Inhalt

AG Cham, Beschluss v. 01.06.2022 – 001 F 396/21
Titel:

Verbindung eines Abstammungsverfahrens mit einem Unterhaltsverfahren

Normenketten:
BGB § 1592 Nr. 1, § 1600, § 1601, § 1600b, § 1600d, § 1612a Abs. 1, Abs. 3, § 1613 Abs. 3
FamFG § 81 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 169, § 237 Abs. 3, § 240, § 243
EStG § 32 Abs. 6 S. 1
FamGKG § 33 Abs. 1 S. 2, § 47, § 51
Leitsatz:
Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch wegen einer Abstammungssache ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch wegen Unterhalt, dessen Verfahrenswert sich aus § 51 FamGKG ergibt, verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vaterschaftsfeststellung, Vaterschaftsanfechtung, Abstammungssache, Mindestunterhalt, Eltern-Kind-Verhältnis
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 29.09.2022 – 11 UF 625/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 37661

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Beteiligte …, geboren am …, nicht der Vater des Antragstellers …, geboren am …, ist.
2. Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner …, geboren am …, der Vater des Antragstellers …, geboren am …, ist.
3. Der Antragsgegner … wird verpflichtet, an den Antragsteller …, zu Händen der Kindsmutter ab dem 03.11.2019 bis Oktober 2021 und ab Juni 2022 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB der jeweiligen Altersstufe, derzeit erste Altersstufe, jeweils gemindert um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind zu bezahlen und von November 2021 bis Dezember 2021 zu Händen der Kindsmutter einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB der ersten Altersstufe, jeweils gemindert um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind und abzüglich übergegangener UVG-Leistungen an das Landratsamt Ch. zu Az: … von monatlich 174 € zu bezahlen und von Januar 2022 bis Mai 2022 zu Händen der Kindsmutter einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB der ersten Altersstufe, jeweils gemindert um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind und abzüglich übergegangener UVG-Leistungen an das Landratsamt Ch. zu Az: … von monatlich 177 € zu bezahlen.
4. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
5. Der Verfahrenswert wird auf 9.975,00 € festgesetzt.

Gründe

Abstammungssache
1
Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung der Vaterschaft des Beteiligten … und die Feststellung der Vaterschaft des Antragsgegners ….
2
Der Antragsteller beantragt in der vorliegenden Abstammungssache die Feststellung, dass der Antragsgegner der Vater des Antragstellers …, geboren am …, ist.
3
Der Antragsgegner beantragt in der Abstammungssache eine Entscheidung nach Sachlage.
4
Das Gericht hat förmlichen Beweis erhoben durch Einholung eines Abstammungsgutachtens.
5
Das Gericht hat die Beteiligten des Verfahrens zur Abstammungssache angehört.
6
Der nach §§ 1600 ff BGB, 169 ff FamFG zulässige Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft ist begründet.
7
Die Anfechtungsfrist gemäß § 1600 b BGB ist gewahrt.
8
Der Beteiligte … gilt als Vater des Antragstellers, da er zum Zeitpunkt der Geburt mit der Kindsmutter … verheiratet war, § 1592 Nr. 1 BGB.
9
Dieser Schein der Vaterschaft entspricht jedoch nicht den Tatsachen, denn nach dem Ergebnis der Verhandlung und Beweisaufnahme ist es offenbar unmöglich, dass der Beteiligte … der biologische Vater des Antragstellers ist.
10
Da es nach dem vom Gericht eingeholten und überzeugenden Gutachten keine ausreichende Übereinstimmung der DNA-Merkmale gibt, kann der Beteiligte … offenbar unmöglich der Vater des Antragstellers sein.
11
Der nach §§ 1600 ff BGB, 169 ff FamFG zulässige Antrag auf Feststellung des Bestehens des Eltern-Kind-Verhältnisses ist begründet.
12
Die Vaterschaft ist nach §§ 1600 d Abs. 1 BGB gerichtlich festzustellen, da die bislang bestehende Vaterschaft des Beteiligten … erfolgreich angefochten wurde.
13
Nach dem vom Gericht eingeholten und überzeugenden Gutachten steht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass der Antragsgegner … der biologische Vater des Antragstellers … ist.
Unterhaltssache
14
Des Weiteren begehrt der Antragsteller mit der Feststellung der Vaterschaft die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt.
15
In der Unterhaltssache beantragt der Antragsteller zuletzt:
16
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller …, zu Händen seiner Mutter ab November 2019 bis Oktober 2021 und ab Juni 2022 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe zu bezahlen, abzüglich des hälftigen Kindergeldes für das erste Kind und von November 2021 bis Dezember 2021 zu Händen seiner Mutter einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe zu bezahlen, abzüglich des hälftigen Kindergeldes für das erste Kind und abzüglich übergegangener UVG-Leistungen an das Landratsamt Ch. zu Az: … von monatlich 174 € und von Januar 2022 bis Mai 2022 zu Händen seiner Mutter einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe zu bezahlen, abzüglich des hälftigen Kindergeldes für das erste Kind und abzüglich übergegangener UVG-Leistungen an das Landratsamt Ch. zu Az: … von monatlich 177 € zu bezahlen.
17
In der Unterhaltssache beantragt der Antragsgegner:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
18
Im Übrigen wird hinsichtlich der Unterhaltssache auf den Akteninhalt Bezug genommen.
19
Die Verpflichtung zum Mindestunterhalt für minderjährige Kinder richtet sich nach §§ 1601 ff, 1612 a ff BGB, 237 Abs. 3 FamFG.
20
Ein minderjähriges Kind kann gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen.
21
Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem doppelten Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes.
22
Er beträgt monatlich entsprechend dem Alter des Kindes für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahrs in der ersten Altersstufe 87 Prozent, für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres in der zweiten Altersstufe 100 Prozent und für die Zeit vom dreizehnten Lebensjahres an in der dritten Altersstufe 117 Prozent eines Zwölftels des doppelten Kinderfreibetrags.
23
Der Unterhalt einer höheren Altersstufe ist gemäß § 1612 a Abs. 3 BGB ab dem Beginn des Monats maßgebend, in dem das Kind das betreffende Lebensjahr vollendet.
24
Einwendungen des Antragsgegners hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit, aber auch solche nach § 1613 Abs. 3 BGB sind im Verfahren nach § 237 FamFG nicht zu berücksichtigen. Der Antragsgegner ist insoweit auf ein Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG zu verweisen.
Kosten und Nebenentscheidungen
25
Die Festsetzung des Verfahrenswertes wegen Abstammungssachen beruht auf §§ 47, 51 FamGKG.
26
Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch wegen einer Abstammungssache ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch wegen Unterhalt, dessen Verfahrenswert sich aus § 51 FamGKG ergibt, verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend (§ 33 Abs. 1 Satz 2 FamGKG).

Verfahrenswert in der Abstammungssache:

2.000,00 €

Verfahrenswert in der Unterhaltssache:

Verfahrenswert mtl. Unterhalt × 12:

3.438,00 €

Verfahrenswert Unterhaltsrückstand bis Okt. 2021:

6.537,00 €

Verfahrenswert Unterhaltssache insg.:

9.975,00 €

27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 243 FamFG. Unter Berücksichtigung der Angaben der Beteiligten kam ein anderer Mann als der Antragsgegner als tatsächlicher Vater von vornherein nicht in Betracht. Die Trennung der Mutter vom rechtlichen Vater erfolgte bereits vor Beginn der Empfängniszeit. Ein Mehrverkehr wurde weder eingeräumt, noch konkret geltend gemacht.