Titel:
Negativer Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht
Normenkette:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281
Leitsätze:
Die Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG liegen nicht vor, wenn ein Anleger lediglich einen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben gegen die Fondsgesellschaft geltend macht, der ausschließlich auf eine außerordentliche Kündigung der Beteiligung gestützt wird. (Rn. 45)
1. Auch der negative Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht über die sachliche Zuständigkeit als Eingangsinstanz ist im Verfahren nach oder analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einem Verweisungsbeschluss kommt die in § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO vorgesehene Bindungswirkung dann nicht zu, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gesetzlicher Richter, willkürlich, Kompetenzkonflikt
Vorinstanzen:
LG München I vom -- – 40 O 8041/22
AG München vom -- – 243 C 9361/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36825
Tenor
Sachlich zuständig für den Rechtsstreit über die Hauptanträge gemäß Klageschrift vom 27. Februar 2022 ist das Amtsgericht München.
Gründe
1
Die Klägerin beteiligte sich 2007 als Treugeberin mittels eines Treuhandvertrags mit der M. Beteiligungstreuhand GmbH an der Beklagten, einer Publikumsgesellschaft. Sie zahlte Einlagen auf die Kommanditbeteiligung in Höhe von 3.601,91 €. Mit Schreiben vom 5. März 2019 erklärte die Klägerin die außerordentliche Kündigung und den Widerruf ihres Beitritts und leistete keine weiteren Ratenzahlungen. Daraufhin trat die Treuhandkommanditistin mit Schreiben vom 6. April 2020 gegenüber der Klägerin aufgrund Zahlungsverzugs vom Treuhandvertrag zurück. Der Klägerin wurde als Auseinandersetzungsguthaben ein Betrag von 1.431,08 € ausbezahlt.
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§ 27 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrags hat den Wortlaut:
„Sofern ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, hat er Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben gemäß nachstehender Bestimmungen … Das Auseinandersetzungsguthaben entspricht dem Anteil des ausscheidenden Gesellschafters … am Wert des Gesellschaftsvermögens …“
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§ 27 Ziffer 7 des Gesellschaftsvertrags lautet:
„Im Falle der Kapitalherabsetzung nach wirksamer Beendigung eines Treuhandvertrags eines Treugebers mit dem Treuhandkommanditisten … gelten für den betreffenden Treugeber die Regelungen der vorstehenden Absätze 1 bis 6 entsprechend.
… Abweichend von Satz 1 bis 3 gelten für folgende Fälle der Kapitalherabsetzung nach § 26 Abs. 1 nachstehende Sonderregelungen, wobei sich ein etwaiger Rückzahlungsanspruch des Treugebers jeweils gegen die Gesellschaft richtet:
a) Sofern die Kapitalherabsetzung und die Beendigung des Treuhandvertrags wegen einer Leistungsstörung bei der Einzahlung der Einlage erfolgen …, erhält der betreffende Treugeber abweichend von den Regelungen in § 27 Absätze 1 bis 6 kein Auseinandersetzungsguthaben, sondern eine Rückzahlung seiner bis zur Kapitalherabsetzung tatsächlich geleisteten Einlage abzüglich der der Gesellschaft nach diesem Vertrag zustehenden Schadensersatzansprüche …“
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Die Klägerin beantragt mit ihrer beim Landgericht München I eingereichten Klageschrift vom 27. Februar 2022, die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, Auskunft über das Auseinandersetzungsguthaben aus ihrer Beteiligung an der Beklagten in Form einer Abschichtungsbilanz zu erteilen, sowie nach Erteilung der Auskunft den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Betrag an die Klägerin zu zahlen. Hilfsweise solle die Beklagte verurteilt werden, an die Klägerin 2.170,83 € nebst Zinsen zu zahlen.
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Die Klägerin trägt vor, der Verkaufsprospekt über die Fondsgesellschaft, datierend aus dem Jahr 2005, sei ihr erst bei Unterzeichnung der Beteiligung ausgehändigt worden. Er sei bei Übergabe bereits völlig veraltet gewesen, da er über die zwischenzeitliche Geschäftstätigkeit der Beklagten und insbesondere die Tatsache, dass die Kapitalanlagen bei Beitritt der Klägerin nicht einmal 5% der Planzahlen erreicht hätten, nicht informiere. Der Vermittler der Beteiligung habe sie im Beratungsgespräch nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Beteiligung aufgeklärt. Die Beteiligung sei vom Vermittler unzutreffend als geeignet zur ergänzenden Altersvorsorge nahezu ohne Verlustrisiko vorgestellt worden. Auf im Prospekt dargestellte Risiken habe der Vermittler nicht hingewiesen. Zudem informiere der Prospekt nicht über wesentliche Risiken wie die fehlende Fungibilität der Beteiligung, das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung, die Nachhaftung des Kommanditisten beim Ausscheiden und die Vergütungen für die Initiatoren bzw. den Abfluss wesentlicher Investitionsgelder an den Initiator. Auch werbe der Prospekt mit bestimmten Investitions- und Kostenquoten, ohne zu erklären, dass die Kostenquote für Ratenanleger wie die Klägerin am Anfang deutlich höher seien. Über die im Prospekt verschwiegenen Risiken bzw. irreführenden Angaben habe auch der Vermittler im Beratungsgespräch nicht aufgeklärt. Tatsächlich habe sich 2019 herausgestellt, dass der Fonds spekulativ und ein „Millionengrab“ sei. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie sich an dem Fonds nicht beteiligt.
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Die Klägerin ist der Ansicht, da sie durch den Vermittler über die Beteiligung getäuscht worden sei, stehe ihr gegenüber der Beklagten ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte komme zwar aus Rechtsgründen nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft nicht in Betracht. Aufgrund ihrer Kündigung sowie des ebenfalls erklärten Widerrufs und der Anfechtung der Beteiligung habe sie aber nach § 27 Ziffern 1 und 7 des Gesellschaftsvertrags einen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben, der aufgrund einer Abschichtungsbilanz zu berechnen sei. Bezüglich ihres Hilfsantrags verweist die Klägerin auf § 27 Ziffer 7 Unterabsatz 2 Buchst. a) des Gesellschaftsvertrags. Bei einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs des Anlegers erhalte dieser nicht das Auseinandersetzungsguthaben, sondern die Rückzahlung der geleisteten Einlage abzüglich der Schadensersatzansprüche der Gesellschaft. Die Regelungen im Gesellschaftsvertrag über den Schadensersatzanspruch der Beklagten seien unwirksam. Wenn die Klägerin im Hauptantrag unterliege, sei daher von der Beklagten, wie mit dem Hilfsantrag geltend gemacht, jedenfalls noch die Differenz der von ihr gezahlten Einlagen zu dem bereits erhaltenen Betrag zu leisten.
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Die Klägerin ist der Ansicht, sachlich zuständig für die Klage sei das Landgericht München I. Zwar belaufe sich der Streitwert nach vorläufiger Einschätzung nur auf 2.170,83 €. Jedoch sei das Landgericht nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG ohne Rücksicht auf den Streitwert zuständig. Die Klage werde unter anderem auf eine falsche öffentliche Kapitalmarktinformation gestützt. Es genüge die Verwendung der Kapitalmarktinformation auf irgendeine Weise, auf die Prospektübergabe komme es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht an. Vorliegend sei der Prospekt dadurch verwendet worden, dass der Vermittler auf den Inhalt geschult worden sei und nichts vom Prospektinhalt Abweichendes habe mitteilen dürfen. Es sei nicht ersichtlich, dass § 32b Abs. 1 ZPO für Klagen gegen die Fondsgesellschaft komplett ausgeschlossen sein solle. Der Zweck der Norm, Kapitalmarktstreitigkeiten an einem Gerichtsstand zu konzentrieren, gelte auch bei einer Fondsbeteiligung als Kommanditist oder Treugeber.
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Die Beklagte hat Zurückweisung der Klage beantragt und die fehlende sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I gerügt. Sachlich zuständig sei im Hinblick auf den Streitwert das Amtsgericht. Die sachliche Zuständigkeit könne sich nicht aus § 32b ZPO ergeben. Zudem erfasse § 32b ZPO nur Schadensersatzansprüche. Solche mache die Klägerin aber gerade nicht geltend. Ferner fehle es am erforderlichen Bezug zu einer Kapitalmarktinformation. Dafür genüge es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade nicht, wenn ohne Bezug zu einer Kapitalmarktinformation über Risiken einer Kapitalanlage nicht genügend aufgeklärt werde. Nach dem Vortrag der Klägerin sei sie aber vom Vermittler nicht ausreichend auf die Risiken hingewiesen worden. Die im Prospekt enthaltenen Informationen und Risikohinweise habe der Vermittler nach dem Vortrag der Klägerin ihr nicht weitergeleitet.
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Mit Verfügung vom 25. April 2022 hat die Kammervorsitzende die Parteien darauf hingewiesen, dass nach dem Streitwert das Amtsgericht zuständig sei.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 31. Mai 2022 den Rechtsstreit nach § 348a Abs. 1 ZPO der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Mit Verfügung der Einzelrichterin vom selben Tag hat diese darauf hingewiesen, dass § 32b ZPO vorliegend nicht einschlägig sei, um die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts München I zu begründen. Aufgrund der Höhe der Forderung sei das Amtsgericht zuständig. Die Beklagte habe die sachliche Zuständigkeit auch gerügt. Ohne Verweisungsantrag der Klägerin sei die Klage derzeit als unzulässig abzuweisen. Sodann hat die Klägerin hilfsweise Verweisungsantrag gestellt. Mit Beschluss vom 29. Juni 2022, unterzeichnet durch drei Richter, hat die Kammer den Streitwert auf 2.170,83 € festgesetzt, sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht München verwiesen. Das Landgericht sei aufgrund des Streitwerts nach §§ 23, 71 GVG nicht sachlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus § 32b ZPO. Weder mache die Klägerin einen Schadensersatzanspruch geltend noch liege der Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation vor. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nötig, dass eine im Prospekt enthaltene Information an den Anleger weitergegeben worden sei. Daran fehle es nach dem Vortrag der Klägerin, da der Vermittler eine gebotene Aufklärung unterlassen und im Prospekt enthaltene Informationen gerade nicht weitergegeben habe. Im Zuge der Novellierung des § 32b Abs. 1 ZPO seien nunmehr auch Anlagevermittler und -berater als mögliche Beklagte von der Vorschrift umfasst. Allerdings müsse sich die Klage in diesem Fall zugleich auch gegen den Emittenten oder die Zielgesellschaft richten. Auch daran fehle es. Den Beschluss hat das Landgericht den Parteien formlos mitgeteilt.
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Das Amtsgericht München hat mit Beschluss vom 7. Juli 2022, den Parteien formlos übersendet, die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Der Verweisungsbeschluss sei nicht bindend. § 32b ZPO betreffe ausschließlich die örtliche Zuständigkeit. Mit § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG habe sich das Landgericht nicht befasst. Von dieser Norm seien auch Schadensersatzansprüche aus vertraglicher Grundlage, etwa wegen fehlerhafter Anlageberatung oder -vermittlung aus § 241 Abs. 2 BGB, § 311 Abs. 2, 3 BGB, wie hier vorliegend, erfasst. Die Klägerin berufe sich auch darauf, dass der Prospekt unvollständige bzw. fehlerhafte Informationen enthalten habe. Damit liege ein für § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG ausreichender Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation vor. Eine Einschränkung dahingehend, dass zumindest auch ein Prospektverantwortlicher in Anspruch genommen werden müsse, bestehe bei § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG nicht.
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Mit den Parteien formlos übermittelten Beschluss vom 13. Juli 2022, berichtigt mit Beschluss vom 20. Juli 2022, hat das Landgericht in der Besetzung durch drei Richter den Rechtsstreit dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt. Aufgrund des Streitwerts von 2.170,83 € ergebe sich keine Zuständigkeit des Landgerichts aus §§ 23, 71 GVG. Eine sachliche Zuständigkeit lasse sich auch nicht aus § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG i. V. m. § 32b ZPO ableiten. § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG erfasse auch Schadensersatzansprüche, für die eine öffentliche Kapitalmarktinformation nur von mittelbarer Bedeutung sei. Vorliegend mache die Klägerin aber keine Schadensersatzansprüche geltend, sondern verklage die Gesellschaft, an der sie als Treugeberkommanditistin beteiligt sei, im Wege der Stufenklage auf Auskunft über das Auseinandersetzungsguthaben und in der zweiten Stufe auf Leistung des sich aus der Auskunft ergebenden Betrags. Dies sei eine gesellschaftsrechtliche Streitigkeit. Bezüglich des Prospekts habe die Klägerin vorgetragen, dass dieser nicht rechtzeitig bei Vertragsschluss übergeben worden sei. Wie die Klägerin richtig erkenne, stünde einem Schadensersatzanspruch der Grundsatz der fehlerhaften Gesellschaft entgegen.
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Die Parteien haben im Rahmen des Bestimmungsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Klägerin hat sich nicht geäußert. Die Beklagte hält den Verweisungsbeschluss des Landgerichts für bindend. Es fehle der Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation, wie das Landgericht ausgeführt habe. Dass das Landgericht § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG nicht ausdrücklich benannt habe, führe weder zur Unrichtigkeit noch zur Willkür, zumal sich das Landgericht inhaltlich mit den Voraussetzungen beschäftigt habe. Nach dem Vortrag der Klägerin sei sie gerade nicht anhand des Verkaufsprospekts über die Kapitalanlage aufgeklärt worden.
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Auf die zulässige Vorlage des Landgerichts München I ist die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München für die Hauptanträge, mithin die Stufenklage, auszusprechen.
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1. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 34 ff. m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
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a) Das Landgericht München I hat sich durch Verweisungsbeschluss vom 29. Juni 2022 für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht München verwiesen. Das Amtsgericht München hat mit Beschluss vom 7. Juli 2022 die Übernahme mit der Begründung abgelehnt, der Verweisungsbeschluss sei willkürlich und nicht bindend. Beide Beschlüsse sind den Parteien übermittelt worden. Die jeweils beiden Parteien mitgeteilte und ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 35, jeweils m. w. N.).
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Dem steht nicht entgegen, dass der Hilfsantrag mangels Bedingungseintritts noch nicht rechtshängig geworden ist. In einem zivilprozessualen Klageverfahren kommt eine Bestimmung der Zuständigkeit erst dann in Betracht, wenn Rechtshängigkeit der Streitsache (§ 261 Abs. 1, § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 2 ZPO) eingetreten ist, denn vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit können keine rechtskräftigen Entscheidungen über die Unzuständigkeit im Sinne der Vorschrift erlassen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1995, XII ARZ 18/95, NJW-RR 1996, 254 [juris Rn. 1]; Beschluss vom 5. März 1980, IV ARZ 8/80, NJW 1980, 1281 juris Rn. 7 f.; BayObLG, Beschluss vom 8. April 2020, 1 AR 7/20, juris Rn. 12; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 36).
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Allerdings ist eine Verweisung (wie auch eine Abgabe) des Rechtsstreits wegen eines Antrags, der, wie hier, hilfsweise so mit dem Klageantrag verknüpft ist, dass über ihn nur dann mitentschieden werden soll, wenn der Klageantrag zurückgewiesen wird, vor einer Entscheidung über den Hauptantrag nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 1980, IV ARZ 5/80, NJW 1980, 1283 [juris Rn. 6]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. Februar 2018, 11 SV 2/18, juris Rn. 15).
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Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I bezieht sich damit ohnehin nur auf die Hauptanträge, so dass es auf die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags nicht ankommt.
20
b) Auch der negative Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht über die sachliche Zuständigkeit als Eingangsinstanz ist im Verfahren nach oder analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 14. Februar 2022, 102 AR 190/21, juris Rn. 14; Beschluss vom 28. Oktober 2020, 101 AR 114/20, juris Rn. 14; Toussaint in BeckOK ZPO, 46. Ed. 1. September 2022, § 36 Rn. 38.1).
21
Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Amtsgericht München und dem Landgericht München I in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist. Dass beide am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts München liegen, führt deshalb nicht zu dessen Zuständigkeit für das Bestimmungsverfahren (vgl. BayObLG, Beschluss vom 14. Februar 2022, 102 AR 190/22, juris Rn. 15; Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19, juris Rn. 8 ff.; Toussaint in BeckOK, ZPO, § 36 Rn. 45.2).
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2. Das Amtsgericht München ist als das sachlich zuständige Gericht zu bestimmen. Zwar kommt dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I keine Bindungswirkung zu (dazu unter b]). Darauf kommt es aber letztlich nicht entscheidend an, da das Amtsgericht München ohnehin das nach § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständige Gericht ist (nachfolgend unter c]).
23
a) Im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist der Kompetenzstreit in der Weise zu entscheiden, dass das für den Rechtsstreit tatsächlich zuständige Gericht bestimmt wird; eine Auswahlmöglichkeit oder ein Ermessen bestehen nicht (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 1970, 2 BvR 48/70, BVerfGE 29, 45 [49, juris Rn. 19]; BGH, Beschluss vom 14. Februar 1995, X ARZ 35/95, juris Rn. 3; BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 1 AR 101/20, juris Rn. 21).
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Bei der Entscheidung sind die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften und eingetretene verfahrensrechtliche Bindungswirkungen zu beachten (Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 38; Toussaint in BeckOK ZPO, § 36 Rn. 43 f.; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 36 Rn. 31; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 36 Rn. 42).
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b) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 29. Juni 2022 entfaltet keine Bindungswirkung, da nicht die Kammer, sondern die Einzelrichterin für dessen Erlass zuständig gewesen wäre und die Entscheidung durch die Kammer ganz offensichtlich unhaltbar ist.
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Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluss die in § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO vorgesehene Bindungswirkung dann nicht zu, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (BGH, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; Beschluss vom 10. September 2002, X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634 [juris Rn. 13 f.]; Beschluss vom 15. März 1978, IV ARZ 17/78, BGHZ 71, 69 [juris Rn. 4]; BayObLG, Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16 ff.; jeweils m. w. N.).
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a) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 29. Juni 2022 erfolgte nicht in der vorgeschriebenen Besetzung, da eine Beschlussfassung durch die Einzelrichterin, nicht aber durch die Kammer hätte erfolgen müssen.
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Dahingestellt bleiben kann, ob überhaupt ein Fall der Kammerzuständigkeit nach § 348 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorlag oder nicht ohnehin nach § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO der originäre Einzelrichter zuständig war. Jedenfalls hat die Kammer am 31. Mai 2022 den Beschluss gefasst, den Rechtsstreit nach § 348a Abs. 1 ZPO der Einzelrichterin zur Entscheidung zu übertragen. Bedenken gegen eine Übertragung bei vorliegender Kammerzuständigkeit wären nicht ersichtlich, da die Sache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht bereits im Haupttermin zur Sache verhandelt wurde, § 348a Abs. 1 ZPO.
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Als Konsequenz der Übertragung wäre aber - ebenso wie bei einer originären Einzelrichterzuständigkeit - ausschließlich die Einzelrichterin für alle weiteren Entscheidungen in dem Verfahren zuständig gewesen. Nach einer Übertragung gemäß § 348a Abs. 1 ZPO sind weitere Entscheidungen der Kammer unzulässig, auch wenn der Einzelrichter an ihnen mitwirkt. Das Kollegium, das unbefugt an Stelle des Einzelrichters entscheidet, kann nicht als das „bessere“ Gericht angesehen werden (BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2009, 1 BvR 2295/08, NJW-RR 2010, 268 [juris Rn. 22]; Fischer in BeckOK ZPO, § 348a Rn. 17; Greger in Zöller, ZPO, § 348a Rn. 5; Wittschier in Musielak/Voit, ZPO, § 348a Rn. 4). Mithin hätte der Verweisungsbeschluss nur von der Einzelrichterin gefasst werden dürfen. Ob eine Rückübertragung des Verfahrens auf die Kammer möglich gewesen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Weder im Verweisungsbeschluss noch in der Akte finden sich Anhaltspunkte, dass eine Rückübertragung erfolgte oder auch nur beabsichtigt war. Insbesondere geht der Verweisungsbeschluss weder auf die Entscheidungszuständigkeit der Kammer ein noch lässt er erkennen, dass er eine grundsätzliche Bedeutung der Sache prüfe oder bejahe (vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 268 [juris Rn. 19]).
30
b) Der Verweisungsbeschluss verstößt gegen das Gebot des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und entfaltet daher keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO.
31
Für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügt nicht jede fehlerhafte Anwendung oder Nichtbeachtung einer einfachgesetzlichen Verfahrensvorschrift. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist erst überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn das Gericht die Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (BVerfG, Urt. v. 30. September 2020, 1 BvR 495/19, NJW 2021, 1156 Rn. 10; Urt. v. 28. September 2017, 1 BvR 1510/17, NJW 2018, 40 Rn. 16; NJW-RR 2010, 268 [juris Rn. 24]; BayObLG, Beschluss vom 24. Juni 2021, 101 AR 64/21, BeckRS 2021, 16838 Rn. 35 m. w. N). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2021, 1 BvR 526/19, juris Rn. 22; BayObLG, a. a. O.).
32
Unter Anwendung dieser Maßstäbe verstößt der Verweisungsbeschluss gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Kammer hat zunächst die Zuständigkeit für das Verfahren mit Beschluss vom 31. Mai 2022 auf die Einzelrichterin übertragen. Sodann hat im zeitlich späteren Verweisungsbeschluss erneut die Kammer in der Besetzung mit drei Richtern entschieden, ohne dass hierfür ein Grund ersichtlich wäre. Weder beschäftigt sich der Beschluss mit der Zuständigkeit der Kammer noch finden sich sonst in der Akte irgendwelche Anhaltspunkte, weshalb nunmehr die Kammer erneut zur Entscheidung berufen sein sollte. Eine Auseinandersetzung der Kammer mit der Problematik findet sich auch nicht ansatzweise. Dieses Vorgehen ist ganz offensichtlich unhaltbar, so dass der Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung entfaltet.
33
c) Ob dem Verweisungsbeschluss ferner aus sonstigen Gründen keine Bindungswirkung zukommt, etwa - wie von den Parteien erörtert - aufgrund einer willkürlichen Verkennung des § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG, bedarf keiner Entscheidung.
34
c) Tatsächlich sachlich zuständig ist das Amtsgericht München, so dass es im Ergebnis auch nicht auf die fehlende Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses, wie oben b) dargestellt, ankommt. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München folgt aus § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG. Eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG liegt nicht vor.
35
aa) Ausgehend vom Streitwert der Hauptanträge, wie aus der Klageschrift ersichtlich, ist das Amtsgericht nach § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG zuständig. Der Streitwert übersteigt 5.000,00 € nicht.
36
Die aus der Klageschrift ersichtlichen Hauptanträge sind als Stufenklage gemäß § 254 ZPO auf Auskunft im Wege der Erteilung einer Abschichtungsbilanz und auf Zahlung des sich hieraus ergebenden Auseinandersetzungsguthabens gerichtet. Ob für den Zuständigkeitsstreitwert einer Stufenklage der Vorbereitungs- (Auskunfts-) und der Zahlungsanspruch zu addieren sind, wird in der Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt (für die Addition etwa: OLG Brandenburg, Beschluss vom 15. November 2001, 1 AR 44/01, juris Rn. 9; Herget in Zöller, ZPO, § 5 Rn. 7; dagegen z. B. KG, Beschluss vom 25. April 2019, 2 AR 12/19, juris Rn. 8 ff.; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 5 Rn. 9). Vorliegend kann dies indessen offenbleiben. Die Klägerin gibt als vorläufigen Streitwert ihres noch unbezifferten Zahlungsantrags einen Betrag von 2.170,83 € an. Selbst bei zusätzlicher Berücksichtigung eines (maximal) gleich hohen Betrags für den Auskunftsanspruch verbleibt der Zuständigkeitsstreitwert unter 5.000,00 €.
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Der in der Klageschrift ebenfalls angekündigte Hilfsantrag auf Zahlung von 2.170,83 € erhöht den maßgeblichen Zuständigkeitsstreitwert nicht. Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass im Rahmen des Zuständigkeitsstreitwerts eine Addition von Haupt- und Hilfsantrag nicht stattfindet. Maßgeblich ist allein der höhere Anspruch (Herget in Zöller, ZPO, § 5 Rn. 4; Wendtland in BeckOK, ZPO, § 5 Rn. 5; Wöstmann in Münchener Kommentar zur ZPO, § 5 Rn. 14; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2022, § 5 Rn. 6; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 5 Rn. 11).
38
c) Das Landgericht München I ist nicht nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG ausschließlich zuständig.
39
Gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG ist ein Landgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig für Ansprüche, die auf eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation, auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
40
a) Die Klägerin macht vorliegend als Hauptanträge einen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft in Form einer Abschichtungsbilanz und auf Auszahlung des sich hieraus ergebenden Auseinandersetzungsguthabens gegen die Fondsgesellschaft nach § 27 Ziffer 1 und 7 des Gesellschaftsvertrags geltend. Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung im engeren oder weiteren Sinn wegen Prospektfehlern bzw. einer unterlassenen oder fehlerhaften Aufklärung über den Fonds sind nach dem Vortrag der Klägerin nicht streitgegenständlich. Vielmehr führt sie explizit aus, sie mache keinen Schadensersatzanspruch geltend, da ein solcher gegen die Beklagte aus Rechtsgründen nicht in Betracht komme. Als Ausgleich bestehe ein außerordentliches Kündigungsrecht, das auf die falsche Kapitalmarktinformation, mithin den Prospekt, gestützt werde. Die Haftung der Beklagten sei auf das Auseinandersetzungsguthaben beschränkt.
41
Soweit die Klägerin für ihren bezifferten Hilfsantrag auf § 27 Ziffer 7 Buchst. a) des Gesellschaftsvertrags verweist, handelt es sich ebenfalls um keinen Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung im engeren oder weiteren Sinn, sondern um einen gegen die Fondsgesellschaft gerichteten Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben. Dass dieser beschränkt ist auf die Rückzahlung der geleisteten Einlagen abzüglich der der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Schadensersatzansprüche ändert hieran nichts. Es handelt sich um eine abweichende, vereinfachte Regelung zur Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens ohne vorherige Erstellung einer Abschichtungsbilanz, nicht um einen Schadensersatzanspruch. Im Übrigen kommt es im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat ohnehin nicht auf den - noch nicht rechtshängigen - Hilfsantrag an (s. o. Ziffer. 1).
42
b) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG nicht.
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Zwar stellt der Fondsprospekt eine öffentliche Kapitalmarktinformation dar.
44
Jedoch wird die Beklagte nicht wegen einer falschen, irreführenden oder unterlassenen Kapitalmarktinformation in Anspruch genommen. Herausgeberin des Prospekts war die M. AG. Die Beklagte ist nicht Prospektverantwortliche.
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Der eingeklagte Anspruch ist auch nicht auf die „Verwendung“ einer falschen oder irreführenden Kapitalmarktinformation oder auf die „Unterlassung der gebotenen Aufklärung“ darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, „gestützt“. Für den gegen die Beklagte als Fondsgesellschaft geltend gemachten Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben ist Voraussetzung, dass die Fondsbeteiligung der Klägerin wirksam beendet wurde. Der Klägerin kann ein Recht zur fristlosen Kündigung nach § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 723 BGB zugestanden haben, wenn ihr die weitere Beteiligung an der Fondsgesellschaft unzumutbar war. Dies ist der Fall, wenn sie vor der Zeichnung der Beteiligung nicht ordnungsgemäß über die für die Anlageentscheidung erheblichen Umstände aufgeklärt und dadurch zum Beitritt bewogen wurde (vgl. dazu etwa BGH, Urt. v. 20. Januar 2015, II ZR 444/13, juris Rn. 11 und Rn. 7 ff.). Die mangelhafte Aufklärung könnte unter Verwendung eines falschen oder irreführenden Prospekts oder Unterlassung der Aufklärung, dass der Prospekt fehlerhaft war, erfolgt sein. Damit ist aber die Unrichtigkeit oder Irreführung der öffentlichen Kapitalmarktinformation nicht für sich genommen Voraussetzung des Anspruchs gegen die Fondsgesellschaft, sondern nur ein möglicher Grund für die Unzumutbarkeit des weiteren Festhaltens an der Fondsbeteiligung, woraus sich ein Recht zur außerordentlichen Kündigung und damit zur Beendigung der Beteiligung an der Beklagten ergeben kann. Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben ist hingegen ausschließlich das Ausscheiden aus der Beklagten bzw. das Ende der - mittelbaren - Beteiligung an dieser. Dass die Beklagte selbst für die behauptete Fehlerhaftigkeit des Prospekts verantwortlich wäre oder für eine sonstige Aufklärungspflichtverletzung einzustehen hätte, ist nicht geltend gemacht. Der ausschließlich streitgegenständliche Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben ist somit weder darauf gestützt, dass die Beklagte den Prospekt verwendet hätte und hierfür haftete, noch darauf, dass sie als Verantwortliche für eine unrichtige Aufklärung in Anspruch genommen würde (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 31. Juli 2018, 11 SV 41/18, juris Rn. 23, das im Rahmen des § 71 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 GVG ebenfalls darauf abstellt, ob die Beklagten selbst „Verwender“ der öffentlichen Kapitalmarktinformation seien).
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Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass der Bundesgerichtshof zur ähnlichen Problematik im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG entschieden hat, dieser solle sich auf Ansprüche beziehen, in denen die öffentliche Kapitalmarktinformation zu einer Eigenhaftung des Verwenders bzw. des zur Aufklärung Verpflichteten führe. Nicht erfasst seien Fälle, in denen die öffentliche Kapitalmarktinformation nicht für sich genommen Voraussetzung für den Anspruch sei (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022, XI ZB 23/20, juris Rn. 48 f. - zu einer Klage gegen den Gesellschafter einer nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB haftenden Gründungskommanditistin, der für diese Verbindlichkeit gemäß § 128 Satz 1 HGB in Anspruch genommen wurde; ebenso Großerichter in Wiezorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, KapMuG § 1 Rn. 77).
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c) Nach den vorstehenden Ausführungen bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob der Anwendungsbereich des § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG nur dann eröffnet ist, wenn die öffentliche Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung verwendet und so rechtzeitig übergeben wurde, dass der Anleger ihren Inhalt vor der Zeichnung zur Kenntnis nehmen konnte (so BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020, XI ZB 21/19, juris Rn. 19; Beschluss vom 30. April 2019, XI ZB 13/18, juris Rn. 17 - jeweils zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG; ebenso Großerichter in Wiezorek/Schütze, ZPO, § 1 KapMuG Rn. 72), oder ob es genügt, dass die vom Vermittler erteilten unrichtigen oder unvollständigen Informationen unmittelbar oder mittelbar auf den Prospekt zurückgehen, unabhängig vom Zeitpunkt der Prospektübergabe (so zu § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015, X ARZ 573/15, NJW 2016, 1178 Rn. 12 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 14. April 2015, 32 SA 11/15, juris Rn. 8). Dementsprechend kommt es auch nicht auf den Vortrag der Klägerin an, ihr sei der Prospekt erst bei Zeichnung übergeben worden, der Prospektinhalt sei aber notwendigerweise in das Werbegespräch des Vermittlers eingeflossen.