Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 09.11.2022 – Au 8 S 22.1976
Titel:

Anordnung eines kombinierten Leinen- und Maulkorbzwangs trotz artgerechter Kampfsituationen

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
LStVG Art. 18 Abs. 2
Leitsätze:
1. Bei der Beurteilung der von einem Hund ausgehenden Gefahr ist es unerheblich, ob dieser von anderen Hunden provoziert worden ist und ob diese eventuell ein Mitverschulden an den Vorfällen tragen. Von dem Hund geht auch dann eine Gefahr aus, wenn die Reaktion des von einer Anordnung betroffenen Hundes auf einer "Provokation" eines anderen Hundes beruht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei bei arttypischem Kräftemessen in Rangeleien und Raufereien zur Festlegung der Rangordnung kommt es nicht auf die Ermittlung von etwaigen Mitverschuldensanteilen an. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung eines kombinierten Leinen- und Maulkorbzwangs, Mitverschulden anderer Hunde bei Beißvorfällen, Maulkorbzwang, Leinenzwang, Beißvorfall, Mitverschulden, Hund, Dogge, Provokation, arttypisches Kräftemessen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 37812

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung eines Leinen- und Maulkorbzwangs.
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Die Antragstellerin ist Halterin einer achteinhalb Jahre alten Dogge namens „B.“. Seit April 2021 wohnt sie im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin. Am 8. Mai 2021 kam es zu einem Beißvorfall zwischen der an der Leine geführten Dogge der Antragstellerin und einem anderen, unangeleinten Hund, der von der Dogge gebissen worden ist. Am 4. August 2022 kam es zu einem weiteren Beißvorfall, bei dem ein unangeleinter Labrador-Schäferhund-Mischling von der Dogge gebissen worden ist. Strittig ist insoweit, ob die Dogge angeleint war und von dem anderen Hund auch gebissen worden ist.
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Nach persönlicher Anhörung ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 9. September 2022 an, dass der Hund der Antragstellerin in bewohnten Stadt- und Ortsbereichen der Antragsgegnerin sowie auf öffentlichen Verkehrsflächen ab sofort an einer reißfesten Leine von höchstens 2 m Länge mit schlupfsicherem Halsband und nur mit angelegtem Maulkorb von einer dazu befähigten und zuverlässigen Person geführt werden muss (Ziff. 1), und dem Hund auf übersichtlichen Freianlagen, die keiner Beschränkung hinsichtlich des Freilaufs von Hunden unterliegen, Freilauf gewährt werden darf, wenn ihm zuvor ein das Beißen verhindernder Maulkorb angelegt wird (Ziff. 2). In Ziff. 3 wurde geregelt, dass der Hund nur von einer Person geführt werden darf, die mindestens das 18. Lebensjahr vollendet hat und über die Anordnungen der Ziff. 1 und 2 informiert und auch sonst im Stande ist, über den Hund jederzeit die Kontrolle auszuüben. In Ziff. 4 wurde der Antragstellerin für den Fall eines Verstoßes gegen die Pflichten in Ziff. 1 bis 3 ein Zwangsgeld von jeweils 500,00 EUR angedroht. In Ziff. 5 wurde die sofortige Vollziehung der Ziff. 1 bis 3 angeordnet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass durch das Führen an der Leine innerhalb von bewohnten Stadt- und Ortsbereichen sowie auf öffentlichen Verkehrsflächen die Gefahr minimiert werde. Zumindest beim Beißvorfall im Mai 2021 sei der Hund angeleint gewesen. Aus diesem Grund erscheine die Anordnung nur eines Leinenzwangs nicht ausreichend, vielmehr sei das Anlegen eines Maulkorbs geboten. Auch die Anordnung hinsichtlich der zum Führen des Hundes berechtigten Person sei geeignet. Durch die Regelung, nach der auf übersichtlichen Freiflächen Freilauf bei Anlegen eines Maulkorbs gewährt werden dürfe, werde dem natürlichen Bewegungsdrang des Hundes Rechnung getragen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im öffentlichen Interesse. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass in der Zeit zwischen dem Erlass des Bescheids und seiner Bestandskraft weitere Menschen oder Tiere von dem Hund gebissen würden und Schäden an Gesundheit und Leben erleiden würden. Dies könne von der Allgemeinheit nicht hingenommen werden.
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Nach Bescheidserlass zeigte die Antragstellerin jeweils mit Schreiben vom 20. September 2022 die zwei Beißvorfälle bei der Antragsgegnerin an und teilte u.a. mit, dass ihr Hund beim zweiten Beißvorfall ebenfalls gebissen worden sei.
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Gegen den Bescheid vom 9. September 2022 ließ die Antragstellerin Klage mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids erheben (Au 8 K 22.1972), über die noch nicht entschieden ist, und ließ des Weiteren beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Leinen- und Maulkorbpflicht vom 10. Oktober 2022 (wohl 9. September 2022) wiederherzustellen.
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Die Aufforderung zum Leinenzwang und zur Maulkorbpflicht sei rechtswidrig, denn nicht von der Dogge sei die Gefahr ausgegangen, sondern von einem Schäferhund-Mischling und einem Labrador-Mischling. Die Dogge sei im August 2022 von dem Labrador-Mischling angegriffen und gebissen worden. Zum Beweis werde u.a. ein Foto mit der Verletzung der Dogge vorgelegt. Dabei sei von der Halterin nichts zu sehen und das Grundstück nicht ausbruchsicher eingezäunt gewesen. Beim Hund der Antragstellerin handle es sich um eine Dogge, die artgemäß viel speicheln und hecheln würde. Ein Maulkorb sei nicht tiergerecht. Die achteinhalbjährige Dogge sei abrufbar und absolut friedfertig. Da die Hündin aber oft angegriffen werde, führe die Antragstellerin sie stets an der Leine in Ortschaften. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung leide an einem formellen Mangel, da das öffentliche Interesse lediglich pauschal und ohne Bezugnahme auf den Einzelfall und unsubstantiiert begründet worden sei.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
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Bei beiden Beißvorfällen sei die Initiative zwar von den anderen Hunden ausgegangen. Darüber, ob es sich um einen „Angriff“ oder um eine normale Kontaktaufnahme gehandelt habe, herrsche aber keine Klarheit. Ergebnis sei jedoch jeweils gewesen, dass die beiden anderen Hunde schwere Verletzungen, die Dogge der Antragstellerin dagegen keinerlei Verletzungen davongetragen hätten. Erst nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids habe die Antragstellerin vorgetragen, dass beim Beißvorfall im August 2022 auch ihr Hund verletzt worden sei. Ob es sich bei dem Foto um das Tier der Antragstellerin handle und wann das Foto entstanden sei, sei jedoch nicht ersichtlich. Die Antragstellerin habe sich insoweit auch nicht an die andere Hundehalterin gewandt und Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Die Gefahr müsse selbst dann bejaht werden, wenn man den anderen Hunden ein Mitverschulden und der Dogge nur ein reflexhaftes Verhalten oder Abwehrreaktionen unterstelle.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen, auch im Verfahren Au 8 K 22.1972.
II.
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Leinen- und Maulkorbpflicht nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet.
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1. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die grundsätzlich nach § 80 Abs. 1 VwGO bestehende aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet hat. Diese Anordnung ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen, wobei sich die Behörde hinreichend mit den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls auseinandersetzen muss. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Verweis der Behörde, dass mit der Vollziehung des Bescheides nicht bis zu seiner Unanfechtbarkeit gewartet werden könne, da sich bereits eine konkrete Verletzung am Rechtsgut eines Dritten ergeben habe, trägt die gemäß § 80 Abs. 3 VwGO erforderliche Begründung des Sofortvollzugs.
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Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung unter Abwägung des von der Behörde geltend gemachten Interesses an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und des Interesses des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens: Ist die Hauptsacheklage nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage regelmäßig zurück; erscheint der angefochtene Bescheid hingegen nach kursorischer Prüfung voraussichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.
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2. Die im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Klage gegen die Leinen- und Maulkorbpflicht des angefochtenen Bescheides voraussichtlich keinen Erfolg haben wird und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Ihre Rechtsgrundlage finden die Anordnungen in Art. 18 Abs. 2 LStVG. Danach können die Gemeinden zum Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum oder öffentlicher Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen.
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Der Tatbestand des Art. 18 Abs. 2 LStVG erfordert das Vorliegen einer konkreten Gefahr, also einer Sachlage, bei der die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit der abzuwehrende Schaden eintritt. Dabei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der möglicherweise eintretende Schaden und je ranghöher das bedrohte Rechtsgut ist. Das sicherheitsrechtliche Einschreiten zur Gefahrenabwehr setzt demnach nicht voraus, dass bereits ein schädigendes Ereignis, bei dem Gesundheit oder Eigentum anderer Personen geschädigt wurde, stattgefunden hat. Zu Beißzwischenfällen muss es deshalb vor Erlass einer Anordnung nicht notwendigerweise gekommen sein, es genügt vielmehr schon, wenn sich ein Hund gefahrdrohend gezeigt hat, ohne dass der Halter hiergegen eingeschritten wäre (BayVGH, B.v. 11.11.2003 - 24 CS 03.2796 - juris Rn. 8f). Ist es hingegen bereits zu Zwischenfällen gekommen, sind sicherheitsrechtliche Anordnungen zur Abwehr der realisierten Gefahr in der Regel nicht nur zulässig, sondern vielmehr geboten.
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Im vorliegenden Fall durfte die Antragsgegnerin aufgrund der ihr vorliegenden Erkenntnisse davon ausgehen, dass von dem Hund der Antragstellerin eine konkrete Gefahr für Gesundheit und Eigentum ausgeht. Der Bescheid stützt sich auf zwei Beißvorfälle vom 8. Mai 2021 und 4. August 2022, bei denen der angeleinte Hund der Antragstellerin jeweils einen anderen Hund biss und verletzte. Damit hatte sich die Gefahr sogar schon verwirklicht. Unstrittig ist, dass bei dem ersten Beißvorfall am 8. Mai 2021 der Hund der Antragstellerin angeleint war und trotz Leine den Schäferhund-Mischling gebissen hat. Die Dogge der Antragstellerin selbst wurde dabei nicht verletzt. Auch beim zweiten Beißvorfall am 4. August 2022 hat der Hund der Antragstellerin unstreitig den Labrador-Mischling gebissen. Nach Aussage der Antragstellerin war auch an diesem Tag ihr Hund an der Leine. Erst nach Erlass des Bescheids hat die Antragstellerin erstmals mit Schreiben vom 20. September 2022 der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass ihr Hund auch gebissen worden sei. Auf dem vorgelegten Foto ist zwar ein verletztes Tier zu erkennen, jedoch nicht, ob es sich dabei um den Hund der Antragstellerin handelt, oder etwa wann die Verletzung zugefügt worden ist. Weitere Nachweise, wie beispielsweise eine Arztrechnung oder eine Geltendmachung des Schadens gegenüber der Halterin des Labrador-Mischlings, fehlen. Letztendlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, weil unstrittig der Hund der Antragstellerin zwei Mal andere Hunde gebissen hat. Unerheblich ist insoweit auch, ob die Dogge der Antragstellerin von den anderen Hunden provoziert worden ist und ob diese eventuell ein Mitverschulden an den Vorfällen tragen. Denn von dem Hund geht auch eine Gefahr aus, wenn die Reaktion des von einer Anordnung betroffenen Hundes auf einer „Provokation“ eines anderen Hundes beruht (BayVGH, B.v. 17.10.2018 - 10 CS 18.1717 - juris Rn. 15; Schwabenbauer in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, Stand 1.7.2022, LStVG Art. 18 Rn. 62, 63). Vom Schutzzweck des Art. 18 Abs. 2 LStVG wird nämlich sowohl hundetypisches, artgerechtes Verhalten als auch außergewöhnlich aggressives Verhalten eines Hundes erfasst. Die auf diesem Verhalten beruhenden Verletzungen sind dem Hund sicherheitsrechtlich zuzurechnen. Sinn der Regelungen ist es, den Behörden die Ermächtigung zu geben, zur Verhütung jeglicher Gefahren für die betreffenden Rechtsgüter Anordnungen zur Haltung von Hunden zu treffen. Hieraus ergibt sich, dass in (auch artgerechten) Kampfsituationen mit anderen Tieren eine Gefahr zumindest für das Eigentum, oftmals auch für die Gesundheit der anwesenden Hundeführer, besteht. Zwar wird insbesondere derjenige Hund, von dem die „Kampf-Initiative“ ausging, eine konkrete Gefahr darstellen, und zwar auch dann, wenn es der angegriffene Hund ist, der im „Eifer des Gefechts“ oder wegen des Eingreifens seines eigenen Halters diesen beißt. Denn bereits die Auslösung einer Auseinandersetzung unter Hunden dokumentiert die Gefahr des Tieres (vgl. dazu auch VG Bayreuth, B.v. 17.3.2022 - B 1 S 22.166 - juris und nachgehend BayVGH, B.v. 24.5.2022 - 10 CS 22.865 - juris Rn. 9). Jeder Hundehalter muss seinen Hund so kontrollieren können, dass er etwa auch im Fall, dass dieser sich von einem Menschen oder Hund bedroht fühlt, diesen nicht angreift. Dies gilt auch bei arttypischem Kräftemessen in Rangeleien und Raufereien zur Festlegung der Rangordnung. In solchen Kampfsituationen kommt es demnach nicht auf die Ermittlung von etwaigen Mitverschuldensanteilen an. Es ist „nicht Aufgabe der Sicherheitsbehörde“ für einen „gerechten Ausgleich“ unter den Haltern an einem Vorfall beteiligter Hunde zu sorgen. Sie hat vielmehr die Aufgabe, bestehende sicherheitsrelevante Gefahren abzuwehren (VG München, B.v. 10.1.2012 - M 22 S 11.5317 - juris Rn. 35; Schwabenbauer Rn. 66, 67).
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b) Die von der Antragsgegnerin angeordneten Maßnahmen zur Abwehr der von dem Hund der Antragstellerin ausgehenden Gefahr wurden ermessensfehlerfrei ausgewählt, entsprechen dem in Art. 8 LStVG geregelten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und begegnen keinen tierschutzrechtlichen Bedenken.
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Die Anordnung eines kombinierten Leinen- und Maulkorbs in bewohnten Gebieten und öffentlichen Verkehrsflächen in Ziff. 1 des Bescheids ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang nur unter besonderen Umständen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann ein kombinierter Leinen- und Maulkorbzwang nur verfügt werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr notwendig ist, wenn also ein bloßer Leinenzwang zur Abwehr der von dem konkreten Hund ausgehenden Gefahr nicht genügt (zuletzt BayVGH, B.v. 24.5.2022 - 10 CS 22.865 - juris Rn. 5). Ein zusätzlicher Maulkorbzwang kann angeordnet werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar ist, weil beispielsweise eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Hund auch angeleint zubeißen oder sich von der Leine losreißen wird. Nachdem der Hund der Antragstellerin bereits zwei Mal einen anderen Hund trotz Leine gebissen hat, ist die Anordnung verhältnismäßig.
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Auch die Anordnung in Ziff. 2 des Bescheids, wonach ein Freilauf auf übersichtlichen Freianlagen möglich ist, wenn dem Hund zuvor ein Maulkorb angelegt worden ist, ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Aufgrund der beiden Beißvorfälle ist auch im Außenbereich von einer konkreten Gefahr durch den Hund auszugehen. Die Anordnung ist auch verhältnismäßig, da die Antragsgegnerin dem natürlichen Bewegungsdrang des Hundes insoweit Rechnung getragen hat, dass dieser auf übersichtlichen Freiflächen ohne Leine laufen darf. Als milderes Mittel im Vergleich zum generellen Leinenzwang ist die Anordnung des Maulkorbs in diesen Situationen nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 17.10.2018 - 10 CS 18.1717 - juris Rn. 18).
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Der Bescheid verstößt auch nicht gegen das Übermaßverbot. Es sind keine weniger einschneidenden Maßnahmen ersichtlich, die zum Schutz der durch den Hund der Antragstellerin gefährdeten Rechtsgüter gleichermaßen geeignet wären. Die Maßnahmen sind auch nicht etwa deshalb unangemessen, weil der Hund nach Angaben der Antragstellerin achteinhalb Jahre alt ist. Im Hinblick auf den hohen Rang der gefährdeten Rechtsgüter stellen der Leinen- und der Maulkorbzwang nur eine geringe Belastung der Antragstellerin dar. Es handelt sich mithin um Maßnahmen, die ein verantwortungsbewusster Hundehalter nach solchen Vorfällen von sich allein ergriffen hätte, um von seinem Hund ausgehende Gefahren abzuwenden. Die Anordnung eines Maulkorbs ist nicht etwa deshalb unzumutbar, weil die Dogge artgemäß viel speicheln und hecheln würde. Es obliegt der Antragstellerin einen - auf dem Markt ohne Weiteres erhältlichen - Maulkorb, der ein artgerechtes Hecheln ermöglicht, zu verwenden (BayVGH, B.v. 24.5.2022 - 10 CS 22.865 - juris Rn. 10).
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c) Soweit sich der Eilantrag entgegen des ausdrücklichen Wortlauts nicht nur gegen den Leinen- und Maulkorbzwang wendet, sondern auch gegen die Regelung in Ziff. 3 des Bescheids hinsichtlich der Anforderungen an die Person des Hundeführers, ist die Klage insoweit voraussichtlich ebenfalls nicht erfolgreich. Einwände dagegen wurden von der Antragstellerin nicht geltend gemacht. Grundsätzlich kann der Kreis der Personen, die den Hund ausführen dürfen, auf solche beschränkt werden, die hinsichtlich Alter, Körperkraft, Zuverlässigkeit usw. hierfür geeignet sind. Eine solche Anordnung ist auch verhältnismäßig. Sie bekräftigt im Grunde nur eine Selbstverständlichkeit und trägt dem Umstand Rechnung, dass das Hundeverhalten maßgeblich von der Haltung und Führung abhängig ist und das Verhalten des Hundeführers häufig mitursächlich für die durch den Hund verursachten Gefahren sein wird (Schwabenbauer in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/ Schwabenbauer, LStVG Art. 18 Rn. 125).
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d) Im Hinblick auf den ausdrücklichen Wortlaut des Eilantrags wendet sich dieser nicht gegen die Androhung des Zwangsgeldes in Ziff. 4 des Bescheids. Einwände dagegen wurden von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht.
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3. Der Eilantrag war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 35.2 des Streitwertkatalogs.