Titel:
Haftung der Audi AG für den von der VW AG hergestellten Motor EA 189 (hier: Audi Q3, 2.0 TDI)
Normenketten:
BGB § 31, § 826
ZPO § 138 Abs. 3, § 286, § 287
Leitsätze:
1. Eine Haftung der Audi AG bejahend: BGH BeckRS 2021, 40781; BeckRS 2021, 40870; BeckRS 2021, 47558; BeckRS 2021, 40834; BeckRS 2021, 40868; BeckRS 2022, 7235; OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 47025; OLG München BeckRS 2021, 17910; BeckRS 2021, 47841; BeckRS 2022, 12928; BeckRS 2022, 19243; BeckRS 2022, 19242; BeckRS 2022, 21753; BeckRS 2022, 18973; mit gegenläufigem Ergebnis: OLG München BeckRS 2021, 47474; BeckRS 2021, 47473; BeckRS 2021, 45190; BeckRS 2021, 42728; BGH BeckRS 2021, 6243. (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenigstens ein Repräsentant von Audi iSv § 31 BGB wusste von der - evident unzulässigen - Umschaltlogik bei der Entscheidung über den Einsatz von Motoren des Typs EA189 in Audi-Fahrzeugen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Angesichts eines ausgeklügelten Systems von Kontroll- und Berichtspflichten erscheint es nicht plausibel, dass diese sämtlich gerade bei der Kenntnis von der Umschaltlogik - einer Software, die die Zulassungsfähigkeit hinsichtlich einer maßgeblichen Eigenschaft des Motors, nämlich seiner Abgasemissionen zumal bei Kenntnis der Schwierigkeit zur Lösung des Problems, überhaupt erst ermöglichte - versagt haben sollen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Audi trifft die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den serienmäßigen Einsatz der Motoren EA189 in - der naheliegenden - Kenntnis der Umschaltlogik getroffen hat. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, EA 189, Audi AG, arglistige Täuschung, Sittenwidrigkeit, unzulässige Abschalteinrichtung, Umschaltlogik, Kenntnis eines Repräsentanten, Kontroll- und Berichtspflichten, sekundäre Darlegungslast
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Endurteil vom 07.02.2020 – 41 O 657/19
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36627
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 07.02.2020, Az. 41 O 657/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 22.108,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.04.2019 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q3, FIN … zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des unter Ziffer I.1. bezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Klagepartei hat von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz 48%, die Beklagte 52% zu tragen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klagepartei 4% und die Beklagte 96% zu tragen.
IV. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts Ingolstadt, in der Fassung, die es in Ziffer I. erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klagepartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Entscheidungsgründe
1
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die die Klagepartei gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht.
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Die Klagepartei kaufte am 26.09.2012 zu einem Preis von 33.333,01 € brutto von der A.GmbH ein Neufahrzeug Audi Q3, 2.0 TDI, 103 kW, Erstzulassung 27.09.2012. Sie finanzierte den Kauf mit einem Darlehen der A.-Bank (vgl. Anl. K 1); die Finanzierungskosten beliefen sich auf 6.374,23 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor EA189 ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die Beklagte ist die Herstellerin des Pkws. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug Null und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.12.2022 158.387.
3
Zur Abgasreinigung wird im streitgegenständlichen Fahrzeug die Abgasrückführung eingesetzt. Das Fahrzeug ist betroffen von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt mit der Begründung „unzulässige Abschalteinrichtung“. Die im Zusammenhang mit dem Motor (zunächst) verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
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Die Klagepartei ließ das vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebene und zur weiteren Nutzbarkeit des Fahrzeugs erforderliche Softwareupdate am 17.11.2016 aufspielen.
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Mit anwaltlichem Mahnschreiben vom 06.03.2019 forderte die Klagepartei unter Fristsetzung bis zum 20.03.2019 die Erstattung des Kaufpreises samt vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unter Abzug einer nicht bezifferten Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs; die aktuelle Laufleistung des Fahrzeugs wurde nicht angegeben.
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Mit Klage vom 22.03.2019, eingegangen beim Landgericht am selben Tag und der Beklagten am 18.04.2019 zugestellt, forderte die Klagepartei die Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 33.333,01 € zuzüglich Finanzierungskosten in Höhe von 6.374,23 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.943,03 € nebst Deliktszinsen aus 39.707,24 € in Höhe von 4% für den Zeitraum vom 27.09.2012 bis 21.03.2019 und Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seither Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, die Feststellung von Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs und die Verurteilung zur Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.256,24 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.03.2019.
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Die Beklagte beantragte
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Das Landgericht Ingolstadt, Az. 41 O 657/19, hat die Klage mit Urteil vom 07.02.2020 teilweise zugesprochen, nämlich verurteilt zur Zahlung in Höhe von 23.109,22 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.03.2019 Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs. Außerdem hat es den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Von den Kosten wurden 54% der Klagepartei und 46% der Beklagten auferlegt. Die Beklagte hafte nach § 826 BGB.
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Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
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Hiergegen richtet sich die von der Beklagten eingelegte Berufung.
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Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 25.05.2020, Bl. 433 d.A.),
das am 07.02.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Ingolstadt, 41 O 657/19 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
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Die Klagepartei beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Der Senat hat über den Rechtsstreit am 14.12.2022 mündlich verhandelt und die Klagepartei persönlich angehört. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird weiter Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Die Beklagte haftet gleichwohl nach §§ 826, 31 BGB wegen des Erwerbs des hier streitgegenständlichen Diesel-Pkws durch die Klagepartei, allerdings in geringerem Umfang als erstinstanzlich tenoriert in Bezug auf die durch die Klagepartei gezogenen Nutzungen wie auch hinsichtlich der ausgesprochenen Zinsen. Außerdem befindet sich die Beklagte im Annahmeverzug.
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1. Die Beklagte haftet gem. §§ 826, 31 BGB aufgrund eigenen deliktischen Handelns. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass sie die - u.a. im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzten - Motoren EA189 samt Motorsteuerungssoftware nicht entwickelt bzw. nicht mitentwickelt hat. Sie handelte durch die ihr zuzurechnenden Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB sittenwidrig i.S.v. § 826 BGB, indem sie entschied, Motoren EA189 in Kenntnis der dazu programmierten Umschaltlogik als Software zur Erschleichung der Typgenehmigung in die von ihr hergestellten Fahrzeuge serienweise einzubauen, um diese anschließend in den Verkehr zu bringen. Mindestens ein Repräsentant der Beklagten im Sinne von § 31 BGB hat die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht.
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Sittenwidrig ist nach der nunmehr auch speziell in Bezug auf Dieselfälle seitens des BGH gefestigten Rechtsprechung ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 14 f.).
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Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 16 ff.).
18
Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt voraus, dass es in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Rdnr. 21, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 19, vom 09.03.2021, Az.: VI ZR 889/20, Rdnr. 28).
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a) Ein derartiges Vorstellungsbild steht zur Überzeugung des Senats fest im Hinblick auf Personen, für deren Verhalten die Beklagte einzustehen hat. Der Senat ist überzeugt i.S.v. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO, dass wenigstens ein Repräsentant der Beklagten i.S.v. § 31 BGB von der - evident unzulässigen - Umschaltlogik gewusst hat bei der Entscheidung über den Einsatz von Motoren EA189 in Fahrzeugen der Beklagten.
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Soweit die Beklagte einwendet, eine Überzeugungsbildung i.S.v. § 286 ZPO verstoße gegen BGH, Urteil vom 26.04.1989, Az.: IVb ZR 52/88, ist festzuhalten, dass sich der BGH in seiner Urteilsserie vom 25.11.2021 u.a. explizit mit der Prüfung der Feststellungen auf der Grundlage einer Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO in den Ausgangsentscheidungen befasst und seine Beurteilung ausführlich begründet hat (Az.: VII ZR 238/20, Rdnr. 29 ff., VII ZR 243/20, Rdnr. 28 ff., VII ZR 257/20, Rdnr. 30 ff. und VII ZR 38/21, Rdnr. 28 ff.; deutlich dazu: BGH, Beschluss vom 12.01.2022, Az.: VII ZR 256/20, Rdnr. 18, und vom 09.02.2022, Az.: VII ZR 255/20, Rdnr. 18, Az.: VII ZR 258/20, Rdnr. 17 und Az.: VII ZR 26/21, Rdnr. 23, vom 23.03.2022, Az.: VII ZR 139/21, Rdnr. 19). Der BGH hat insbesondere auch klargestellt, dass die Tatsachenfeststellung in Dieselfällen nicht beschränkt ist auf Feststellungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 25.11.2021, Az.: VII ZR 243/20, Rdnr. 35).
21
Die Beklagte führt aus, im Rahmen der grundsätzlichen Entscheidung über die Verwendung des Motors EA189 in Fahrzeugen ihrer Herstellung durch das Produkt-Strategie-Komitee im Jahr 2005/2006, das sich aus einzelnen Mitgliedern des Vorstands sowie einzelnen Mitgliedern aus den Fachabteilungen zusammensetzte, und der fortlaufenden nochmaligen Entscheidung zum Einsatz des Motors EA189 jeweils in Bezug auf das konkret entwickelte Modell (Bl. 511 ff. d.A.), habe man lediglich den serienmäßigen Einsatz des Motors EA189 beschlossen, sich dabei aber nicht mit der konkreten technischen Ausstattung einschließlich der Umschaltlogik befasst, man habe insbesondere im Produkt-Strategie-Komitee nur über den Einsatz des Motorentyps entschieden und dabei nur finanzielle und zeitliche Planungsaspekte einbezogen, nicht jedoch technische Details der streitgegenständlichen Software (Bl. 568 d.A.). Der Senat ist aber davon überzeugt, dass wenigstens ein Repräsentant der Beklagten i.S.v. § 31 BGB bei der Entscheidung über den Einsatz von Motoren EA189 in Fahrzeugen der Beklagten von der - evident unzulässigen - Umschaltlogik gewusst hat, unabhängig von der Frage der ausdrücklichen Besprechung der Umschaltlogik innerhalb der Erörterungen des Produkt-Strategie-Komitees.
22
Die Beweisangebote der Beklagten insofern (Schriftsatz vom 26.09.2022, S. 31 ff., Bl. 707 ff. d.A.) sind daher irrelevant. Eine Einvernahme der angebotenen Zeugen Dr. D. S. und O. C. zum Beweis dafür, dass die konkrete technische Funktionswiese des EA 189-Motors oder die Bedatung der Motorsteuerungssoftware nicht Gegenstand der Erörterungen im PSK gewesen seien und auch nicht darüber gesprochen worden sei, wie technisch die Einhaltung der NOx Grenzwerte sichergestellt werde, ist nicht veranlasst.
23
Selbst bei Wahrunterstellung der Behauptungen der Beklagten bleibt offen, welche konkreten Personen bei der Beklagten in die Entscheidung über den Zukauf des Motors, inklusive Software, von der V. AG und den Einbau in Fahrzeuge der Beklagten eingebunden waren und welche Kenntnisse diese hatten. Dass bei der Beklagten überhaupt keine Befassung mit den technischen Einzelheiten des Motors EA 189 stattgefunden haben soll, überzeugt den Senat vor dem Hintergrund der nachfolgenden Erwägungen nicht:
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Beim Motor eines Fahrzeugs handelt es sich um dessen „Kernstück“, nicht bloß um ein untergeordnetes Zuliefererteil. Dies bestätigen auch die Ausführungen der Beklagten, wonach die Entscheidung über den in einen neuen Fahrzeugtyp einzusetzenden Motor im Rahmen des 60-monatigen Zeitraums zur Entwicklung eines neuen Fahrzeugmodells einen „Meilenstein“ darstellt (Bl. 516 ff. d.A.). Bei den Emissionswerten eines Fahrzeugs handelt es sich wiederum nicht um bloße technische Details und damit Fragen von vollkommen untergeordneter Bedeutung, im Gegenteil. Gleichzeitig handelt es sich um eine Entscheidung von großer Tragweite mit erheblichen, auch persönlichen, Haftungsrisiken für die Entscheider.
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Hinzu kommt, dass das Spannungsverhältnis zwischen kostengünstiger Produktion und den durch die nach den gesetzgeberischen Vorgaben zu den Euro-Schadstoffklassen stets strengeren Anforderungen an die Begrenzung der Stickoxidemissionen seinerzeit bei Automobilherstellern allgemein bekannt war. Die Einhaltung der relevanten Stickoxidgrenzwerte für den Motor EA189 stellte unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Verbots von Abschalteinrichtungen eine Herausforderung dar, die jedem Kraftfahrzeughersteller, der sich wie die Beklagte selbst mit der Entwicklung von Dieselmotoren befasste, bekannt war. Die Beklagte selbst räumt auch ein, dass bei der Entscheidung über den Einsatz des Motors EA189 finanzielle Aspekte einbezogen wurden.
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In diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen vermag der Einwand der Beklagten, bei den von ihr entwickelten und hergestellten Dieselmotoren handele es sich um ganz andere Motoren. Zwar mögen diese Motoren leistungsstärker und die Zylinder anders angeordnet sein. Das grundlegende Problem der Entstehung von Stickoxiden aufgrund höherer Verbrennungstemperaturen - auf die Ausführungen auf S. 6 im Bericht der „Untersuchungskommission V. “, Stand April 2016, vorgelegt von der Beklagten als Anlage BB4 wird Bezug genommen - stellt sich aber bei jedem Dieselverbrennungsmotor. Auch gelten für alle diese Motoren die gleichen gesetzlichen Stickoxidgrenzwerte. Nach dem Beklagtenvortrag arbeitet die Automobilindustrie bereits seit den 1970er Jahren an Strategien zur Optimierung des Ausstoßes von Stickoxiden, und zwar zunächst im Wesentlichen durch eine Herabsenkung der Verbrennungstemperaturen durch Abgasrückrückführung. Dem wird nach den eben zitierten Ausführungen begegnet durch eine Herabsenkung der Verbrennungstemperaturen durch Abgasrückrückführung; dem sind jedoch nach dem Vortrag der Beklagten Grenzen gesetzt, denen durch die Verwendung von sog. Thermofenstern - nach dem Beklagtenvortrag bei allen Herstellern auch noch in modernsten Dieselfahrzeugen - begegnet wird (Bl. 587 f. d.A.).
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Ferner sind der Beklagten ausweislich ihres Vortrags durchaus Aspekte der Abgasreinigung im Zusammenhang mit dem Motor EA189 bekannt: sie weiß, dass bei den für den deutschen Markt bestimmten Fahrzeugen mit Motor EA189 der Euroschadstoffnorm 4 bis 6 die Abgasreinigung durch Hochdruck-Abgasrückführung, durch einen Dieseloxidationskatalysator und Dieselpartikelfilter („Hardwarekomponenten“) stattfindet, aber eine Abgasnachbehandlung durch Stickstoffspeicherkatalysator wie bei den für den USamerikanischen Markt bestimmten Fahrzeugen nicht zum Einsatz kommt. Mit den unterschiedlichen Hardwarekomponenten gingen Unterschiede bei der Motorsteuerungssoftware einher (Bl. 567 d.A.). Die Beklagte führt außerdem aus, vor der Verwendung der Motoren EA189 habe sie von der V. AG Motoren EA188 erworben - die beiden Motoren unterschieden sich, da die V. AG den Motortyp EA188 weiterentwickelt und die Technik von der Pumpe-Düse-Einspritzung auf die innovative Common-Rail-Einspritzung mit dem Ergebnis des Motortyps EA189 umgestellt habe (Bl. 518 d.A.). Die Einspritzcharakteristik ist aber wesentlich für die Optimierung des Verbrennungsprozesses und steht damit im Zusammenhang mit der Abgasreinigung durch Abgasrückführung, auf die Ausführungen der Beklagten zur Funktionsweise des Softwareupdates wird Bezug genommen (Klageerwiderung, S. 9 ff.; Bl. 578 ff. d.A. und Bericht der „Untersuchungskommission V. “ Stand April 2016 [Anlage BB4], S. 6).
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Auch angesichts des von der Beklagten beschriebenen ausgeklügelten Systems von Kontroll- und Berichtspflichten (Bl. 540 ff. d.A.) erscheint es nicht plausibel, dass diese sämtlich gerade bei der hier inmitten stehenden Kenntnis von der Umschaltlogik - einer Software, die die Zulassungsfähigkeit hinsichtlich einer maßgeblichen Eigenschaft des Motors, nämlich seiner Abgasemissionen zumal bei Kenntnis der Schwierigkeit zur Lösung des Problems, überhaupt erst ermöglichte - versagt haben sollen.
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Zwar hat die Beklagte ihren Vortrag zur von ihr behaupteten Unkenntnis in Bezug auf die Umschaltlogik von Personen, deren Handeln sie sich nach § 31 BGB zurechnen lassen muss, mittlerweile vertieft. Sie trägt vor, inzwischen seien die internen Untersuchungen abgeschlossen. Danach hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass Vorstände im aktienrechtlichen Sinn bzw. andere Repräsentanten die für eine Haftung nach § 826 BGB maßgeblichen Kenntnisse gehabt hätten, und führt dies auch konkret aus in Bezug auf von der Klagepartei benannte Personen.
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Dies überzeugt den Senat jedoch nicht. Denn die Beklagte räumt ein, dass zu der Ebene der Bereichsleiter im Zeitraum von 2006 bis 2015 eine Vielzahl von Personen gehört hätten. Befragungen sämtlicher dieser Einzelpersonen seien aber weder erforderlich noch praktisch umsetzbar (Bl. 535 d.A.). Das teilt der Senat nicht, der nicht erkennen kann, dass die Anhörung dieser gleichwohl noch überschaubaren Anzahl von Personen zur Aufklärung dieses für die Beklagte aus dem Tagesgeschäft herausragend bedeutsamen Sachverhalts nicht praktisch umsetzbar sein soll, zumal es nach dem Vortrag der Beklagten auch der zur Untersuchung im V.-Konzern eingesetzten Kanzlei J. D. möglich war, mehr als 700 Befragungen durchzuführen einschließlich einer Sicherung von über 21.000 elektronischen Datenträgern bei weltweit über 3.500 Mitarbeitern (Bl. 528 d.A.). Dies gilt umso mehr, als die Beklagte nach ihren eigenen Ausführungen im Zeitraum von 2006 bis 2015 streng hierarchisch organisiert war mit Berichts- und Kontrollpflichten. Danach sei die Beklagte von sieben Vorständen geleitet worden und sei in sieben Vorstandsbereiche gegliedert gewesen, welche die erste Berichtsebene darstellten. Der Vorstandsebene nachgelagert gewesen seien Untergliederungen, die als Bereiche bezeichnet worden seien und welche die zweite Berichtsebene darstellten. An ihrer Spitze standen bereits die Bereichsleiter (Bl. 531 ff. d.A.). Die Notwendigkeit ihrer Befragung drängt sich auf, zumal der BGH bereits in der Entscheidung vom 25.05.2020 (Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 33) dem restriktiven Begriffsverständnis des Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB der dortigen Beklagten (und der hiesigen Beklagten explizit in Bezug auf Bereichsleiter, Bl. 531 ff. d.A., denen aber selbst die Beklagte gleichwohl „eine dem Tätigkeitsprofil der Vorstandsmitglieder angenäherte Funktion innerhalb der Organisationsstruktur der Beklagten“ zubilligt) nicht gefolgt ist. Ob überhaupt wenigstens einzelne und ggf. welche Bereichsleiter befragt wurden, bleibt aber unklar.
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Auch angesichts des Vortrags der Beklagten, wonach die internen Untersuchungen mittlerweile abgeschlossen seien und keine Erkenntnisse für eine Kenntnis der Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinne oder eine Kenntnis von potentiellen Repräsentanten vorlägen, erscheint es nicht plausibel, dass keine Person, deren Handeln sich die Beklagte nach § 31 BGB zurechnen lassen muss, von der hier inmitten stehenden Umschaltlogik - einer Software, die die Zulassungsfähigkeit hinsichtlich einer maßgeblichen Eigenschaft des Motors, nämlich seiner Abgasemissionen zumal bei Kenntnis der Schwierigkeit zur Lösung des Problems, überhaupt erst ermöglichte - Kenntnis im Sinne einer Haftung nach § 826 BGB hatte.
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Eine Indizwirkung im Sinne der Beklagten vermag der Senat schließlich nicht in dem Umstand zu sehen, dass die internen Ermittlungen nicht zu Schadensersatzansprüchen der Beklagten gegen ihre Verantwortlichen bzw. zu weiteren staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren geführt hätten. Nach den Ausführungen der Beklagten bezogen sich die nach Darstellung der Beklagten umfangreichen internen Ermittlungen der Kanzlei J. D. in Zusammenarbeit mit Deloitte zur Beklagten im Schwerpunkt ohnehin nicht auf den hier inmitten stehenden Sachverhalt der Verwendung der Motoren EA189, sondern auf Manipulationen bei den von der Beklagten selbst entwickelten 3-l-V6-Motoren (Bl. 185 f. d.A., Anlagen BB5 u. BB6) und die Befragung der Bereichsleiter bleibt unklar. Die Ausführungen zur den Untersuchungen durch die Kanzlei G. L. bleiben allgemein. Die Staatsanwaltschaft München II hat gegenüber der Beklagten wegen Aufsichtspflichtverletzungen im Bereich „Abgas Service / Zulassung Aggregate“ bei der Prüfung von Fahrzeugen auf ihre regulatorische Konformität u.a. wegen des Einsatzes des Motors EA189 in Fahrzeugen weltweit ein Ordnungswidrigkeitenverfahren geführt und ein Bußgeld verhängt (Anlage K13). Dies allein und der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig kein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, lässt keinen Rückschluss zu auf die dort jeweils bestehenden Kenntnisse und Entscheidungsmotive - erst recht nicht allein im Sinne des Beklagtenvortrags. Die Beklagte selbst legt überdies als Anlage BB7 das „Statement of Facts“ vor, aus dem sich ergibt, dass es im Hinblick auf die Vorgänge in den USA u.a. durch Angestellte der Beklagten zur Vernichtung von Unterlagen gekommen ist mit dem Ziel der Vermeidung rechtlicher Konsequenzen (ebenda, Nr. 73).
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Die umfänglichen Ausführungen - teilweise einschließlich von Beweisangeboten - der Beklagten zur fehlenden Kenntnis ihrer Vorstände im aktienrechtlichen Sinne und sonstiger Repräsentanten mit der Begründung, sie habe den Motor nicht entwickelt bzw. nicht mitentwickelt, sei am Homologationsprozess nicht beteiligt gewesen und habe aufgrund des bestehenden Baukastenprinzips mit automatisierten Produktionsprozessen ohne Einwirkungs- oder Überprüfungsmöglichkeit beim Aufspielen der Motorsteuerungssoftware bzw. später bei der Überwachung der Produktion keine Kenntnisse erlangen können, verfangen nicht, da der Senat - bei Wahrunterstellung des Vortrags der Beklagten insoweit - in der Entscheidung über die Verwendung des Motors EA189 in Kenntnis der Umschaltlogik das deliktische Handeln sieht.
34
Diese Wertung liegt bereits oberlandesgerichtlichen Entscheidungen zugrunde, zu denen durch den BGH unter dem 25.11.2021 bestätigende Entscheidungen (Az.: VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21) ergangen sind. Der Senat hatte bereits mit Verfügung vom 26.07.2022 (Bl. 674/676 d.A.) darauf hingewiesen, dass er den vorgetragenen Verfahrensstoff für ausreichend hält, um den Anwendungsbereich der sekundären Darlegungslast bei der Beklagten zu eröffnen sowie dass und inwieweit der betreffende Vortrag der Beklagten unzureichend ist. Zwar hat die Beklagte zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 26.09.2022 (Bl. 677/715 d.A.) umfangreiche Ausführungen mit Beweisangeboten gemacht (s.o.), dennoch ist der Senat wie das Landgericht davon überzeugt, dass mindestens ein Repräsentant der Beklagten Kenntnis von dem Einsatz der Umschaltlogik hatte. Diese Wertung lag bereits oberlandesgerichtlichen Entscheidungen zugrunde, zu denen durch den BGH unter dem 25.11.2021 bestätigende Entscheidungen (Az.: VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21) ergangen sind. Die inhaltliche Ergänzung des Vortrags mit Schriftsatz vom 26.09.2022 steht dem nicht entgegen; die Beklagte hat nämlich nach wie vor - auch mit Schriftsatz vom 26.09.2022, S. 15 ff. - nicht im Sinne dieser Hinweise die in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug über den Zukauf des Motors inklusive Software entscheidenden Personen benannt und ebenso wenig konkret zu deren Kenntnisstand - ggf. nach Befragung im Rahmen der internen Ermittlungen - vorgetragen. Dementsprechend war, wie dargelegt, auch den Beweisangeboten im Schriftsatz vom 26.09.2022, S. 32 ff., nicht nachzugehen.
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b) Überdies ist damit das Bestreiten der Beklagten auch unzureichend im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO.
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Wer einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, trägt im Grundsatz die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Bei der Inanspruchnahme einer juristischen Person hat der Anspruchsteller dementsprechend auch darzulegen und zu beweisen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 BGB) die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. In bestimmten Fällen ist es Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungslast zu den Behauptungen der beweisbelasteten Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierung des Bestreitens zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner - hier die Klagepartei - vorgetragen hat. In der Regel genügt ein einfaches Bestreiten. Eine sekundäre Darlegungslast kann den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei treffen, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Gegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (z.B. BGH, Urteil 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Rdnr. 25 ff.). Nach diesen Grundsätzen setzt eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu Vorgängen innerhalb ihres Unternehmens, die auf eine Kenntnis ihrer Repräsentanten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung schließen lassen sollen, jedenfalls voraus, dass das Parteivorbringen hinreichende Anhaltspunkte enthält, die einen solchen Schluss nahelegen (BGH, Urteil vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Rdnr. 28).
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Die Auffassung der Beklagten, dass ausschließlich auf das Klagevorbringen abzustellen sei, was sich aus der Entscheidung des BGH vom 24.03.2022, Az.: VII ZR 266/20, insbes. Rdnr. 24 und 25, ergebe, teilt der Senat nicht. Zwar wird dort zunächst auf das Klagevorbringen abgestellt unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Rdnr. 28, in dem aber vom Parteivorbringen die Rede ist, nachfolgend heißt es aber auch in der von der Beklagten zitierten Entscheidung, dass der Verfahrensstoff relevant ist. In der jüngsten Leitsatzentscheidung des BGH, Urteil vom 26.04.2022, Az.: VI ZR 965/20, stellt der BGH wiederum auf das Parteivorbringen ab: „Eine sekundäre Darlegungslast des Fahrzeugherstellers zu Vorgängen innerhalb seines Unternehmens, die auf eine Kenntnis seiner verfassungsmäßig berufenen Vertreter von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung schließen lassen sollen, setzt jedenfalls voraus, dass das (unstreitige oder nachgewiesene) Parteivorbringen hinreichende Anhaltspunkte enthält, die einen solchen Schluss nahelegen“. Der gleiche Leitsatz findet sich auch in der Entscheidung des BGH vom 21.12.2021, Az.: VI ZR 875/20.
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Anders als die Beklagte einwendet, sind die möglichen Anhaltspunkte nicht beschränkt auf die im Urteil des BGH vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Rdnr. 30, genannten Umstände. Maßgeblich bleibt der Vortrag im Einzelfall, was bestätigt wird durch BGH, Beschluss vom 15.09.2021, Az.: VII ZR 52/21, Rdnr. 24 ff. und Urteil vom 26.04.2022, Az.: VI ZR 965/20, Rdnr. 14 f.
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Nach diesen Grundsätzen traf die Beklagte die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den serienmäßigen Einsatz der Motoren EA189 in (Un-) Kenntnis der Umschaltlogik getroffen hat. Die Umstände, nach denen vorliegend eine Kenntnis der für die Beklagte handelnden und dieser zuzurechnenden Personen naheliegt, ergeben sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen. Das Spannungsverhältnis zwischen der Herstellung kostengünstiger Motoren bei gleichzeitiger Einhaltung der gesetzlich weiter verschärften Stickoxidgrenzwerte sowie grundsätzlichem Verbot des Einsatzes von Abschalteinrichtungen war bei Automobilherstellern bekannt. Die Beklagte selbst entwickelt Dieselmotoren. Gleichzeitig waren der Beklagten die Hardwarekomponenten wie auch Aspekte der Funktion der Abgasreinigung im Zusammenhang mit dem Einsatz der Motoren EA189 (im Vergleich zu dem bis dahin verwendeten Volkswagenmotor EA188) bekannt. Die Entscheidung über den serienweisen Einsatz der Motoren EA189 in Fahrzeugen der Beklagten betraf eben nicht bloß ein untergeordnetes Zuliefererteil, sondern den Motor als „Kernstück“ des Fahrzeugs; die Emissionseigenschaften des Fahrzeugs sind für dieses wesentlich und nicht bloß ein technisches Detail. Die Entscheidung über den serienweisen Einsatz der Motoren EA189 in Fahrzeugen der Beklagten war mit erheblichen, auch persönlichen, Haftungsrisiken der entscheidenden Personen verbunden. Dem ist die Beklagte, wie sich ebenfalls aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht hinreichend entgegengetreten; insbesondere blieben ihre Angaben zu ihren internen Ermittlungen, auf deren negatives Ergebnis die Beklagte sich beruft, unzureichend, insbesondere im Hinblick auf die Befragung der Bereichsleiter, und der Vortrag zum Kenntnisstand der Beteiligten im Rahmen des Produkt-Strategie-Komitees blieb zu pauschal.
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2. Vor diesem Hintergrund ist auch der Schädigungsvorsatz zu bejahen. Dieser enthält ein Wissens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchsstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben und mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben; Vorstandsmitglieder oder Repräsentanten, die in Kenntnis der Umschaltlogik den serienmäßigen Einsatz der Motoren in ihren Fahrzeugen anordnen oder nicht unterbinden, billigen ihn auch und sind sich der Schädigung der späteren Fahrzeugerwerber bewusst.
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3. Die Einwände der Beklagten gegen das Bestehen der haftungsbegründenden Kausalität greifen nicht durch.
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Schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass die Klagepartei den streitgegenständlichen Pkw nicht gekauft hätte, wenn sie um die unzulässige Software und die davon ausgehende Gefahr der Betriebsuntersagung gewusst hätte; der Schaden liegt in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 47 ff.). Kein vernünftiger Käufer hätte in Kenntnis dieses Sachverhalts, insbesondere der Gefahr der Betriebsuntersagung, den Pkw erworben, zumal zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht die Möglichkeit bestanden hätte, mittels des erst später entwickelten Softwareupdates die Manipulation am Motor zu beseitigen. Aufgrund dessen sind auch die Angaben der im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.12.2022 persönlich angehörten Klagepartei, sie hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn sie vom Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hätte, glaubhaft, wobei der Senat auch keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klagepartei hat. Nach alledem ist der Senat vom Bestehen der Kausalität überzeugt.
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Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2022 ausdrücklich auf die von ihr beantragte Parteieinvernahme der Klagepartei verzichtet.
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4. Der Anspruch ist auch nicht bereits verjährt.
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Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die Beklagte konnte nicht zur Überzeugung des Senats nachweisen, dass bei der Klagepartei bereits im Jahr 2015 eine Kenntnis von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Dieselskandal vorlag. Die Unkenntnis im Jahr 2015 war auch nicht grob fahrlässig. Vorliegend trat Verjährung frühestens mit Ablauf des 31.12.2019 ein; die Klageerhebung im Jahr 2019 erfolgte rechtzeitig, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Im Einzelnen:
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Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es hinsichtlich der Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Dieselfällen darauf an, dass der Käufer Kenntnis erlangt hat vom „Dieselskandal“ allgemein, von der konkreten Betroffenheit seines Wagens hiervon sowie von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung, wobei von letzterem naturgemäß auszugehen ist (BGH, Urteil vom 17.12.2020, Az.: VI ZR 739/20, Rdnr. 5, 8, 17, vom 29.07.2021, Az.: VI ZR 1118/20, Rdnr.14 ff., Beschluss vom 15.09.2021, Az. VII ZR 294/20, Rdnr. 8 f., Urteilsserie vom 10.02.2022, Az.: VII ZR 692/21, Rdnr. 24, Az.: VII ZR 717/21, Rdnr. 24, Urteil vom 21.02.2022, Az.: VIa ZR 8/21, Rdnr. 37). Der Senat hat die Klagepartei hierzu im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.12.2022 befragt. Der Kläger räumte hierbei ein, vom Abgasskandal allgemein „2015/2016“ gehört zu haben. Er habe dies allerdings vorwiegend auf VW bezogen, während er einen Audi fahre. Konkret von der Betroffenheit seines eigenen Fahrzeugs habe er erst 2016 erfahren, als er von Audi ein Schreiben erhalten habe, dass er ein Software-Update durchführen müsse (vgl. S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2022, Bl. 721 d.A.). Da der Senat diese nachvollziehbaren Angaben der Klagepartei, die auf den Senat einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hat, für glaubhaft hält, ist der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten der Nachweis einer Kenntnis der Klagepartei auch von der konkreten Betroffenheit ihres Fahrzeugs bereits im Jahr 2015 nicht gelungen.
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Zur Überzeugung des Senats war hier auch - bei Kenntnis des Dieselskandals allgemein noch im Jahr 2015 - die Nichtverschaffung der Kenntnis von der konkreten Betroffenheit noch im Jahr 2015 nicht grob fahrlässig i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, und zwar auch unter Berücksichtigung der insofern breiten Medienberichterstattung, Information der Händler wie Servicepartner und Schaffung einer Abfragemöglichkeit im Internet. Der Zeitraum vom Bekanntwerden des „Dieselskandals“ im September 2015 bis zum 31.12.2015 war recht kurz. Der Kläger hat zudem glaubhaft ausgeführt, dass er den Abgasskandal zunächst vorwiegend auf V.-Fahrzeuge bezogen habe. Ferner hat nach dem Beklagtenvortrag u.a. die V. AG, bei der die Information der Öffentlichkeit bewusst auch für Fahrzeuge der Beklagten gebündelt worden war, innerhalb dieses Zeitraums fortlaufend informiert zur Kooperation mit dem Kraftfahrtbundesamt, den so geplanten Abhilfemaßnahmen und Ankündigungen zu deren Umsetzung (Bl. 268 ff. d.A.). Ein Zuwarten, zumindest bis zum Ende des Jahres 2015 war damit jedenfalls nicht schlechterdings unverständlich; der Senat nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Rdnr. 12 und 35, Urteilsserie vom 10.02.2022, Az.: VII ZR 396/21, Rdnr. 21 ff., Az.: VII ZR 679/21, Rdnr. 24 ff., Az.: VII ZR 692/21, Rdnr. 25 ff., Urteil vom 21.02.2022, Az.: VIa ZR 8/21, Rdnr. 38 ff., vom 17.03.2022, Az.: III ZR 226/20, Rdnr. 22).
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5. Der Anspruch erfasst die Erstattung des gezahlten Kaufpreises und der Finanzierungskosten. Die Nichtausübung eines dem Käufer im Rahmen der Finanzierung des Kaufpreises von einem Dritten gewährten verbrieften Rückgaberechts lässt - anders, als die Beklagte meint - den Schaden nicht entfallen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 - VII ZR 389/21, juris Rn. 16). Im Wege der Vorteilsanrechnung ist das streitgegenständliche Fahrzeug herauszugeben und das Eigentum zu übertragen sowie ein Ersatz der gezogenen Nutzungen vorzunehmen (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 65 ff.).
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Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Der Senat stellt dabei in ständiger Rechtsprechung auf die nach der Rechtsprechung des BGH gebilligte lineare Berechnung des Nutzungsersatzes ab. Aus der grundsätzlichen Billigung einer linearen Berechnungsmethode folgt zwar nicht zwingend, dass andere Berechnungsmethoden unzulässig wären, da dem Tatrichter nach § 287 ZPO ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird. Da der Schaden aber in dem ungewollten Vertragsschluss liegt, ist der vom Bundesgerichtshof erfolgte Rückgriff auf die Wertung des Nutzungsersatzes nach § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB aber folgerichtig. Der Senat folgt ausdrücklich nicht dem Ansatz, den Wert der Nutzung eines Neuwagens höher anzusetzen als den eines älteren Fahrzeugs. Die lineare Berechnung ist dem Geschädigten zumutbar und entlastet die Schädigerin nicht unangemessen. Sie entspricht schon vom Wortlaut den „gezogenen Nutzungen“. Entgegen dem Einwand der Beklagten ist eine Ausweitung der Vorteilsanrechnung - etwa wegen des Wertverlusts des Fahrzeugs - nicht angezeigt (BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 397/19, Rdnr. 36, vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 354/19, Rdnr. 15, vom 20.07.2021, Az.: VI ZR 533/20, Rdnr. 33, vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Rdnr. 46, vom 21.04.2022, Az.: VI ZR 285/21).
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Danach errechnet sich bei Berücksichtigung der Nutzung des Fahrzeugs bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.12.2022 ein Nutzungsersatz i.H.v. 17.598,38 €. Der Senat legt dabei die Formel „gefahrene Kilometer x Bruttokaufpreis: Restlaufleistung bei Vertragsschluss“ zu Grunde. Dabei bleiben - anders, als vom Landgericht angenommen (LGU, S. 11) - die Finanzierungskosten außer Betracht. Denn diese erhöhen nicht den objektiven Wert des Fahrzeugs und vergrößern damit auch nicht den Gebrauchsvorteil, den die Klägerin aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen hat (BGH, Urteil vom 13.04.2021 - VI ZR 274/20, Rn. 18 ff.).
51
Der Senat schätzt in Anbetracht des festgestellten Fahrzeugtyps, des Datums seiner Erstzulassung sowie der konkreten Nutzung die mögliche Gesamtlaufleistung - wie das Landgericht (LGU S. 12) - auf 300.000 km. Mit dieser Schätzung bewegt sich der Senat innerhalb der Bandbreite der von anderen Gerichten jeweils vorgenommenen Schätzung der gesamten Laufleistung (u.a. BGH, Urteil vom 27.07.2021, Az.: VI ZR 480/19, Rdnr. 26). Weitere aussagekräftige Umstände, welche die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs beeinflussen, sind nicht dargetan (vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2021, Az.: VIII ZR 111/20, Rdnr. 52 ff., 58). Aufgrund des Kilometerstands von Null Kilometern bei Erwerb des Fahrzeugs durch die Klagepartei ergibt sich damit eine Restlaufleistung bei Vertragsschluss von 300.000 Kilometern.
52
Danach errechnet sich bei Berücksichtigung der Nutzung des Fahrzeugs durch die Klagepartei bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.12.2022 mit einer unstreitigen Kilometerleistung von insgesamt 158.387 km ein Erstattungsanspruch i.H.v. 15.734,63 € (33.333,01 € - 17.598,38 €).
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Hinzuzuaddieren waren noch die Finanzierungskosten der Klagepartei. Diese belaufen sich der Höhe nach unstreitig auf 6.374,23 € und stellen - jedenfalls im streitgegenständlichen Fall - keine Sowieso-Kosten dar. Denn da der Kläger in seiner informatorischen Anhörung vor dem Landgericht angab, dass er sich, wenn er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht gekauft hätte, „vermutlich“ ein anderes Fahrzeug gekauft und „wahrscheinlich“ auch dieses andere Fahrzeug finanziert hätte (vgl. S. 3 letzter Absatz und S. 4 erster Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 24.01.2020, Bl. 395 und 396 d.A.), steht für den Senat schon nicht mit der notwendigen Sicherheit fest, dass die Finanzierungskosten bei nicht erfolgtem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs auch tatsächlich angefallen wären, ganz abgesehen davon, dass auch bei einem hypothetisch angenommenen finanzierten Kauf eines anderweitigen Fahrzeugs nicht feststeht, in welcher konkreten Höhe dann Finanzierungskosten angefallen wären.
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Insgesamt beläuft sich der Schadensersatzanspruch der Klagepartei daher auf 22.108,86 € (15.734,63 € + 6.374,23 €).
55
6. Die Klagepartei hat die Beklagte zum Stand der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Annahmeverzug versetzt.
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Zwar hat die Klagepartei im Rahmen der Antragstellung erster Instanz die Erstattung von nicht geschuldeten (Delikts-) Zinsen gefordert (auf die ständige Rechtsprechung des BGH wird Bezug genommen: BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 354/19, Rdnr. 17 ff., vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 397/19, Rdnr. 21 ff.). Damit hatte die Klagepartei zunächst durchgängig wesentlich zu viel gefordert, was die Entstehung von Annahmeverzug ausschließt (BGH, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Rdnr. 50, vom 29.06.2021, Az.: VI ZR 130/20, Rdnr. 16, vom 18.05.2021, Az.: VI ZR 167/20, Rdnr. 15, vom 02.02.2021, Az. VI ZR 449/20, Rdnr. 9, vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 8/20, Rdnr. 18, vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 85). Allerdings hat die Klagepartei in der Berufungsinstanz nur noch die Zurückweisung der Berufung der Beklagten gefordert und damit die erstinstanzliche Entscheidung verteidigt; diese war bezüglich der eingeklagten Kaufpreiserstattung inklusive Finanzierungskosten dem Grunde nach zutreffend und nur ganz unwesentlich übersetzt in Bezug auf den Beginn des Zinslaufs (dazu sogleich). Damit besteht nun Annahmeverzug der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2021, Az.: VI ZR 274/20, Rdnr. 24, vom 29.06.2021, Az.: VI ZR 130/20, Rdnr. 16, und vom 21.02.2022, Az.: VIa ZR 8/21, Rdnr. 102).
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7. Der Anspruch ist nicht bereits wegen Verzugs zu verzinsen, sondern erst ab Rechtshängigkeit, mithin ab 19.04.2019, §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2, 187 Abs. 1 BGB.
58
Der Klagepartei steht kein Anspruch auf Verzugszinsen zu gem. §§ 288, 286 Abs. 1, 2 BGB. Das anwaltliche Aufforderungsschreiben wirkte nicht verzugsbegründend, da die Beklagte damit nicht gleichzeitig in Annahmeverzug versetzt wurde; auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen. Die Klagepartei hatte im besagten Schreiben zudem nicht einmal den aktuellen Kilometerstand des Fahrzeugs - der zur Berechnung der Nutzungsentschädigung benötigt wird - angegeben. Andere verzugsbegründende Umstände sind nicht ersichtlich, insbesondere weder unter dem Gesichtspunkt „fur semper in mora“ noch unter dem Aspekt einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung, § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB, auch unter Berücksichtigung des Schreibens der Beklagten vom 11.04.2018 (Anlage K14) (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 354/19, Rdnr. 22, vom 30.07.2020, Az.: VI ZR 397/19, Rdnr. 26 f., vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 8/20, Rdnr. 17 ff., BGH, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Rdnr. 51).
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1. Die Kostenentscheidung erster Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die in erster Instanz erhobene Forderung von Deliktszinsen ist durch Bildung eines fiktiven Streitwerts und dessen Zugrundelegung bei der Bildung der Kostenquote zu Lasten der Klagepartei zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 24.03.2022, Az.: VII ZR 266/20, Rdnr. 32). Die verlangten Deliktszinsen belaufen sich bei einem Betrag von 39.707,24 € und einem Zinslauf vom 27.09.2012 bis 21.03.2019 auf 10.294,46 €, sodass sich für die erste Instanz ein fiktiver Streitwert von 50.001,70 € ergibt. Bezüglich des Obsiegens der Klagepartei in erster Instanz war die Fahrleistung des Fahrzeugs zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zu Grunde zu legen. Diese betrug 125.403 Kilometer, sodass sich nach oben unter II 5 ein Nutzungsvorteil zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht in Höhe von 13.933,53 € ergibt. Die Klagepartei obsiegte damit in erster Instanz mit 25.773,71 € (33.333,01 - 13.933,53 + 6.374,23 €), d.h. zu 52% und unterlag mit 48%.
60
Die Kostenentscheidung zweiter Instanz beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
61
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
62
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die maßgeblichen Rechtsfragen zur Haftung in Dieselfällen, insbesondere im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit i.S.v. § 826 BGB wie auch die Anforderungen an den Vortrag der Parteien sind mittlerweile höchstrichterlich geklärt (deutlich u.a.: BGH, Beschluss vom 29.09.2021, Az.: VII ZR 223/20, Rdnr. 8, vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, Rdnr. 4, 24). Dies gilt auch in Bezug auf eine Haftung der Beklagten bei Fahrzeugen ihrer Herstellung mit Motoren EA189 (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Beschluss vom 15.09.2021, Az.: VII ZR 52/21, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Urteilsserie vom 25.11.2021: Az.: VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21, Urteil vom 21.12.2021, Az.: VI ZR 875/20, Beschluss vom 12.01.2022, Az.: VII ZR 256/20, vom 27.01.2022, Az.: III ZR 195/20, vom 09.02.2022, Az.: VII ZR 255/20, Az.: VII ZR 258/20 und Az.: VII ZR 26/21, Urteil vom 24.03.2022, Az.: VII ZR 266/20, vom 26.04.2022, Az.: VI ZR 965/20, vom 10.05.2022, Az.: VI ZR 838/20, Beschluss vom 23.03.2022, Az.: VII ZR 139/21). Es ist Aufgabe der Instanzgerichte, diese Rechtsgrundsätze auf den jeweils vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Divergierende Ergebnisse aufgrund der Würdigung des jeweils vorgetragenen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht begründen indes keine Divergenz i.S. des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO. Von einer Divergenz in diesem Sinne ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn den Entscheidungen sich widersprechende abstrakte Rechtssätze zugrunde liegen (BGH, Beschluss vom 09.07.2007, Az.: II ZR 95/06, Rdnr. 2, deutlich: Beschluss vom 13.10.2021, Az.: VII ZR 99/21, Rdnr. 28).