Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.07.2022 – 13 AE 22.1023
Titel:

Vorläufige Untersagung des Wegebaues im Rahmen einer Unternehmensflurbereinigung

Normenketten:
FlurbG § 41, § 45, § 138 Abs. 1 S. 2
BGB § 906, § 1004
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Gegen Bauarbeiten im Wege des Vorausbaus nach § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG kann der betroffene Teilnehmer den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch mit einer einstweiligen Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend machen.
2. Der planfestgestellte oder genehmigte Wege- und Gewässerplan entfaltet für Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens vor seiner Aufnahme in den Flurbereinigungsplan nach § 58 Abs. 1 Satz 2 FlurbG keine Rechtswirkungen und vermag daher keine Duldungspflicht eines Teilnehmers für einen Vorausbau zu begründen.
3. Wird aufgrund einer negativen naturschutzfachlichen Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde die Planung einer Baumaßnahme geändert, bedarf es für die Genehmigung der geänderten Planung in der Regel einer nochmaligen Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde.
1. Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt neben einer drohenden oder noch andauernden Beeinträchtigung von Rechten des Bürgers durch einen hoheitlichen Realakt der Verwaltung insbesondere die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung voraus. (Rn. 29 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Plangenehmigung des Wege- und Gewässerplans nach § 41 Abs. 4 S. 1 FlurbG stellt keine die einzelnen Teilnehmer betreffende Regelung dar, die von diesen selbständig angefochten werden könnte. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenbaumaßnahmen, Biotopbaum, Unternehmensflurbereinigung, öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Vorausbau, Unterbleibensentscheidung, Plangenehmigung, Wege- und Gewässerplan
Fundstelle:
BeckRS 2022, 37170

Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird vorläufig untersagt, den Weg mit der Maßnahmenummer ... auf Flurnummer … der Gemarkung M. auf Höhe der Hofgrundstücke des Antragstellers mit den Flurnummern … und … der Gemarkung M. zu bauen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 15 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Der Streitwert wird auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller ist mit 29,8863 ha Teilnehmer an der am 12. Februar 2009 vom Amt für Ländliche Entwicklung O. (ALE) nach §§ 1, 4, 37 und 87 FlurbG angeordneten Unternehmensflurbereinigung B. Er wendet sich mit seinem Antrag vom 21. April 2022 auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 VwGO gegen die von der Antragsgegnerin, der Teilnehmergemeinschaft B. (TG), beabsichtigte und angekündigte Durchführung von Wegebaumaßnahmen mit der Maßnahmenkennzahl (MKZ) 116 173 auf Flurnummer … der Gemarkung M. auf Höhe seiner Hofgrundstücke mit den Flurnummern … und … der Gemarkung M. zum Schutz der auf seinem Flurstück aufstehenden ca. 200 Jahre alten Eiche, die ca. 20 m hoch ist und über einen Stammumfang von ca. 5 m verfügt.
2
Im Straßen- und Gewässerplan nach § 41 FlurbG ist unter der MKZ 116 173 der streitgegenständliche Neubau eines Wirtschaftswegs mit 171 m Länge teilweise auf alter Trasse sowie eine Oberbauverstärkung am westlichen Bauende vorgesehen. Die ursprünglich mit der Plangenehmigung des ALE vom 6. März 2013 genehmigte Baumaßnahme MKZ 116 173 wurde mit einer „Tektur 2 Anpassung der Trassenführung“ vom 6. September 2019 hinsichtlich der letzten 40 m - der erste Teilabschnitt mit ca. 130 m Länge war bereits 2014 ausgeführt worden - dahingehend geändert, dass ab der bereits gebauten Station (ca. 0 + 115) eine Angleichung an den Bestand erfolgen solle, sodass ein Eingriff ab 0 + 130 in den Untergrund weitestgehend vermieden werde. Aufgrund des engen Kurvenradius solle das Bankett mit Rasengitterverbundpflaster befestigt werden. Im Pflasterbereich werde maximal 30 cm tief ausgekoffert und anstelle von Schotter Vegtramü eingebaut. Das Bauende wurde auf ca. 0 + 160 festgelegt. Im vorgelegten „Formblatt Genehmigung von Änderungen bei Baumaßnahmen für MKZ 116173“ findet sich in der Spalte 3 „Abteilungsleitung LD“ der Text: „Eine planrechtliche Behandlung der Änderung ist nicht erforderlich. Die Änderung wird fachlich genehmigt.“ Darunter befinden sich eine Unterschrift und das Datum „04.12.19“.
3
Der Antragsteller führt zur Begründung seines Antrags aus, bereits im Januar 2018 sei im Bereich der streitgegenständlichen Grundstücke ein Ortstermin erfolgt, bei dem der im Rahmen des Unternehmensverfahrens B… geplante Wegeausbau auf Flurnummer … mit der Maßnahmenummer MKZ 116 173 erläutert worden sei. Aus den Planungsunterlagen der Antragsgegnerin habe sich ergeben, dass eine Verlegung des Wegs in Richtung Eiche beabsichtigt gewesen sei. Nachdem sich auf dem südlich des Wegs gegenüber der Eiche befindlichen Hofgrundstück des Antragstellers mit der Flurnummer … der Gemarkung M. ein landwirtschaftlich genutztes Gebäude befinde, dessen Dachstuhl schräg in Richtung Straße ausgelaufen sei, habe die Verlegung des Straßenkörpers scheinbar erfolgen sollen, um die Durchfahrt zwischen dem Baum und dem seit Jahrzehnten bestehenden landwirtschaftlich genutzten Gebäude zu optimieren. Zwischenzeitlich sei der schräg in Richtung der Straße ragende Dachstuhl vom Antragsteller im Jahr 2018 zurückgebaut worden.
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Im Hinblick auf die direkt neben der Eiche geplante Wegebaumaßnahme hätten sich die Parteien darauf verständigt, eine Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde zum geplanten Straßenbau einzuholen. Dies sei auch im Hinblick darauf erfolgt, dass die geplante Wegebaumaßnahme nach Auffassung des bei dem Ortstermin anwesenden Sachverständigen Dr. H. insbesondere aufgrund der Abgrabungsarbeiten und des abzuleitenden Oberflächenwassers dauerhaft den Nährstoffhaushalt für die sich in direkter Nähe zu den geplanten Wegebaumaßnahmen befindliche Eiche beeinträchtige und somit zu einer dauerhaften Schädigung der Eiche führe.
5
Die untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes N. führt in ihrem vom Antragsteller vorgelegten Schreiben vom 12. April 2018 aus, die betreffenden Bäume bzw. auszubauenden Straßenbereiche seien am 9. April 2018 besichtigt worden. Aus Sicht der unteren Naturschutzbehörde dürften weder die alte Eiche noch die Bäume unmittelbar an der Auffahrt zur Scheune durch die Maßnahme beeinträchtigt werden. Insbesondere im Bereich der alten Eiche werde jedoch vorausgesetzt, dass lediglich eine maßvolle Oberbauverstärkung des Bestandes erfolge, ohne dass Abgrabungen oder Auffüllungen stattfänden. Dem Erhalt der Eiche als Biotopbaum sei auf jeden Fall Vorrang vor baulichen Maßnahmen einzuräumen.
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Im ebenfalls vom Antragsteller vorgelegten Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen B. S. vom 24. September 2018 wird ausgeführt, die geplanten Baumaßnahmen zur „Begradigung“ des untergeordneten Ortszufahrtswegs führten zwangsläufig zu erheblichen Schäden an der unter Naturschutz stehenden Eiche (§ 14 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz). Die Eiche besitze zudem einen außerordentlich hohen Funktionswert für das Grundstück, auf dem diese stocke. Der Funktionswert eines Baumes ergebe sich aus der Stellung und dem Nutzen des Baumes für das Grundstück (Identifikationsmerkmal für den ökologischen Bauernhof, Ortsmarke, gestalterische Funktion). Auf Grundlage der gerichtlich anerkannten Wertberechnung für Gestaltungsgrün, der sog. Methode Koch, ergäben sich für einen derartigen Fall sehr hohe Baumwerte. So ergäben sich im Falle der Naturalrestitution nach § 249 BGB schnell Wertgrößenordnungen von bis zu 100.000 €, bei einer Teilwiederherstellung nach § 251 BGB mehr als die Hälfte. Im Hinblick auf den Eingriffsumfang und die daraus resultierenden Folgen seien daher zum Schutz des Baumes Änderungen in der Planung und Ausführung zwingend geboten. Grundsätzlich solle die Überlegung angestellt werden, ob der Straßenverlauf überhaupt einer Änderung bedürfe. Die bestehende Straße sei dem Anschein nach eine untergeordnete Teilzufahrtsmöglichkeit zum Ort, im Wesentlichen zu den nahegelegenen Gehöften. Des Weiteren sei im Hinblick auf die augenscheinlich geringe Nutzung der Straße zu prüfen, ob selbst eine Ertüchtigung der Straße überhaupt notwendig sei. Sollte eine Ertüchtigung notwendig werden, müsse der aktuelle Straßenverlauf beibehalten werden. Im Bereich der Kronentraufe sei lediglich eine Überbauung der Straße, kein Kofferausbau vorzunehmen. Sollte die Straße verbreitert werden müssen, sei eine Verschwenkung der Straße nur in Richtung Scheune möglich. Der Eigentümer habe sich bereit erklärt, die Scheune im Eckbereich zurückzubauen. Bei den dann erforderlichen Baumschutzmaßnahmen handle es sich im Wesentlichen um Baumschutzzäune sowie einen Kronenschnitt.
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Zwischenzeitlich sei die Wegebaumaßnahme dahingehend verändert worden, dass der Weg auf der Nordseite vom Baubeginn bei 0+121,75 bis in den Bereich nach Bauende bei etwa 0+160,50 seitlich um bis zu 1 m aufgeweitet werden solle, wobei die Aufweitung mit Rasengittersteinen auf Pflasterbett und einem begleitenden Drängraben, der mit einem Schotter-Splitt-Sand-Gemisch gefüllt sei, ausgeführt werden solle. Des Weiteren führe die Veränderung des Straßenkörpers, insbesondere durch Verdichtungsarbeiten und Entwässerungsmaßnahmen wie z.B. der Einbau der Homburger Kante dazu, dass Wasser, das etwa bei Bauabschnitt 0+135,7 aufgrund der bisher bestehenden Neigung des Geländes und Straßenkörpers bislang in Richtung Eiche geleitet werde, zukünftig nicht mehr zur Eiche gelange. Darüber hinaus sehe die Planung im Pflasterbereich Abgrabungsarbeiten von mindestens 50 cm vor, die im Widerspruch zum Schreiben der unteren Naturschutzbehörde vom 12. April 2018 stünden.
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Auch diese Neuplanung führe zu keinem geringeren Eingriff für die Biotop-Eiche, wie sich aus der vom Antragsteller vorgelegten Stellungnahme des Herrn Dr. H. vom Geowissenschaftlichen Büro vom 22. Mai 2020 ergebe. Danach sei davon auszugehen, dass die große Eiche durch die geplante Baumaßnahme Schaden nehmen werde, worauf der Sachverständige Herr S. hingewiesen habe. Auch die geänderte Planung mit einer deutlichen Reduzierung der Bodeneingriffe werde hier noch keine wesentliche Verbesserung mit sich bringen. Es sei zu besorgen, dass die Eiche durch die geplante Baumaßnahme in Zukunft wesentlich weniger Niederschlagswasser erhalten werde als bisher, da nach Abschluss der Baumaßnahme das abgeleitete Niederschlagswasser von den Dachflächen der großen Scheune südlich des Weges nicht mehr zur Eiche gelangen könne. Dies sei in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der Weg nach der Planung auf der Nordseite vom Baubeginn bei 0+121,75 an bis in den Bereich nach Bauende bei etwa 0+160,50 seitlich um bis zu 1 m aufgeweitet werden solle. Die Aufweitung sei mit Rasengittersteinen auf Pflasterbett und einem begleitenden Drängraben, der mit einem Schotter-Splitt-Sand-Gemisch gefüllt sei, geplant. Dieser Dränstreifen werde das von der großen Scheune zufließende Niederschlagswasser überwiegend nach Westen ableiten und damit für die Eiche verloren gehen. Die geplante Straßenbaumaßnahme greife wesentlich stärker in den Wurzelbereich der Eiche ein, als dies aus den Planunterlagen ersichtlich sei. Der Kronenbereich der großen Eiche sei im Plan 1.21 A des Verbands für Ländliche Entwicklung O. vom 30. August 2019 zu klein dargestellt, er reiche in Wirklichkeit mindestens 7 Meter weiter nach Osten (dies entspreche ca. 0+149,00).
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Folgende Punkte seien unbedingt einzuhalten:
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- Ein Eingriff in den Kronenbereich der großen Eiche sei zu unterlassen, das Bauende sei auf den Bereich 0 + 149,00 zurück zu nehmen.
11
- Die Aufweitung des Weges auf der Nordseite sei zu unterlassen.
12
- Der Drängraben auf der Nordseite des Weges dürfe nicht zur Ausführung gelangen.
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Obwohl die Antragsgegnerin unter Übermittlung der Stellungnahme des Herrn Dr. H. vom 22. Mai 2020 darauf hingewiesen worden sei, dass davon auszugehen sei, dass die Eiche durch die geplante Baumaßnahme Schaden nehmen werde und mit deren Verlust zu rechnen sei, sei auch über die weiteren Schreiben der Bevollmächtigten vom 13. September 2021 und 30. März 2022 hinaus an der bestehenden Planung festgehalten und mit Schreiben vom 7. April 2022 angekündigt worden, dass ab dem 25. April 2022, mit der Wegebaumaßnahme MKZ 116 173 durch die Firma S. begonnen werde.
14
Dem Antragsteller stehe gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung der beabsichtigten Wegebaumaßnahme MKZ 116 173 zu, den der Antragsteller im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage geltend machen werde. Anspruchsgrundlage für sein Begehren sei der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch. Der auf die Bewahrung des status quo gerichtete öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch ergebe sich entweder aus einer analogen Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB oder aber aus der Abwehrfunktion der Grundrechte, vorliegend aus Art. 14 GG. Die Voraussetzungen der benannten Anspruchsgrundlage seien erfüllt, da die Umsetzung der Wegebaumaßnahme eine ernsthafte Schädigung der im Eigentum des Antragstellers stehenden Biotopeiche zur Folge haben werde und letztlich zu ihrem Verlust führe. Dem Antragsteller stehe daher ein Anspruch darauf zu, dass die Wegebaumaßnahme, die insbesondere auch im Widerspruch zur Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 12. April 2018 ausgeführt werden solle, unterbleibe. Er könne verlangen, dass zur Sicherung seines Unterlassungsanspruchs mit den Wegebaumaßnahmen MKZ 116 173 vorläufig nicht begonnen werde, denn mit deren Umsetzung würde sein Unterlassungsanspruch vereitelt werden, da mit dem Eingriff in den sensiblen Wurzelbereich der Biotopeiche vollendete Tatsachen geschaffen würden.
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Der Antragsteller beantragt:
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Der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO aufgegeben, es vorläufig zu unterlassen, den Weg mit der Maßnahmenummer MKZ 116 173 auf Flurnummer … der Gemarkung M… auf Höhe der Hofgrundstücke mit den Flurnummern … und … der Gemarkung M… zu bauen.
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Die Antragsgegnerin ist dem Antrag mit Schriftsatz vom 5. Mai 2022 entgegengetreten und beantragt:
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Der Antrag wird abgelehnt.
19
Der Antrag sei unbegründet, da der Antragsteller zur Duldung der Baumaßnahme MKZ 116 173 verpflichtet sei. Die TG habe das Recht, die Baumaßnahme durchzuführen, das sich aus der bestandskräftigen Plangenehmigung des ALE vom 6. März 2013 ergebe. Es werde auf die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 12. April 2018 verwiesen, wonach keine Beeinträchtigungen für die Eiche zu erwarten seien. Die Planung der TG (Tektur 2 vom 6.9.2019) entspreche den von der unteren Naturschutzbehörde genannten Vorgaben. Im Bereich der Eiche fänden keine Abgrabungen oder Auffüllungen statt; vielmehr erfolge hier lediglich eine Oberbauverstärkung auf bestehender Trasse. Die Bedenken des Antragsstellers seien von der TG bereits mehrfach schriftlich entkräftet worden. Darüber hinaus habe die TG für die Baumaßnahme eine ökologische Baubegleitung beauftragt, die die Bauarbeiten vor Ort begleiten und dokumentieren werde. Es werde auf die Dringlichkeit der Angelegenheit hingewiesen, aufgrund der Verschiebung der Baumaßnahme sei bereits jetzt mit erheblichen Mehrkosten zu rechnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die von den Beteiligten vorgelegten Schriftstücke verwiesen.
II.
21
Über den Eilantrag entscheidet der erstinstanzlich zuständige Senat in der Besetzung ohne die ehrenamtlichen Richter im Sinn des § 139 Abs. 3 FlurbG (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
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Der zulässige Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat in der Sache Erfolg, da vom Antragsteller sowohl der erforderliche Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht worden sind.
23
1. Der Antrag ist zulässig.
24
a) Insbesondere sind hierfür der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet und die sachliche Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts nach § 140 Satz 1 Alt. 3 FlurbG gegeben. Nach § 140 Satz 1 Alt. 3 FlurbG entscheidet das Flurbereinigungsgericht über alle Streitigkeiten, die durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufen werden und vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Schlussfeststellung anhängig geworden sind. Dies ist der Fall, wenn die Streitigkeit bei verständiger Würdigung des Einzelfalls durch ein Flurbereinigungsverfahren veranlasst worden ist (BayVGH, U.v. 11.7.2016 - 13 A 15.1495 - juris Rn. 17; Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 140 Rn. 6).
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Daran besteht vorliegend kein Zweifel. Der Wegebau durch die TG ist Bestandteil des mit Bescheid des ALE vom 6. März 2013 genehmigten Wege- und Gewässerplans nach § 41 FlurbG und der hierzu erfolgten Tektur vom 6. September 2019. Darin ist die Wegebaumaßnahme mit der MKZ 116 173 vorgesehen. Um den Bedenken gegen die ursprüngliche Planung Rechnung zu tragen, wurde die Planung der Wegbaumaßnahme mit der Tektur 2 vom 6. September 2019 geändert. Nunmehr ist streitig, ob die gegen die ursprüngliche Planung erhobenen naturschutzfachlichen Bedenken mit der Tektur ausgeräumt sind oder ob auch die geänderte Planung die Eiche des Antragstellers gefährdet. Für eine derartige, durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufene Streitigkeit sind der Verwaltungsrechtsweg und die sachliche Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts gegeben (siehe BVerwG, U.v. 27.11.1987 - 5 B 54.86 - Buchholz 424.01 § 140 FlurbG Nr. 4 = RzF 26 zu § 140).
26
b) Der Antrag ist auch statthaft, insbesondere steht ihm § 123 Abs. 5 VwGO nicht entgegen, wonach die Anwendung des § 123 VwGO in den Fällen der §§ 80 und 80 a VwGO ausgeschlossen ist. Vorliegend wird die Antragsgegnerin nicht aufgrund einer für sofort vollziehbar erklärten vorläufigen Anordnung nach § 36 FlurbG tätig, gegen die Widerspruch einzulegen und ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen wäre. Vielmehr führt die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Straßenausbaumaßnahme im Wege des Vorausbaus allein auf Grundlage des § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG durch. Um die bestehende Gefahr eines Rechtsverlusts infolge der Ausübung der Vorwegausbaubefugnis der Antragsgegnerin zu beseitigen, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO grundsätzlich zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 11.3.2020 - 13 AE 19.2308 - juris Rn. 24; B.v. 24.10.2001 - 13 AE 01.2588 - juris Rn. 16; Wingerter in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 42 Rn. 5). Auch die für den Wege- und Gewässerplan erteilte Plangenehmigung des ALE vom 6. März 2013 nach § 41 Abs. 4 Satz 1 FlurbG sowie die Entscheidung des ALE vom 4. Dezember 2019 nach § 41 Abs. 4 Satz 2 FlurbG, dass für die Tektur 2 der Baumaßnahme MKZ 116 173 als Änderung von unwesentlicher Bedeutung keine Plangenehmigung erforderlich ist, eröffnen dem Antragsteller keine vorrangige Rechtsschutzmöglichkeit nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zwar stellen die beiden Entscheidungen ihrer Rechtnatur nach Verwaltungsakte im Sinn von Art. 35 BayVwVfG dar (vgl. Wingerter in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 41 Rn. 25, 29), sodass für einen einstweiligen Rechtsschutz ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft wäre. Einem Antrag des Antragstellers als Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO steht aber entgegen, dass die Planfeststellung oder Plangenehmigung des Wege- und Gewässerplans ebenso wie - erst recht - die Unterbleibensentscheidung vor der Aufnahme des genehmigten Wege- und Gewässerplans in den Flurbereinigungsplan nach § 58 Abs. 1 Satz 2 FlurbG für den einzelnen Teilnehmer noch keine Rechtswirkungen entfaltet und ihm die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehlen würde (grundlegend BVerwG, U.v. 6.2.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1 = juris Rn. 28, 42; zu den Rechtsschutzmöglichkeiten vgl. auch Wingerter in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 41 Rn. 36 ff.). Für die vom Antragsteller begehrte Baueinstellung bzw. Unterlassung des Vorausbaus ist damit in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage statthaft und damit im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO.
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2. Der Antrag ist auch begründet.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn der zu sichernde oder zu regelnde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts (sog. Anordnungsanspruch) und die durch § 123 Abs. 1 VwGO normierten Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (im Wesentlichen die Dringlichkeit, sog. Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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a) Als materielle Anspruchsgrundlage und damit Anordnungsanspruch für die begehrte Baueinstellung bzw. die Unterlassung der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Straßenbaumaßnahmen im Bereich der Eiche kommt grundsätzlich der öffentlichrechtliche Unterlassungsanspruch in Betracht. Dessen Herleitung aus den Grundrechten, dem Rechtsstaatsprinzip oder einer analogen Anwendung der §§ 906, 1004 BGB ist zwar umstritten, seine Voraussetzungen sind in der Rechtsprechung jedoch ungeachtet dieser umstrittenen Herleitung geklärt. Er setzt neben einer Beeinträchtigung von Rechten des Bürgers durch einen hoheitlichen Realakt der Verwaltung insbesondere die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung voraus (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2021 - 13 AE 20.2696 - juris Rn. 16; B.v. 26.6.2018 - 8 CE 18.1059 - juris Rn. 21; B.v. 25.11.2010 - 8 ZB 10.192 - juris Rn. 5 m.w.N.; zur insoweit vergleichbaren Folgenbeseitigung siehe BayVGH, U.v. 11.7.2016 - 13 A 15.1495 - juris Rn. 21). Im Fall einer erst bevorstehenden Rechtsverletzung dürften als Rechtsgrundlage für einen auf Bewahrung des „Status quo“ gerichteten Unterlassungsanspruch in erster Linie die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG in ihrer abwehrrechtlichen Dimension in Betracht kommen. Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln wie Straßenbauarbeiten (sog. Verwaltungsrealakt, vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1989 - 7 C 2/87 - BVerwGE 82, 76 = juris Rn. 48). Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen (BVerwG, U.v. 23.5.1989 - 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 = juris Rn. 48. m.w.N.; vgl. auch Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 360 ff.).
30
Tatbestandlich setzt der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch eine drohende oder noch andauernde Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen durch eine hoheitliche Maßnahme sowie die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung voraus, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn insoweit eine Duldungspflicht besteht.
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b) Als wehrfähige Rechtsposition kann sich der Antragsteller auf sein Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG an seinem Hofgrundstück … berufen, das auch die dort aufstehende Eiche als wesentlichen Bestandteil des Grundstücks umfasst (vgl. § 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieses bietet auch Schutz vor einer Schädigung durch ein schlichthoheitliches Realhandeln wie die streitgegenständlichen Baumaßnahmen.
32
c) Die Straßenbauarbeiten stellen eine hoheitliche Maßnahme dar. Sie dienen als sog. Vorausbau i.S.v. § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG der Umsetzung und Realisierung des flurbereinigungsrechtlichen Straßen- und Gewässerplans nach § 41 FlurbG, in dem unter der MKZ 116 173 der Neubau eines Wirtschaftswegs mit 171 m Länge teilweise auf alter Trasse sowie eine Oberbauverstärkung am westlichen Bauende vorgesehen sind. Als „hoheitlich“ sind Realakte in der Regel dann zu qualifizieren, wenn sie - wie die bevorstehenden Straßenbauarbeiten im Auftrag der Antragsgegnerin - in einem öffentlich-rechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhang stehen.
33
d) Der Antragsteller hat auch in tatsächlicher Hinsicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der in seinem Eigentum stehenden Eiche durch den bevorstehenden Ausbau der Straße entlang seines Hofgrundstücks Schaden droht. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO fordert, dass die für den Anordnungsanspruch maßgeblichen Tatsachen glaubhaft zu machen sind (§ 173 VwGO, § 294 ZPO). Damit wird das erforderliche Maß der richterlichen Überzeugung im Verfahren der einstweiligen Anordnung auf eine nur überwiegende Wahrscheinlichkeit festgelegt, die nach Ansicht des Senats hinsichtlich der Schädigung der Eiche des Antragstellers durch die angekündigten Straßenbauarbeiten der Antragsgegnerin gegeben ist.
34
Nach der vom Antragsteller vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme eines öffentlich bestellten und vereidigten Baumsachverständigen sowie der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde und der Stellungnahme des Geowissenschaftlichen Büros hält es der Senat im vorliegenden Verfahren des Eilrechtsschutzes für überwiegend wahrscheinlich, dass die Eiche durch die vorgesehenen Straßenbauarbeiten zumindest geschädigt werden würde. Den eingehenden und detaillierten und in der Sache nachvollziehbaren Ausführungen des Baumsachverständigen sowie der Stellungnahme des geowissenschaftlichen Büros zur geänderten Planung der Antragsgegnerin vom 6. September 2019 wird lediglich entgegengehalten, nach der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 12. April 2018 seien keine Beeinträchtigungen der Eiche zu erwarten. Die Planung der TG (Tektur 2 vom 6.9.2019) entspreche den von der unteren Naturschutzbehörde genannten Vorgaben. Im Bereich der Eiche fänden keine Abgrabungen oder Auffüllungen statt; vielmehr erfolge hier lediglich eine Oberbauverstärkung auf bestehender Trasse. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin für die Baumaßnahme eine ökologische Baubegleitung beauftragt, die die Bauarbeiten vor Ort begleiten und dokumentieren werde.
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Aus der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 12. April 2018 kann sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin die Unbedenklichkeit der mit der Tektur vom 6. September 2019 geänderten und mit der Unterbleibensentscheidung vom 19. Dezember 2019 vom ALE gebilligten Planung jedoch nicht ergeben. Die Änderung der Planung im Jahr 2019 erfolgte offensichtlich, um den 2018 geäußerten Bedenken der unteren Naturschutzbehörde gegen die ursprüngliche Planung Rechnung zu tragen. Die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde im Jahr 2018 erfolgte ausschließlich zur ursprünglichen Planung und kann damit die geänderte Planung nicht behandeln. Ob die geänderte Planung die 2018 von der unteren Naturschutzbehörde geäußerten Bedenken ausgeräumt hat oder nicht, wird lediglich vom Vorsitzenden des Vorstands der Antragsgegnerin vorgetragen, allerdings nicht von einer sach- und fachkundigen Stelle bestätigt. Dies erstaunt umso mehr, als die Änderung der Planung (Tektur 2) der Antragsgegnerin durch das ALE gemäß § 41 Abs. 4 Satz 3 FlurbG als unwesentliche Änderung gebilligt wurde. Es ist schon zweifelhaft, ob im Hinblick auf die geäußerten Bedenken der unteren Naturschutzbehörde überhaupt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Unterbleibens einer Plangenehmigung nach § 41 Abs. 4 Satz 3 FlurbG vorgelegen haben. Jedenfalls wäre die untere Naturschutzbehörde - deren Einwände mit der Planänderung gerade Rechnung getragen werden sollte - als Trägerin öffentlicher Belange im Hinblick auf die als Biotopbaum eingestufte Eiche im Zuge der Erstellung der geänderten Planung bzw. spätestens bei der Entscheidung nach § 41 Abs. 4 Satz 3 FlurbG zu beteiligen gewesen, da nur dann rechtssicher das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 41 Abs. 4 Sätze 3 und 4 FlurbG hätte beurteilt werden können. Die allein auf einer eigenen Einschätzung der TG und des ALE beruhende Bewertung der geänderten Planung als den naturschutzfachlich geäußerten Vorgaben entsprechend, vermag im Fall von zuvor von der fachlich hierzu berufenen unteren Naturschutzbehörde geäußerten Bedenken nicht zu genügen (zum Erfordernis der vorherigen Zustimmung für den Naturschutz- und die Landschaftspflege zuständigen Behörden bei wesentlichen Eingriffen in den Bestand von Naturdenkmalen, Naturschutzgebieten sowie geschützten Landschaftsteilen und Landschaftsbestandteilen vgl. § 45 Abs. 3 FlurbG). Dass die untere Naturschutzbehörde zur geänderten Planung nochmals beteiligt worden wäre, lässt sich den vorgelegten Unterlagen gerade nicht entnehmen. Vor dem Hintergrund des tatsächlichen Geschehensablaufs und den rechtlichen Vorgaben für eine Unterbleibensentscheidung nach § 41 Abs. 4 Sätze 2 und 3 FlurbG ist die unterbliebene (nochmalige) Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde zur Abklärung der Frage, ob die geänderte Planung der Baumaßnahme dem von der Fachbehörde geforderten Baumschutz hinreichend Rechnung trägt, nicht nachvollziehbar. Bei einer nachträglichen Änderung oder Erweiterung des genehmigten Wege- und Gewässerplans kann eine Planfeststellung oder Plangenehmigung nach § 41 Abs. 4 Satz 2 FlurbG unterbleiben, wenn es sich um eine unwesentliche Änderung handelt. § 41 Abs. 4 Satz 3 FlurbG benennt als Regelbeispiele für Fälle von unwesentlicher Bedeutung „wenn Rechte anderer nicht beeinflusst werden“ oder „wenn mit den Beteiligten entsprechende Vereinbarungen getroffen werden“. Für die Beantwortung der Frage, ob die geänderte Planung die naturschutzfachlichen Bedenken gegen den Straßenbau ausgeräumt hat und damit Rechte anderer (nicht mehr) beeinflusst werden, hätte daher in jedem Fall vor Ergehen der Unterbleibensentscheidung eine Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde als Trägerin der öffentlichen Belange des Naturschutzes erfolgen müssen. Ob auch die Belange des Antragstellers als Eigentümer der Eiche als Rechte anderer bei der Entscheidung über das Unterbleiben zu berücksichtigen waren, kann im vorliegenden Fall wegen des Gleichlaufs des öffentlichen Interesses des Naturschutzes und des privaten Eigentümerinteresses am schadlosen Erhalt der Eiche dahinstehen. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht dürften bei der Unterbleibensentscheidung als Rechte bzw. Belange anderer nicht nur die Belange derjenigen zu berücksichtigen sein, die auch sonst im Rahmen des § 41 FlurbG zu berücksichtigen sind, also insbesondere solche der Träger öffentlicher Belange, nicht aber Belange des einzelnen Teilnehmers (so Wingerter in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 41 Rn. 29), sondern auch die bereits auf dieser Planungsstufe erkennbaren oder bekannten Belange der einzelnen Teilnehmer etwa im Hinblick auf besonders geschützte Flächen nach § 45 FlurbG. Zwar mag der genehmigte Wege- und Gewässerplan bis zu seiner Aufnahme in den Flurbereinigungsplan für die einzelnen Teilnehmer noch keine Rechtswirkungen zu entfalten. Gleichwohl kann er als Bestandteil des Flurbereinigungsplans nach dessen Bekanntmachung von den Teilnehmern mit Widerspruch und Klage nach den §§ 138 ff. FlurbG angegriffen werden und hat dann aber auch den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine Planrechtfertigung sowie dem Abwägungsgebot zu entsprechen.
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e) Die überwiegend wahrscheinliche Beeinträchtigung der Eiche durch die bevorstehenden Straßenbauarbeiten stellt auch eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums des Antragstellers dar, der insbesondere im Hinblick auf die Plangenehmigung nach § 41 Abs. 4 FlurbG und die Unterbleibensentscheidung nicht zur Duldung der Bauarbeiten verpflichtet ist.
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Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann sich eine entsprechende Duldungspflicht hinsichtlich der 2019 geänderten Wegbaumaßnahme nicht aus der bestandskräftigen Plangenehmigung des ALE vom 6. März 2013 ergeben, da diese die 2019 geänderte Maßnahme noch nicht enthalten hat. Aber auch aus der Plangenehmigung in der Fassung der Tektur vom 6. September 2019, die mit der Unterbleibensentscheidung des ALE vom 19. Dezember 2019 nach § 41 Abs. 4 Satz 2 FlurbG gebilligt wurde, kann sich zum jetzigen Zeitpunkt keine Duldungspflicht des Antragstellers für den Bau der Wegebaumaßnahme mit der MKZ 116 173 ergeben, da der Wege- und Gewässerplan nach § 41 FlurbG für den Antragsteller rechtlich noch nicht verbindlich ist.
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Nach der bereits im Rahmen der Zulässigkeit des Antrags nach § 123 VwGO erwähnten Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Februar 1986 (Az. 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1 = juris Rn. 28, 42; vgl. auch Wingerter in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 41 Rn. 36 ff.) stellt die Plangenehmigung des Wege- und Gewässerplans nach § 41 Abs. 4 Satz 1 FlurbG keine die einzelnen Teilnehmer betreffende Regelung dar, die von diesen selbständig angefochten werden könnte. In § 41 FlurbG ist eine Beteiligung oder Mitwirkung des einzelnen Teilnehmers beim Verfahren über die Planaufstellung und die Planfeststellung oder Plangenehmigung nicht vorgesehen. Der Wege- und Gewässerplan ist von der TG und mit den Trägern öffentlicher Belange einschließlich der landwirtschaftlichen Berufsvertretung (§ 109 FlurbG) in einem Anhörungstermin zu erörtern (§ 41 Abs. 1 und 2 Satz 1 FlurbG). Das Ergebnis der Planüberprüfung durch die obere Flurbereinigungsbehörde, der Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung, ist dem Träger des Vorhabens und dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft gemäß § 41 Abs. 6 FlurbG mit Rechtsbehelfsbelehrung zuzustellen (BVerwG, U.v. 6.2.1986 a.a.O. juris Rn. 29). Eine Rechtfertigung dafür, dass der einzelne Teilnehmer bei der Gestaltung des Plans über gemeinschaftliche und öffentliche Anlagen nicht unmittelbar beteiligt ist, wurde im Gesetzgebungsverfahren zur Flurbereinigungsnovelle von 1976 darin gesehen, dass dem Rechtsschutzinteresse des einzelnen Betroffenen und dem Publizitätsprinzip dadurch Rechnung getragen werde, dass der Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan zusammen mit dem Flurbereinigungsplan bekanntgemacht werde und zusammen mit diesem oder mit einer Anordnung nach § 36 FlurbG angefochten werden könne (BT-Drs. 7/4169 zu Nr. 28). Damit ist klargestellt, dass der einzelne Teilnehmer wegen des gesetzlichen Ausschlusses von Beteiligungsmöglichkeiten (im Rahmen von Informations-, Anhörungs- und Äußerungs- bzw. Einwendungsrechten) bei der Aufstellung und Feststellung des Wege- und Gewässerplans nicht Adressat des Planungsergebnisses wird und insoweit eine Verletzung subjektiver Verfahrenspositionen nicht in Betracht kommen kann (BVerwG, U.v. 6.2.1986 a.a.O. juris Rn. 30). Der möglichen Beeinträchtigung von Teilnehmerrechten, die nach Aufnahme des Wege- und Gewässerplans in den Flurbereinigungsplan (§ 58 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) durch dessen Verbindlichkeit nach der Bekanntmachung (§ 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FlurbG) eintreten kann, wird durch die Anfechtbarkeit des Flurbereinigungsplans und dessen selbständiger Bestandteile begegnet, einer etwaigen Rechtsbetroffenheit des einzelnen Teilnehmers in der Zeit nach Feststellung oder Genehmigung des Wege- und Gewässerplans bis zur Aufnahme in den Flurbereinigungsplan wird durch anderweitigen Rechtsschutz (rechtzeitig, effektiv und ausreichend) Genüge getan (BVerwG, U.v. 6.2.1986 a.a.O. juris Rn. 31). Die Rechtsfolge einer Planfeststellung oder Plangenehmigung, dass die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt werden (§ 41 Abs. 5 Satz 2 FlurbG), erfasst nicht die Rechte der Teilnehmer. Da nach § 41 Abs. 5 Satz 1 Halbs 1 FlurbG nur die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt wird, die öffentlichen Belange aber nur von den Partnern der Planung, den hierzu berufenen Trägern öffentlicher Belange befugterweise wahrgenommen werden, könnten insoweit auch nur diese zu den Betroffenen zählen, deren Beziehungen zu dem Träger des Vorhabens rechtsgestaltend geregelt werden. Auf die öffentlich-rechtlichen Beziehungen der Teilnehmer zu dem Träger des Vorhabens, sofern dieser die Realisierung des Vorhabens übernimmt, und der Teilnehmergemeinschaft, soweit dieser die Herstellung obliegt, wirkt die Planfeststellung nicht ein. Die Rechte der Teilnehmer nach den §§ 44, 58 und 59 FlurbG bleiben vielmehr nach § 41 Abs. 5 Satz 3 FlurbG unberührt. Durch diesen ausdrücklichen gesetzlichen Vorbehalt wird klargestellt, dass die Rechtsverhältnisse, die zwischen den Teilnehmern als Eigentümer der im Flurbereinigungsgebiet liegenden Grundstücke (§§ 7 Abs. 2, 10 Nr. 1 FlurbG) und den flurbereinigungsrechtlichen Fachbehörden bestehen oder bei der Durchführung des Verfahrens sich ergeben, durch die Planung des Wege- und Gewässernetzes nicht berührt werden, dass insbesondere die Rechte der Teilnehmer aus dem gesamten Bereich der Landabfindung erhalten bleiben und die Rechtsverfolgung der daraus resultierenden öffentlich-rechtlichen Ansprüche gewährleistet bleibt. Zivilrechtliche Rechtspositionen der Teilnehmer werden durch die Feststellung oder Genehmigung des Plans nach § 41 FlurbG nicht angesprochen, unmittelbare Auswirkungen auf zivilrechtliche Rechtspositionen der Teilnehmer ergeben sich hieraus nicht. Mit dem Hinweis auf die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit des Planergebnisses gegenüber den am Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren beteiligten Trägern öffentlicher Belange sowie dem Träger des Vorhabens und der Teilnehmergemeinschaft könnte vom einzelnen Teilnehmer weder die Gestattung von Vorausbauarbeiten noch die Duldung einer Anlage auf den ihm gehörenden Grundstücken verlangt werden. Durch § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG wird den Teilnehmern gegenüber eine derartige Duldungspflicht nicht begründet. Der einzelne Teilnehmer kann sich gegen die vorbereitende Funktion der Vorausbaumaßnahmen im Einwirkungsbereich seiner Grundstücke, die unter Berufung auf die Rechtmäßigkeit der Planentscheidung in Angriff genommen würden, mit Hilfe einstweiliger Anordnungen und Unterlassungsklagen wehren (BVerwG, U.v. 6.2.1986 a.a.O. juris Rn. 34).
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Da auch die erforderliche Eilbedürftigkeit gegeben ist, waren zur Sicherung der Unversehrtheit der Eiche und damit des Eigentums des Antragstellers die Straßenbauarbeiten vorläufig, bis zur endgültigen Klärung ihrer Baumverträglichkeit zu untersagen.
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3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 13.2.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im vorgelegten Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Baumsachverständigen wird eine Schadenshöhe von 50.000 bis 100.000 Euro angegeben. Der Senat geht davon aus, dass im Fall der Durchführung der Bauarbeiten zunächst nur eine Schädigung der Eiche zu erwarten wäre, sodass das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers 50.000 Euro umfasst, das für das Eilverfahren auf 25.000 Euro zu halbieren war.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 147 Abs. 1 FlurbG, § 152 Abs. 1 VwGO).