Titel:
Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung
Normenkette:
BGB § 826
Leitsätze:
1. Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Käufer einen Pkw nicht gekauft hätte, wenn er um die darin verbaute unzulässige Software und die davon ausgehende Gefahr der Betriebsuntersagung gewusst hätte; der Schaden liegt in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Anspruch des Käufers auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfasst die Erstattung des gezahlten Kaufpreises sowie der angefallenen Finanzierungskosten. Im Wege der Vorteilsanrechnung ist das Fahrzeug herauszugeben und das Eigentum zu übertragen sowie ein Ersatz der gezogenen Nutzungen vorzunehmen. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
EA 189, unzulässige Abschalteinrichtung, Vorteilsausgleich, Betriebsuntersagung
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Urteil vom 17.02.2022 – 43 O 2157/18
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36828
Tenor
I. Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 17.02.2020, Az. 43 O 2157/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 30.992,92 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2019 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A1, FIN … zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Insoweit als die Klagepartei ihre Berufung zurückgenommen hat, ist sie ihrer Rechte aus der Berufung verlustig.
Im Übrigen werden die Berufung der Beklagten und die Berufung der Klagepartei zurückgewiesen.
III. Die Klagepartei hat von den Kosten des Rechtsstreits 32%, die Beklagte 68% zu tragen.
IV. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts Ingolstadt in der Fassung, die es in Ziffern I.1 bis 1.2 erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Entscheidungsgründe
1
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die die Klagepartei gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht.
2
Die Klagepartei erwarb am 25.09.2014 zu einem Preis von 36.400,01 € brutto von einem Dritten einen Neuwagen Audi A1 Ambition Sportback 2.0 TDI (Anlage K1). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor EA189 ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die Beklagte ist die Herstellerin des Pkws. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 10 km. Der Kläger finanzierte den Kauf bei der D. A. bank.
3
Zur Abgasreinigung wird im streitgegenständlichen Fahrzeug die Abgasrückführung eingesetzt. Das Fahrzeug ist betroffen von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt mit der Begründung „unzulässige Abschalteinrichtung“. Die im Zusammenhang mit dem Motor (zunächst) verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
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Die Klagepartei ließ das vom Kraftfahrtbundesamt freigegebene und zur weiteren Nutzbarkeit des Fahrzeugs erforderliche Softwareupdate am 15.03.2017 aufspielen.
5
Vorgerichtlich forderte die Klagepartei mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2018 die vollständige Kaufpreiserstattung abzüglich einer Nutzungsentschädigung (ohne Benennung der Kilometerleistung) Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie die Zahlung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung unter Fristsetzung bis zum 29.11.2018.
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Die Klage vom 23.11.2018 ging beim Landgericht Ingolstadt am 17.12.2018 ein. Die Klagepartei wurde unter dem 20.12.2018 (Bl. 64/66 d.A.) vom Landgericht zur Einzahlung des Vorschusses aufgefordert. Diese erfolgte am 11.01.2019 (vgl. Kostenbeleg I). Aufgrund Verfügung vom 16.01.2019 (Bl. 67/68 d.A.) wurde die Klage der Beklagten am 23.01.2019 zugestellt. Die Klagepartei forderte zuletzt in erster Instanz die Erstattung des vollständigen Kaufpreises (36.400,00 €) nebst Finanzierungskosten, die sich behauptetermaßen auf insgesamt 2.562,12 € belaufen hätten (Anlagen K1a und K20), und Deliktszinsen aus dem Klagebetrag in Höhe von 4% für den Zeitraum vom 26.09.2018 bis 30.11.2018 sowie Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Klagebetrag seither Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung von Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs und die Verurteilung zur Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.434,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2018.
7
Das Landgericht Ingolstadt hat die Klage mit Urteil vom 17.02.2020, Az. 43 O 2157/18, teilweise zugesprochen; es hat verurteilt zur Zahlung in Höhe von 30.001,84 € nebst Verzugszinsen hieraus seit 30.11.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet. Hinsichtlich der Kosten wurde eine Verteilung von 23% zu Lasten der Klagepartei und 77% zu Lasten der Beklagten angeordnet. Die Beklagte hafte nach § 826 BGB.
8
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
9
Hiergegen richten sich die von beiden Parteien eingelegten Berufungen.
10
Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 22.04.2020, Bl. 316 d.A.),
das am 17.02.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Ingolstadt, 43 O 2157/18 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
11
Die Klagepartei beantragt zuletzt (Schriftsatz vom 24.11.2022, Bl. 450 d.A.)
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ingolstadt, Az. 43 O 2157/18, verkündet am 17.02.2020 und zugestellt am 25.02.2020, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.785,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 aus einem Betrag von 38.962,13 EUR, zu zahlen.
12
Beide Parteien beantragen jeweils wechselseitig
die Zurückweisung der Berufung der Gegenseite.
13
Die Klagepartei beantragt insoweit zudem hilfsweise,
das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 17.02.2020, 43 O 2157/18, aufzuheben und zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen, und hilfsweise,
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Der Senat hat über den Rechtsstreit am 14.12.2022 mündlich verhandelt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird zudem Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
15
Die zulässigen Berufungen der Parteien haben in der Sache jeweils nur teilweise Erfolg:
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Die Berufung der Beklagten hat in der Sache nur hinsichtlich der Verzinsung Erfolg.
17
Die Berufung des Klägers hat in der Hauptsache teilweise Erfolg; so ist von der Hauptforderung zwar ein Nutzungsvorteil in Abzug zu bringen. Bei dessen Berechnung ist indes lediglich auf den Kaufpreis des Fahrzeugs als Anhaltspunkt für den objektiven Fahrzeugwert abzustellen, wohingegen - anders, als vom Landgericht angenommen - die den Gebrauchsvorteil nicht vergrößernden Finanzierungskosten insoweit nicht zusätzlich zu berücksichtigen sind.
18
1. Die Beklagte haftet gem. §§ 826, 31 BGB aufgrund eigenen deliktischen Handelns. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass sie die - u.a. im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzten - Motoren EA189 samt Motorsteuerungssoftware nicht entwickelt bzw. nicht mitentwickelt hat. Sie handelte durch die ihr zuzurechnenden Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB sittenwidrig i.S.v. § 826 BGB, indem sie entschied, Motoren EA189 in Kenntnis der dazu programmierten Umschaltlogik als Software zur Erschleichung der Typgenehmigung in die von ihr hergestellten Fahrzeuge serienweise einzubauen, um diese anschließend in den Verkehr zu bringen. Mindestens ein Repräsentant der Beklagten im Sinne von § 31 BGB hat die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht.
19
Sittenwidrig ist nach der nunmehr auch speziell in Bezug auf Dieselfälle seitens des BGH gefestigten Rechtsprechung ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 14 f.).
20
Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 16 ff.).
21
Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt voraus, dass es in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Rdnr. 21, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 19, vom 09.03.2021, Az.: VI ZR 889/20, Rdnr. 28).
22
a) Ein derartiges Vorstellungsbild steht zur Überzeugung des Senats fest im Hinblick auf Personen, für deren Verhalten die Beklagte einzustehen hat. Der Senat ist überzeugt i.S.v. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO, dass wenigstens ein Repräsentant der Beklagten i.S.v. § 31 BGB von der - evident unzulässigen - Umschaltlogik gewusst hat bei der Entscheidung über den Einsatz von Motoren EA189 in Fahrzeugen der Beklagten.
23
Im Hinblick auf die Überzeugungsbildung i.S.v. § 286 ZPO (BGH, Urteil vom 26.04.1989, Az.: IVb ZR 52/88), ist festzuhalten, dass sich der BGH in seiner Urteilsserie vom 25.11.2021 u.a. explizit mit der Prüfung der Feststellungen auf der Grundlage einer Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO in den Ausgangsentscheidungen befasst und seine Beurteilung ausführlich begründet hat (Az.: VII ZR 238/20, Rdnr. 29 ff., VII ZR 243/20, Rdnr. 28 ff., VII ZR 257/20, Rdnr. 30 ff. und VII ZR 38/21, Rdnr. 28 ff.; deutlich dazu: BGH, Beschluss vom 12.01.2022, Az.: VII ZR 256/20, Rdnr. 18, und vom 09.02.2022, Az.: VII ZR 255/20, Rdnr. 18, und Az.: VII ZR 26/21, Rdnr. 23). Der BGH hat insbesondere auch klargestellt, dass die Tatsachenfeststellung in Dieselfällen nicht beschränkt ist auf Feststellungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 25.11.2021, Az.: VII ZR 243/20, Rdnr. 35).
24
Die Beklagte führt aus, im Rahmen der grundsätzlichen Entscheidung über die Verwendung des Motors EA189 in Fahrzeugen ihrer Herstellung durch das Produkt-Strategie-Komitee im Jahr 2005/2006, das sich aus einzelnen Mitgliedern des Vorstands sowie einzelnen Mitgliedern aus den Fachabteilungen zusammensetzte, und der fortlaufenden nochmaligen Entscheidung zum Einsatz des Motors EA189 jeweils in Bezug auf das konkret entwickelte Modell (Bl. 396 ff. d.A.), habe man lediglich den serienmäßigen Einsatz des Motors EA189 beschlossen, sich dabei aber nicht mit der konkreten technischen Ausstattung einschließlich der Umschaltlogik befasst, man habe insbesondere im Produkt-Strategie-Komitee nur über den Einsatz des Motorentyps entschieden und dabei nur finanzielle und zeitliche Planungsaspekte einbezogen, nicht jedoch technische Details der streitgegenständlichen Software (Bl. 533 d.A.). Der Senat ist aber davon überzeugt, dass wenigstens ein Repräsentant der Beklagten i.S.v. § 31 BGB bei der Entscheidung über den Einsatz von Motoren EA189 in Fahrzeugen der Beklagten von der - evident unzulässigen - Umschaltlogik gewusst hat, unabhängig von der Frage der ausdrücklichen Besprechung der Umschaltlogik innerhalb der Erörterungen des Produkt-Strategie-Komitees.
25
Die Beweisangebote der Beklagten insofern (Schriftsatz vom 25.11.2022, S. 47 ff., Bl. 533 ff. d.A.) sind daher irrelevant. Eine Einvernahme der angebotenen Zeugen Dr. D. S. und O. C. zum Beweis dafür, dass die konkrete technische Funktionswiese des EA 189-Motors oder die Bedatung der Motorsteuerungssoftware nicht Gegenstand der Erörterungen im PSK gewesen seien und auch nicht darüber gesprochen worden sei, wie technisch die Einhaltung der NOx Grenzwerte sichergestellt werde, ist nicht veranlasst.
26
Selbst bei Wahrunterstellung der Behauptungen der Beklagten bleibt offen, welche konkreten Personen bei der Beklagten in die Entscheidung über den Zukauf des Motors, inklusive Software, von der V. AG und den Einbau in Fahrzeuge der Beklagten eingebunden waren und welche Kenntnisse diese hatten. Dass bei der Beklagten überhaupt keine Befassung mit den technischen Einzelheiten des Motors EA 189 stattgefunden haben soll, überzeugt den Senat vor dem Hintergrund der nachfolgenden Erwägungen nicht:
27
Beim Motor eines Fahrzeugs handelt es sich um dessen „Kernstück“, nicht bloß um ein untergeordnetes Zuliefererteil. Dies bestätigen auch die Ausführungen der Beklagten, wonach die Entscheidung über den in einen neuen Fahrzeugtyp einzusetzenden Motor im Rahmen des 60-monatigen Zeitraums zur Entwicklung eines neuen Fahrzeugmodells einen „Meilenstein“ darstellt (Bl. 395 d.A.). Bei den Emissionswerten eines Fahrzeugs handelt es sich wiederum nicht um bloße technische Details und damit Fragen von vollkommen untergeordneter Bedeutung, im Gegenteil. Gleichzeitig handelt es sich um eine Entscheidung von großer Tragweite mit erheblichen, auch persönlichen, Haftungsrisiken für die Entscheider.
28
Hinzu kommt, dass das Spannungsverhältnis zwischen kostengünstiger Produktion und den durch die nach den gesetzgeberischen Vorgaben zu den Euro-Schadstoffklassen stets strengeren Anforderungen an die Begrenzung der Stickoxidemissionen seinerzeit bei Automobilherstellern allgemein bekannt war. Die Einhaltung der relevanten Stickoxidgrenzwerte für den Motor EA189 stellte unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Verbots von Abschalteinrichtungen eine Herausforderung dar, die jedem Kraftfahrzeughersteller, der sich wie die Beklagte selbst mit der Entwicklung von Dieselmotoren befasste, bekannt war. Die Beklagte selbst räumt auch ein, dass bei der Entscheidung über den Einsatz des Motors EA189 finanzielle Aspekte einbezogen wurden.
29
In diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen vermag der Einwand der Beklagten, bei den von ihr entwickelten und hergestellten Dieselmotoren handele es sich um ganz andere Motoren. Zwar mögen diese Motoren großvolumig sein im Gegensatz zu den V. Dieselmotoren und die Zylinder anders angeordnet (Bl. 396 f.; 531 d.A.). Das grundlegende Problem der Entstehung von Stickoxiden aufgrund höherer Verbrennungstemperaturen stellt sich aber bei jedem Dieselverbrennungsmotor (vgl. die Ausführungen der Beklagten zum Software-Update auf S. 10 ff. der Klageerwiderung). Auch gelten für alle diese Motoren die gleichen gesetzlichen Stickoxidgrenzwerte. Die Automobilindustrie arbeitet bereits seit den 1970er-Jahren (Bl. 545 d.A.) an Strategien zur Optimierung des Ausstoßes von Stickoxiden. Bei den sog „Thermofenstern“ erfolgt dies durch eine temperaturabhängige Regulierung der Abgasrückführung, d.h. außerhalb bestimmter Temperaturbedingungen erfolgt eine Korrektur der Abgasrückführungsrate über die Frischluftzufuhr. Nach dem Vortrag der Beklagten sind diese „Thermofenster“ in sämtlichen in den letzten Jahren in der EU produzierten Dieselfahrzeugen enthalten (Bl. 468/469 f. d.A.), und zwar „bei allen Herstellern“ selbst „in modernste[n] für den europäischen Markt produzierte[n] Dieselfahrzeuge[n] der neuesten Generation“ (Bl. 546 d.A.).
30
Ferner sind der Beklagten ausweislich ihres Vortrags durchaus Aspekte der Abgasreinigung im Zusammenhang mit dem Motor EA189 bekannt: sie weiß, dass bei den für den deutschen Markt bestimmten Fahrzeugen mit Motor EA189 der Euroschadstoffnorm 4 bis 6 die Abgasreinigung durch Hochdruck-Abgasrückführung, durch einen Dieseloxidationskatalysator und Dieselpartikelfilter („Hardwarekomponenten“) stattfindet, aber ein Niederdruck-Abgasrückführungssystem oder ein NOx-Speicherkatalysator wie bei den für den USamerikanischen Markt bestimmten Fahrzeugen nicht zum Einsatz kommt; mit den unterschiedlichen Hardwarekomponenten gingen Unterschiede bei der Motorsteuerungssoftware einher (Bl. 532 d.A.). Die Beklagte führt außerdem aus, vor der Verwendung der Motoren EA189 habe sie von der V. AG Motoren EA188 erworben - die beiden Motoren unterschieden sich, da die V. AG den Motortyp EA188 weiterentwickelt und die Technik von der Pumpe-Düse-Einspritzung auf die innovative Common-Rail-Einspritzung mit dem Ergebnis des Motortyps EA189 umgestellt habe (Bl. 397 d.A). Die Einspritzcharakteristik ist aber wesentlich für die Optimierung des Verbrennungsprozesses und steht damit im Zusammenhang mit der Abgasreinigung durch Abgasrückführung, auf die Ausführungen der Beklagten zur Funktionsweise des Softwareupdates wird Bezug genommen (Bl. 71 ff. d.A., dort insbesondere Seiten 11 ff.).
31
Auch angesichts des von der Beklagten beschriebenen ausgeklügelten Systems von Kontroll- und Berichtspflichten (Bl. 420 ff. d.A.) erscheint es nicht plausibel, dass diese sämtlich gerade bei der hier inmitten stehenden Kenntnis von der Umschaltlogik - einer Software, die die Zulassungsfähigkeit hinsichtlich einer maßgeblichen Eigenschaft des Motors, nämlich seiner Abgasemissionen zumal bei Kenntnis der Schwierigkeit zur Lösung des Problems, überhaupt erst ermöglichte - versagt haben sollen.
32
Zwar hat die Beklagte ihren Vortrag zur von ihr behaupteten Unkenntnis in Bezug auf die Umschaltlogik von Personen, deren Handeln sie sich nach § 31 BGB zurechnen lassen muss, mittlerweile vertieft. Sie trägt vor, inzwischen seien die internen Untersuchungen abgeschlossen. Danach hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass Vorstände im aktienrechtlichen Sinn bzw. andere Repräsentanten die für eine Haftung nach § 826 BGB maßgeblichen Kenntnisse gehabt hätten, und führt dies auch konkret aus in Bezug auf von der Klagepartei benannte Personen.
33
Dies überzeugt den Senat jedoch nicht. Denn die Beklagte räumt ein, dass zu der Ebene der Bereichsleiter im Zeitraum von 2006 bis 2015 jeweils ca. 70 Personen gehört hätten. Befragungen sämtlicher dieser Einzelpersonen seien aber weder erforderlich noch praktisch umsetzbar (Bl. 414 ff. d.A.). Das teilt der Senat nicht, der nicht erkennen kann, dass die Anhörung dieser gleichwohl noch überschaubaren Anzahl von Personen zur Aufklärung dieses für die Beklagte aus dem Tagesgeschäft herausragend bedeutsamen Sachverhalts nicht praktisch umsetzbar sein soll, zumal es nach dem Vortrag der Beklagten auch der zur Untersuchung im V.-Konzern eingesetzten Kanzlei J. D. möglich war, mehr als 700 Befragungen durchzuführen einschließlich einer Sicherung von über 21.000 elektronischen Datenträgern bei weltweit über 3.500 Mitarbeitern (Bl. 407 f. d.A.). Dies gilt umso mehr, als die Beklagte nach ihren eigenen Ausführungen im Zeitraum von 2006 bis 2015 streng hierarchisch organisiert war mit Berichts- und Kontrollpflichten. Danach sei die Beklagte von sieben Vorständen geleitet worden und sei in sieben Vorstandsbereiche gegliedert gewesen, welche die erste Berichtsebene darstellten. Der Vorstandsebene nachgelagert gewesen seien Untergliederungen, die als Bereiche bezeichnet worden seien und welche die zweite Berichtsebene darstellten. An ihrer Spitze standen bereits die Bereichsleiter (Bl. 409 ff. d.A.). Die Notwendigkeit ihrer Befragung drängt sich auf, zumal der BGH bereits in der Entscheidung vom 25.05.2020 (Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 33) dem restriktiven Begriffsverständnis des Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB der dortigen Beklagten (und der hiesigen Beklagten explizit in Bezug auf Bereichsleiter, Bl. 412 ff. d.A., denen aber selbst die Beklagte gleichwohl „eine dem Tätigkeitsprofil der Vorstandsmitglieder angenäherte Funktion innerhalb der Organisationsstruktur der Beklagten“ zubilligt) nicht gefolgt ist. Ob überhaupt wenigstens einzelne und ggf. welche Bereichsleiter befragt wurden, bleibt aber unklar.
34
Eine Indizwirkung im Sinne der Beklagten vermag der Senat schließlich nicht in dem Umstand zu sehen, dass die internen Ermittlungen nicht zu Schadensersatzansprüchen der Beklagten gegen ihre Verantwortlichen bzw. zu weiteren staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren geführt hätten. Nach den Ausführungen der Beklagten bezogen sich die nach Darstellung der Beklagten umfangreichen internen Ermittlungen der Kanzlei J. D. in Zusammenarbeit mit Deloitte zur Beklagten im Schwerpunkt ohnehin nicht auf den hier inmitten stehenden Sachverhalt der Verwendung der Motoren EA189, sondern auf Manipulationen bei den von der Beklagten selbst entwickelten 3-l-V6-Motoren (Bl. 407 ff. d.A. sowie Anlage B11 und B12) und die Befragung der Bereichsleiter bleibt unklar. Die Staatsanwaltschaft München II hat gegenüber der Beklagten wegen Aufsichtspflichtverletzungen im Bereich „Abgas Service / Zulassung Aggregate“ bei der Prüfung von Fahrzeugen auf ihre regulatorische Konformität u.a. wegen des Einsatzes des Motors EA189 in Fahrzeugen weltweit ein Ordnungswidrigkeitenverfahren geführt und ein Bußgeld verhängt (Anlage K13). Dies allein und der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig kein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, lässt keinen Rückschluss zu auf die dort jeweils bestehenden Kenntnisse und Entscheidungsmotive - erst recht nicht allein im Sinne des Beklagtenvortrags. Die Beklagte selbst legt überdies als Anlage B13 das „Statement of Facts“ vor, aus dem sich ergibt, dass es im Hinblick auf die Vorgänge in den U.S.A. u.a. durch Angestellte der Beklagten zur Vernichtung von Unterlagen gekommen ist mit dem Ziel der Vermeidung rechtlicher Konsequenzen (ebenda, Nr. 73).
35
Die umfänglichen Ausführungen - teilweise einschließlich von Beweisangeboten - der Beklagten zur fehlenden Kenntnis ihrer Vorstände im aktienrechtlichen Sinne und sonstiger Repräsentanten mit der Begründung, sie habe den Motor nicht entwickelt bzw. nicht mitentwickelt, sei am Homologationsprozess nicht beteiligt gewesen und habe aufgrund des bestehenden Baukastenprinzips mit automatisierten Produktionsprozessen ohne Einwirkungs- oder Überprüfungsmöglichkeit beim Aufspielen der Motorsteuerungssoftware bzw. später bei der Überwachung der Produktion keine Kenntnisse erlangen können, verfangen nicht, da der Senat - bei Wahrunterstellung des Vortrags der Beklagten insoweit - in der Entscheidung über die Verwendung des Motors EA189 in Kenntnis der Umschaltlogik das deliktische Handeln sieht.
36
Mit Verfügung vom 26.07.2022 (Bl. 448/449 d.A.) hatte der Senat bereits darauf hingewiesen, dass er den vorgetragenen Verfahrensstoff für ausreichend hält, um den Anwendungsbereich der sekundären Darlegungslast bei der Beklagten zu eröffnen sowie dass und inwieweit der betreffende Vortrag der Beklagten unzureichend ist. Zwar hat die Beklagte zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 25.11.2022 umfangreiche Ausführungen mit Beweisangeboten gemacht (s.o.), dennoch ist der Senat wie das Landgericht davon überzeugt, dass mindestens ein Repräsentant der Beklagten Kenntnis von dem Einsatz der Umschaltlogik hatte. Diese Wertung liegt bereits oberlandesgerichtlichen Entscheidungen zugrunde, zu denen durch den BGH unter dem 25.11.2021 bestätigende Entscheidungen (Az.: VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21) ergangen sind. Die inhaltliche Ergänzung des Vortrags mit Schriftsatz vom 25.11.2022 steht dem nicht entgegen; die Beklagte hat nämlich nach wie vor - auch mit besagtem Schriftsatz - nicht im Sinne dieser Hinweise die in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug über den Zukauf des Motors inklusive Software entscheidenden Personen benannt und ebenso wenig konkret zu deren Kenntnisstand - ggf. nach Befragung im Rahmen der internen Ermittlungen - vorgetragen. Dementsprechend war, wie dargelegt, auch den Beweisangeboten im Schriftsatz vom 25.11.2022, S. 47 ff., Bl. 533 ff. d.A., nicht nachzugehen.
37
b) Überdies ist damit das Bestreiten der Beklagten auch unzureichend im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO.
38
Wer einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, trägt im Grundsatz die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Bei der Inanspruchnahme einer juristischen Person hat der Anspruchsteller dementsprechend auch darzulegen und zu beweisen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 BGB) die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. In bestimmten Fällen ist es Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungslast zu den Behauptungen der beweisbelasteten Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierung des Bestreitens zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner - hier die Klagepartei - vorgetragen hat. In der Regel genügt ein einfaches Bestreiten. Eine sekundäre Darlegungslast kann den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei treffen, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Gegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (z.B. BGH, Urteil 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Rdnr. 25 ff.). Nach diesen Grundsätzen setzt eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu Vorgängen innerhalb ihres Unternehmens, die auf eine Kenntnis ihrer Repräsentanten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung schließen lassen sollen, jedenfalls voraus, dass das Parteivorbringen hinreichende Anhaltspunkte enthält, die einen solchen Schluss nahelegen (BGH, Urteil vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Rdnr. 28).
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Anders als die Beklagte einwendet, sind die möglichen Anhaltspunkte nicht beschränkt auf die im Urteil des BGH vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Rdnr. 30, genannten Umstände. Maßgeblich bleibt der Vortrag im Einzelfall, was bestätigt wird durch BGH, Beschluss vom 15.09.2021, Az.: VII ZR 52/21, Rdnr. 24 ff. und Urteil vom 26.04.2022, Az.: VI ZR 965/20, Rdnr. 14 f.
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Nach diesen Grundsätzen traf die Beklagte die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den serienmäßigen Einsatz der Motoren EA189 in (Un-) Kenntnis der Umschaltlogik getroffen hat. Die Umstände, nach denen vorliegend eine Kenntnis der für die Beklagte handelnden und dieser zuzurechnenden Personen naheliegt, ergeben sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen. Das Spannungsverhältnis zwischen der Herstellung kostengünstiger Motoren bei gleichzeitiger Einhaltung der gesetzlich weiter verschärften Stickoxidgrenzwerte sowie grundsätzlichem Verbot des Einsatzes von Abschalteinrichtungen war bei Automobilherstellern bekannt. Die Beklagte selbst entwickelt Dieselmotoren. Gleichzeitig waren der Beklagten die Hardwarekomponenten wie auch Aspekte der Funktion der Abgasreinigung im Zusammenhang mit dem Einsatz der Motoren EA189 (im Vergleich zu dem bis dahin verwendeten Volkswagenmotor EA188) bekannt. Die Entscheidung über den serienweisen Einsatz der Motoren EA189 in Fahrzeugen der Beklagten betraf eben nicht bloß ein untergeordnetes Zuliefererteil, sondern den Motor als „Kernstück“ des Fahrzeugs; die Emissionseigenschaften des Fahrzeugs sind für dieses wesentlich und nicht bloß ein technisches Detail. Die Entscheidung über den serienweisen Einsatz der Motoren EA189 in Fahrzeugen der Beklagten war mit erheblichen, auch persönlichen, Haftungsrisiken der entscheidenden Personen verbunden. Eine Unkenntnis des Einsatzes der Umschaltlogik auf Ebene von Personen, die der Beklagten zuzurechnen sind nach § 31 BGB, erscheint ausgeschlossen, zumal in Anbetracht des ausgeklügelten und streng hierarchischen Kontroll- und Berichtswesen innerhalb der Beklagten. Dem ist die Beklagte, wie sich ebenfalls aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht hinreichend entgegengetreten; insbesondere stellen sich ihre Angaben zu ihren internen Ermittlungen, auf deren negatives Ergebnis die Beklagte sich beruft, als unzureichend dar. Jedenfalls der Vortrag im Hinblick auf die Befragung der Bereichsleiter und zum Kenntnisstand der Beteiligten im Rahmen des Produkt-Strategie-Komitees blieb zu pauschal.
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2. Vor diesem Hintergrund ist auch der Schädigungsvorsatz zu bejahen. Dieser enthält ein Wissens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchsstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben und mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben; Vorstandsmitglieder oder Repräsentanten, die in Kenntnis der Umschaltlogik den serienmäßigen Einsatz der Motoren in ihren Fahrzeugen anordnen oder nicht unterbinden, billigen ihn auch und sind sich der Schädigung der späteren Fahrzeugerwerber bewusst.
42
3. Der Schaden ist in dem ungewollten Vertragsschluss zu sehen; anders, als die Beklagte meint, lässt das Software-Update den Schaden nicht entfallen (BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 367/19, juris Rn. 22). Auch die Einwände der Beklagten gegen das Bestehen der haftungsbegründenden Kausalität greifen nicht durch.
43
Schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist entgegen der diesbezüglichen Behauptung der Beklagten davon auszugehen, dass die Klagepartei den streitgegenständlichen Pkw nicht gekauft hätte, wenn sie um die unzulässige Software und die davon ausgehende Gefahr der Betriebsuntersagung gewusst hätte; der Schaden liegt in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 47 ff.). Kein vernünftiger Käufer hätte in Kenntnis dieses Sachverhalts, insbesondere der Gefahr der Betriebsuntersagung, den Pkw erworben, zumal zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht die Möglichkeit bestanden hätte, mittels des erst später entwickelten Softwareupdates die Manipulation am Motor zu beseitigen. Aufgrund dessen sind auch die Angaben der im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.12.2022 persönlich angehörten Klagepartei, sie hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn sie vom Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hätte, glaubhaft, wobei der Senat auch keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klagepartei hat. Nach alledem ist der Senat vom Bestehen der Kausalität überzeugt.
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Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2022 ausdrücklich auf die von ihr beantragte Parteieinvernahme der Klagepartei verzichtet. Es wurde nur versehentlich übersehen, diesen Verzicht in das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2022 aufzunehmen.
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4. Der Anspruch erfasst die Erstattung des gezahlten Kaufpreises sowie der angefallenen Finanzierungskosten (BGH, Urteil vom 13.04.2021, Az.: VI ZR 274/20, Rdnr. 14 ff., vom 27.7.2021, Az.: VI ZR 865/20, Rdnr. 13, vom 27.07.2021, Az.: VI ZR 480/19, Rdnr. 16 ff.).
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Im Wege der Vorteilsanrechnung ist das streitgegenständliche Fahrzeug herauszugeben und das Eigentum zu übertragen sowie ein Ersatz der gezogenen Nutzungen vorzunehmen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 65 ff.).
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a) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Der Senat stellt dabei in ständiger Rechtsprechung auf die nach der Rechtsprechung des BGH gebilligte lineare Berechnung des Nutzungsersatzes ab. Aus der grundsätzlichen Billigung einer linearen Berechnungsmethode folgt zwar nicht zwingend, dass andere Berechnungsmethoden unzulässig wären, da dem Tatrichter nach § 287 ZPO ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird. Da der Schaden aber in dem ungewollten Vertragsschluss liegt, ist der vom Bundesgerichtshof erfolgte Rückgriff auf die Wertung des Nutzungsersatzes nach § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB aber folgerichtig. Der Senat folgt ausdrücklich nicht dem Ansatz, den Wert der Nutzung eines Neuwagens höher anzusetzen als den eines älteren Fahrzeugs. Die lineare Berechnung ist dem Geschädigten zumutbar und entlastet die Schädigerin nicht unangemessen. Sie entspricht schon vom Wortlaut den „gezogenen Nutzungen“. Eine Ausweitung der Vorteilsanrechnung - etwa wegen des Wertverlusts des Fahrzeugs - ist nicht angezeigt (BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 397/19, Rdnr. 36, vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 354/19, Rdnr. 15, vom 20.07.2021, Az.: VI ZR 533/20, Rdnr. 33, vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Rdnr. 46, vom 21.04.2022, Az.: VI ZR 285/21).
48
Danach errechnet sich bei Berücksichtigung der Nutzung des Fahrzeugs bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.12.2022 ein Nutzungsersatz i.H.v. 7.969,20 €. Der Senat legt dabei die Formel „gefahrene Kilometer x Bruttokaufpreis: Restlaufleistung bei Vertragsschluss“ zu Grunde. Dabei bleiben - anders, als vom Landgericht angenommen (LGU, S. 12) - die Finanzierungskosten außer Betracht. Denn diese erhöhen nicht den objektiven Wert des Fahrzeugs und vergrößern damit auch nicht den Gebrauchsvorteil, den die Klägerin aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen hat (BGH, Urteil vom 13.04.2021 - VI ZR 274/20, Rn. 18 ff.).
49
Der Senat schätzt in Anbetracht des festgestellten Fahrzeugtyps, des Datums seiner Erstzulassung sowie der konkreten Nutzung die mögliche Gesamtlaufleistung wie das Landgericht (vgl. LGU S. 11) auf 300.000 km. Mit dieser Schätzung bewegt sich der Senat innerhalb der Bandbreite der von anderen Gerichten jeweils vorgenommenen Schätzung der gesamten Laufleistung (u.a. BGH, Urteil vom 27.07.2021, Az.: VI ZR 480/19, Rdnr. 26). Weitere aussagekräftige Umstände, welche die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs beeinflussen, sind nicht dargetan (vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2021, Az.: VIII ZR 111/20, Rdnr. 52 ff., 58). Damit ergibt sich bei einem Stand von zehn Kilometern bei Kauf des Fahrzeugs eine Restlaufleistung von 299.990 Kilometern.
50
Bei der von der Klagepartei mit dem Fahrzeug zurückgelegten Fahrtstrecke legt der Senat den in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2022 von der Klagepartei zum 13.12.2022 vorgetragenen und für diesen Zeitpunkt auch von der Beklagten unstreitig gestellten Wert von 95.678 Kilometer zu Grunde. Der Umstand, dass sich dieser Wert auf den 13.12.2022 und damit den Vortag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bezieht, bildet keine Veranlassung, im Wege der Schätzung eine höhere Fahrleistung der Nutzungsvorteilsberechnung zu Grunde zu legen. Denn die auf den Senat glaubwürdig wirkende Klagepartei hat glaubhaft bekundet, dass das Fahrzeug nach dem Ablesen des Tachostands durch sie am 13.12.2022 nicht mehr bewegt worden sei. Die Klagepartei sei nämlich bereits am 13.12.2022 mit dem Zug von Hagen nach München angereist. Auch habe niemand anderes das Fahrzeug nach der Tachoablesung noch bewegt.
51
Nach Abzug der Nutzungsentschädigung in Höhe von 7.969,20 € vom Bruttokaufpreis verbleibt damit ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 28.430,80 € (36.400,00 € - 7.969,20 €).
52
b) Der Schadensersatzanspruch der Klagepartei umfasst aber darüber hinausgehend auch deren Finanzierungskosten. Diese belaufen sich - wie von der Klagepartei vorgetragen - auf 2.562,12 €. Der entsprechende Nachweis ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der Zinsaufstellung laut Anl. K 1a.
53
Insgesamt beläuft sich der Schadensersatzanspruch der Klagepartei daher auf 30.992,92 €. (28.430,80 € + 2.562,12 €).
54
5. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
55
Zwar hat die Klagepartei hat mit der anwaltlichen Mahnung (Anlage zu Bl. 280/281 d.A.) und auch zumindest bis zur teilweisen Rücknahme der Berufung mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 24.11.2022 (Bl. 450 d.A.) die abzuziehende Nutzungsentschädigung nicht hinreichend berücksichtigt. Auch hat sie bis zur teilweisen Berufungsrücknahme in beiden Instanzen unberechtigt die Erstattung von Deliktszinsen (auf die ständige Rechtsprechung des BGH wird Bezug genommen: BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 354/19, Rdnr. 17 ff., vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 397/19, Rdnr. 21 ff.) gefordert. Damit hat die Klagepartei jedenfalls bis zur teilweisen Berufungsrücknahme durchgängig wesentlich zu viel gefordert, sodass bis dahin kein ordnungsgemäßes Angebot der Klagepartei vorlag, was die Entstehung von Annahmeverzug ausschließt (BGH, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Rdnr. 50, vom 29.06.2021, Az.: VI ZR 130/20, Rdnr. 16, vom 18.05.2021, Az.: VI ZR 167/20, Rdnr. 15, vom 02.02.2021, Az. VI ZR 449/20, Rdnr. 9, vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 8/20, Rdnr. 18, vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 85).
56
Für die Frage, ob ein ordnungsgemäßes Angebot der Klagepartei vorliegt und sich die Beklagte damit in Annahmeverzug befindet, kommt es jedoch auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.12.2022 an. Zu diesem Zeitpunkt forderte die Klagepartei ausweislich ihrer Antragstellung in der Hauptsache noch einen Betrag von 31.786,96 € (30.001,84 € + 1.785,12 €). Darüber hinaus verlangte die Klagepartei noch Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 38.962,13 € seit 01.12.2018, was einen Betrag von 6.482,53 € ausmacht. Insgesamt machte die Klagepartei damit zum Schluss der mündlichen Verhandlung 38.269,49 € geltend, wohingegen ihr berechtigt an Haupt- und Nebenforderung insgesamt nur 35.960,62 € (Hauptforderung 30.992,92 € + Zinsen 4.967,70 €) zustehen. Die Überforderung beläuft sich damit auf 2.308,87 € (= 6,4%). Dies erachtet der Senat auch im Hinblick auf die bisherige BGH-Rechtsprechung, wonach jedenfalls bei einer Zuvielforderung von knapp unter 10% kein ordnungsgemäßes Angebot mehr vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2021 - VI ZR 130/20, Rdnr. 17 und Urteil vom 25.10.2022, Rdnr. 11), als noch unschädlich für die Ordnungsmäßigkeit des Angebots der Klagepartei und damit für den Annahmeverzug.
57
6. Dem Kläger stehen Zinsen jedoch erst ab Rechtshängigkeit, also ab 24.01.2019 zu, §§ 187 Abs. 1, 291, 288 Abs. 1 BGB. Anders, als vom Landgericht angenommen, befand die Beklagte sich nicht schon zuvor gem. §§ 288, 286 Abs. 1, 2 BGB in Schuldnerverzug.
58
Das anwaltliche Aufforderungsschreiben wirkte nämlich nicht verzugsbegründend, auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer 5 zur Zuvielforderung wird Bezug genommen; überdies wurde im besagten Schreiben vom 21.11.2018 (Anlage zu Bl. 280/281 d.A.) auch der - für die Berechnung der Nutzungsentschädigung benötigte - aktuelle Kilometerstand des Fahrzeugs nicht mitgeteilt. Andere verzugsbegründende Umstände sind nicht ersichtlich, insbesondere weder unter dem Gesichtspunkt „fur semper in mora“ noch unter dem Aspekt einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung, § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB (BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 354/19, Rdnr. 22, vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 397/19, Rdnr. 26 f., vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 8/20, Rdnr. 17 ff., BGH, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Rdnr. 51).
59
Im Übrigen erweist sich die Berufung der Beklagten dagegen nach alledem als unbegründet.
60
7. Die klägerische Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
61
a) Soweit es die Hauptforderung anbelangt, ist auf die obigen Ausführungen (unter Ziffer 4) zu verweisen. Entgegen der ursprünglich von der Klagepartei vertretenen Rechtsmeinung (zuletzt im Rahmen der Begründung ihres ursprünglichen Berufungsantrags) ist eine Nutzungsentschädigung von der Klageforderung in Abzug zu bringen (siehe z.B. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 65 ff.); dies erkennt zwischenzeitlich offenbar auch die Klagepartei an (Schriftsatz Klägervertreter vom 24.11.2022, Bl. 450 ff. d.A.). Dabei ist bei der Bemessung der Nutzungsentschädigung auch nicht von einer vom Kläger (im Rahmen der Begründung des Hilfs-Berufungsantrags) angenommenen Gesamtlaufleistung von 350.000 km (siehe Schriftsatz Klägervertreter vom 24.04.2020, S. 11, Bl. 374 d.A.) auszugehen. Mit der Annahme einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km bewegt sich der Senat ohnehin am oberen Rand der von den Gerichten angenommenen Bandbreite. Dass einzelne Fahrzeuge eine höhere Laufleistung erreichen können, spielt für die Schadensberechnung keine Rolle.
62
Allerdings hat die Berufung des Klägers Erfolg, soweit es die Berechnung der Nutzungsentschädigung im Hinblick auf die Finanzierungskosten anbelangt. Denn - wie bereits oben unter 4 ausgeführt - bleiben die Finanzierungskosten insoweit außer Betracht.
63
b) Hinsichtlich der Verzinsung der Hauptforderung wird auf die obigen Ausführungen (unter Ziffer 6) verwiesen; insoweit hat die Berufung des Klägers in der Sache also keinen Erfolg, da der Anspruch erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen ist. Soweit es die ursprünglich geltend gemachten Deliktszinsen anbelangt, auf die der Kläger keinen Anspruch hat, wurde die Berufung mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 24.11.2022 zurückgenommen. Gleiches gilt für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, was der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2022 nochmals ausdrücklich klargestellt hat (vgl. S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2022, Bl. 594 d.A.).
64
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 S. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Eine nach Instanzen gesonderte Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da sich das Obsiegen und Unterliegen der Parteien in beiden Instanzen nach demselben (teilweise) fiktiven Streitwert bemaß. Die Klagepartei hat sowohl in der ersten Instanz als auch zunächst in der Berufungsinstanz die Erstattung des vollen Kaufpreises (36.400,01 €) zuzüglich der Finanzierungskosten in Höhe von 2.562,12 € jeweils ohne Anrechnung einer Nutzungsentschädigung verlangt (vgl. Klageantrag Bl. 2 d.A. und Berufungsbegründungsschriftsatz des Beklagtenvertreters vom 24.04.2020, S. 2, Bl. 365 d.A.). Die Klagepartei hat mit der Klage die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer im Termin zu beziffernden Nutzungsentschädigung bezogen auf eine Gesamtlaufleistung von 350.000 km beantragt (Bl. 60 d.A.); in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 11.11.2019 hat sie den Nutzungsersatz dann aber auf Null Euro beziffert (Protokoll, S. 2, Bl. 284 d.A.). In der Berufung wollte sich die Beklagte zunächst ebenfalls keine Nutzungsvorteile anrechnen lassen (vgl. Berufungsbegründungsschriftsatz des Beklagtenvertreters vom 24.04.2020, S. 2 letzter Absatz, Bl. 365 d.A.) Aus diesem Streitwert von 38.962,13 war unter Hinzurechnung der von der Klagepartei ebenfalls in beiden Instanzen (jedenfalls zunächst) geforderten Deliktszinsen, die einen Betrag von 6.515,75 € ausmachen, ein fiktiver Streitwert von 45.477,88 € zu bilden, da die erhobene Forderung von Deliktszinsen zu Lasten der Klagepartei zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 24.03.2022, Az.: VII ZR 266/20, Rdnr. 32). Hieraus errechnet sich unter Berücksichtigung des Obsiegens der Klagepartei mit 30.992,92 € die Kostenquote für beide Instanzen.
65
Die zwischenzeitliche teilweise Rücknahme der Berufung ändert daran gemäß § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO nichts (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 24.11.2022 (Bl. 450 d.A.).
66
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
67
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die maßgeblichen Rechtsfragen zur Haftung in Dieselfällen, insbesondere im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit i.S.v. § 826 BGB wie auch die Anforderungen an den Vortrag der Parteien sind mittlerweile höchstrichterlich geklärt (deutlich u.a.: BGH, Beschluss vom 29.09.2021, Az.: VII ZR 223/20, Rdnr. 8, vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, Rdnr. 4, 24). Dies gilt auch in Bezug auf eine Haftung der Beklagten bei Fahrzeugen ihrer Herstellung mit Motoren EA189 (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Beschluss vom 15.09.2021, Az.: VII ZR 52/21, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Urteilsserie vom 25.11.2021: Az.: VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21, Urteil vom 21.12.2021, Az.: VI ZR 875/20, Beschluss vom 12.01.2022, Az.: VII ZR 256/20, vom 27.01.2022, Az.: III ZR 195/20, vom 09.02.2022, Az.: VII ZR 255/20 und Az.: VII ZR 26/21, Urteil vom 24.03.2022, Az.: VII ZR 266/20, vom 26.04.2022, Az.: VI ZR 965/20). Es ist Aufgabe der Instanzgerichte, diese Rechtsgrundsätze auf den jeweils vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Divergierende Ergebnisse aufgrund der Würdigung des jeweils vorgetragenen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht begründen indes keine Divergenz i.S. des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO. Von einer Divergenz in diesem Sinne ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn den Entscheidungen sich widersprechende abstrakte Rechtssätze zugrunde liegen (BGH, Beschluss vom 09.07.2007, Az.: II ZR 95/06, Rdnr. 2, deutlich: Beschluss vom 13.10.2021, Az.: VII ZR 99/21, Rdnr. 28).