Inhalt

Anwaltsgerichtshof München, Urteil v. 12.07.2022 – BayAGH III – 4 - 13/2021
Titel:

Bemessung der Vergütung eines Kanzleiabwicklers

Normenketten:
BRAO § 55 Abs. 3
BRAO § 53 (idF bis zum 1.8.2021)
Leitsätze:
1. Für die Bemessung der Vergütung des Kanzleiabwicklers sind im Wesentlichen der Zeitaufwand, den der Abwickler für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, seine berufliche Erfahrung und Stellung sowie die Schwierigkeit und Dauer der Vertretung von Bedeutung. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anhaltspunkt für die Bemessung ist das Gehalt, das für einen Angestellten oder sogenannten freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis bei Berücksichtigung regionaler Unterschiede bezahlt wird; darauf, ob die abzuwickelnde Kanzlei oder die Abwicklung eine "angemessene Vergütung" erwirtschaftet hat, kommt es nicht an. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kanzleiabwickler, Vergütung, Bemessung
Fundstellen:
BRAK-Mitt 2022, 277
BeckRS 2022, 36679
LSK 2022, 36679
NJOZ 2023, 148

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2020, Az. P 1128, wird dahingehend abgeändert, dass die dem Beigeladenen zu 1 auf seinen Antrag hin zu gewährende Abwicklervergütung gemäß § 55 Abs. 3 iVm § 53 Abs. 10 BRAO a.F. auf ? 57.796,06 brutto festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 85%, die Beklagte und der Beigeladene zu 1 als Gesamtschuldner 15%.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf ? 32.838,66 festgesetzt.
V. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Höhe der von der Beklagten für die Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei festgesetzten Abwicklervergütung.
2
Die Klägerin ist die Ehefrau, der Beigeladene zu 2 der Sohn des am 3. November 2018 überraschend verstorbenen Rechtsanwalts ; sie sind seine Miterben zu je 1/2.
3
Zum Zeitpunkt seines Todes betrieb Rechtsanwalt  eine vorwiegend auf Fälle aus dem Asyl- und Ausländerrecht spezialisierte Einzelkanzlei. Rechtsanwalt  hatte in fast allen laufenden Akten bereits Vorschusszahlungen in der Regel in Höhe der vereinbarten Vergütung vereinnahmt; seine Aktenführung war sehr gründlich und umfangreich. Die Kanzlei hatte im Jahr 2016 Betriebseinnahmen in Höhe von € 266.172,35 und einen steuerpflichtigen Gewinn von € 154.714,66 erzielt, im Jahr 2017 Betriebseinnahmen in Höhe von € 310.896,67 und einen steuerpflichtigen Gewinn von € 192.952,28 sowie im Jahr 2018 bis zum 7. November 2018 Betriebseinnahmen von € 228.143,92 und einen Jahresüberschuss in Höhe von € 128.484,66.
4
Mit Verfügung der Beklagten vom 29. November 2018 wurde der Beigeladene zu 1 zunächst bis einschließlich 28. Februar 2019 zum Abwickler der Kanzlei bestellt. Der Beigeladene zu 1 war zum damaligen Zeitpunkt als selbständiger Fachanwalt für Migrationsrecht in Bürogemeinschaft tätig und übernahm im Januar oder Februar 2019 darüber hinaus einen Lehrauftrag an einer privaten Hochschule, der mit einer Lehrverpflichtung von 96 Stunden pro Semester bereits für das laufende Wintersemester einherging.
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Mit Schreiben vom 28. Februar 2019 bat der Beigeladene zu 1 die Beklagte unter Vorlage von auf einzelne Mandate bezogene Stundenaufstellungen um Verlängerung seiner Abwicklerbestellung. Er führte aus, dass rund 200 Fälle bei den Verwaltungsgerichten, den Ausländerbehörden und diversen anderen Behörden anhängig seien und wöchentlich rund 10 Mandantengespräche stattfänden. Neue Mandate würden nicht angenommen. Zwar habe der Aktenstau bis Ende Januar 2019 aufgearbeitet werden können - seit Übernahme der Abwicklung habe er rund 430 Arbeitsstunden aufgewendet - allerdings sei absehbar, dass die Abwicklung, sofern die Erben keinen Käufer für die Kanzlei finden könnten, noch viele Monate andauern werde. Die Beklagte verlängerte hierauf die Abwicklerbestellung mit Schreiben vom 7. März 2019 bis einschließlich 31. Mai 2019.
6
Mit Schreiben vom 3. Mai 2019 beantragte der Beigeladene zu 1 die weitere Verlängerung der Abwicklerbestellung und gab an, dass noch über 150 Fälle bei Gerichten und Behörden anhängig seien; es fänden wöchentlich Mandantengespräche statt, laufend seien 10 bis 20 Akten zu bearbeiten. Der Arbeitsaufwand in den Monaten März und April 2019 habe je rund 80 Stunden betragen. Sollte in den nächsten Monaten kein Käufer gefunden werden, werde die Kanzlei zum 31. August 2019 geschlossen; es sei geplant, dass zu diesem Zeitpunkt auch die Abwicklung beendet sein werde. Hierauf verlängerte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Mai 2019 die Bestellung bis einschließlich 31. August 2019.
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Mit Kanzleiübergabevertrag vom 12. Juni 2019 übertrugen die Klägerin und der Beigeladene zu 2 als Erben die Kanzlei auf einen anderen Rechtsanwalt, worauf die Beklagte die Abwicklerbestellung des Beigeladenen zu 1 mit Bescheid vom 25. Juni 2019 mit Wirkung zum 12. Juni 2019 aufhob.
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Eine Vergütungsvereinbarung über die Abwicklung ist zwischen den Erben und dem Beigeladenen zu 1 nicht zustande gekommen.
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Mit Antrag vom 22. November 2019 (korrigiert mit Schreiben vom 24. Januar 2020) bzw. vom 24. April 2020 beantragte der Beigeladene zu 1 unter Beifügung einer jeweils mandatsbezogenen, nach Bearbeitungsdatum aufgeschlüsselten Stundenaufstellung und Tätigkeitsbeschreibung bei der Beklagten die Festsetzung einer Abwicklervergütung in Höhe von ? 62.838,16 brutto. Er berechnete die begehrte Vergütung unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von ? 80,00 zzgl. USt und gab an, insgesamt 660,07 Stunden aufgewendet zu haben (Dezember 2018 165,92 h, Januar 2019 188,09 h, Februar 2019 111,38 h, März 2019 88,42 h, April 2019 81,67 h, Mai 2019 10,42 h, Juni 2019 14,17 h). Der angesetzte Stundensatz stelle den durchschnittlichen anwaltlichen Stundensatz dar, wobei berücksichtigt werden müsse, dass es sich bei der abgewickelten Kanzlei um eine auf das Migrationsrecht spezialisierte Kanzlei gehandelt habe und er für die Abwicklung als Fachanwalt für Migrationsrecht besonders qualifiziert gewesen sei.
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Die im Festsetzungsverfahren von der Beklagten angehörte Klägerin wies mit Schreiben vom 30. Juni 2020 auf finanzielle Schwierigkeiten nach dem Tod ihres Mannes hin und hielt den Ansatz eines Stundensatzes von ? 20,00 für die vom Abwickler geleisteten 660 Stunden für angemessen.
11
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2020, Az. P 1128, den Erben jeweils zugestellt am 15. Dezember 2020, setzte die Beklagte die Vergütung für die Abwicklertätigkeit antragsgemäß auf ? 52.805,60 netto, mithin ? 62.838,66 brutto fest. Zur Begründung führte sie aus, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Festsetzung der angemessenen Vergütung in erster Linie der Zeitaufwand zugrunde zu legen sei, sodann die berufliche Erfahrung und Stellung des Abwicklers und schließlich die Schwierigkeit und Dauer der Abwicklung (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2003, AnwZ (B) 62/02, juris). Vorliegend habe es sich um eine umfangreiche, deutlich über 200 Fälle umfassende Abwicklung aus einem höchst spezialisierten, umfangreichen Rechtsgebiet gehandelt. Der Abwickler habe 139 Fälle bearbeitet. Die Klägerin habe den Umfang der Abwicklung und die Stundenaufstellung nicht angezweifelt; letztere sei auch plausibel. Die Zugrundelegung eines Stundensatzes sei für - wie hier vorliegend - überschaubare Tätigkeiten und Zeiträume als Vergütungsmaßstab geeignet, der angesetzte Stundensatz angesichts der Schwierigkeit und des Aufwands der Abwicklung angemessen.
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Mit ihrer am 8. Januar 2021 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung dieses Bescheids, soweit ein Vergütungsanspruch des Beigeladenen zu 1 von über ? 30.000,00 festgesetzt wurde. Sie macht geltend, dass die Abwicklung nicht besonders schwierig gewesen sei, da der Abwickler eine gründliche, aktuelle Aktenführung und eine funktionierende Büroorganisation vorgefunden habe. Die vom Abwickler behauptet geleisteten Stunden würden mit Nichtwissen bestritten. Die Beklagte habe fehlerhaft eine Abrechnung auf Stundenbasis zugelassen; tatsächlich sei eine Monatspauschale auf der Basis des Gehalts eines berufserfahrenen, entsprechend qualifizierten freien Mitarbeiters anzusetzen.
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Hinzu komme, dass der angenommene Stundensatz von ? 80,00 deutlich zu hoch sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass sich auf dieser Basis unter Annahme einer durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit von 174 Stunden ein monatliches Honorar von ? 13.920,00 und ein Jahresgehalt von ? 167.040,00 errechne; dies liege eindeutig über dem durchschnittlichen Verdienst eines freien Mitarbeiters einer Anwaltskanzlei mit Schwerpunkt Migrationsrecht im Landgerichtsbezirk Augsburg. Ein solcher Mitarbeiter erhalte monatlich allenfalls zwischen ? 7.000,00 und ? 8.000,00. Der Ansatz eines solchen Stundensatzes würde auch dazu führen, dass der monatliche Verdienst des Abwicklers - der kein Unternehmerrisiko zu tragen gehabt habe - über dem von Rechtsanwalt  mit seiner über 30-jährigen Berufserfahrung liegen würde; Rechtsanwalt habe im Jahr 2018 bis zu seinem Versterben einen Überschuss von nur ? 128.484,66 erzielt. Im Übrigen sei die Übernahme einer Kanzleiabwicklung Berufspflicht, weshalb im Einzelfall eine nur verminderte Vergütung hinzunehmen sei.
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Die Klägerin beantragt,
Der Bescheid der Beklagten vom 10.12.2020, P 11128 wird aufgehoben, soweit ein einen Betrag von ? 30.000,00 übersteigender Vergütungsanspruch festgesetzt wird.
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Die Beklagte beantragt
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Die Klage wird abgewiesen.
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Sie vertritt weiterhin die Ansicht, dass die festgesetzte Vergütung angemessen iSv §§ 55 Abs. 3 Satz 1, 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO sei. Der Abwickler sei als Fachanwalt für Migrationsrecht ausgewiesener Spezialist auf den Gebieten des Asyl- und Ausländerrechts. Es habe sich um eine kurzfristig anstehende, sehr umfangreiche Abwicklung gehandelt. Die Klägerin habe im Festsetzungsverfahren die detaillierte und nachvollziehbare Stunden- und Tätigkeitsaufstellung des Abwicklers nicht angezweifelt. Der Ansatz einer Stundenpauschale sei nicht zu beanstanden, denn die Abwicklung sei nur über einen überschaubaren Zeitraum geführt worden. Dass die Abwicklung in dieser Zeit erfolgreich abgeschlossen werden habe können, sei dem hohen Einsatz des Abwicklers zu verdanken gewesen. Setze man die festgesetzte Vergütung ins Verhältnis zu den 139 bearbeiteten Mandaten, belaufe sich der durchschnittliche Betrag pro Mandat auf ? 452,08 und liege damit unterhalb einer Vergütung nach dem RVG für eine einfache außergerichtliche Angelegenheit in Migrationsverfahren. Denn für solche Verfahren betrage das Honorar bei Zugrundelegung einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr regelmäßig ? 492,54.
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Das Honorar sei auch im Vergleich zu einer monatlichen Pauschalvergütung nicht unangemessen. Denn als Abwickler sei nur ein im betreffenden Rechtsgebiet besonders qualifizierter Rechtsanwalt in Betracht gekommen. Der festgesetzte Stundensatz von ? 80,00 für einen Fachanwalt mit mehrjähriger Berufungserfahrung werde auch von der Rechtsprechung als angemessen erachtet und bewege sich innerhalb des im Kammerbezirk üblichen Rahmens von ? 50,00 bis ? 100,00 für die Festlegung der Stundenvergütung.
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Mit Beschluss vom 17. März 2021 (Bl. 17 f.) wurden der Abwickler Rechtsanwalt Prof. Dr. sowie der Sohn und Miterbe des verstorbenen Rechtsanwalts zum Verfahren beigeladen.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übergebenen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2022 Bezug genommen.
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Der Senat hat den Beigeladenen zu 1 in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2022 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird ebenfalls auf das Sitzungsprotokoll vom 12. Juli 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die erhobene Klage ist als Anfechtungsklage statthaft, § 112c BRAO, 42 Abs. 1, 1. Alt.
23
VwGO (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2018, AnwZ (Brfg) 6/17, DStRE 2019, 62 Rn. 14) und auch sonst zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben, § 112c BRAO, § 74 Abs. 1 VwGO. Ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO war gemäß Art. 15 BayAGVwGO nicht durchzuführen.
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II. Die Klage hat jedoch nur zu einem geringen Teil Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 10. Dezember 2020, Az. P 1128, ist dahingehend abzuändern, dass die dem Abwickler auf seinen Antrag hin zu gewährende Vergütung auf ? 57.796,06 brutto festgesetzt wird. Hinsichtlich des darüber hinaus festgesetzten Betrages ist der Bescheid materiell rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 1 VwGO. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
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1. Gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 10. Dezember 2018 hat die Klägerin keine Bedenken erhoben; solche sind auch nicht ersichtlich.
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2. Der Bescheid war dahingehend abzuändern, dass die Abwicklervergütung ? 57.796,06 brutto beträgt.
27
a) Grundlage für die Festsetzung der Abwicklervergütung durch die Beklagte sind §§ 55 Abs. 3, 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO a.F. Nach diesen Vorschriften setzt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer auf Antrag des Vertreters die Vergütung für die gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1, § 53 Abs. 9 BRAO für Rechnung der Erben übernommene Abwicklung fest, wenn sich die Beteiligten über die Vergütungshöhe - wie hier - nicht einigen. Gemäß §§ 55, 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO a.F. ist eine angemessene Vergütung geschuldet.
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Der Begriff der angemessenen Vergütung iSv § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO a.F. ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Nachprüfung durch den Senat unterliegt. Für ihre Festsetzung sind im Wesentlichen der Zeitaufwand, den der Abwickler für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, seine berufliche Erfahrung und Stellung sowie die Schwierigkeit und Dauer der Vertretung von Bedeutung. Anhaltspunkt für die Bemessung ist das Gehalt, das für einen Angestellten oder sogenannten freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis bei Berücksichtigung regionaler Unterschiede bezahlt wird (BGH, Urteil vom 28. Mai 2021, AnwZ (Brfg) 52/19, BeckRS 2021, 20842 Rn. 19 mwN). Darauf, ob die abzuwickelnde Kanzlei oder die Abwicklung eine "angemessene Vergütung" erwirtschaftet hat, kommt es hiernach ersichtlich nicht an.
29
b) Unter Würdigung der umfangreichen Darlegungen des Beigeladenen zu 1 in seiner Anhörung zu Ablauf und Inhalt der Abwicklung und seiner bereits im Festsetzungsverfahren vorgelegten, nach Mandanten aufgegliederten Stundenaufstellungen sowie der ins Detail gehenden Korrespondenz mit der Beklagten über den Fortgang der Abwicklung ist der Senat davon überzeugt, dass der Beigeladene zu 1 die von ihm vorgetragenen Tätigkeiten wie behauptet erbracht hat.
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Der Umfang der Abwicklung ist insbesondere auch angesichts der unstreitigen Bearbeitung von 139 Fällen, die zahlreiche Mandantengespräche erforderten, plausibel und nachvollziehbar.
31
c) Auch wenn der Zeitaufwand, den der Abwickler für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, für die Bemessung der Vergütung von Bedeutung ist (BGH, Beschluss vom 11. November 2019, AnwZ (Brfg) 52/19, Rn. 6), ist ein Stundensatz für die Arbeit des Abwicklers grundsätzlich kein geeigneter Ansatzpunkt für die Vergütungsbemessung (vgl. AGH München, BayAGH I - 39/04, juris Rn. 32; AGH Hamm, 1 AGH 27/14, juris Os. 2 und Rn. 36). Dies gilt insbesondere bei der hier vorliegenden, sich nicht auf einzelne Tätigkeiten und Stunden beschränkenden, sondern unstreitig umfangreichen und mehrere Monate dauernden Abwicklung (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 1992, AnwZ (Brfg) 37/92, NJW-RR 1993, 1335 f., 1336; BGH, Urteil vom 28. Mai 2021, AnwZ (Brfg) 52/19, BeckRS 2021, 20842 Rn. 24). Zur Ermittlung der Gesamtvergütung ist mithin zunächst eine monatliche Pauschalvergütung festzusetzen.
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aa) Hinsichtlich der angemessenen monatlichen Pauschalvergütung des Abwicklers geht der Senat vom Durchschnittsgehalt eines in einer Einzelkanzlei in den westdeutschen Bundesländern in Vollzeit angestellten Rechtsanwalts aus. Denn sowohl der verstorbene Rechtsanwalt wie auch der Abwickler im fraglichen Zeitraum waren in Westdeutschland als Einzelanwälte tätig.
33
Nach dem statistischen Berichtssystem für Rechtsanwälte STAR 2020 betrug das durchschnittliche Bruttoeinkommen eines solchen Rechtsanwalts ? 57.000,00 (BRAK, STAR 2020, Abb. 7.1.4). Angesichts dessen, dass der durchschnittliche Verdienst eines angestellten Vollzeitrechtsanwalts in einer - hier betroffenen - Großstadt bis 0,5 Mio. Einwohnern (Einwohner Augsburg Stand 2019: ca. 300.000) nur geringfügig höher ist (vgl. BRAK, STAR 2020, Abb. 7.1.11: ? 66.000,00), ist eine weitere Anpassung nicht veranlasst. Gleiches gilt für eine weitergehende Regionalisierung des durchschnittlichen Bruttoeinkommens (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 28. Mai 2021, AnwZ (Brfg) 52/19, BeckRS 2021, 20842 Rn. 25 ff.).
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bb) Bei der Ermittlung der monatlichen Vergütungspauschale sind allerdings auch die Zusatzqualifikation des Abwicklers als Fachanwalt für Migrationsrecht und seine Position als Inhaber einer Kanzlei zu berücksichtigen. Weitere Zuschläge etwa wegen besonderer Schwierigkeit der Abwicklung waren nicht veranlasst, denn eine solche ist unstreitig nicht gegeben.
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Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 1 nach seinen eigenen Angaben im Januar oder Februar 2019 begann, neben seiner anwaltlichen Berufsausübung Lehrtätigkeiten wahrzunehmen, die ihn nur für die anfallenden Präsenzveranstaltungen für 96 Stunden im Semester gebunden haben. Unter Addition der zusätzlich erforderlichen Vorbereitungszeit für diese vom Abwickler neu übernommene Tätigkeit geht der Senat davon aus, dass der Abwickler für die Lehrtätigkeit monatlich ca. 4 Arbeitstage aufgewendet hat, mithin etwa 1/5 der dem Ansatz von pauschal 173 Arbeitsstunden/Monat zugrundeliegenden Annahme von 21,625 Arbeitstagen/Monat.
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In die Bemessung der monatlichen Pauschalvergütung miteinzubeziehen ist auch, dass der Abwickler ausweislich seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung, die sich mit seiner Stundenaufstellung decken, von Dezember 2018 bis einschließlich April 2019 ca. 20% der bis dahin erbrachten 553,81 Stunden über Feiertage oder am Wochenende geleistet hat. Dies betrifft insbesondere ca. die Hälfte aller im Dezember 2018 erbrachten Stunden. In den Monaten Mai und Juni 2019 erforderte die Abwicklertätigkeit dagegen nur 10,42 Stunden bzw. 14,17 Stunden.
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cc) Der Senat hält angesichts der Qualifikation des Beigeladenen zu 1 als Fachanwalt für Migrationsrecht unter Berücksichtigung der der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrundeliegenden Erwägungen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2021, AnwZ (Brfg) 52/19, BeckRS 2021, 20842 Rn. 30) eine Erhöhung der sich aus einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von ? 4.750,00 (? 57.000,00/12 Monate) ergebenden Monatspauschale um 100% für angemessen und ausreichend. Es ergibt sich eine erhöhte Monatspauschale in Höhe von ? 9.500,00.
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dd) Unter Zugrundelegung der vom Abwickler geleisteten Stunden ist diese Pauschale für die Monate Dezember 2018 und Januar 2019 voll anzusetzen, für Februar 2019 zu 2/3 und für März und April 2019 jeweils zu ½. Für Mai bzw. Juni 2019 sind 6% bzw. 8% der Pauschale einzustellen. Damit ergibt sich zunächst eine Gesamtvergütung von ? 36.163,00 netto.
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ee) Dieser Betrag ist zu erhöhen um einen Kanzleikostenanteil für den Anteil der selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2021, AnwZ (Brfg) 52/19, BeckRS 2021, 20842 Rn. 61) bezüglich 80% der in den Monaten Dezember 2018 mit April 2019 geleisteten 553,81 Stunden, mithin für 443,04 Stunden. Denn nur hinsichtlich dieser wochentags - und nicht an Sonn- und Feiertagen - geleisteten Stunden war es dem Abwickler nicht möglich, eigene Mandate im üblichen Umfang weiterzubearbeiten und hieraus die Kosten der eigenen Kanzlei zu decken (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2021, AnwZ (Brfg) 52/19, BeckRS 2021, 20842 Rn. 62).
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Die Abwicklertätigkeit in den Monaten Mai und Juni 2019 bleibt für die Ermittlung des Kanzleikostenanteils außer Betracht, da sie die Arbeitszeit des Abwicklers nur äußerst geringfügig in Anspruch genommen und seine übliche Tätigkeit deshalb nur marginal beeinträchtigt hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2021, AnwZ (Brfg) 52/19, BeckRS 2021, 20842 Rn. 62).
41
Der Senat hält einen Kanzleikostenanteil in Höhe von ? 35,00 Euro pro Stunde, insgesamt also ? 15.506,68 für angemessen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2021, AnwZ (Brfg) 52/19, BeckRS 2021, 20842 Rn. 61). Angesichts der Lehrtätigkeit des Beigeladenen zu 1, die - wie vorstehend ausgeführt - damals durchschnittlich 1/5 seiner Arbeitszeit gebunden hat, kann der Kanzleikostenanteil allerdings nur zu 4/5 in Ansatz gebracht werden, d.h. mit ? 12.405,12. Denn dem Beigeladenen zu 1 stand grundsätzlich nur 4/5 seiner Arbeitszeit zur Erwirtschaftung der eigenen Kanzleikosten zur Verfügung.
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d) Nach allem ergibt sich für die Abwicklertätigkeit des Beigeladenen zu 1 eine Nettovergütung in Höhe von insgesamt ? 48.568,12 zzgl. 19% USt. (? 9.227,94), mithin von ? 57.796,06 brutto.
43
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 155 Abs. 1, § 154 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene zu 2 keinen Antrag gestellt hat, können ihm Kosten nicht auferlegt werden, § 154 Abs. 3 ZPO. Die Voraussetzungen des § 162 Abs. 3 VwGO liegen nicht vor, weshalb eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht auszusprechen war.
44
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 167 VwGO, § 709 ZPO.
45
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GKG.
46
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor, § 112e BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO. Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalls, der insbesondere keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, und in der der Senat nicht von der obergerichtlichen bzw. höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.