasserbehörde auf der Grundlage des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ist entweder das Erfordernis der Vermeidung oder Beseitigung einer Beeinträchtigung des Wasserhaushalts (Alt. 1) oder die Erforderlichkeit zur Sicherstellung der Verpflichtungen nach Satz 1 (Alt. 2). Anerkannt ist, dass nach § 100 Abs. 1 Satz 2 Alternative 3 WHG - unabhängig von einer tatsächlichen Bedrohung des Wasserhaushalts - bereits der formelle Verstoß gegen eine wasserrechtliche Verpflichtung seitens des Verantwortlichen, wie etwa die Benutzung oder den Ausbau eines Gewässers ohne die dafür erforderliche Erlaubnis oder Genehmigung, genügt (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 100 Rn. 40 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen die zuständige Behörde eine wasserrechtliche Ordnungsverfügung auf die bloße formelle Illegalität eines Zustandes stützen kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt und von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall abhängig (BVerwG, B.v. 21.12.1993 - 7 B 119.93 - juris). Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann sich im Einzelfall ergeben, dass eine auf die bloße formelle Illegalität der Gewässerbenutzung gestützte Anordnung nur ausnahmsweise dann rechtmäßig ist, wenn eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts konkret zu erwarten ist und die Behörde zuvor die Möglichkeit einer Legalisierung der Gewässerbenutzung geprüft und verneint hat (BayVGH, B.v. 19.3.2012 - 8 ZB 10.2343 - juris Rn. 14).
52
(2) Nach den voranstehenden Maßgaben erweisen sich die auf § 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 67, § 68 WHG gestützten Verpflichtungen des Antragstellers nach summarischer Prüfung als rechtmäßig.
53
(a) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist das * * als zuständige Kreisverwaltungsbehörde nach Art. 63 BayWG für den Vollzug der Wassergesetze und somit für die streitgegenständlichen Anordnungen sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG.
54
(b) Die von der Antragstellerin beauftragten und durchgeführten Maßnahmen, deren Ausmaß und Umfang durch die in den Behördenakten vorhandenen Lichtbilder umfangreich dokumentiert ist (vgl. Bl. 31 bis 34, 44 bis 58 der Behördenakte), stellen einen genehmigungspflichtigen Gewässerausbau im Sinn von § 67 Abs. 2 WHG dar.
55
Nach § 68 Abs. 1 WHG bedarf der Gewässerausbau der Planfeststellung durch die zuständige Behörde, wobei für Vorhaben, für die keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, an die Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung treten kann. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG fällt unter den Begriff Gewässerausbau die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer. Eine Umgestaltung ist dann wesentlich, wenn sie den Zustand des Gewässers oder seiner Ufer auf Dauer in einer für den Wasserhaushalt bedeutsamen Weise ändert. Die Verwendung des Begriffs „wesentlich“ bedeutet lediglich, dass unwesentliche und offensichtlich nicht ins Gewicht fallende Maßnahmen keinen Gewässerausbau darstellen. Dies korrespondiert mit der Erlaubnis- und Bewilligungspflicht in §§ 8, 9 WHG. Auch dort werden insoweit keine besonders gewichtigen Benutzungstatbestände verlangt (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 67 Rn. 30).
56
Angesichts der Dimension der von der Antragstellerin beauftragten und durchgeführten Umgestaltungsmaßnahmen des Y Bachs, handelt es sich unzweifelhaft um einen genehmigungspflichtigen Gewässerausbau, der nach § 68 Abs. 1 WHG der Planfeststellung durch die zuständige Behörde bedarf. Der Umfang der Maßnahme übersteigt das Maß einer genehmigungsfreien Gewässerunterhaltung (§ 39 WHG) bei Weitem. Zudem wäre die Antragstellerin gar nicht Trägerin der Unterhaltungslast, diese obliegt nach Art. 22 BayWG dem Markt A. Ob ein Gewässerausbau vorliegt, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Die Vorstellungen der Antragstellerin, ob die von ihr beauftragten Arbeiten dem Gewässerunterhalt dienen oder einen Gewässerausbau darstellen, ist daher unerheblich. Allerdings ist angesichts der Dimension der Arbeiten schwer vorstellbar, dass die Antragstellerin selbst lediglich von Maßnahmen des Gewässerunterhalts ausging.
57
(c) Die Antragstellerin ist nicht in Besitz einer wasserrechtlichen Genehmigung, die das Vorhaben legalisieren könnte.
58
Ausweislich der vorgelegten Behördenakten wurde ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren ganz offensichtlich nicht durchgeführt. Dies wird von der Antragstellerin selbst auch nicht behauptet.
59
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stellt die Aktennotiz vom 30. August 2022 unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts keine wasserrechtliche Genehmigung des von der Antragstellerin durchgeführten Gewässerausbaus dar. Ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren für ein Vorhaben der vorliegenden Art erfordert angesichts der Lage und der Bedeutung des Y Bachs, eines naturnahen Wildflusses im Naturschutzgebiet „Z“, in einem Vogelschutzgebiet, einem FFH-Gebiet sowie im Landschaftsschutzgebiet „Schutz von Landschaftsteilen im Bereich der Zkette“ ein umfangreiches wasserrechtliches Genehmigungsverfahren mit Anhörung der Träger öffentlicher Belange, der zuständigen Fachstellen, der Vorlage prüffähiger Planunterlagen und einer umfangreichen abwägenden Planungsentscheidung. Dieses Verfahren wurde weder durch das als Aktenvermerk bezeichnete Schreiben ersetzt, noch kann dieses Schreiben aus Empfängersicht als Genehmigung der durchgeführten Maßnahmen verstanden werden.
60
Bei der Bewertung des Regelungsgehalts des vorliegenden Aktenvermerks ist auf den objektiven Empfängerhorizont (§§ 133,157 BGB) abzustellen. Nach dem äußeren Erscheinungsbild und dem Inhalt nach kann in dem als Aktenvermerk bezeichneten und dem X per E-Mail übermittelten Schreiben aus Sicht eines objektiven Empfängers unter keinen Umständen eine Genehmigungsentscheidung zur Durchführung eines Gewässerausbaus in dem durchgeführten Umfang gesehen werden. Das nur wenige Absätze enthaltende Schreiben fasst lediglich die bei der Ortseinsicht vom gleichen Tag mündlich besprochenen Maßnahmen aus naturschutzfachlicher Sicht - hierauf wird insbesondere im vierten Absatz hingewiesen - zusammen. Auch wenn im darauf folgenden Absatz Ausführungen zur Gestaltung des Baches, seiner Fließgeschwindigkeit und seiner Ufer gemacht werden - Aussagen, die nicht in einer naturschutzfachlichen, sondern vielmehr in einer wasserrechtlichen Stellungnahme zu erwarten gewesen wären - ist aus Sicht eines objektiven Empfängers, der über das Wissen verfügt, was üblicherweise im Rechtsverkehr erwartet werden kann und der über die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände Bescheid weiß, eindeutig erkennbar, dass es sich nicht um eine wasserrechtliche Genehmigung eines Gewässerausbaus im Umfang von 1,6 km eines Wildbaches in einem hochsensiblen Naturraum handelt.
61
Eine Zusicherung im Sinne von Art. 38 BayVwVfG für die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung kann in dem mit „Aktenvermerk“ überschriebenen Schreiben vom 30. August 2022 ebenfalls nicht erkannt werden. Das Gewicht der Maßnahme schließt bereits eine legalisierende Wirkung des nur eine Seite umfassenden Vermerks aus, unabhängig von der Frage, ob vor Ort eine Skizze über den Querschnitt des Bachs angefertigt wurde. Aus den bereits angestellten Erwägungen ist offensichtlich, dass eine derart umfangreiche Maßnahme nicht in einem am gleichen Tag des Ortstermins verfassten einseitigen Schreibens verbindlich beurteilt werden kann. Dies gilt unabhängig von einer etwaigen behördlichen internen Unzuständigkeit des den Aktenvermerk Unterzeichnenden. Diese Frage bedarf daher keiner vertiefenden Betrachtung. Auch ergibt sich aus dem Inhalt des Schreibens kein Anhaltspunkt dafür, dass der Antragstellerin eine Zusage gegeben wurde, die beabsichtigte Maßnahme in einem später zu erlassenden Verwaltungsakt zu genehmigen. Unter Berücksichtigung eines objektiven Empfängers, der mit der Situation vor Ort vertraut ist, kann das Schreiben nicht als Zusicherung für die Erteilung eines Planfeststellungsbeschlusses oder einer Plangenehmigung für einen Gewässerausbau des vorliegenden Umfangs verstanden werden.
62
(d) Da die für den Ausbau des Y Bachs und seiner Ufer erforderliche wasserrechtliche Genehmigung nicht erteilt wurde, wurde die streitgegenständliche Maßnahme ohne die erforderliche wasserrechtliche Genehmigung vorgenommen und ist damit formell illegal. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Anordnung nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG sind somit erfüllt.
63
(e) Die in Ziffer 1 getroffene Anordnung findet auch ihre Grundlage in der in § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG geregelten umfassenden wasserrechtlichen Generalklausel. Ebenso wie das Einschreiten selbst steht die Art der wasserrechtlich zu ergreifenden Maßnahmen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Es gibt keinen numerus clausus der möglichen Maßnahmen (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 100 Rn. 55). Die getroffene Anordnung ist nach der Facheinschätzung des Wasserwirtschaftsamts, wie in den Stellungnahmen vom 8. und 22. November 2022 dargestellt, notwendig, um feststellen zu können, ob sich das Gewässer durch die zukünftigen Abflüsse bis zum Frühjahr weiter eintieft oder auflandet. Das Fließverhalten ist nach Einschätzung des *amts für die zukünftige Planung wesentlich. Die geforderte Vermessung und Dokumentation dient daher der Wiederherstellung ordnungsgemäßer wasserrechtlicher Verhältnisse und der Wirksamkeit der zu fordernden Sanierungsarbeiten. Durch das eigenmächtige Vorgehen ohne Durchführung eines Genehmigungsverfahrens hat die Antragstellerin Auswirkungen auf den Wasserhaushalt verursacht, die ansonsten Gegenstand eines wasserrechtlichen Verfahrens gewesen wären. Das bedingt, dass die auf der Grundlage von § 100 WHG geforderte Vermessung und Dokumentation notwendig ist, um festzustellen, wie die illegal versursachten Auswirkungen kompensiert werden können und wie ein ordnungsgemäßer Wasserhaushalt wiederhergestellt werden kann. Insofern ist die getroffene Anordnung von § 100 WHG gedeckt, zumal die Antragstellerin durch ihr Vorgehen die wasserrechtlichen Sorgfaltspflichten aus § 5 WHG in eklatanter Weise verletzt hat.
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(f) Gleiches gilt auch für die unter Ziffer 2 getroffene Regelung zu punktuellen Dammöffnungen zur Entschärfung der Hochwassersituation für die Unterlieger. Aufgrund des rinnenartigen Ausbaus des Wildbaches und der damit verbundenen Erhöhung seiner Fließgeschwindigkeit ist nach der Bewertung des *amts * eine erhebliche Erhöhung der Hochwassergefahr bezüglich der Unterlieger verbunden. Nach § 67 WHG sind jedoch Gewässer so auszubauen, dass natürliche Rückhalteflächen erhalten bleiben und das natürliche Abflussverhalten nicht wesentlich verändert wird. Durch die Kanalisation wurden über längere Gewässerabschnitte Retentionsflächen zerstört, was bei Schneeschmelze oder Starkregen zu einer Verschärfung der Hochwassersituation für die Unterlieger führt.
65
(g) Die Anordnungen unterliegen auch keinen Ermessensfehlern. Der Antragsgegner hat von dem ihm eingeräumten Ermessen unter sachgerechter Abwägung der insoweit zu berücksichtigenden Umstände zweckentsprechend Gebrauch gemacht. Insbesondere sind die angeordneten Maßnahmen geeignet, der wasserwirtschaftlichen Zielsetzung, die Entstehung von nachteiligen Hochwasserfolgen vorzubeugen, ausreichend Rechnung zu tragen (vgl. insbesondere § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG). Die angegriffenen Maßnahmen sind nach fachlicher Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts für die Sanierungsplanung auch erforderlich. Diese fachliche Bewertung wurde von der Antragstellerin nicht substantiiert in Frage gestellt. Des Weiteren unterliegen die Anordnungen auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen Bedenken, denn ein die Antragstellerin weniger belastendes geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist die streitgegenständliche Maßnahme nicht offensichtlich genehmigungsfähig, sodass auch eine nachträgliche Legalisierung als weniger belastendes Mittel nicht in Betracht kommt. Schließlich sind die angeordneten Maßnahmen auch zumutbar und können mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden. Da die Gewässeraufsicht im öffentlichen Interesse liegt, kommt es auf Fragen des Vertrauensschutzes durch möglicherweise missverständliche Äußerungen von Behördenvertretern nicht an. Das Versenden des Aktenvermerks vom 30. August 2022 an den X der Antragstellerin führt daher nicht zu einer Ermessensbindung des Antragsgegners, trotz schwerwiegender illegaler wasserrechtlicher Maßnahmen nicht im Rahmen der Gewässeraufsicht tätig zu werden.
66
(h) Die Anordnung richtet sich zutreffend gegen die Antragstellerin als Verursacherin der Gewässerveränderungen. Eine von der Antragstellerin in den Raum gestellte Verantwortlichkeit (auch) der * D, die in die Ermessensentscheidung hätte einbezogen werden müssen, erkennt das Gericht nicht. Die Tatsache, dass die D Alp als anliegende * möglicherweise mittelbar von der Maßnahme der Antragstellerin betroffen ist oder auch Vorteile aus dem Handeln der Antragstellerin ziehen könnte, bedarf keiner vertiefenden Betrachtung, da eine Handlungsverantwortlichkeit der * D nach Aktenlage nicht festzustellen ist. Diese wäre allenfalls mittelbar Begünstigte, was aber nicht ausreicht, um hier eine sicherheitsrechtliche Verantwortlichkeit annehmen zu können.
67
(i) Die Anordnung begegnet auch im Hinblick auf die erforderliche Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) keinen rechtlichen Bedenken. Ein Verwaltungsakt ist bestimmt, wenn der Inhalt der von der Behörde getroffenen Regelung für die Beteiligten unzweideutig erkennbar ist. Hierbei ist nicht nur der Tenor, sondern auch die Begründung des Bescheids heranzuziehen. Ein Verwaltungsakt ist dann unbestimmt, wenn nicht eindeutig bestimmt werden kann, was der Betroffene zu leisten hat.
68
Regelungsinhalt der in Ziffer 1 getroffenen Anordnung ist die Beauftragung eines Fachbüros für Vermessung, das eine Bestandsaufnahe auf der gesamten, im Einzelnen näher beschriebenen Ausbaufläche erstellen soll. Da die Antragstellerin den Ausbau des Y Bachs selbst beauftragt hat und ortskundig ist, bestehen für das Gericht keine Zweifel daran, dass diese den räumlichen Umfang der Vermessung ohne Probleme erfassen kann. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Vermessung für ein entsprechendes Fachbüro auch nicht verständlich wären. Dass eine Beauftragung eines Fachbüros nicht möglich ist, hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt. Vielmehr zeigt die vom *amt * erstellte Liste mit vier Fachbüros (vgl. S. 220 der Behördenakte), dass einschlägige Fachfirmen vorhanden sind. Anzumerken ist, dass ein Fachbüro sogar allein aufgrund der Pressemitteilungen über den Ausbau des Y Bachs seine Dienste angeboten hat. An der Umsetzbarkeit der geforderten Maßnahme für einen beauftragten fachkundigen Dritten bestehen für das Gericht keine Zweifel.
69
(j) Nicht durchdringen kann die Antragstellerin weiterhin mit dem Vortrag, die im Bescheid gesetzte Frist für die Bestandsaufnahme und die punktuellen Dammöffnungen bis zum 29. November 2022 sei zu kurz, so dass die Umsetzung der Maßnahme nicht möglich sei. Bei dieser Frist handelt es sich um ein Handlungsgebot an die Antragstellerin, da andernfalls die begründete Sorge besteht, dass aufgrund der Witterungslage die geforderten Maßnahmen nicht mehr umgesetzt werden können. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Verstreichen dieses Datums die von der Antragstellerin geforderten Maßnahmen tatsächlich unmöglich sind und auch eine Verlängerung der Frist gegebenenfalls nicht denkbar ist. Aus diesem Grund geht auch der Einwand der Antragstellerin fehl, der Bescheid sei nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nichtig, da die geforderten Maßnahmen aus tatsächlichen Gründen von niemanden ausgeführt werden können. Das gilt auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin angeführte Möglichkeit eines Wintereinbruchs. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar ausgeführt, dass sowohl die Vermessung durch ein Fachbüro als auch die geforderten Dammöffnungen unter Berücksichtigung der aktuellen Wetterlage möglich sind. Bei dem Y Tal handelt es sich auch nicht um ein hochalpines Gebiet, das mit Einsetzen der ersten Schneefälle nicht mehr betreten werden kann. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die entsprechenden Fachbüros (die in der Akte aufgelisteten Büros befinden sich weitgehend im Alpenraum) mit den Anforderungen des alpinen Raums vertraut ist. Weder die Zufahrtssituation noch eine behauptete Lawinengefahr sind für das Gericht geeignet, eine Unmöglichkeit der geforderten Vermessung bzw. punktueller Dammöffnungen durchzuführen. Auch der Einwand, es bedürfe für die Abstimmung mit dem *amt einer längeren Frist, überzeugt nicht. Da das *amt mit Bekanntwerden des ungenehmigten Gewässerausbaus in das Verfahren einbezogen worden war, mit dem Sachverhalt vertraut ist und die angeordneten Maßnahmen selbst vorgeschlagen hat, ist zu erwarten, dass eine Abstimmung kurzfristig möglich ist.
70
(3) Der Antrag bleibt auch ohne Erfolg, soweit er sich gegen die in Ziffer 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids ausgesprochenen Androhung der Ersatzvornahme wendet.
71
(a) Die Androhung der Ersatzvornahme findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1 und 2 Nr. 2, Art. 32, Art. 36 VwZVG.
72
(b) Die Anordnungen in Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids vom 22. November 2022 sind gemäß Ziffern 3 und 4 des Bescheids sofort vollziehbar und damit vollstreckbar gem. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG. Die zu vollstreckenden Anordnungen sind Handlungspflichten im Sinn von Art. 29 Abs. 1, 32 Satz 1 VwZVG die mittels der Ersatzvornahme (Art. 29 Abs. 2 Nr. 2 VwZVG) vollstreckt werden können.
73
(c) Die Ersatzvornahme konnte vorliegend gemäß Art. 32 Satz 2 VwZVG auch ohne vorherige Androhung eines Zwangsgelds angedroht werden, da ein solches im Hinblick auf die witterungsbedingte Situation nicht erfolgsversprechend war. Deshalb durfte der Antragsgegner in berechtigter Weise davon ausgehen, dass ein vorheriges Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt. Die sofortige Androhung der Ersatzvornahme ist deshalb nicht zu beanstanden.
74
(d) Die Ersatzvornahme wurde der Antragstellerin entsprechend Art. 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 schriftlich angedroht und eine Frist gesetzt, innerhalb derer ihr der Vollzug der Anordnung billigerweise zugemutet werden konnte. Aus den oben genannten Gründen ist eine Frist von einer Woche zwar für die geforderten Maßnahmen knapp bemessen, erscheint jedoch aufgrund der besonderen Situation noch ausreichend. Der für die Ersatzvornahme erforderliche Kostenbetrag wurde im Bescheid vom 22. November 2022 entsprechend Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG vorläufig veranschlagt. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 29 Abs. 3, Art. 32, 36 VwZVG) sind nicht ersichtlich.
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c) Nach alldem ist nach summarischer Prüfung von Sach- und Rechtslage ein Erfolg der Klage der Antragstellerin gegen die wasserrechtlichen Anordnungen des Antragsgegners im Bescheid vom 22. November 2022 nicht hinreichend wahrscheinlich.
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d) Es bedarf in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO aber auch bei einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache einer weiteren Kontrollüberlegung. Die Vorschrift fordert für die behördliche Anordnung bei sofortiger Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, welches über das Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts selbst hinausgeht. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse ist grundsätzlich nicht mit dem öffentlichen Interesse am Erlass eines Verwaltungsakts identisch. Daher vermag selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts allein die sofortige Vollziehung regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. NdsOVG, B.v. 17.4.2014 - 7 ME 8/19 - juris Rn. 26). Das Gericht kann die behördliche Anordnung des Sofortvollzugs daher nur bestehen lassen, wenn nach seiner Beurteilung ein öffentliches Interesse daran besteht, einen offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt vor Eintritt seiner Bestandskraft zu vollziehen.
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Angesichts des hohen Gewichts des öffentlichen Interesses am Hochwasserschutz und der Wiederherstellung des zerstörten Naturraums muss das private Interesse der Antragstellerin, bis zur rechtskräftigen Entscheidung die geforderten Maßnahmen nicht umsetzen zu müssen, im Einzelfall zurückstehen. Dies gilt insbesondere angesichts der besonderen Bedeutung des Hochwasserschutzes für die Unterlieger, der besonderen Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit des Y Bachs und der geringen Eingriffsintensität der von der Antragstellerin geforderten Maßnahmen.
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3. Nach allem war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Sonderbeilage BayVBl. Januar 2014). Der in der Hauptsache gebotene Streitwert in Höhe von 12.000 EUR (§ 52 Abs. 1 GKG), der sich an den veranschlagten Kosten für die jeweils angedrohte Ersatzvornahme orientiert, war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.
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II. Der Antrag, bis zu einer abschließenden Entscheidung des Gerichts im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des * * vom 22. November 2022 vorläufig anzuordnen, war abzulehnen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
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1. Eine Zwischenentscheidung (sog. Hänge- oder Schiebebeschluss) dient dazu, eine Regelung für den Zeitraum zwischen dem Eingang des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und der Entscheidung des Gerichts über diesen zu treffen, sofern dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich erscheint. Eine solche Entscheidung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Sie ist in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht ausdrücklich vorgesehen; die VwGO geht davon aus, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren grundsätzlich nach § 80 Abs. 5 VwGO so gestalten kann, dass vorläufiger Rechtsschutz in effektiver Weise gewährt werden kann. Nur wenn das nicht möglich ist, darf das Verwaltungsgericht einen Hängebeschluss erlassen.
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Die sich unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebende Befugnis eines Verwaltungsgerichts zum Erlass eines sog. Hängebeschlusses setzt voraus, dass die Entscheidungsreife für die von der Antragstellerin beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage noch nicht gegeben ist, der Eilantrag nicht offensichtlich aussichtslos erscheint und aus Gründen eines wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes zu Vermeidung irreversibler Zustände bzw. schwerer und unabwendbarer Nachteile nicht bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgewartet werden kann (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 17.12.2020 - 15 CS 20.3007 - juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 14.12.2018 - 4 CE 18.2578 - juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 12.11.2020 - 4 VR 6.20 - juris Rn. 2).
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Gegenstand des Verfahrens ist zum einen die Verpflichtung der Antragstellerin, dem * bis spätestens 29. November 2022 eine von einem geeigneten Fachbüro für Vermessung erstellte Bestandsaufnahme der gesamten Ausbaulänge des Y Bachs vorzulegen, zum anderen die Vornahme punktueller Dammöffnungen zur Entschärfung der Hochwassersituation. Für den Fall der nicht fristgerechten und vollständigen Erfüllung dieser Pflicht drohte das * jeweils die Ersatzvornahme an, d.h. die Beauftragung eines Vermessungsbüros bzw. die Vornahme der Dammöffnungen jeweils auf Kosten der Antragstellerin.
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Wie sich aus dem unter I. Ausgeführten ergibt, hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keinen Erfolg, so dass der Antrag auf Zwischenverfügung schon aus diesem Grund abzulehnen ist. Der Antragstellerin drohen in der Zeit zwischen Antragstellung und Entscheidung des Gerichts auch keine schweren und irreversiblen Nachteile. Sollte die Antragstellerin unter dem Druck der angekündigten Ersatzvornahme die geforderten Maßnahmen selbst vornehmen bzw. beauftragen oder das * vor einer abschließenden Entscheidung über den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtungen der Antragstellerin im Wege der Ersatzvornahme vollziehen, das Gericht aber später feststellen, dass die Anordnungen rechtswidrig waren, so kann die Antragstellerin verlangen, die aufgewendeten Kosten im Wege eines Folgenbeseitigungsanspruchs erstattet zu bekommen. Schwere und unabwendbare Nachteile für die Antragstellerin im Fall der Vollziehung sind daher nicht zu erkennen.
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2. Eine Kostenentscheidung bezüglich der Zwischenverfügung ist nicht veranlasst. Die durch das Zwischenverfahren entstandenen Kosten gehören zu den Kosten des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO, weil das Verfahren kein selbständiges Nebenverfahren beinhaltet (BayVGH, B.v. 17.12.2020 - 15 CS 20.3007 - juris Rn. 17).