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VG Bayreuth, Urteil v. 12.12.2022 – B 7 K 22.30525
Titel:

Unbegründete "Aufstockungsklage" eines syrischen Asylbewerbers

Normenkette:
AsylG § 3, § 3b
Leitsätze:
1. Trotz des Umstands, dass die syrischen Machthaber gegen tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle mit äußerster Härte vorgehen, ist es letztlich nicht beachtlich wahrscheinlich, dass jedweder Betroffene allein wegen einer illegalen Ausreise, eines Asylantrags und des Aufenthalts in Deutschland als Oppositioneller betrachtet wird und deshalb eine Verfolgung iSv § 3 AsylG zu befürchten hat (VGH München BeckRS 2022, 13367). (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Selbst wenn einem syrischen Asylbewerber nach einer Rückkehr nach Syrien eine Zwangsrekrutierung durch die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) drohen würde, läge mangels Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG jedenfalls keine flüchtlingsrechtsrelevante Verfolgung vor (OVG Münster BeckRS 2022, 13213). (Rn. 19) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. In der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass es nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass Rückkehrer nach Syrien im militärdienstpflichtigen Alter (Wehrpflichtige, Reservisten) allein deshalb in Anknüpfung an eine unterstellte oppositionelle bzw. regimefeindliche Gesinnung eine Verfolgung durch syrische Sicherheitskräfte zu befürchten haben, weil sie sich durch Flucht ins Ausland dem Militärdienst entzogen haben (VGH München BeckRS 2022, 717). (Rn. 20) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Syrien, „Aufstockerklage“, Illegale Ausreise, Wehrdienstentziehung, Zwangsrekrutierung durch die Syrischen, Demokratischen Kräfte (SDF), Keine individuell gefahrerhöhenden Umstände, syrischer Asylbewerber, subsidiärer Schutz, Flüchtlingsschutz, Aufstockungsklage, Wehrdienstentzug, illegale Ausreise, Asylantragstellung, Syrische Demokratische Kräfte, Zwangsrekrutierung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36792

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger mit arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 20.07.2021 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 17.08.2021 einen Asylantrag.
2
Bei der persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 30.08.2021 trug der Kläger im Wesentlichen vor, er stamme aus dem Dorf … in der Provinz Deir ez-Zor.
3
In den Jahren 2012 und 2013 habe er an Kundgebungen teilgenommen. Bei den Kundgebungen sei er immer nach der Schule mitgelaufen und habe Parolen gerufen. Dabei sei er vermummt gewesen, damit das Regime ihn nicht erkannt habe. Am Anfang des ersten Studienjahrs 2013 hätten dann Sicherheitsbehörden die Universität heimgesucht. Im Nachhinein habe er davon erfahren, dass auch sein Name auf der Liste der gesuchten Studenten gestanden habe und nach ihm gefragt worden sei. Obwohl er damals vermummt gewesen sei, hätten Spitzel gegen ihn ermittelt. Er gehe davon aus, dass er verpetzt worden sei.
4
Syrien habe er Mai 2021 verlassen, da er wehrpflichtig sei und nicht am Bürgerkrieg teilnehmen wolle. Bei einer Rückkehr müsse er aber Wehrdienst ableisten. Wenn er dies nicht tue, müsse er sterben. In seiner Heimatregion hätten zudem die Syrischen Demokratischen Kräfte, also die Kurden, vor etwa vier Jahren die Kontrolle übernommen. Wer zwischen 1990 und 2003 geboren sei, werde von den Syrischen Demokratischen Kräften zwangsrekrutiert. Im Übrigen liege gegen ihn ein Haftbefehl wegen der Teilnahme an den Kundgebungen in den Jahren 2012 und 2013 vor. Sein Leben sei in Gefahr, wenn er wegen der Teilnahme an den Kundgebungen verhaftet werde.
5
Mit Bescheid vom 11.05.2022, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 17.05.2022, wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt (Ziff. 1) und im Übrigen der Asylantrag abgelehnt (Ziff. 2).
6
Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, aufgrund des ermittelten Sachverhalts sei davon auszugehen, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohe.
7
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter seien hingegen nicht gegeben. Der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Die Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung, Wehrdienst- bzw. Kriegsdienstverweigerung oder Desertion stelle für sich allein nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung dar. Selbst wenn dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung drohen sollte, mangle es jedenfalls an der beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verknüpfung zwischen der Verfolgungshandlung und einem Verfolgungsgrund (wird umfassend ausgeführt). Für die Annahme, das syrische Regime unterstelle jedem Wehrdienstentzieher grundsätzlich eine regimefeindliche bzw. oppositionelle Gesinnung, fehle es auch nach obergerichtlicher Auffassung an neuen Erkenntnissen, die dafürsprächen, dass nunmehr ausnahmslos jeder militärdienstflüchtige Mann bei einer Rückkehr nach Syrien als „Oppositioneller“ mit regimekritischer Meinung oder Grundhaltung verfolgt werde. Eine eventuell vom EuGH vor dem Hintergrund der Situation im April 2017 angenommene diesbezügliche „hohe Wahrscheinlichkeit“ könne deshalb heute empirisch objektiv wohl nicht bestätigt werden. Als Ausdruck politischer Opposition könne jedoch angesehen werden, wenn der Wehrpflichtige sich z.B. nachweisbar regimekritisch äußere oder sonst politisch betätigt habe oder Verbindungen zur Opposition habe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, da der Kläger eine individuell begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe. Die Angaben des Klägers seien detailarm, vage und oberflächlich. Er habe insbesondere nicht nachvollziehbar darlegen können, dass er gerade wegen der Teilnahme an den Demonstrationen gesucht werde, bei denen er nach eigenen Angaben nur maskiert mitgelaufen sei. Seine Antworten zur Klärung der Umstände seiner Fahndung seien dürftig geblieben. Von den Ermittlungen an der Universität habe er nur vom Hörensagen berichten können. Die Liste der gesuchten Studenten habe er ebenfalls nicht selbst gesehen, gleichwohl wolle er sich aber sicher sein, dass sein Name auf dieser Liste gestanden habe. Was die klägerische Furcht vor Rekrutierung durch die Kurden angehe spreche die Tatsache, dass es bis zur Ausreise im Mai 2021, als der Kläger schon 27 Jahre alt gewesen sei, nicht zu einem Rekrutierungsversuch gekommen sei, dafür, dass kein Interesse an seiner Person bestehe.
8
Die Voraussetzungen der Asylanerkennung gem. Art. 16a Abs. 1 GG sei nicht erfüllt, da nicht einmal die weitergefassten Voraussetzungen des § 3 AsylG einschlägig seien.
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Mit Schreiben vom 27.05.2022 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 11.05.2022 und beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 11.05.2022 zu verpflichten, das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG festzustellen.
10
Zur Begründung bezog sich der Kläger auf seine bisherigen Angaben. Er habe sich durch Flucht dem Militärdient entzogen. Er wolle genauer ausführen, dass er Kriegshandlungen aller Art ablehne, insbesondere nicht dazu bereit sei, an Kriegsverbrechen teilzunehmen. Die Teilnahme an einem von wiederholten und systematischen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gekennzeichneten Konflikt bedeute, dass auch er sich - unabhängig vom konkreten Einsatzgebiet - an solchen Verbrechen beteiligen müsse. Dies sehe auch der EuGH in der Entscheidung vom 19.11.2020, Az.: C-238/19, so.
11
Mit Schriftsatz vom 01.06.2022 beantragt die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.
13
Mit Beschluss der Kammer vom 14.11.2022 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
14
Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 12.12.2022 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

15
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der begehrten Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16
Zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist das Gericht zunächst vollumfänglich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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1. Ergänzend wird lediglich noch auf Folgendes hingewiesen:
18
a) Trotz des Umstands, dass die syrischen Machthaber gegen tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle mit äußerster Härte vorgehen, ist es letztlich - nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung - nicht beachtlich wahrscheinlich, dass jedweder Betroffene allein wegen einer (illegalen) Ausreise, eines Asylantrags und des Aufenthalts in Deutschland als Oppositioneller betrachtet wird und deshalb eine Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG zu befürchten hat (vgl. beispielsweise BayVGH, U.v. 2.5.2022 - 21 B 19.34314 - juris m.w.N.; OVG Münster, U.v. 23.8.2022 - 14 A 3389/20.A - juris m.w.N.; OVG Lüneburg, B.v. 11.5.2022 - 2 LB 52/22 - juris).
19
Der Kläger hat bei einer Rückkehr nach Syrien ferner nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) oder durch andere kurdische (Selbstverteidigungs-)Einheiten zu befürchten. Die Demokratischen Kräfte Syriens (englisch: Syrian Democratic Forces, kurz SDF) sind ein 2015 entstandenes Militärbündnis und Konfliktpartei im syrischen Bürgerkrieg. Zum Militärbündnis SDF gehören derzeit unter anderem kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), die kurdisch-turkmenischen Einheit Katāʾib Schams asch-Schimālder, sowie verschiedene sunnitisch-arabische Rebellenbrigaden. Wesentlicher militärischer Gegner der SDF ist der „Islamische Staat“ (IS). Das Bündnis sieht sich dem Ziel eines säkularen, demokratischen und föderal gegliederten Syrien verpflichtet (vgl. https://taz.de/Schwerpunkt-Syrische-Demokratische-Kraefte-SDF/!t5420760/). Aufgrund des klägerischen Vortrags ist schon nicht zu erwarten, dass die SDF den Kläger nach seiner Rückkehr nach Syrien zwangsrekrutieren würden (dazu sogleich näher unter b). Selbst wenn dem so wäre, würde dies mangels Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG jedenfalls keine flüchtlingsrechtsrelevante Verfolgung darstellen (vgl. OVG Münster, U.v. 17.5.2022 - 14 A 2105/18.A - juris).
20
In der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist ferner geklärt, dass es - selbst unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 19.11.2020 - nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass Rückkehrer im militärdienstpflichtigen Alter (Wehrpflichtige/Reservisten) allein deshalb in Anknüpfung an eine (unterstellte) oppositionelle bzw. regimefeindliche Gesinnung eine Verfolgung durch syrische Sicherheitskräfte zu befürchten haben, weil sie sich durch Flucht ins Ausland dem Militärdienst entzogen haben (vgl. z.B.: BayVGH, B.v. 26.1.2022 - 21 ZB 22.30063 - juris; BayVGH, U.v. 2.5.2022 - 21 B 19.34314 - juris; BayVGH, U.v. 23.6.2021 - 21 B 19.33586 - juris; BayVGH, U.v. 29.9.2021 - 21 B 19.34339; OVG Lüneburg, B.v. 11.5.2022 - 2 LB 52/22 - juris; OVG Münster, U.v. 23.8.2022 - 14 A 3389/20.A - juris; a.A. insoweit nur OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 29.1.2021 - OVG 3 B 108.18 - juris bzw. OVG Bremen, U.v. 23.3.2022 - 1 LB 484/21 - juris, deren Auffassung das erkennende Gericht im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen der anderen Obergerichte nicht folgt). Dementsprechend erfolgt eine „Verfolgung“ in Syrien grundsätzlich jedenfalls nicht in Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund des § 3b AsylG. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn besondere gefahrerhöhende Umstände gerade in der Person des jeweiligen Klägers glaubhaft gemacht wurden.
21
b) Individuelle und gefahrerhöhende Umstände gerade in der Person des Klägers, die vorliegend die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG begründen würden, liegen nicht vor. Der Kläger hat insbesondere nicht einmal annährend glaubhaft gemacht, dass er Syrien vorverfolgt im Sinne des Flüchtlingsrechts verlassen hat bzw. dass er aufgrund anderweitiger Umstände im besonderen Fokus der syrischen Behörden oder der kurdischen Kräfte steht, aufgrund derer ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG drohen würde.
22
Es ist schon nicht annähernd ersichtlich, dass das syrische Regime den Kläger bei einer Rückkehr als Oppositionellen ansieht, weil er in den Jahren 2012 und 2013 als Schüler an Kundgebungen gegen das Regime teilgenommen hat. Insoweit führte der Kläger selbst aus, dass er vermummt gewesen sei, um nicht erkannt zu werden. Soweit der Kläger ergänzend vorgetragen hat, dass in seinem ersten Studienjahr 2013 die Universität von Sicherheitsbehörden heimgesucht worden sei und sein Name auf einer Suchliste gestanden habe, handelt es sich nur um einen vagen und völlig unsubstantiierten Vortrag. Der Kläger hat sich lediglich auf Informationen vom Hörensagen berufen. Detailliertere Informationen zu der angeblichen Suche nach ihm hatte der Kläger weder gegenüber dem Bundesamt, noch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Dem Gericht erklärte er lediglich ergänzend, er habe fünf- oder sechsmal an Demonstrationen teilgenommen, ihm sei deswegen aber persönlich nichts passiert. Der Geheimdienst sei jedoch auf der Suche nach ihm gewesen. Deswegen habe er das Studium abgebrochen. Selbst wenn der Kläger tatsächlich vor rund zehn Jahren wegen der Teilnahme an Kundgebungen auf einer Suchliste gestanden hätte, ist für das Gericht nicht annähernd glaubwürdig, dass dieser gegenwärtig noch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als Oppositioneller in Syrien verfolgt werden wird. Nach der Teilnahme an den Kundgebungen vor rund zehn Jahren hat der Kläger nämlich noch bis Mitte 2021 in Syrien gelebt, ohne dass er wegen der angeblichen Demonstrationsteilnahmen belangt wurde. Wenn der syrische Staat ein ernsthaftes Verfolgungsinteresse am Kläger bezüglich der Demonstrationsteilnahmen gehabt hätte, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, den noch Jahre danach in Syrien lebenden Kläger entsprechend zu belangen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ferner, dass - nach der Frage des Gerichts, ob er von 2012/13 bis zur Ausreise 2021 von den Sicherheitsbehörden wegen der Demonstrationsteilnahmen nicht gesucht bzw. belangt worden sei - der Kläger nunmehr vorträgt, „das Gebiet“ - wohl schon vor Jahren - verlassen zu haben, damit ihn das Regime nicht greifen könne. Bei der Anhörung beim Bundesamt am 30.08.2021 erwähnte der Kläger hingegen mit keinem Wort, dass er die letzten Jahre vor der Ausreise anderswo in Syrien gelebt hat. Er erklärte vielmehr, er habe sich bis zur Ausreise in der Stadt …, Dorf … aufgehalten und dort - zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern - sein ganzes Leben verbracht. Der Kläger hat damit zur Überzeugung des Gerichts seinen Sachvortrag in völlig unglaubwürdiger gesteigert, um eine gegenwärtig bestehende Verfolgungsgefahr im Hinblick auf die Demonstrationsteilnahmen vor Jahren als Schüler zu konstruieren.
23
Neben der völlig unglaubwürdigen Fluchtgeschichte bezüglich der Suche aufgrund der Demonstrationsteilnahmen, gab der Kläger im Übrigen gegenüber dem Bundesamt an, ansonsten nicht politisch aktiv gewesen zu sein, sodass für das Gericht auch keine anderweitigen gefahrerhöhenden Umstände dahingehend vorliegen, dass er wegen der Ausreise und Wehrdienstentziehung eine Verfolgung aufgrund einer (unterstellten) politischen Komponente zu befürchten hätte. Insoweit fällt der Kläger allenfalls in die Kategorie der einfachen Wehrdienstentzieher, bei denen etwaige Verfolgungsmaßnahmen jedenfalls nicht an ein Merkmal des § 3b AsylG anknüpfen.
24
Letztlich sind auch keine gefahrerhöhenden Umstände glaubhaft gemacht, dass dem Kläger eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung durch kurdische Kräfte, insbesondere eine Zwangsrekrutierung durch kurdische Verteidigungskräfte bzw. Milizen droht. Insoweit trug der Kläger lediglich vor, wer zwischen 1990 und 2003 geboren sei, werde von den SDF zwangsrekrutiert. Der Kläger hat jedoch nicht einmal annähernd dargelegt, dass die kurdischen Kräfte überhaupt schon einmal auf ihn zwecks einer Rekrutierung zugekommen sind, obwohl der Kläger mehrere Jahre als „Volljähriger“ im von Kurden kontrolliertem Gebiet gelebt hat. Insoweit führte der Kläger gegenüber dem Bundesamt im Sommer 2021 selbst aus, die SDF hätten vor etwa vier Jahren, also circa im Jahr 2017 die Kontrolle in seiner Gegend übernommen. Bei ernsthaftem Interesse der kurdischen Streitkräfte am Kläger, hätten diese bis zur Ausreise des Klägers im Mai 2021 nahezu vier Jahre Zeit gehabt, den Kläger zum Kriegsdienst zu zwingen. Da dies ersichtlich nicht geschehen ist, besteht seitens der kurdischen Einheiten offensichtlich kein ernsthaftes Interesse, den Kläger zum Dienst an der Waffe zu zwingen.
25
c) Das Bundesamt hat dem Kläger daher mit Bescheid vom 11.05.2022 zu Recht (nur) den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuerkannt. Ein weitergehender Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG besteht ersichtlich nicht.
26
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf
27
§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.