Titel:
Aufforderung zur Erteilung von Auskünften im Rahmen des Zensus 2022, Gebäudeund Wohnungszählung, kein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung und gegen Verfassungsrecht
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
ZensG 2022 § 9, 23, 24
DSGVO Art. 21
Leitsatz:
Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung für die Gebäude- und Wohnungszählung iRd Zensus 2022 verstößt nicht gegen Datenschutzrecht. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufforderung zur Erteilung von Auskünften im Rahmen des Zensus 2022, Gebäudeund Wohnungszählung, kein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung und gegen Verfassungsrecht, Kündigung, Leitender Angestellter
Fundstellen:
LSK 2022, 36786
ZD 2023, 632
BeckRS 2022, 36786
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Aufforderung zur Erteilung von Auskünften im Rahmen des Zensus 2022 (Gebäude- und Wohnungszählung).
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Der Antragsteller ist Eigentümer des Gebäudes …, … S* … Unter dem 27. Mai 2022 forderte das Bayerische L* … (im Folgenden: L* …*) den Antragsteller auf, die nötigen Angaben zur Gebäude- und Wohnungszählung über den Online-Fragebogen zu übermitteln. Dieser Aufforderung kam der Antragsteller trotz Erinnerung vom 5. Juli 2022 mit erneuter Zusendung der Zugangsdaten für den Online-Fragebogen und Zusendung eines Papier-Fragebogens nicht nach. Mit Bescheid vom 28. September 2022 verpflichtete das L* … den Antragsteller dazu, die in den Erhebungsunterlagen zur Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2022 erfragten Angaben für alle dort aufgeführten Objekte vollständig und wahrheitsgemäß in der in Ziffer 2 des Bescheids bezeichneten Form zu übermitteln (Ziffer 1 des Bescheids). Die Auskunftserteilung könne durch Übersendung des Papier-Fragebogens an das L* … oder per Online-Meldung erfolgen (Ziffer 2). Für den Fall, dass der Antragsteller der in den Ziffern 1 und 2 festgelegten Auskunftsverpflichtung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids nicht vollständig und ordnungsgemäß nachkomme, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,- Euro fällig (Ziffer 3 des Bescheids). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, in Deutschland seien keine flächendeckenden Register vorhanden, denen man die von der Europäischen Union auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 763/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über Volks- und Wohnungszählungen geforderten Angaben für Gebäude und Wohnungen entnehmen könne. Der Gesetzgeber habe daher zur Gewinnung dieser Angaben eine so genannte primärstatistische Erhebung mittels einer schriftlichen Befragung (Gebäude- und Wohnungszählung) angeordnet. Erhebungseinheiten seien Gebäude mit Wohnraum, bewohnte Unterkünfte und Wohnungen. Die Auskunftspflicht hierzu obliege Eigentümern, Verwaltern und sonstigen Verfügungs- und Nutzungsberechtigten, § 24 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung des Zensus im Jahr 2022 (Zensusgesetz 2022 - ZensG 2022). Der Antragsteller sei für die in den beiliegenden Erhebungsunterlagen genannten Objekte als auskunftspflichtige Person in diesem Sinne ermittelt worden. Er sei deshalb im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung zur Auskunft gesetzlich verpflichtet. Die Androhung des Zwangsgeldes sei erforderlich, weil der Antragsteller den mehrmaligen Aufforderungen des Landesamts nicht nachgekommen sei. Sie stütze sich auf Art. 29 ff. des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG).
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Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10. Oktober 2022 hat der Antragsteller gegen diesen Bescheid Klage erheben lassen (B 9 K 22.956) und beantragt zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid anzuordnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, mit den im Erhebungsbogen verlangten Auskünften verletze der Antragsgegner Verfassungsrechte des Antragstellers. Insbesondere werde in dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung unzulässig eingegriffen. Geschützt werde dieses Recht des Antragstellers unter anderem durch dessen Betroffenenrechte nach der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO). Es werde insoweit Bezug genommen auf Art. 21 DSGVO, in dem das Recht auf Widerspruch gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten der betroffenen Person festgehalten sei. Art. 21 Abs. 6 DSGVO lasse hiervon nur dann eine Ausnahme zu, wenn die Verarbeitung der Daten zur Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich sei. Gemäß der Veröffentlichung des Landesamts zur Frage des Zensus 2022 werde jedoch den Betroffenen deutlich gemacht, dass das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung und auch das Recht auf Widerspruch nicht bestünden, soweit diese Rechte die Verwirklichung der statistischen Zwecke des Zensus 2022 „ernsthaft beeinträchtigen“ würden. Diese Voraussetzung, die Art. 3 Abs. 1 des Bayerischen Statistikgesetzes (BayStatG) entspreche, enthalte insoweit geringere Voraussetzungen für den Ausschluss des Widerspruchsrechts als dies in der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen sei. Allein die mögliche Beeinträchtigung der Verwirklichung statistischer Zwecke sei gerade nicht identisch mit der zwingenden Erforderlichkeit der Verarbeitung der Daten zur Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe. Insoweit werde das Widerspruchsrecht des Betroffenen auf unzulässige Art und Weise eingeschränkt. Die ihn schützenden datenschutzrechtlichen Vorschriften würden damit ausgehebelt und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Das Bundesverfassungsgericht habe sich bereits im Hinblick auf das Gesetz zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus einschließlich einer Gebäude- und Wohnungszählung 2021 (Zensusvorbereitungsgesetz 2021 - ZensVorbG 2021) mit den möglichen verfassungsrechtlichen Fragen auseinandergesetzt (B.v. 6.2.2019 - 1 BvQ 4/19 - NJW 2019, 1366). Im dortigen Eilverfahren sei ausdrücklich festgestellt worden, dass eine entsprechende, noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre. Insbesondere die Analyse und Speicherung von nicht anonymisierten oder pseudonymisierten Daten begegne Bedenken hinsichtlich der Erforderlichkeit zur Verfolgung der gesetzlichen Zwecke. Ob tatsächlich eine durchgehende Verwendung von Klardaten notwendig wäre, um diese Zwecke zu erfüllen, könne letztlich nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Dort wäre die Frage zu stellen, inwieweit die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke auch durch eine in Umfang, Form oder anderweitig begrenzte Datenübermittlung und Speicherung gleichermaßen erreicht werden könnten. Ein mögliches milderes Mittel zur Erhebung der Daten wäre gegebenenfalls eine Verwendung anonymisierter Datensätze, die durch nicht anonymisierte Stichproben ergänzt werden könnten. Diese Fragen bedürften näherer Aufklärung und könnten nicht im Rahmen eines Eilverfahrens geklärt werden. Die grundrechtlich relevanten Fragen seien bisher nicht vom Verfassungsgericht geklärt worden, weil die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen worden sei.
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Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 2. November 2022, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Datenerhebung im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung im Umfang der Erhebungs- und Hilfsmerkmale des § 10 ZensG 2022 verletze den Antragsteller nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Beim Zensus 2022 komme - wie schon beim Zensus 2011 - ein von den statistischen Ämtern des Bundes und der Länder entwickeltes Verfahren zum Einsatz, das als registergestützter Zensus bezeichnet werde. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15 - (NVwZ 2018, 1703) entschieden, dass das Zensusgesetz 2011 und die dazugehörige Stichprobenverordnung mit der enthaltenen Methodik des registergestützten Zensus verfassungskonform seien. Entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würden für den Zensus 2022 auch Erkenntnisse des Zensus 2011 zur methodischen und technischen Weiterentwicklung genutzt. Der Antragsteller verkenne bei der Heranziehung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 2019 - 1 BvQ 4/19 - (NJW 2019, 1366) offensichtlich, dass der in der Entscheidung überprüfte Antrag ausschließlich darauf gerichtet war, die sog. Pilotdatenübermittlung nach § 9a des Gesetzes zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus einschließlich einer Gebäude- und Wohnungszählung 2022 (Zensusvorbereitungsgesetz 2022 - ZensVorbG 2022) abzuwenden, die zur Prüfung der Übermittlungswege und der Qualität der Registerdaten habe dienen sollen. Gegenstand der Überprüfung sei dementsprechend auch nur die Frage gewesen, ob für die Überprüfung der Übermittlungswege nicht auch eine Übermittlung anonymisierter, pseudonymisierter oder unechter Daten ausreichen könnte. Auch die gegebenenfalls näher zu überprüfenden vom Bundesverfassungsgericht aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen bezögen sich auf die Frage, ob und in welchem Umfang eine zentrale Analyse und Speicherung zum Zweck der mit der Pilotdatensammlung verfolgten Zwecke erforderlich sei. Weiter führe die Regelung des Art. 3 BayStatG zu keiner Aushebelung oder Umgehung datenschutzrechtlicher Grundsätze. Sie basiere auf der Öffnungsklausel des Art. 89 Abs. 2 DSGVO, der eine entsprechende Einschränkung der Betroffenenrechte für statistische Zwecke durch die nationale Gesetzgebung ermögliche. Die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolge in der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2022 durch Erhebung und Heranziehung der sog. Hilfsmerkmale nach § 10 Abs. 2 ZensG 2022. Sie dienten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BStatG der technischen Durchführung von Bundesstatistiken, hätten also rein organisatorische und unterstützende Funktion. Gemäß § 31 ZensG 2022 würden die im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung erhobenen Hilfsmerkmale zum frühestmöglichen Zeitpunkt von den Erhebungsmerkmalen getrennt und gesondert aufbewahrt oder gespeichert. Sie würden gelöscht, sobald die Überprüfung der Erhebungs- und Hilfsmerkmale auf ihre Schlüssigkeit und Vollständigkeit und die Merkmalsgenerierung nach § 30 ZensG 2022 abgeschlossen seien, spätestens jedoch vier Jahre nach dem Zensusstichtag, vgl. § 31 Abs. 1 ZensG 2022. Ausschließlich anonymisierte und somit nicht mehr personenbezogene Daten würden der statistischen Auswertung zugeführt. Eine personenbezogene Auswertung hinsichtlich des privaten Kernbereichs und/oder der individuellen personenbezogenen Lebensgestaltung sei somit weder vom Gesetzgeber vorgesehen noch möglich.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakte entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet und hat deshalb keinen Erfolg.
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1. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom 10. Oktober 2022 gegen den Bescheid des L* … vom 28. September 2022 ist zulässig, insbesondere statthaft.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3a VwGO ganz oder teilweise anordnen. Der vorliegenden Klage gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung kommt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 7 BStatG keine aufschiebende Wirkung zu. Auch die Androhung eines Zwangsgelds ist gemäß Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Die im Rahmen des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass das öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt. Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen, aber auch grundsätzlich ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Der Bescheid des L* … vom 28. September 2022 erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.
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a) Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Antragstellers zur Auskunftserteilung für die Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus 2022 sind § 23 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 ZensG 2022 und § 15 BStatG.
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Aus § 15 Abs. 1 BStatG ergibt sich, dass eine natürliche Person zur Beantwortung der ordnungsgemäß gestellten Fragen verpflichtet ist, wenn die die Bundesstatistik anordnende Rechtsvorschrift eine Auskunftspflicht festlegt. Dies ist hier der Fall. Gemäß § 9 Abs. 1 ZensG 2022 führen die statistischen Ämter der Länder zum Zensusstichtag eine Gebäude- und Wohnungszählung - nach § 1 Abs. 1 ZensG 2022 als Bundestatistik - durch. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 ZensG 2022 besteht für die Erhebungen nach dem Zensusgesetz Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig für die Erhebung nach § 9 ZensG 2022 sind nach § 24 Abs. 1 Satz 1 ZensG 2022 die Eigentümerinnen und Eigentümer, die Verwalterinnen und Verwalter sowie die sonstigen Verfügungs- und Nutzungsberechtigten der Gebäude oder Wohnungen. Der Antragsteller ist als Eigentümer des Gebäudes …, … S* … auskunftspflichtig.
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b) Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung für die Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus 2022 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Sie ist sowohl gemessen an den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung als auch im Hinblick auf das Verfassungsrecht rechtmäßig. Die von Antragstellerseite diesbezüglich vorgetragenen Bedenken teilt das Gericht nicht.
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aa) Eine unzulässige Einschränkung der Betroffenenrechte nach der Datenschutz-Grundverordnung, insbesondere des Rechts des Antragstellers auf Widerspruch, liegt nicht vor.
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Im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung stehen den betroffenen Personen die Rechte nach Art. 12 bis 23 DSGVO zu. Das Widerspruchsrecht ist in Art. 21 DSGVO geregelt. Gemäß Art. 21 Abs. 6 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, gegen die sie betreffende Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken oder zu statistischen Zwecken gemäß Artikel 89 Abs. 1 DSGVO erfolgt, Widerspruch einzulegen, es sei denn, die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich. Für die Datenverarbeitung zu den genannten spezifischen Zwecken enthält die Datenschutz-Grundverordnung außerdem in Art. 89 Abs. 2 eine Öffnungsklausel, wonach die nationalen Gesetzgeber bei der Ausübung von Rechten der betroffenen Personen in Bezug auf die Verarbeitung insoweit Ausnahmen vorsehen können, als diese Rechte voraussichtlich die Verwirklichung der spezifischen Zwecke unmöglich machen oder ernsthaft beeinträchtigen und solche Ausnahmen für die Erfüllung dieser Zwecke notwendig sind. Von dieser Öffnungsklausel haben sowohl der Bund mit § 27 Abs. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) als auch das Land Bayern mit Art. 25 Abs. 4 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) für die Datenverarbeitung zu Forschungszwecken und Art. 3 Abs. 1 BayStatG für die Datenverarbeitung zu statistischen Zwecken Gebrauch gemacht. Nach Art. 3 Abs. 1 BayStatG bestehen die Rechte nach Art. 15, 16, 18 und 21 DSGVO nicht, soweit diese Rechte die Verwirklichung statistischer Zwecke ernsthaft beeinträchtigen würden. Dabei deckt sich der Wortlaut der landesrechtlichen Bestimmung teilweise mit dem der Öffnungsklausel („ernsthaft beeinträchtigen“). Zwar sieht Art. 3 Abs. 1 BayStatG entgegen dem Wortlaut der Öffnungsklausel weiter keine Ausnahme für den Fall vor, dass diese Rechte voraussichtlich die Verwirklichung statistischer Zwecke „unmöglich machen“, hierauf kann sich der Antragsteller mangels Beschwer jedoch nicht berufen. Im Übrigen ist die Abweichung insofern unbeachtlich, als jedes Unmöglichmachen wohl auch eine ernsthafte Beeinträchtigung statistischer Zwecke darstellt und damit ohnehin von der Regelung des Art. 3 Abs. 1 BayStatG erfasst ist. Die Bezugnahme auf Art. 3 Abs. 1 BayStatG im Rahmen der Information über die Betroffenenrechte in Zusammenhang mit dem Zensus 2022 auf der Homepage des L* … (vgl. https://www.statistik.bayern.de/statistik/zensus/datenschutz/index.html; abgerufen am 27.10.2022) widerspricht damit nicht den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung.
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bb) Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung für die Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus 2022 verletzt auch nicht das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung.
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Nach dem sog. Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - (BVerfGE 65, 1/43) gibt das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Der Schutz des Grundrechts ist nicht auf Informationen beschränkt, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden. Der Schutzumfang erfasst vielmehr auch personenbezogene Daten, die für sich genommen nur geringen Informationsgehalt haben. Denn auch diese können, je nach dem Ziel des Zugriffs und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, Auswirkungen auf die Privatsphäre und Verhaltensfreiheit des Betroffenen haben (BVerfG, U.v. 15.12.1983 a.a.O. S. 45). Das staatliche Informationsverlangen mit der in § 24 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 ZensG 2022 normierten Auskunftspflicht stellt einen Eingriff in dieses Recht dar. Dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind jedoch Schranken gesetzt. Einschränkungen dieses Rechts sind im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage, die überdies dem rechtstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss, beruhen und der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet sowie organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen getroffen hat, die der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirke (BVerfG, U.v. 15.12.1983 a.a.O. S. 44).
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Bezüglich der Vorschriften zur Gebäude- und Wohnungszählung im Gesetz über den registergestützten Zensus im Jahre 2011 (Zensusgesetz 2011 - ZensG 2011) hat die Rechtsprechung das Vorliegen dieser Voraussetzungen und damit die Verfassungsmäßigkeit der Auskunftspflicht bereits einhellig bestätigt (vgl. VG Berlin, B.v. 22.8.2011 - VG 6 L 1.11 - dokumentiert bei juris; VG Gießen, B.v. 23.2.2012 - 4 L 4634/11.GI - juris Rn. 9 ff.; VG Ansbach, U.v. 21.6.2012 - AN 4 K 11.02441 - juris Rn. 46 ff.; VG München, B.v. 14.8.2012 - M 7 S 11.70081 - juris Rn. 15 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat eine auf einen Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht gestützte Verfassungsbeschwerde gegen das Zensusgesetz 2011 mangels einer hinreichend substantiierten Darlegung eines Grundrechtsverstoßes nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. B.v. 21.9.2010 - BvR 1865/10 - BayVBl 2011, 109). Weiter hat es im Zusammenhang mit der Datenerhebung im Rahmen der Haushaltsstichprobe nach dem Zensusgesetz 2011 einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausdrücklich verneint (BVerfG, U.v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15 - NVwZ 2018, 1703). Anhaltspunkte dafür, dass die vorliegend streitgegenständlichen Vorschriften zum Zensus 2022 von der bisherigen Rechtsprechung abweichend zu beurteilen wären, liegen nicht vor, zumal § 24 Abs. 1 Satz 1 ZensG 2022 weitgehend mit § 18 Abs. 2 Satz 1 ZensG 2011 übereinstimmt. Auch decken sich die in § 1 Abs. 3 ZensG 2011 bzw. § 1 Abs. 3 ZensG 2022 genannten Zwecke der Erhebung im Wesentlichen und die Trennung und Löschung der Hilfsmerkmale ist in § 31 ZensG 2022 dem § 19 ZensG 2011 entsprechend geregelt.
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Soweit der Antragsteller auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 2019 - 1 BvQ 4/19 - (NJW 2019, 1366) und die darin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken Bezug nimmt, ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand dieses Verfahrens die Pilotdatensammlung durch die nach Landesrecht für das Meldewesen zuständigen Behörden und die statistischen Landesämter an das Statistische Bundesamt war, die eine Prüfung der Übermittlungswege und der Qualität der zum Zensus 2021 zu übermittelnden Daten aus den Melderegistern sowie den Test und die Weiterentwicklung der Programme für die Durchführung des Zensus 2021 ermöglichen sollte (§ 9a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 ZensVorbG 2021). Sie umfasste die nicht anonymisierten oder pseudonymisierten Meldedaten der in § 9a Abs. 1 Satz 2 ZensVorbG 2021 genannten Personen mit den in § 9a Abs. 2 bis 4 ZensVorbG 2021 genannten Merkmalen, die neben Namen und Wohnanschriften unter anderem auch Geschlecht, Staatsangehörigkeiten, Familienstand und die Zugehörigkeit zu öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften einschlossen. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens des Antragstellers ist hingegen die Aufforderung des L* … zur Auskunftserteilung für die Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus 2022. Diese unterscheidet sich von der Pilotdatenübermittlung nicht nur hinsichtlich der Merkmale, sondern auch hinsichtlich der mit der Datenverarbeitung verfolgten Zwecke. Die Erhebungsmerkmale und Hilfsmerkmale für die Gebäude- und Wohnungszählung sind in § 10 Abs. 1 und 2 ZensG 2022 geregelt; es geht nicht um die Übermittlung nicht anonymisierter oder pseudonymisierter Meldedaten. Während die Pilotdatenübermittlung nach § 9a ZensVorbG 2021 der Vorbereitung und Ermöglichung der statistischen Erhebungen zum Zensus 2021 bzw. 2022 diente, dient der Zensus 2022 nach § 1 Abs. 3 ZensG 2022 der Erfüllung der Berichtspflichten aus den Europäischen Verordnungen (vgl. Nr. 1), der Feststellung der Einwohnerzahlen von Bund, Ländern und Gemeinden und der Bereitstellung der Grundlage für die Fortschreibung der Einwohnerzahlen für die Zeit zwischen zwei Volkszählungen (Nr. 2) sowie der Gewinnung von Grunddaten für das Gesamtsystem der amtlichen Statistik sowie von Strukturdaten über die Bevölkerung als Datengrundlage insbesondere für politische Entscheidungen von Bund, Ländern und Gemeinden auf den Gebieten Bevölkerung, Wirtschaft, Soziales, Wohnungswesen, Raumordnung, Verkehr, Umwelt und Arbeitsmarkt (Nr. 3). Im Übrigen hatte sich der Gesetzgeber zur Erreichung der in § 9a Abs. 1 Satz 1 ZensVorbG 2021 genannten Zwecke bewusst gegen eine im Kontext statistischer Erhebung sonst übliche und grundsätzlich auch verfassungsrechtlich gebotene frühzeitige Anonymisierung beziehungsweise Trennung von Erhebungs- und Hilfsmerkmalen entschieden (vgl. BT-Drs. 19/3828, S. 15). Für die Auskunftserteilung zur Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus 2022 ist hingegen in § 31 Abs. 1 ZensG 2022 geregelt, dass die Hilfsmerkmale von den Erhebungsmerkmalen zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu trennen und gesondert aufzubewahren oder gesondert zu speichern sind. Diese wesentlichen Unterschiede führen dazu, dass die zur Pilotdatenübermittlung aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen grundsätzlich nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind und damit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Vorschriften des Zensusgesetz 2022 begründen können.
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c) Rechtliche Bedenken gegen die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 300,- Euro zur Durchsetzung der Auskunftsverpflichtung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die Zwangsgeldandrohung stützt sich auf Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 31 VwZVG. Bei der Auskunftserteilung handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, sodass Zwangsgeld ein geeignetes Zwangsmittel ist. Die Höhe von 300,- Euro bewegt sich im unteren Bereich des Rahmens nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG und lässt keine Ermessensfehler erkennen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).