Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 07.06.2022 – 9 WF 448/22
Titel:

Keine Beteiligung am Sorgerechtsverfahren der Stiefkinder

Normenkette:
FamFG § 7 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3
Leitsatz:
Der Ehemann ist durch das Sorgerechtsverfahren betreffend die Kinder seiner Ehefrau oder durch zu erwartende Maßnahmen im Zusammenhang damit in einer subjektiven Rechtsposition nicht betroffen. (Rn. 16) (red. LS Axel Burghart)
Schlagworte:
Kindschaftssache, Sorgerecht, Befangenheit, Ablehnungsgesuch, Stiefvater, Stiefkind
Rechtsmittelinstanz:
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 05.12.2022 – 1 BvR 1865/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 37563

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers G. W. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Amberg betreffend die Ablehnung von Richterin am Amtsgericht N. vom 03.01.2022 wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,-- € festgesetzt.

Gründe

1
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen den Beschluss des Ausgangsgerichts, mit dem sein Ablehnungsgesuch gegen Richterin am Amtsgericht N… für unbegründet erklärt wurde.
I.
2
Der Beschwerdeführer ist der Vater des Kindes L. W., geboren am … 2017 und der Ehemann von Frau T. W., die ihrerseits Mutter der Kinder L. G., geboren am …2007 und S. G., geboren am … 2006 ist. Gegen den Beschwerdeführer ist ein Ermittlungsverfahren wegen Sexualstraftaten zu Lasten der beiden Mädchen bei der Staatsanwaltschaft Amberg anhängig.
3
Unter dem Aktenzeichen 3 F 248/21 wurde bei dem Amtsgericht Amberg ein Sorgerechtsverfahren bezüglich des Kindes L. geführt. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 04.06.2021 wurde den Kindeseltern auferlegt, sich für das Kind um einen Platz in der schulvorbereitenden Einrichtung in Amberg zu bemühen und weiterhin die vom Kreisjugendamt eingesetzte sozialpädagogische Familienhilfe anzunehmen. Aufgrund der von den Kindeseltern gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht Nürnberg diese mit Beschluss vom 23.08.2021 (Az.: 9 UF 680/21) dahingehend abgeändert, dass die Weisung hinsichtlich der schulvorbereitenden Einrichtung in Wegfall geraten ist. Unter dem Aktenzeichen 3 F 413/21 ist ein weiteres Sorgerechtsverfahren anhängig, in dem zur Klärung der Regelung der elterlichen Sorge ein Sachverständigengutachten eingeholt worden ist.
4
Bezüglich der Kinder L. und S. G. war bei dem Amtsgericht Amberg unter dem Aktenzeichen 3 F 232/21 ein Eilverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge bezüglich der beiden Mädchen anhängig, in dem der Beschwerdeführer als weiterer Beteiligter geführt wurde, nachdem ihm mit gerichtlichen Beschluss vom 30.04.2021 verboten wurde, mit den Kindern Kontakt aufzunehmen. Die von dem Beschwerdeführer und der Kindsmutter hiergegen eingelegte Beschwerde wurde im Termin vor dem Oberlandesgericht am 15.07.2021 (Az.: 9 UF 515/21) zurückgenommen. Im Hauptsacheverfahren 3 F 340/21 zur Klärung der zukünftigen Regelung der elterlichen Sorge für die beiden Mädchen ist ebenfalls Begutachtung angeordnet worden; der Beschwerdeführer ist in diesem Verfahren nicht Beteiligter.
5
Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 21.06.2021, eingegangen bei dem Amtsgericht am 22.06.2022 in allen vier Verfahren Befangenheitsantrag gegen die Amtsrichterin N. gestellt und hierzu vorgetragen, die Richterin habe in den Verfahren 3 F 323/21 und 3 F 248/21 gegen den Datenschutz und Grundrechte verstoßen. Der Antrag des Jugendamtes A.-S. sei ungeschwärzt an alle Verfahrensbeteiligten verschickt worden. Sie habe im Termin zum Verfahren 3 F 232/21 die Bundeszentralregisterauskunft des Beschwerdeführers vorgelesen und mit der Verfahrensbeiständin diskutiert. Im Beschluss der Richterin vom 30.04.2021 (Az.: 232/21) sehe man, dass sie ihn bereits vorverurteilt habe. Das Strafverfahren gegen ihn sei noch nicht abgeschlossen. Sie habe ihm in der Sitzung am 01.06.2021 im Verfahren 3 F 248/21 das Wort verboten, als er auf Datenschutzverstöße bezüglich der betroffenen Mädchen habe hinweisen wollen. Trotz mehrfacher Einwände von seiner Seite habe sie zugelassen, dass die Vertreterin des Jugendamtes ihre Stellungnahme auf das Diktiergerät der Richterin gesprochen hat. Es sei Begutachtung durch Sachverständige angeordnet worden, obwohl niemand dies beantragt habe. Jedenfalls im Verfahren 3 F 413/21 sei ein Sachverständigengutachten nicht erforderlich gewesen. Neutralität werde es mit dieser Richterin in keinem Verfahren geben. Zur weiteren Begründung hat er auf eine von ihm vorgelegte Verfassungsbeschwerde mit dem Az.: 1 BvR 1386/21 verwiesen, die mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 16.06.2021 nicht zur Entscheidung angenommen wurde.
6
Der Beschwerdeführer hat außerdem in den Verfahren 3 F 340/21 und 3 F 431/21 am 20.10.2021 Befangenheitsantrag gegen Richterin am Amtsgericht S. gestellt. Die Richterin habe mit Verfügung vom 17.09.2021 der vom Gericht beauftragten Sachverständigen Dr. B. im Verfahren 3 F 340/21 eine Fristverlängerung gewährt. Im Verfahren 3 F 413/21 sei jedoch keine Fristverlängerung verfügt worden. Das Sachverständigengutachten sei im Verfahren 3 F 340/21 bereits allen Beteiligten zur Stellungnahme zugeleitet worden. Ihm selbst und seiner Ehefrau, die durch Herrn Rechtsanwalt Dr S. vertreten werde, liege das Gutachten jedoch noch nicht vor. Die Richterin habe gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen. Es könne deswegen nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sich Richterin am Amtsgericht S. neutral verhalte.
7
Die abgelehnte Richterin am Amtsgericht N. hat sich in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 01.07.2021 zum Vorbringen des Beschwerdeführers geäußert. Sie hat vorgetragen, dass sie nicht gegen Vorschriften des Datenschutzes verstoßen habe. Die sich aus den Akten ergebenden Vorermittlungen gegen den Beschwerdeführer hinsichtlich Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung seien nicht in die Sitzung eingeführt worden. Es sei nicht öffentlich verhandelt worden. Sie habe in einem Termin im Verfahren 3 F 248/21 tatsächlich der Vertreterin des Jugendamtes gestattet, ihre Stellungnahme in das Gerät des Gerichts zu diktieren. Dies sei erfolgt, um eine möglichst umfassende Dokumentation der Stellungnahme zu gewährleisten und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zu geben, zu dem umfangreichen Vortrag des Jugendamtes in allen Punkten Stellung nehmen zu können. Es sei Begutachtung angeordnet worden. Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes sei das Gericht verpflichtet, von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, auch wenn die Beteiligten nicht an einer Begutachtung mitwirken wollen.
8
Die abgelehnte Richterin am Amtsgericht S. hat sich in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 03.11.2021 zum Vorbringen des Beschwerdeführers geäußert. Sie habe als Urlaubsvertretung der verfahrensführenden Richterin die Akte bearbeitet. Die Frist zur Erstellung des Sachverständigengutachtens sei auf Antrag des Sachverständigen verlängert worden, nachdem das Verfahren aufgrund des Befangenheitsantrages gegen die verfahrensführende Richterin nicht habe weiterbetrieben werden können. Das Gutachten sei sodann innerhalb von 2 Wochen nach der Fristverlängerung eingegangen. Sie habe das Sachverständigengutachten an die bestellte Verfahrensbeiständin der betroffenen Kinder gesandt, der es nach § 158 b Abs. 3 FamFG als Beteiligter zugänglich zu machen sei.
9
Mit Beschluss vom 03.01.2022 hat das Amtsgericht die Befangenheitsanträge des Beschwerdeführers gegen beide Richterinnen als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keine Gründe vorgetragen habe, aus denen eine Befangenheit der Richterinnen abgeleitet werden könne. Auf etwaige Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen komme es grundsätzlich nicht an. Konkrete Gründe, die auf eine etwaige Unparteilichkeit der abgelehnten Richterinnen schließen ließen, habe der Antragsteller nicht genannt.
10
Gegen diese ihm am 11.01.2022 zugestellten Beschlüsse wendet sich der Beschwerdeführer mit dem am 24.01.2022 bei dem Amtsgericht eingegangenen Rechtsmittel. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz. Er habe die richterliche Stellungnahme der abgelehnten Richterin N… erst am 08.01.2022 erhalten. Es sei nicht rechtens, dass die abgelehnte Richterin ihn im Verfahren 3 F 340/21 nicht als Verfahrensbeteiligten sehe. Die Richterin habe auch bereits gegen den Befangenheitsantrag verstoßen, weil sie am 28.06.2021 über die Bestellung von Frau Rechtsanwältin Z… zur Verfahrensbeiständin entschieden habe (Az.: 3 F 340/21), jedoch gem. § 47 Abs. 1 ZPO nur Handlungen vornehmen hätte dürfen, die nicht aufschiebbar gewesen seien. Im Übrigen wiederholt der Beschwerdeführer seine bereits in der Antragstellung vorgetragenen Vorwürfe gegen die abgelehnte Richterin.
11
Die abgelehnte Richterin am Amtsgericht S… habe das Sachverständigengutachten den anderen Beteiligten fünf Wochen vorher zugestellt. Dies zeige, dass eine Begünstigung stattfinde und eine Parteiergreifung. Ihm selbst sei das Sachverständigengutachten bis heute nicht zugestellt worden.
12
Mit Beschluss vom 15.03.2022 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde des Beschwerdeführers betreffend Richterin am Amtsgericht S… im Verfahren 3 F 340/21 nicht abgeholfen.
13
Mit Beschluss vom 13.04.2022 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde des Beschwerdeführers betreffend Richterin am Amtsgericht N… nicht abgeholfen. Es sei zwar richtig, dass die dienstliche Stellungnahme der abgelehnten Richterin ihm erst nach der Entscheidung über den Befangenheitsantrag zugänglich gemacht worden sei. Rechtliches Gehör sei jedoch mittlerweile ausreichend gewährt, weil sich der Antragsteller in seiner Rechtsmittelschrift ausführlich zur Stellungnahme der Richterin geäußert habe. Nachdem die Verfahren 3 F 248/21 und 3 F 232/21 bereits erledigt seien, gehe der Befangenheitsantrag bezüglich dieser Verfahren ins Leere.
II.
14
Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg ist gemäß § 6 Abs. 2 FamFG, §§ 567 ff. ZPO als sofortige Beschwerde zulässig; es ist jedoch nicht begründet.
15
Der Beschwerdeführer ist im Verfahren 3 F 340/21 nicht Beteiligter und hat deswegen kein Recht, die am Verfahren beteiligten Gerichtspersonen abzulehnen. Sein Ablehnungsgesuch war bereits unzulässig.
16
Nach § 7 FamFG ist zum Verfahren als Beteiligter derjenige hinzuzuziehen, dessen subjektives Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen ist (Muss-Beteiligter) und derjenige, der aufgrund dieses oder eines anderen Gesetzes von Amts wegen oder auf Antrag zu beteiligen ist (Muss-Beteiligter). Das Gericht kann darüber hinaus von Amts wegen oder auf Antrag weitere Personen als Beteiligte hinzuziehen, soweit dies in einem Gesetz vorgesehen ist (KannBeteiligter). Der Beschwerdeführer ist weder kraft Gesetzes Beteiligter noch kraft gerichtlicher Hinzuziehung zum Verfahren. Er ist durch das Sorgerechtsverfahren betreffend die beiden Töchter seiner Ehefrau oder durch zu erwartende Maßnahmen im Zusammenhang damit in einer subjektiven Rechtsposition nicht betroffen. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG greift daher nicht ein. Der Beschwerdeführer hat den betroffenen Kindern gegenüber keine Rechtsposition, die beeinträchtigt werden könnte. Er ist lediglich der Ehemann der Mutter. Als solcher ist er im Verfahren vollständig ohne Befugnisse. Es geht im Verfahren ausschließlich um die Frage der Regelung der elterlichen Sorge der Kindesmutter T. W. für die beiden Töchter. Der Antragsteller ist weder auf Antrag noch von Amts wegen als Beteiligter hinzuzuziehen, weil eine gesetzliche Grundlage hierfür nicht vorhanden ist. Auch aus anderen Gesetzen ergibt sich keine Optionsbeteiligung (§ 7 Abs. 3 FamFG). Mangels materieller und formeller Beteiligteneigenschaft stand dem Beschwerdeführer die Ablehnung der am Verfahren beteiligten Richterinnen nicht zu. Die Ablehnungsgesuche hätten von Anfang an als unzulässig verworfen werden müssen.
III.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Verfahrenswert der Hauptsache und ergibt sich aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
IV.
18
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 70 Abs. 1, Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Der Beschluss ist deswegen mit Rechtsmittel nicht anfechtbar.