Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 21.12.2022 – 102 VA 174/21
Titel:

Akteneinsicht in Insolvenzakten

Normenketten:
EGGVG § 23
ZPO § 299
InsO § 4
Leitsätze:
1. Am Verfahren nicht beteiligten Dritten kann ohne Einwilligung der Beteiligten gem. § 4 InsO iVm § 299 II ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen Einsicht gewährt werden, wenn ein rechtliches Interesse dargetan und glaubhaft gemacht ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gläubigerstellung ist grundsätzlich geeignet, ein rechtliches Interesse iSd § 299 II ZPO an der Einsicht in die Insolvenzakten zu begründen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Bestreitet der Insolvenzverwalter endgültig die angemeldete Forderung und ist sie deshalb nicht zur Insolvenztabelle festgestellt, ist für ein rechtliches Interesse iSd § 299 II ZPO erforderlich, dass die Gläubigerposition anhand nachvollziehbarer Tatsachen schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht wird. (redaktioneller Leitsatz)
4. Für das "rechtliche Interesse“ gemäß § 299 Abs. 2 ZPO ist erforderlich, dass durch den Gegenstand des Verfahrens, in dessen Akte Einsicht begehrt wird, persönliche Rechte des Gesuchstellers berührt werden. Dabei muss sich das rechtliche Interesse aus der Rechtsordnung selbst ergeben. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
5. Alleine die Behauptung einer Gläubigerposition genügt für ein derartiges Interesse nicht, die Gläubigerstellung muss zumindest schlüssig vorgetragen werden.  (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Akteneinsichtsgesuch, Dritter, Insolvenzakte, Gläubiger, Darlegung
Fundstellen:
ZInsO 2023, 149
BeckRS 2022, 37416
NZI 2023, 99
LSK 2022, 37416
ZRI 2023, 64

Tenor

I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert wird auf bis zu 500,00 € festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Ablehnung seines Antrags auf Einsicht in die beim Amtsgericht M. unter dem Az. 1513 IN 273/20 geführten Insolvenzakten betreffend die S. GmbH i. L. (im Folgenden: weitere Beteiligte), deren Geschäftsführer mit Schreiben vom 3. Februar 2020 einen Eigeninsolvenzantrag gestellt hatte. Ein weiteres, unter dem Az. 1513 IN 869/20 geführtes Insolvenzverfahren, das aufgrund des mit Schriftsatz vom 3. April 2020 gestellten Insolvenzantrags der P. GmbH (im Folgenden: P. GmbH) eingeleitet worden war, wurde vom Amtsgericht mit Beschluss vom 12. Juni 2020 zum Verfahren 1513 IN 273/20 hinzuverbunden. Alleinige Gründungsgesellschafterin der zunächst unter „S. UG (haftungsbeschränkt)“ firmierenden weiteren Beteiligten war die S. AG, über deren Vermögen im November 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
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Auf der Grundlage des vom Insolvenzgericht beauftragten Sachverständigen Dr. A. erstellten Insolvenzgutachtens eröffnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 11. August 2020 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der weiteren Beteiligten und bestellte Dr. A. zum Insolvenzverwalter. Am 30. November 2020 wurde der Berichts- und Prüfungstermin und eine Gläubigerversammlung durchgeführt, bei dem der Antragsteller anwesend war. Er meldete mündlich eine Forderung in Höhe von 1.000,00 € zuzüglich Zinsen an, die er am 25. November 2020 durch Abtretung eines Teils der als laufende Nummer 2 angemeldeten Forderungen der P. GmbH erworben habe. Hierzu legte er einen mit der P. GmbH, vertreten durch deren Geschäftsführer Dr. F. geschlossenen Abtretungsvertrag vom 25. November 2020 vor.
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Dort heißt es in § 1 (Gegenstand der Abtretung):
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(1) Zedent stehen gegen die S. GmbH aus am 21.06.2018 abgetretenem Recht Ursprungsansprüche zu, die durch die Hingabe von 1.000,- EUR am 05.03.2018 seitens der S. UG (haftungsbeschränkt) an S. GmbH entstanden sind („Verkaufsgegenstand“). Der diesbezügliche Übertragungsvertrag_2018 vom 21.06.2018 samt der die Ursprungsansprüche begründenden Sachverhalte liegt diesem Vertrag als Anlage 1 bei.
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(2) Die Parteien sind sich einig, dass unabhängig von heute noch nicht zu konkretisierenden Rechtsgrundlagen sämtliche Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin abgetreten werden, deren Anspruchsgrundlagen sich aus dem in Abs. 1 beschriebenen Sachverhalt durch den Zessionar ableiten lassen.
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(3) Der Zedent tritt die Ansprüche einschließlich etwaiger hiermit verbundener Nebenrechte (…) an den Zessionar mit sofortiger Wirkung ab. Der Zessionar nimmt die Abtretung mit sofortiger Wirkung an.
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In § 2 des Abtretungsvertrags wird die Haftung des Zedenten ausgeschlossen, sofern Ansprüche nicht auf Vorsatz oder Arglist beruhen. Ausdrücklich ist festgehalten, dass der Zedent nicht für den Bestand und die Durchsetzbarkeit des abgetretenen Anspruchs einstehe und der umfassende Haftungsausschluss auch für den Fall gelte, dass der mit dem Vertrag übertragene Verkaufsgegenstand rechtlich und/oder tatsächlich nicht bestehe.
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Ausweislich des als Anlage zum Abtretungsvertrag vorgelegten Forderungsabtretungs- und Kaufvertrags zwischen der S. UG (haftungsbeschränkt) und der P. GmbH vom 21. Juni 2018 erklärte Erstere, sie habe einen Anspruch gegen die „S. GmbH aus Darlehen oder Bereicherungsrecht“ seit dem 05.03.2018 bzw. auf Rückzahlung gewährter Gelder in Höhe von 1.000,00 € zzgl. etwaiger Zinsen. Sie verkaufe „sämtliche Ansprüche“ und trete diese an die P. GmbH ab. Der Vertrag enthält in Bezug auf den Kaufpreis in Höhe des Nominalbetrags der Forderung eine Stundungsabrede bis 31. Dezember 2021 sowie eine Erklärung der S. UG (haftungsbeschränkt), dass nur die uneingeschränkte Verfügungsberechtigung, nicht jedoch die Werthaltigkeit und Durchsetzbarkeit der Ansprüche zugesichert werde. Außerdem ist geregelt, dass die P. GmbH mit Ansprüchen aus einem zeitgleich zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Beratervertrag aufrechnen könne und ihr im Falle der Kündigung des Beratervertrags ein unwiderrufliches Recht zur Rückveräußerung der abgetretenen Forderung an die S. UG (haftungsbeschränkt) zustehe. Der Vertrag ist für beide Parteien von Dr. F. als deren damaligen Geschäftsführer unterzeichnet.
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Im Termin vom 30. November 2020 berichtete der Insolvenzverwalter über die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin. Er bestritt endgültig die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen des Antragstellers und der P. GmbH. Der Antragsteller erhielt antragsgemäß eine Protokollabschrift der Sitzung vom 30. November 2020.
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Eine Klage auf Feststellung der bestrittenen Forderung hat der Antragsteller nicht anhängig gemacht. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der weiteren Beteiligten ist noch nicht beendet.
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Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 beantragte der Antragsteller Einsicht in die Insolvenzakten. Er sei Insolvenzgläubiger und benötige Einblick in die Verfahrensakte zur weiteren Geltendmachung seiner Rechte. Der Insolvenzverwalter widersprach dem Einsichtsgesuch, da der Antragsteller nach dem endgültigen Bestreiten der Forderung mangels Erhebung einer Feststellungsklage kein Beteiligter des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 1 ZPO sei. Ihm sei auch als Dritter gemäß § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO keine Akteneinsicht zu gewähren, da er ein rechtliches Interesse nicht glaubhaft gemacht habe. Die P. GmbH habe einen Teil der angemeldeten Ansprüche unmittelbar vor der Gläubigerversammlung rechtsmissbräuchlich unentgeltlich u. a. an den Antragsteller abgetreten, um im Rahmen der Abstimmung über ihre Anträge über eine Kopfmehrheit der abstimmenden Gläubiger zu verfügen. Darüber hinaus habe der Antragsteller durch die Abtretung angeblicher Ansprüche keine Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin erworben. Der Beratervertrag zwischen der P. GmbH und der S. UG (haftungsbeschränkt), einer inaktiven Vorrats- und 100%igen Tochtergesellschaft der S. AG, in dem diese bei einer festen Vertragslaufzeit bis Ende 2021 eine tätigkeitsunabhängige Pauschalvergütung von 500,00 € netto/Monat zugesagt habe, sei als Schenkung zu qualifizieren und deshalb formnichtig, da Leistungen nie beabsichtigt gewesen seien. Auch der Forderungskauf- und Abtretungsvertrag über den angeblich bestehenden und von der P. GmbH zur Insolvenztabelle angemeldeten Rückzahlungsanspruch von 1.000,00 € zzgl. Zinsen sei im Hinblick auf die untrennbare Verbundenheit mit dem Beratervertrag gemäß § 139 BGB nichtig und zudem selbst als formnichtige, unentgeltliche Zuwendung einer etwaigen Forderung zu qualifizieren.
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Der Antragsteller äußerte sich seinerseits ergänzend dazu, dass er als Insolvenzgläubiger Verfahrensbeteiligter und somit nach § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 1 ZPO zur Akteneinsicht berechtigt sei, auch wenn die Forderung bestritten sei. Selbst wenn man ihn als „Dritten“ ansehen würde, sei ihm nach § 299 Abs. 2 ZPO Akteneinsicht zu gewähren, denn er habe ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme. Ein solches bestehe schon dann, wenn die Akteneinsicht die Frage der Teilnahme am Verfahren klären solle. Auch ansonsten sei einem nicht verfahrensbeteiligten Gläubiger in der Regel ein rechtliches Interesse nicht abzusprechen. Zudem sei bei einem Eigenantrag des Schuldners das rechtliche Interesse an einer Einsichtnahme für jeden Dritten anzunehmen. Es genüge, dass ein potenzieller Gläubiger Akteneinsicht beantrage mit der Begründung, er wolle prüfen, ob die Stammeinlagen erbracht seien oder ob Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht bestünden. Ausreichend sei jeder Bezug zu den im Insolvenzverfahren behandelten Vorgängen selbst, wozu auch die Vorbereitung einer späteren Inanspruchnahme von Verfahrensbeteiligten zähle. Auch die Absicht, gegen Dritte vorzugehen, könne ein berechtigtes Interesse an dem Inhalt der Insolvenzverfahrensakten begründen. Der Antragsteller wolle prüfen, ob die Stammeinlagen vollständig erbracht seien, eine Feststellungsklage seiner Forderung wirtschaftlich aussichtsreich erscheine, eine Organhaftung vorliege (insbesondere Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht) und er eine solche Haftung als Gläubiger geltend machen könne, womit er die Voraussetzungen erfülle. Zudem seien mehrere Ermittlungsverfahren gegen Verfahrensbeteiligte anhängig, es sei möglich, dass strafrechtlich relevante Vorgänge im Raum stünden.
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Das Amtsgericht hat den auf § 299 Abs. 1 ZPO gestützten Akteneinsichtsantrag mit Beschluss vom 1. Oktober 2021 mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller sei gemäß § 189 Abs. 1, § 3 InsO kein Verfahrensbeteiligter. Gegen den Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 26. November 2021, Az. 14 T 15562/21, zurückgewiesen hat.
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Mit weiterem Bescheid vom 1. Oktober 2021, dem Antragsteller formlos am 11. Oktober 2021 übersandt, hat das Amtsgericht den Akteneinsichtsantrag des Antragstellers nach § 299 Abs. 2 ZPO abgelehnt. Da die Forderung des Antragstellers vollumfänglich bestritten sei, komme unter der Voraussetzung einer substantiierten Darlegung des rechtlichen Interesses und vollständiger Glaubhaftmachung eines überwiegenden, gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Schuldnerin und den beteiligten Gläubigern übersteigenden Interesses allenfalls ein Auskunftsanspruch nach § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO in Betracht. Das rechtliche Interesse müsse sich dabei unmittelbar aus der Rechtsordnung ergeben. Reine Ausforschungsinteressen oder rein wirtschaftliche Interessen, die zum abgeschlossenen Verfahren keinen direkten Bezug hätten, genügten nicht. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor.
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Soweit der Antragsteller prüfen wolle, ob weitere strafrechtliche Vorgänge in der Akte enthalten seien, obliege es der Staatsanwaltschaft, diese Vorgänge zu ermitteln. Inwieweit der Antragsteller an dem Vorgang ein rechtliches Interesse habe, sei nicht vorgetragen.
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Da dem „Akteneinsichtsinteresse“ als einzige substantiierte Darlegung des rechtlichen Interesses die abgetretene Forderung aus dem Forderungskauf und damit aus dem Beratervertrag zugrunde liege, sei eine rechtliche Grundlage nicht gegeben, da der Beratervertrag nach Ansicht des Gerichts nichtig sei. Somit könnten auch damit direkt zusammenhängende Forderungen keinen Bestand haben. Weitere Interessengrundlagen seien nicht dargelegt und/oder glaubhaft gemacht. Der 102 VA 174/21 - Seite 6 - Rechtsauffassung, dass jeder Dritte im Falle eines Eigenantrags des Schuldners ein rechtliches Interesse an der Einsicht in die Insolvenzakten habe, könne sich das Gericht nicht anschließen. Eine Teilakteneinsicht komme ebenfalls nicht in Betracht.
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Mit Schriftsatz vom 10. November 2021 hat sich der Antragsteller mit einem Antrag nach § 23 EGGVG gegen die Versagung der Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 2 ZPO an das Bayerische Oberste Landesgericht gewandt.
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Er ist der Ansicht, dass das Amtsgericht sein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht verkannt habe, dem ein höher zu bewertendes Interesse der Prozessparteien nicht entgegenstehe. Unabhängig davon, ob die von ihm geltend gemachte Forderung tituliert oder bestritten sei, sei er Beteiligter des Insolvenzverfahrens und damit nach § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 1 ZPO zur Akteneinsicht berechtigt. In Anbetracht der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen unterschiedlichen Standpunkte zu der Frage, ob jeder Insolvenzgläubiger Verfahrensbeteiligter sei oder dessen Forderung unbestritten geblieben bzw. die in § 189 InsO genannten Voraussetzungen erfüllt sein müssten, sei die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weswegen die Forderung des Antragstellers nicht festgestellt worden sei. Der Antragsteller habe durch Abtretung einen Darlehensanspruch der P. GmbH gegenüber der Gemeinschuldnerin erworben, den die P. GmbH wiederum von der S. UG (haftungsbeschränkt) abgetreten erhalten habe. Damit sei der Antragsteller als Insolvenzgläubiger anzusehen, möge auch die Forderung nicht festgestellt worden sein. Da ein Antragsteller nur entweder Verfahrensbeteiligter nach § 299 Abs. 1 ZPO oder Dritter im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO sein könne, sei nicht ausgeschlossen, dass sich der Senat auch mit dieser Fragestellung befasse, auch wenn das Landgericht mit Beschluss vom 26. November 2021 unanfechtbar über das Akteneinsichtsgesuch nach § 299 Abs. 1 ZPO entschieden habe.
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Unter Wiederholung seiner bereits beim Amtsgericht vorgetragenen Argumente macht er vorsorglich geltend, dass ihm ein Akteneinsichtsrecht gemäß § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO auch dann zustehe, falls er als „Dritter“ angesehen werde.
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Ergänzend trägt der Antragsteller vor, der Insolvenzverwalter habe die Gläubigerversammlung massiv manipuliert. Gegen diesen habe er Strafanzeige wegen des Verdachts des Betrugs bzw. Prozessbetrugs gestellt, außerdem gebe es noch weitere Strafanzeigen wegen Verdachts der Untreue, der Insolvenzverschleppung und der Gläubigerbenachteiligung, was die Glaubwürdigkeit des Insolvenzverwalters erschüttere und den Verdacht strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit dem laufenden Insolvenzverfahren nähre. Er begehre u. a. Akteneinsicht, um den Vorwurf strafrechtlichen Verhaltens zu erhärten und Schadensersatzansprüche zu prüfen. Insoweit seien auch Bankbewegungen im Vorfeld der Insolvenz von Interesse.
21
Der Antragsteller beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wird ihm Einsicht in die Prozessakten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S. GmbH gewährt.
22
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf eine Stellungnahme der Präsidentin des Amtsgerichts M. vom 21. Dezember 2021, die den Standpunkt vertritt, der Antragsteller habe ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht weder ausreichend substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
24
Auch der Insolvenzverwalter ist der Ansicht, dass das Amtsgericht den Akteneinsichtsantrag zu Recht abgelehnt habe. Der Antragsteller sei Dritter im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO, denn er habe von der P. GmbH keine Forderung erwerben können. Die zugrunde liegenden Verträge seien als Insichgeschäfte formnichtig und sittenwidrig, gleiches gelte für die Forderungskauf- und Abtretungsverträge. Als Dritter müsse der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht darlegen und glaubhaft machen. Diesen Anforderungen sei er nicht nachgekommen. Allein die Stellung eines Eigeninsolvenzantrags begründe kein generelles Recht auf Akteneinsicht. Auch seine Behauptung, er wolle die wirtschaftlichen Aussichten einer Feststellungsklage prüfen, genüge nicht für die Darlegung eines rechtlichen Interesses. Es handele sich allenfalls um rein wirtschaftliche Interessen, zudem sei allein die Behauptung endgültig bestrittener Forderungen nicht ausreichend, um ein Akteneinsichtsrecht nach § 299 Abs. 2 ZPO zu begründen, da ansonsten die Voraussetzungen für eine Akteneinsicht nach § 299 Abs. 1 ZPO umgangen werden könnten. Die Prüfung strafrechtlicher Vorgänge sei allein Sache der Staatsanwaltschaft, die die Akten eingesehen habe. Im eröffneten Insolvenzverfahren könne der Antragsteller ein rechtliches Interesse auch nicht darauf stützen, dass er prüfen wolle, ob die Stammeinlage erbracht sei. Eine Einzelvollstreckung sei bei laufendem Insolvenzverfahren nicht möglich, es sei in diesem Verfahrensabschnitt alleinige Aufgabe des Insolvenzverwalters, Vermögensgegenstände der Insolvenzschuldnerin zu verwerten und etwaige Ansprüche oder Forderungen durchzusetzen. Nichts anderes gelte für die Durchsetzung etwaiger Organhaftungsansprüche. Für eine unmittelbare Inanspruchnahme des Geschäftsführers fehle es wiederum an der Glaubhaftmachung einer Gläubigerstellung.
II.
25
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
26
1. Der Antrag ist zulässig.
27
a) Er richtet sich gegen den Bescheid des Amtsgerichts vom 1. Oktober 2021, mit dem die Rechtspflegerin das vom Antragsteller als Dritter gemäß § 299 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 4 InsO gestellte Akteneinsichtsgesuch abgelehnt hat, dagegen nicht gegen deren weitere Entscheidung vom selben Tag, mit dem die Gewährung von Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 1 ZPO abgelehnt worden ist. Hiergegen hat der Antragsteller erfolglos das insoweit statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2019, IX ZB 56/19, juris Rn. 9) ergriffen und damit den Rechtsweg erschöpft.
28
b) Der Antrag ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG statthaft, denn bei der angefochtenen Versagung von Akteneinsicht für den als „Dritten“ im Sinne nach § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO behandelten Antragsteller handelt es sich um eine Maßnahme einer Justizbehörde auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts im Sinne der genannten Vorschrift (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2015, XII ZB 214/14, NJW 2015, 1827 Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 2. September 2021, 101 VA 100/21, juris Rn. 16; Lückemann in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 23 EGGVG Rn. 4 m. w. N.). Er ist auch im Übrigen zulässig, denn der Antragsteller rügt mit seinem form- und fristgerecht (§ 26 Abs. 1 EGGVG) beim zuständigen Bayerischen Obersten Landesgericht eingereichten Antrag (§ 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG) eine Verletzung seines subjektiven Rechts auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, § 24 EGGVG.
29
2. Der Antrag ist unbegründet, weil das Amtsgericht zu Recht die Einsicht in die Insolvenzakten gemäß § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO abgelehnt hat.
30
a) Die Gewährung von Einsicht in die vom Insolvenzgericht geführte Verfahrensakte richtet sich, soweit nicht Spezialvorschriften wie § 66 Abs. 2, § 150 Satz 2, §§ 154, 175 Abs. 1 Satz 2, § 188 Satz 2, § 194 Abs. 3 Satz 1, § 234 InsO zur Anwendung kommen, über die Verweisungsnorm des § 4 InsO nach der allgemeinen Vorschrift des § 299 ZPO. Am Verfahren nicht beteiligten Dritten kann ohne Einwilligung der Beteiligten gemäß § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen Einsicht gewährt werden, wenn ein rechtliches Interesse dargetan und glaubhaft gemacht ist.
31
b) Gemäß § 299 Abs. 2 ZPO entscheidet der Vorstand des Gerichts über Akteneinsichtsgesuche dritter Personen, wobei er diese Aufgabe an die seiner Dienstaufsicht unterstellten Richter und Beamte delegieren kann (BayObLG, Beschluss vom 14. Februar 2022, 102 VA 153/21, juris Rn. 20 m. w. N.). Ausweislich ihrer Stellungnahme vom 21. Dezember 2021 hat die Präsidentin des Amtsgerichts von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und das Geschäft durch den nichtrichterlichen Geschäftsverteilungsplan 2021, Abschnitt B, Allgemeine Regelungen, Verwaltungsaufgaben, Ziffer 12 auf die im laufenden Insolvenzverfahren zuständige Rechtspflegerin übertragen. Diese war daher funktionell zur Entscheidung berufen.
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c) Mangels Zustimmung der Beteiligten kommt die Bewilligung von Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 2 ZPO nur in Betracht, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme darlegen und glaubhaft machen kann. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
33
aa) Für eine unmittelbare oder inzidente Überprüfung, ob dem Antragsteller als Verfahrensbeteiligten i. S. v. § 299 Abs. 1 ZPO Akteneinsicht hätte gewährt werden müssen, besteht keine Veranlassung, vielmehr ist davon auszugehen, dass der Antragsteller Dritter gemäß § 299 Abs. 2 ZPO ist. Es kann damit auch dahinstehen, ob im eröffneten Verfahren jeder Insolvenzgläubiger (§§ 38, 39 InsO) kraft seiner materiellrechtlich qualifizierten Stellung und den daraus folgenden Teilnahmerechten im Verfahren die Rolle einer „Partei“, also eines Verfahrensbeteiligten, einnimmt oder (nur bzw. jedenfalls) diejenigen Gläubiger, die ihre Forderung gemäß §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle angemeldet und dadurch auf die gerichtliche Aufforderung zur Forderungsanmeldung (§ 28 Abs. 1 InsO) mit einer Verfahrenshandlung reagiert haben, sofern deren Forderung unbestritten geblieben ist oder die in § 189 InsO genannten Voraussetzungen für die Berücksichtigung bestrittener Forderungen gegeben sind (vgl. zum Streitstand BayObLG, Beschluss vom 24. Oktober 2019, 1 VA 92/19, NZI 2020, 44 Rn. 26 [juris Rn. 34]). Denn das Amtsgericht hat zu den Anträgen nach § 299 Abs. 1 ZPO und nach § 299 Abs. 2 ZPO zwei gesonderte Entscheidungen erlassen, die beide eine Belehrung über den jeweils statthaften Rechtsbehelf enthielten. Gegenstand des Verfahrens nach § 23 EGGVG ist nur die Ablehnung der Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO, hingegen ist der Akteneinsichtsantrag nach § 299 Abs. 1 ZPO mit der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers durch das Landgericht bestandskräftig zurückgewiesen. Anders als in dem vom Antragsteller herangezogenen Fall des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 24. Oktober 2019, Az. 1 VA 92/19, stellt sich damit weder die Problematik der Meistbegünstigung, noch wäre noch Raum für eine Korrektur der Entscheidung über den Antrag nach § 299 Abs. 1 ZPO. Dagegen existierte im zitierten Fall nur ein Bescheid des Amtsgerichts mit einer Belehrung nach § 23 ff EGGVG, in dem die dortige Antragstellerin nicht als Verfahrensbeteiligte qualifiziert und ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO verneint worden war.
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bb) Das gegenüber dem „berechtigten Interesse“ enger gefasste „rechtliche Interesse“ (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 1993, X ZB 31/92, NJW-RR 1994, 381 [juris Rn. 13]), das nach der Bestimmung in § 299 Abs. 2 ZPO für die Akteneinsicht durch eine dritte Person verlangt wird, setzt nach der Umschreibung, die dem Begriff durch die Rechtsprechung gegeben wurde, voraus, dass durch den Gegenstand des Verfahrens, in dessen Akte Einsicht begehrt wird, persönliche Rechte des Gesuchstellers berührt werden. Dabei muss sich das rechtliche Interesse aus der Rechtsordnung selbst ergeben und verlangt als Mindestbedingung ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes gegenwärtiges Verhältnis des Gesuchstellers zu einer Person oder Sache. Danach muss das vom Einsichtsgesuch betroffene Verfahren selbst oder zumindest dessen Gegenstand für die rechtlichen Belange des Gesuchstellers von konkreter rechtlicher Bedeutung sein (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020, IX AR [VZ] 2/19, NJW-RR 2021, 48 Rn. 14; BayObLG, Beschluss vom 6. Dezember 2021, 101 VA 106/21, juris Rn. 32; Beschluss vom 12. September 2019, 1 VA 86/19, ZIP 2020, 333 [334, juris Rn. 19], jeweils m. w. N.). Bloße wirtschaftliche oder gesellschaftliche Interessen reichen dagegen nicht aus, ebenso wenig bloßes Interesse am Prozess- bzw. Verfahrensgeschehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Juli 2020, 20 VA 19/19, r+s 2020, 574 [juris Rn. 74]; OLG Brandenburg, Beschluss vom 11. März 2020, 11 VA 10/18, juris Rn. 9; OLG Köln, Beschluss vom 16. März 2020, 7 VA 31/19, juris Rn. 13; Prütting in M.er Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 299 Rn. 21; Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 299 Rn. 11; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 299 Rn. 3c; jeweils m. w. N.).
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cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht zu Recht ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht verneint. Ein solches rechtliches Interesse hat der Antragsteller nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht.
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Soweit sich der Antragsteller auf eine in der Kommentarliteratur (Pape in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl. 2019, § 4, Rn. 29) vertretene Rechtsansicht stützt, wonach ein rechtliches Interesse an der Einsicht in die Insolvenzakten bereits gegeben sei, wenn die Frage der Teilnahme am Verfahren geklärt werden soll, lässt er bereits außer Acht, dass er als Gläubiger im Insolvenzverfahren aufgetreten ist und Anträge gestellt hat. Da der Antragsteller die Entscheidung, sich am Insolvenzverfahren zu beteiligten, 102 VA 174/21 - Seite 11 - bereits getroffen und vollzogen hat, kann die Einsichtnahme in die Insolvenzakten hierfür nicht mehr relevant sein.
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(1) Die Gläubigerstellung schafft zwar eine unmittelbare rechtliche Beziehung zum Insolvenzschuldner und ist damit grundsätzlich geeignet, ein rechtliches Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO an der Einsicht in die Insolvenzakten zu begründen (BGH, Beschluss vom 5. April 2006, IV AR (VZ) 1/06, juris Rn. 16), sie ist aber im Rahmen eines Akteneinsichtsgesuchs nach § 299 Abs. 2 ZPO nicht allein dadurch dargetan, dass der Gesuchsteller im Insolvenzverfahren eine Forderung angemeldet hat. Bestreitet der Insolvenzverwalter die Forderung und ist sie deshalb, wie im vorliegenden Fall, nicht zur Tabelle festgestellt worden, genügt die bloße Behauptung des Antragstellers, die Einwände des Insolvenzverwalters seien haltlos, tatsächlich stehe ihm die strittige Forderung zu, nicht für die Annahme eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO. Erforderlich ist vielmehr, dass die Gläubigerposition, mithin das Bestehen eines Anspruchs gegenüber dem Insolvenzschuldner anhand nachvollziehbarer Tatsachen schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2006, IV AR (VZ) 1/06, juris Rn. 13, 18). In welchem Maß der Antragsteller sein Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substanziieren muss, hängt vom Einzelfall ab. Glaubhaft gemacht ist eine Behauptung, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. Die Feststellung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit unterliegt dem Grundsatz der freien Würdigung des gesamten Vorbringens (BGH, Beschluss vom 27. September 2016, XI ZB 12/14, juris Rn. 12 m. w. N.).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt es an der hinreichenden Darlegung und Glaubhaftmachung einer Gläubigerstellung. Der Antragsteller hat zwar dargetan, dass er mit der P. GmbH am 25. November 2020 einen Abtretungsvertrag geschlossen hat. Auch die Tatsache, dass die P. GmbH ihrerseits mit der S. UG (haftungsbeschränkt) am 21. Juni 2018 einen Forderungskauf- und Abtretungsvertrag geschlossen hat, ist vorgetragen und mit der Vorlage einer Kopie des Vertrags untermauert worden. Einen konkreten Sachverhalt, aus dem sich das Bestehen der strittigen, von der S.UG (haftungsbeschränkt) an die P. GmbH abgetretenen Forderung gegenüber der weiteren Beteiligten nachvollziehen lässt, hat der Antragsteller jedoch nicht geschildert. Auch die vorgelegten Vereinbarungen geben diesbezüglich keinen Aufschluss. Der Abtretungsvertrag vom 25. November 2020 nimmt lediglich Bezug auf den Forderungsabtretungs- und Kaufvertrag vom 21. Juni 2018. Dieser enthält seinerseits die bloße abstrakte Behauptung der S. UG (haftungsbeschränkt), sie habe einen Anspruch „aus Darlehen oder Bereicherungsrecht“. Nähere Umstände, aus denen sich ein solcher Anspruch ableiten lassen könnte, werden nicht genannt. Mit der vom Antragsteller als Anlage 7 vorgelegten Umsatzliste, die für den 5. März 2018 eine Gutschrift von 1.000,00 € auf dem Konto der weiteren Beteiligten ausweist, ist nur dargetan, dass es an diesem Tag einen Geldtransfer zwischen den beiden Unternehmen gab. Ein Betreff oder Verwendungszweck findet sich in der Umsatzliste nicht, es heißt dort nur „S. UG (haftungsbeschränkt) S.+Bekannt“, was weder einen Rückschluss auf die Gewährung eines Darlehens noch auf einen bereicherungsrechtliche Ansprüche rechtfertigenden Vorgang ermöglicht. Welchen Anlass es für die Überweisung gab, ist vom Antragsteller ebenso wenig dargetan worden wie Absprachen oder Vereinbarungen in Bezug auf die Zahlung. Hinzu kommen weitere Auffälligkeiten, wie die enge Verbundenheit der beiden Unternehmen über die S. AG und die personellen Verflechtungen, die eine Vermögenstransaktion zur dauerhaften finanziellen Stärkung der weiteren Beteiligten ohne Rückzahlungsverpflichtung oder - absicht möglich erscheinen lassen. Auch haben weder die S. UG (haftungsbeschränkt) noch die P. GmbH in den Verträgen eine Haftung für den Bestand und die Werthaltigkeit der fraglichen Forderung übernommen, die Erwerber haben ihrerseits - soweit ersichtlich - keine konkrete Gegenleistung erbracht, was ernsthafte Zweifel am Bestand des Anspruchs begründet. Zudem hat der Insolvenzverwalter umfangreich Tatsachen vorgetragen, die die Nichtigkeit des zwischen der P. GmbH mit S. UG (haftungsbeschränkt) geschlossenen Beratervertrags und des Forderungs- und Abtretungsvertrags vom 21. Juni 2018 nahelegen. Der Argumentation haben sich das Amtsgericht und das Landgericht angeschlossen. Der Antragsteller hat sich hierzu nicht näher geäußert, sondern lediglich pauschal den Standpunkt vertreten, die von ihm angemeldete Forderung sei „eindeutig existent“.
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Bei dieser Sachlage kann nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Antragsteller durch den Abtretungsvertrag tatsächlich eine Forderung erworben und Gläubiger der Insolvenzschuldnerin geworden ist.
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Es erschließt sich nicht, weshalb allein die Stellung eines Insolvenzantrags durch die Gemeinschuldnerin trotz fehlender Glaubhaftmachung der strittigen Forderung das erforderliche rechtliche Interesse des Antragstellers an der Akteneinsicht begründen könnte. Soweit er sich auf eine Entscheidung des Amtsgerichts G. bezieht, wonach bei einem Eigenantrag ein rechtliches Interesse eines Dritten immer zu bejahen sei, ist festzustellen, dass diese die geäußerte Rechtsansicht nicht stützt. Das Amtsgericht hat vielmehr den Akteneinsichtsantrag einer Sparkasse, den diese nach einem Eigenantrag des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte, mit der Begründung abgelehnt, sie sei nicht „Partei“ i. S. d. § 299 Abs. 1 ZPO. Sofern die 102 VA 174/21 - Seite 13 - Gläubigerin ein Akteneinsichtsgesuch nach § 299 Abs. 2 ZPO stellen wolle, möge sie dies mitteilen und dessen Voraussetzungen darlegen (AG Göttingen, Beschluss vom 24. November 1999, 71 N 57/98, NZI 2000, 89).
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(2) Ebenso wenig führt der Hinweis des Antragstellers auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln, Beschluss vom 3. Mai 1999, 7 VA 6/98, ZIP 1999, 1449) weiter, wonach für die Gewährung von Akteneinsicht genüge, dass ein potenzieller Gläubiger prüfen wolle, ob die Stammeinlagen erbracht worden seien (vgl. Ganter/Bruns in Münchner Kommentar zur InsO, 4. Aufl. 2019, § 4, Rn. 63). Unabdingbare Voraussetzung bleibt auch insoweit die Glaubhaftmachung der Gläubigerstellung, die dem Antragsteller nicht gelungen ist. Auf den Einwand des Insolvenzverwalters, die Geltendmachung etwaiger Ansprüche wegen Nichtzahlung der Stammeinlage sei ihm derzeit vorbehalten, die vereinnahmten Gelder seien sodann unter den gemäß §§ 187 ff. InsO zu berücksichtigenden Gläubigern zu verteilen, zu denen der Antragsteller nicht zähle, kommt es damit nicht an.
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(3) Nichts anderes folgt aus den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Celle (OLG Celle, Beschluss vom 28. Oktober 1999, 16 VA 2/99, NZI 2000, 319; Beschluss vom 12. Januar 2004, 2 W 95/03, NJW 2004, 863). Mangels Glaubhaftmachung von Ansprüchen gegenüber der Insolvenzschuldnerin fehlt die Grundlage für eine Durchgriffshaftung gegen den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin oder sonstige Beteiligte.
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(4) Eine Vergleichbarkeit der streitgegenständlichen Sachlage mit dem vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall (Beschluss vom 23. Juli 2008, 20 VA 3/08, ZInsO 2009, 740), in dem es um ein Gesuch eines Versicherers des Gemeinschuldners ging, der als Beklagter eines laufenden Zivilprozesses Einsicht in die Insolvenzakten begehrte, ist nicht ersichtlich. Gleiches gilt für den Fall des Oberlandesgerichts Naumburg (Beschluss vom 27. Mai 2010, 5 VA 11/10, NZI 2010, 766), in dem eine Bank Akteneinsicht begehrte, die für den Insolvenzverwalter ein Treuhandkonto führte und wissen wollte, ob im Insolvenzverfahren Beschlüsse über die Hinterlegung oder die Anlage von zur Masse gehörendem Geld gefasst worden sind.
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Der Vortrag des Antragstellers, er könne mit Hilfe der Einsichtnahme in die Insolvenzakten die wirtschaftlichen Aussichten einer Feststellungsklage besser beurteilen, ist vor dem Hintergrund der mangelnden Glaubhaftmachung der strittigen Forderung gleichfalls nicht geeignet, ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht zu begründen. Abgesehen davon hat sein anwaltlicher Vertreter am Berichts- und Prüfungstermin teilgenommen, in dem der Insolvenzverwalter die Anwesenden über die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin informiert hat. Welche weitergehenden Erkenntnisse der Antragsteller anhand der Insolvenzakten gewinnen möchte, bleibt unklar.
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(5) Auch aus den Ausführungen des Antragstellers zur Anhängigkeit mehrerer Ermittlungsverfahren und möglicher strafrechtlich relevanter Verhalten von Verfahrensbeteiligten lässt sich ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht nicht ableiten. Mit seiner Erklärung, er wolle den Inhalt der Insolvenzakten daraufhin überprüfen, ob sich Anhaltspunkte für (weitere) strafrechtlich relevante Vorgänge von Verfahrensbeteiligten ergeben, stützt sich der Antragsteller lediglich auf ein allgemeines Ausforschungsinteresse. Soweit er in einer weiteren Stellungnahme strafrechtliche Vorwürfe näher konkretisiert und darlegt, weswegen seiner Ansicht nach der Insolvenzverwalter die Gläubigerversammlung „massiv manipuliert“ und sich des Prozessbetrugs und der Untreue schuldig gemacht habe, obliegt die Prüfung der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, an die sich der anwaltlich vertretene Antragsteller mit einer Strafanzeige gewandt hat.
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(6) Auch die vom Antragsteller in den Raum gestellte Möglichkeit, als Gläubiger Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht geltend zu machen (insbesondere § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO) ist nicht hinreichend dargetan, zumal der Antragsteller die fragliche Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Kenntnis der Insolvenz erworben hat und damit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu dem durch die Vorschriften zur Konkurs- bzw. Insolvenzverschleppung geschützten Personenkreis zählt (BGH, Urt. v. 19. Februar 1990, II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, [juris Rn. 43] m. w. N.). Darüber hinaus lässt sich den vorgelegten Unterlagen nicht entnehmen, dass der Antragsteller seinerseits für den Forderungserwerb finanzielle Mittel aufgewendet hat. Es erschließt sich damit nicht, aufgrund welcher Erwägungen der Antragsteller bei dieser Sachlage einen deliktischen Schadensersatzanspruch gegen die Organe der Gesellschaft geltend machen könnte.
III.
47
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil der Antragsteller die gerichtlichen Kosten des Verfahrens bereits nach den gesetzlichen Bestimmungen zu tragen hat (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19 GNotKG i. V. m. § 22 Abs. 1 GNotKG).
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Die nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19, § 3 Abs. 1 und 2 GNotKG i. V. m. Nr. 15301 KV GNotKG erforderliche Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG. Der Senat bemisst den Geschäftswert mit einem Bruchteil des im Hintergrund stehenden Durchsetzungsinteresses des Antragstellers, welches wiederum durch die Höhe der 102 VA 174/21 - Seite 15 - Forderung bestimmt wird, die der Antragsteller gegenüber der Gemeinschuldnerin behauptet (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. Januar 2021, 101 VA 168/20, juris Rn. 10, 17). Im Hinblick auf den in § 34 Abs. 2 GNotKG vorgesehenen Mindestgeschäftswert erfolgt eine Festsetzung auf bis zu 500,00 €.
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Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen nicht vor. Die vom Antragsteller als grundsätzlich qualifizierte Frage, ob er vom Landgericht als Verfahrensbeteiligter im Sinne des § 299 Abs. 1 ZPO hätte angesehen werden müssen, obwohl seine Forderung endgültig bestritten und nicht festgestellt ist, ist nicht entscheidungserheblich.