Titel:
Nachweis eines ausreichenden Masernschutzes bei Schülern, medizinische Kontraindikation einer Masernimpfung, keine (evidente) Verfassungswidrigkeit der Nachweispflicht, Zustellung an Ehegatten, einheitliches Zwangsgeld bei gesamthandsähnlicher Pflicht der Eltern
Normenketten:
IfSG § 20 Abs. 9
IfSG § 20 Abs. 12
IfSG § 20 Abs. 13
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 44a
VwZVG Art. 8a
Schlagworte:
Nachweis eines ausreichenden Masernschutzes bei Schülern, medizinische Kontraindikation einer Masernimpfung, keine (evidente) Verfassungswidrigkeit der Nachweispflicht, Zustellung an Ehegatten, einheitliches Zwangsgeld bei gesamthandsähnlicher Pflicht der Eltern
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36782
Tenor
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 29.09.2022 wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
4. Der Antrag der Antragstellerin zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Eilverfahren wird abgelehnt.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die behördliche Aufforderung, bei ihrer minderjährigen Tochter einen ausreichenden Masernschutz bzw. eine medizinische Kontraindikation einer Masernimpfung nachzuweisen.
2
Die im Jahr 2010 geborene Tochter der geschiedenen Antragsteller besucht die Realschule … I. Mit Schreiben des Landratsamts … - Gesundheitsamt - vom 28.10.2021 wurden die Antragsteller darüber informiert, dass für ihre Tochter ein ausreichender Masernschutz bzw. die medizinische Kontraindikation einer Masernschutzimpfung nachzuweisen ist. Gleichzeitig wurden die Antragsteller zu einem Beratungsgespräch eingeladen. Da diese der Aufforderung vom 28.10.2021 nicht nachgekommen sind, wurden sie mit Schreiben vom 23.11.2021 erneut angehalten, einen entsprechenden Nachweis bis zum 31.12.2021 zu erbringen.
3
Am 16.12.2021 teilte die Antragstellerin zu 1 dem Landratsamt … telefonisch mit, bei ihrer Tochter eine Titerbestimmung vornehmen zu lassen, woraufhin den Antragstellern Fristverlängerung bis zum 16.01.2022 gewährt wurde.
4
Am 14.01.2022 informierte die Antragstellerin zu 1 das Landratsamt …, dass beabsichtigt sei, Testungen durch eine Heilpraktikerin durchzuführen, die mehrere Wochen dauern würden. Ein weiteres Fristverlängerungsgesuch lehnte das Landratsamt … ab.
5
Mit Anhörungsschreiben vom 24.08.2022 wurde den Antragstellern eine erneute Frist zur Vorlage des geforderten Nachweises bis zum 07.09.2022 gesetzt. Am 30.08.2022 beantragte die Antragstellerin zu 1 aufgrund einer Urlaubsreise eine Fristverlängerung, die ihr durch das Landratsamt … bis zum 21.09.2022 gewährt wurde.
6
Da trotz der Fristverlängerungen kein entsprechender Nachweis vorgelegt wurde, erließ das Landratsamt … mit Datum vom 29.09.2022, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 05.10.2022, folgenden Bescheid:
7
1. Frau M. C. D.und Herrn L1. C. D. wird im Hinblick auf ihre Verpflichtung zur Erbringung eines Nachweises über einen ausreichenden Masernschutz für ihre Tochter L2. C. D., geb. ....2010, Folgendes aufgegeben:
8
1.1 Ein anerkannter Nachweis über einen ausreichenden Masernschutz ist im Original beim Fachbereich Gesundheitswesen des Landratsamts … während der allgemeinen Öffnungszeiten zu erbringen.
9
1.2 Sollte die Erbringung eines Nachweises über einen ausreichenden Masernschutz nach Ziffer I. Nummer 1.1 des Bescheides für das Kind L2. C. D. nicht möglich sein, so ist ein anerkanntes ärztliches Zeugnis darüber, dass bei ihr eine Immunität gegen Masern vorliegt oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann, ebenfalls im Original beim Fachbereich Gesundheitswesen des Landratsamts … während der allgemeinen Öffnungszeiten vorzulegen.
10
2. Falls die in Ziffer I. Nr. 1 dieses Bescheides genannte Verpflichtung nicht spätestens bis zum 27.10.2022 erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR zur Zahlung fällig.
11
Zur Begründung des Bescheides wurde im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Anordnung in Ziffer I. Nr. 1 des Bescheides sei § 20 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG. Gemäß § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG hätten Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, dem Gesundheitsamt auf Anforderung einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen. Der Nachweis könne gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG wie folgt erbracht werden:
- 1.
-
Eine Impfdokumentation (…) oder ein ärztliches Zeugnis (…) darüber, dass beim Betroffenen nach den Maßgaben von § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG ein ausreichender Impfschutz gegen Masern bestehe,
- 2.
-
ein ärztliches Zeugnis, dass beim Betroffenen eine Immunität gegen Masern vorliege oder der Betroffene aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden könne, oder
- 3.
-
eine Bestätigung (…), dass ein Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 IfSG bereits vorgelegen habe.
12
Das betroffene Kind L2. C. D. werde durch eine Gemeinschaftseinrichtung i.S.d. § 33 Nr. 3 IfSG (Realschule … I) betreut und unterliege der gesetzlichen Schulpflicht. Es sei somit zwingend ein Nachweis über einen ausreichenden Masernschutz gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. Abs. 12 Satz 1 IfSG zu erbringen. Soweit eine nach § 20 Abs. 9 und 12 IfSG verpflichtete Person minderjährig sei, habe derjenige für die Einhaltung der diese Person nach § 20 Abs. 9 und 12 IfSG treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zustehe (§ 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG). Sorgeberechtigt in diesem Sinne seien vorliegend die Antragsteller. Gemäß § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG dürfe eine Person, die ab Vollendung des ersten Lebensjahres keinen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 vorlege, grundsätzlich nicht in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden. Eine Person, die der gesetzlichen Schulpflicht unterliege, dürfe jedoch - in Abweichung von § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG - in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden.
13
Die Zwangsgeldandrohung (Ziffer I. Nr. 2 des Bescheides) für die Nichterfüllung bzw. nicht rechtzeitige Erfüllung der Anordnung bis spätestens 27.10.2022 sei zulässig und zweckmäßig. Das Zwangsmittel stelle das mildeste mögliche Mitte dar, um die Personensorgeberechtigten zur Nachweispflicht anzuhalten. Die Zwangsgeldhöhe entspreche im Hinblick auf eine hochansteckende Viruserkrankung dem wirtschaftlichen Interesse des Zahlungspflichtigen.
14
Im Übrigen wird auf den Bescheid vom 29.09.2022 verwiesen.
15
Mit Schriftsatz vom 26.10.2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 04.11.2022, erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage (Az. B 7 K 22.1039) gegen den Bescheid vom 29.09.2022 und beantragt zugleich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes,
die aufschiebende Wirkung der mit diesem Schriftsatz erhobenen Klage gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 29.09.2022 anzuordnen.
16
Ferner wurde beantragt, der Antragstellerin zu 1 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu gewähren und den Unterfertigten als Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
17
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die aufschiebende Wirkung der Klage sei gem. § 80 Abs. 5 VwGO durch das Gericht anzuordnen. Das Interesse der Antragsteller an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiege gegenüber dem Vollzugsinteresse. Nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache habe dieser Aussicht auf Erfolg. Ein Nachweis einer bestehenden Masernimmunität oder ein Nachweis über eine Masernimpfung sei zwar bislang nicht vorgelegt worden und eine Titerbestimmung finde zurzeit noch statt, gleichwohl sei Ziffer 1 des Bescheides vom 29.09.2022 materiell rechtswidrig, da es an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage fehle. Die vom Antragsgegner zitierte Ermächtigungsgrundlage sei verfassungswidrig. Sie verletze die Antragsteller in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und die Tochter der Antragsteller in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Daran ändere auch der aktuelle Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2022 (Az.: 1 BvR 469/20) nichts. Mit diesem Beschluss habe das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich (Rn. 49) nur über die Regelung des Masernschutzgesetzes, sofern es Kinder betreffe, die in einer Kindertageseinrichtung betreut werden, entschieden. Ausdrücklich von der Entscheidung nicht umfasst sei die Auf- und Nachweispflicht von Schülerinnen und Schülern. Die Verfassungsbeschwerden von Eltern der der Nachweispflicht unterliegenden Schülern seien bislang durch das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden (Az.: 1 BvR 2700/20). Der Ausgang dieser Verfassungsbeschwerden sei noch völlig offen. Ein wesentliches Argument des Bundesverfassungsgerichts, welches letztlich für die Verfassungsmäßigkeit der Masernimpfpflicht für Kindergartenkinder gesprochen habe, sei, dass das Gewicht des Eingriffs in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dadurch abgemildert werde, dass die angegriffenen Maßnahmen die Freiwilligkeit der Impfentscheidung der Eltern als solche nicht aufheben würden und diesen damit die Ausübung der Gesundheitssorge für ihre Kinder im Grundsatz belassen bleibe. Sorgeberechtigte Eltern könnten auf eine Schutzimpfung des Kindes verzichten. Dann müssten sie allerdings den Nachteil in Kauf nehmen, dass sie eine andere Form der Kinderbetreuung finden müssten. Diese Überlegung greife jedoch bei schulpflichtigen Kindern nicht. Aufgrund der allgemeinen Schulpflicht könnten sorgeberechtigte Eltern bei Schülern nicht einfach entscheiden, dass ihr Kind zu Hause bleibe bzw. zu Hause unterrichtet werde. Damit stelle die Masernimpfungsnachweispflicht für Schüler einen erheblich schwerwiegenderen Eingriff in die oben genannten Grundrechte dar, als bei Kindergartenkindern. Aus diesem Grund verstoße die Nachweispflicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Eingriff sei nicht angemessen.
18
Auch die Ziffer 2 des Bescheides sei materiell unrechtmäßig, da die Zwangsgeldfestsetzung gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Androhung von Zwangsgeld sei im vorliegenden Fall verfassungswidrig. Sie greife ebenfalls in das Elterngrundrecht ein. Dieser Eingriff sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Wie das Bundesverfassungsgericht in der aktuellen Entscheidung vom 21.07.2022 in der Rn. 263 ausführe, habe der Gesetzgeber keine mit Zwang durchsetzbare Impfpflicht gegen Masern statuiert. Den Eltern bleibe die Impfentscheidung weitgehend belassen. Ähnlich äußere sich das Bundesverfassungsgericht in Rn. 145. Mit diesen Ausführungen lasse sich die Androhung von Zwangsgeld nicht vereinbaren. Zwar diene die Androhung von Zwangsgeld hier unmittelbar nur der Durchsetzung einer Nachweispflicht. Letztlich laufe es mittelbar jedoch auf die Durchsetzung einer nichtvorhandenen Impfpflicht hinaus.
19
Mit Schriftsatz vom 09.11.2022 beantragt das Landratsamt … für den Antragsgegner, den Antrag auf gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuweisen.
20
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag auf gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sei zulässig, aber unbegründet. Im Rahmen der Interessensabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO seien die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen und ein starkes Indiz für die Abwägungsentscheidung. Ein Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG sei bislang nicht vorgelegt worden. Im Übrigen werde vollumfänglich auf den Bescheid vom 28.09.2022 (wohl gemeint 29.09.2022) Bezug genommen. Das Landratsamt … halte daher an der Vorlage eines entsprechenden Nachweises, wie im Bescheid vom 28.09.2022 genannt, fest. Gemäß § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG habe die Klage gegen die Anordnung kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Eine gesonderte Anordnung durch die Verwaltungsbehörde habe demnach nicht erfolgen müssen.
21
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
22
Der am 04.11.2022 bei Gericht eingegangene Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt ohne Erfolg. Er ist zwar zulässig (hierzu 1.), aber in der Sache unbegründet (hierzu 2.).
23
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig.
24
Er ist insbesondere gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG bzw. Art. 21a VwZVG statthaft.
25
Die Klage gegen die Grundverfügung (Ziff. I. Nr. 1 des Bescheides vom 29.09.2022) hat jedenfalls seit der Neufassung des § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG vom 16.09.2022 - gültig ab dem 17.09.2022 (BGBl. I, S. 1454) - keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG hat die Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach § 20 Abs. 12 Satz 1 oder Satz 2 IfSG erlassene Anordnung keine aufschiebende Wirkung. Die mit Bescheid vom 29.09.2022 angeordnete Nachweispflicht findet ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 12 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 und Abs. 13 IfSG, so dass die Anordnung kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) sofort vollziehbar ist.
26
Gleiches gilt für die Klage gegen die unter Ziff. I. Nr. 2 des Bescheids verfügte Zwangsgeldandrohung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG).
27
Der Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die angeordnete Nachweispflicht steht auch § 44a VwGO nicht entgegen. Nach § 44a Satz 1 VwGO - der auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gilt - können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden, wobei dies nicht gilt, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können (vgl. § 44a Satz 2 VwGO). Vorliegend wurden die Antragsteller verpflichtet, für ihre schulpflichtige Tochter einen Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen. Zugleich wurde eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme für den Fall der Nichtbefolgung der Grundverfügung angedroht. Durch den streitgegenständlichen Bescheid sind daher die sorgeberechtigten Antragsteller unmittelbar in materiellen Rechtspositionen beschwert. Insbesondere handelt es sich vorliegend - anders als in der vom BayVGH mit Beschluss vom 29.12.2021 (Az.: 20 CE 21.2778 - juris) entschiedenen Konstellation - bei der angeordneten Nachweispflicht nicht um eine unselbständige Verfahrenshandlung in einem „Betretungsverbotsverfahren“, sondern um einen eigenständigen Verwaltungsakt, der kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist und dessen Vollstreckung mit Mitteln des Verwaltungszwangs angedroht wurde (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 7.7.2021 - 25 CS 21.1651 - juris Rn. 9 ff.; OVG Magdeburg, B.v. 21.10.2021 - 3 M 134.21 - juris Rn. 12 ff.). Im Übrigen kommt im vorliegenden Fall der schulpflichtigen Tochter der Antragsteller ein „nachfolgendes“ Betreuungsverbot gem. § 20 Abs. 9 Satz 6 und 9 IfSG ohnehin nicht in Betracht. Von daher bedarf es auch keiner weitergehenden Auseinandersetzung mit der Frage, ob nicht bereits die gem. § 73 Abs. 1a Nr. 7d IfSG statuierte Bußgeldbewährung bei Nichtvorlage des Nachweises eine unselbständige Verfahrenshandlung im Sinne des § 44 VwGO ausschließt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 29.12.2021 - 20 CE 21.2778 - juris Rn. 6).
28
Letztlich fehlt dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil im Zeitpunkt der Antragstellung die Erfüllungsfrist (hier: 27.10.2022) bereits abgelaufen war und damit das Zwangsgeld bereits fällig geworden (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG) ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage - soweit diese erfolgt - wirkt nämlich grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts zurück, so dass auch eine etwaig eingetretene Fälligkeit des Zwangsgeldes bei positivem Ausgang des Eilverfahrens rückwirkend entfällt (vgl. BVerwG, U.v. 20.01.2016 - 9 C 1.15 - juris Rn. 14 ff.; OVG Greifswald, B.v.16.03.2020 - 1 M 263.19 OVG - juris Rn. 8).
29
2. Das Eilverfahren bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
30
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine eigenständige und originäre Interessenabwägung zwischen dem - in § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG bzw. Art. 21a VwZVG zum Ausdruck gelangten - gesetzlichen Vollzugsinteresse des Antragsgegners und dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller zu treffen. Bei dieser gerichtlichen Ermessensentscheidung kommt vor allem den - nach dem Wesen des Eilverfahrens nur summarisch zu prüfenden - Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 6.7.1994 - 1 VR 10.93 -juris Rn. 5). Wird bei einer derartigen summarischen Prüfung der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird dem Antrag regelmäßig zu entsprechen sein. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags.
31
Unter Heranziehung dieser Grundsätze überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der Vollziehung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Die Klage in der Hauptsache wird voraussichtlich erfolglos bleiben, da bei der hier allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Gerichts, insbesondere bei Würdigung des Sachvortrags der Antragsteller, der Bescheid des Antragsgegners vom 29.09.2022 nicht zu beanstanden ist.
32
a) Die unter Ziff. I. Nr. 1 verfügte „Nachweispflicht“ erweist sich bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig.
33
Obwohl die Tenorierung unter Ziff. I etwas „umständlich“ erscheint und es unter Ziff. I Nr. 1.1 statt „Masernschutz“ wohl sachgerechter „Masernimpfschutz“ heißen müsste, ist die Grundverfügung hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. In Zusammenschau mit den Bescheidsgründen (dort unter II.), in denen auf § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG und den dortigen Nachweismöglichkeiten abgestellt wird, ergibt sich unmissverständlich, dass die Antragsteller verpflichtet sind, einen Nachweis über einen ausreichenden Masernschutz bei ihrer Tochter zu erbringen, nämlich entweder durch die Vorlage eines „Impfnachweises“ im Sinne des § 20 Abs. 9 Nr. 1 IfSG oder durch die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses, dass bei der Tochter der Antragsteller eine Immunität gegen Masern vorliegt (§ 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG). Alternativ kann auch ein ärztliches Zeugnis darüber, dass eine Masernimpfung aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht möglich ist (§ 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 2. Alt. IfSG), vorgelegt werden.
34
Rechtsgrundlage für die so zu verstehende Anordnung der Nachweispflicht ist § 20 Abs. 13 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 7.7.2021 - 25 CS 21.1651 - juris Rn. 9; VG Ansbach, B.v. 5.11.2021 - AN 18 S 21.1884 - juris Rn. 27). Demnach haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 betreut werden, dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen (§ 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG). Soweit - wie hier - die verpflichtete Person minderjährig ist, hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht (§ 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG). Dabei hat der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG nicht nur eine Vertretung des Kindes durch den Personensorgeberechtigten, sondern eine Übertragung der Verpflichtung auf den Sorgeberechtigten statuiert (BayVGH, B.v. 6.10.2021 - 25 CE 21.2383 - juris Rn. 8).
35
Bei summarischer Prüfung liegen die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 13 Satz 1 IfSG vor. Die zwölfjährige Tochter der Antragsteller besucht die Realschule … I und wird daher in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut, nämlich in einer Einrichtung gem. § 33 Nr. 3 IfSG (Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen). Ein Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG ist bis heute unstreitig nicht vorgelegt worden. Die Antragsteller haben weder einen „Impfnachweis“ erbracht, noch ein ärztliches Zeugnis dahingehend vorgelegt, dass bei ihrer Tochter eine Immunität gegen Masern vorliegt bzw. dass diese aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden könne. Auch eine Bestätigung im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 IfSG wurde ersichtlich nicht vorgelegt. Die Antragstellerin zu 1 teilte dem Antragsgegner lediglich im Dezember 2021 mit, bei der schulpflichtigen Tochter eine Titerbestimmung vornehmen zu lassen, die bis heute jedoch nicht vorgelegt wurde. Trotz mehrmaliger Aufforderungen und Fristsetzungen sind die Antragsteller der gesetzlichen Nachweispflicht nicht nachgekommen, so dass seitens des Gerichts keinerlei Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der nunmehr mittels Bescheid eingeforderten Nachweispflicht bestehen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass - trotz der Nichtvorlage des Nachweises - bei Schülern kein Betreuungsverbot besteht bzw. ausgesprochen werden darf (vgl. § 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG). Aus schulorganisatorischen Gründen besteht dennoch ein gewichtiges Interesse der Einrichtungsleitung bzw. des Gesundheitsamts, verbindlich über einen etwaigen Masernschutz der Betreuten Kenntnis zu haben.
36
Soweit sich die Antragsteller auf die Verfassungswidrigkeit der geforderten Nachweispflicht gegenüber schulpflichtigen Kindern berufen, teilt das Gericht diese Einschätzung nicht. Insoweit ist bereits wiederholt fachgerichtlich entschieden, dass die durch das Masernschutzgesetz eingeführten Bestimmungen des § 20 Abs. 8 bis 14 IfSG jedenfalls nicht derart offensichtlich verfassungswidrig sind, dass ihre Nichtanwendung im Eilverfahren in Betracht käme (vgl. zu den Voraussetzungen der Nichtanwendung eines formellen Gesetzes im Eilverfahren: BayVGH, B.v. 7.7.2021 - 25 CS 21.1651 - juris Rn. 10; VG Ansbach, B.v. 5.11.2021 - AN 18 S 21.1884 - juris Rn. 28/29; OVG Münster, B.v. 22.7.2022 -
13 B 1466.21 - juris Rn. 71 ff.). Die Verfassungswidrigkeit der Nachweispflicht für schulpflichtige Kinder ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2022 (Az. 1 BvR 469/20). Soweit mit der Antragsbegründung vorgetragen wird, im Beschluss vom 21.07.2021 würden nur die Regelungen des Masernschutzgesetzes, als sie Kinder beträfen, die in einer Kindertageseinrichtung oder in einer nach § 43 Abs. 1 SGB VIII erlaubnispflichtigen Kindertagespflege betreut werden, als verfassungsgemäß erachtet, folgt nicht ohne Weiteres - gewisser Maßen in einer Art „Umkehrschluss“ -, dass die Nachweispflicht bei betroffenen Schülern verfassungswidrig ist. In der zitierten Rn. 49 des Beschlusses vom 21.07.2022 stellt das Bundesverfassungsgericht vielmehr nur klar, dass Gegenstand der dort entschiedenen Verfassungsbeschwerde nur die Regelungen des Masernschutzgesetzes für Kinder, die in einer Kindertageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege betreut werden, sind. Auch aus der zitierten Rn. 145 des vorstehenden Beschlusses vermag das Gericht keine offenkundige Verfassungswidrigkeit der „Nachweispflicht“ bei Schulkindern zu erkennen. Insoweit führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass keine mit Zwang durchsetzbare Impfpflicht bestehe. Vielmehr verbleibe den für die Ausübung der Gesundheitssorge zuständigen Eltern im Ergebnis ein relevanter Freiheitsraum, da diese auf eine Schutzimpfung verzichten könnten, dann allerdings den Nachteil in Kauf nehmen müssten, eine andere Form der Kinderbetreuung zu finden. Soweit die Antragsteller meinen, die „Masernimpfungsnachweispflicht“ für Schüler stelle einen erheblich schwerwiegenderen Eingriff in die Grundrechte dar, als es bei Kindergartenkindern der Fall sei, da aufgrund der allgemeinen Schulpflicht die Eltern nicht einfach entscheiden könnten, ob ihr Kind zu Hause bleibe bzw. zu Hause unterrichtet werde, ist dies ebenfalls kein Indiz für eine offensichtliche Verfassungswidrigkeit der Nachweisverpflichtung bei schulpflichtigen Kindern. Im Gegenteil, anders als bei „Kindergartenkindern“, die bzw. deren Sorgeberechtigte der Nachweispflicht nicht nachkommen und denen dann gem. § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG ein Betreuungsverbot droht, dürfen schulpflichtige Kinder - trotz der Nichtvorlage des geforderten Nachweises - gem. § 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG gerade nicht vom Unterricht ausgeschlossen werden. Letztlich ergibt sich auch aus Randnummer 163 des Beschlusses vom 21.07.2022 keine evidente Verfassungswidrigkeit der Nachweispflicht bei schulpflichtigen Kindern. Insoweit wird zwar hinsichtlich der unterschiedlichen Rechtsfolgen bei ausbleibendem Nachweis bei „Kindergartenkindern“ einerseits und schulpflichtigen Kindern andererseits differenziert, es wird jedoch vom Bundesverfassungsgericht gerade auch ausgeführt, dass ein Betreuungsverbot bei schulpflichtigen Kindern zu einer Impfpflicht gegen Masern führen würde, die der Gesetzgeber gerade nicht statuiert habe und dementsprechend - da auch hier der Gesetzgeber den Eltern die Impfentscheidung weitgehend belassen wollte - es konsequent sei, dass die Schulpflicht Vorrang vor der Auf- und Nachweispflicht habe.
37
Die unter Ziffer I. Nr. 1 angeordnete Nachweispflicht ist daher im Eilverfahren rechtlich nicht zu beanstanden.
38
b) Die unter Ziffer I. Nr. 2 erfolgte Zwangsgeldandrohung gemäß Art. 36 i.V.m. Art. 31 VwZVG für die nicht fristgerechte Erfüllung der Nachweispflicht ist ebenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
39
Zwar hat das Gericht gewisse Bedenken dahingehend, ob die förmliche Zustellung des Bescheids, die jedenfalls hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung gem. § 36 Abs. 7 Satz 1 zwingend gesetzlich vorgeschrieben ist, vorliegend gem. Art. 8a VwZVG nur mittels einer Ausfertigung an den „…“ erfolgen konnte. Laut Antragschrift und den ergänzenden Ausführungen der Antragstellerseite im Schriftsatz vom 08.11.2022 sind die Antragsteller nämlich geschieden. Im Übrigen bestand zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses bzw. zum Zeitpunkt dessen Zustellung offensichtlich keine gemeinsame Anschrift der Antragsteller zu 1 und zu 2 (mehr). Von daher spricht einiges dafür, dass jedem Antragsteller eine eigene Ausfertigung des Bescheids hätte zugestellt werden müssen. Soweit man insoweit von einem Zustellungsmangel ausgeht, ist dieser jedenfalls geheilt bzw. unbeachtlich geworden. Nach Art. 9 VwZVG gilt - soweit sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist - es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Vorliegend bedarf es keiner weitergehenden Ermittlungen dahingehend, wann den Antragstellern der Bescheid vom 29.09.2022 jeweils konkret zugegangen ist. Jedenfalls ist ein etwaiger Zustellungsmangel unbeachtlich geworden, da die Antragsteller einen statthaften Rechtsbehelf gegen den Bescheid eingelegt haben, ohne den Mangel der Zustellung zu rügen (BayVGH, U.v. 4.6.2013 - 12 B 13.183 - juris Rn. 17/18; Loscher in: Wernsmann, BayVwZVG, 1. Aufl. 2020, Art. 9 Rn. 12; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 41 Rn. 79 m.w.N.).
40
Der Rechtmäßigkeit der Ziffer I. Nr. 2 des Bescheids vom 29.09.2022 steht ferner nicht entgegen, dass ein (einheitliches) Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht wurde. Die Zwangsgeldandrohung ist dennoch hinreichend bestimmt und verstößt nicht gegen § 36 Abs. 5 VwZVG bzw. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Vorliegend handelt es sich um einen an beide Antragsteller als Eltern gerichteten Bescheid mit dem - ausweislich der Adressierung und Tenorierung - beide Antragsteller als Vollstreckungsschuldner herangezogen werden. Obwohl lediglich ein Betrag (500,00 EUR) genannt wird, ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner ein ggf. fällig werdendes Zwangsgeld zweimal, nämlich jeweils von der Antragstellerin zu 1 und vom Antragsteller zu 2, fordern will. Vielmehr ist in der vorliegenden Konstellation von einer Gesamtschuld auszugehen, da auch die zugrundeliegende Grundverfügung (Erfüllung der Nachweispflicht) gem. § 20 Abs. 13 IfSG an beide Antragsteller als sorgeberechtigte Personen gerichtet ist. Es handelt sich mithin um eine von den Eltern rechtlich nur gemeinschaftlich ausübbare und in diesem Sinne gesamthandsähnliche Pflicht, die Ausfluss des gem. § 1629 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BGB beiden Elternteilen gemeinschaftlich zustehenden Sorgerechts ist (vgl. VG München, B.v. 10.2.2022 - M 3 S 22.567 - juris Rn. 40; VG Köln, U.v. 15.10.2008 - 10 K 21.50/08 - juris Rn. 22 ff.).
41
Soweit die Antragsteller der Auffassung sind, (auch) die Androhung des Zwangsgeldes sei im vorliegenden Fall verfassungswidrig, folgt das Gericht dem nicht. Insoweit nehmen die Antragsteller Bezug auf Randnummer 263 (wohl gemeint Randnummer 163) des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2022, wo ausgeführt sei, dass der Gesetzgeber keine mit Zwang durchzusetzende Impfpflicht gegen Masern statuiert habe und den Eltern die Impfentscheidung weitgehend belassen bleibe. Warum aufgrund dieser Ausführungen die Androhung von Zwangsgeld im vorliegenden Fall verfassungswidrig sein soll, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Vielmehr führt auch die Antragstellerseite zutreffend aus, dass vorliegend die Androhung des Zwangsgeldes unmittelbar nur der Durchsetzung der Nachweispflicht - nur diese wurde angeordnet -, aber nicht einer Impfpflicht dient.
42
Soweit weiter ausgeführt wird, dass die Zwangsgeldbewährung der Nachweispflicht mittelbar auf die Durchsetzung einer nicht vorhandenen Impfpflicht hinauslaufe, führt dies ebenfalls nicht zur Verfassungswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung der gegenständlichen Nachweispflicht. Das Zwangsgeld als „Beugemittel“ ist geeignet die Antragsteller anzuhalten, ernsthafte Überlegungen dahingehend anzustellen, die geforderte Nachweispflicht doch noch zu erfüllen. Insbesondere kann die Nachweispflicht nicht nur durch eine „Impfbescheinigung“ erbracht werden, sondern auch durch ein ärztliches Zeugnis, dass eine Immunität gegen Masern vorliegt oder eine Impfung aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht möglich ist. Insoweit haben die Antragsteller sogar wiederholt vorgetragen, eine Antikörperbestimmung vornehmen zu lassen bzw. dass diese zur Zeit noch stattfinde. Daher hält die Kammer das angedrohte Zwangsmittel auch für erforderlich, damit sich die Eltern noch einmal bzw. offensichtlich erstmals ernsthaft mit der gesetzlichen Nachweispflicht befassen.
43
Soweit sich die Antragsteller auf einen Beschluss des OVG Lüneburg vom 22.06.2022 - 14 NE 258/22 - „zur COVID-19 Impfnachweispflicht“ berufen, ist lediglich darauf hinzuweisen, dass nach dem vorstehenden Beschluss zwar keine Ermächtigungsgrundlage besteht, jemanden zu einer (COVID-19-)Impfung zu verpflichten und erst recht keine Befugnis besteht, eine solche Verpflichtung mittels eines Zwangsgeldes im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen (siehe dort Rn. 15). Eine Rechts- bzw. Verfassungswidrigkeit der „Nachweispflicht“ wird dagegen mit keinem Wort erwähnt. Im Gegenteil, in Rn. 22 scheint auch das dortige Gericht davon auszugehen, dass die Vorlage eines entsprechenden Nachweises mittels Verwaltungsakt angeordnet und die Vorlagepflicht insbesondere mit Zwangsgeld durchgesetzt werden kann.
44
c) Die Klage in der Hauptsache wird daher aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist deshalb abzulehnen.
45
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und § 159 VwGO (vgl. auch BayVGH, B.v. 7.7.2021 - 25 CS 21.1651 - juris). Die Festsetzung des Streitwerts beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
46
4. Der Antrag der Antragstellerin zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes war abzulehnen, da aus den vorstehenden Gründen die beabsichtigte Rechtsverfolgung jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).