Titel:
Rechtsschutzdeckung für "Dieselskandal"-Klage
Normenketten:
VVG § 125
ARB 2010 § 3a Abs. 1
Leitsatz:
Eine Deckungsablehnung des Rechtsschutzversicherers wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung rund fünf Wochen nach einer Deckungsanfrage des Versicherungsnehmers ist - bei vollständiger Information des Versicherers - in der Regel - und so auch hier - nicht mehr "unverzüglich" (s. § 3a Abs. 1 ARB 2010). (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzversicherung, Diesel-Skandal, Abgasskandal, Erfolgsaussichten
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 22.06.2023 – 8 U 114/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36622
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem mit dem Kläger geschlossenen Rechtsschutzschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer ... verpflichtet ist, für die außergerichtliche und erstinstanzliche, gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die ... AG aufgrund des Fahrzeugkaufs vom 14. August 2015 (FIN: ... Deckungsschutz zu gewähren.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 8.379,01 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klagepartei nimmt die Beklagte auf Rechtsschutzdeckung für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Skandal in Anspruch.
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Die Klagepartei hält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung. Versichert ist u.a. Rechtsschutz im privaten Verkehrsbereich. Auf die als Anlage vorgelegten Versicherungsbedingungen VRB 2006 (im Folgenden: ARB; Anlage K 1) wird Bezug genommen.
3
Am 14.08.2015 erwarb der Kläger einen dieselbetriebenen Porsche Cayenne 3.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … als Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von 57.999,00 €. Hersteller des in dem Fahrzeug eingebauten Motors 3,0 V-TDI ist die A. AG, wobei streitig ist, ob der Motor die Kennung EA 897 oder EA 896 Gen2 aufweist. Das Fahrzeug besitzt die Abgasnorm Euro 5.
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Einen Rückruf des Kraftfahrzeugbundesamtes gibt es für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp mit dem streitgegenständlichen Motor nicht. Mit Schreiben vom März 2020 bot die P. Deutschland GmbH ein Software-Update als freiwillige Service-Maßnahme an (Anlage K2).
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Mit Anwaltsschreiben vom 07.05.2021 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Deckungszusage für das außergerichtliche und gerichtliche Vorgehen gegen die A. AG wegen behaupteter Manipulation der Abgassteuerung (Anlage K 3). Mit Schreiben vom 21.05.2021 übermittelte der Kläger der Beklagten das Schreiben der P. Deutschland GmbH vom März 2020 über die freiwillige Service-Maßnahme. Die Beklagte lehnte schließlich mit Schreiben vom 11.06.2020 eine Deckungszusage wegen mangelnder Erfolgsaussichten ab (Anlage K4).
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Die Klagepartei behauptet, dass der Motor im streitgegenständlichen Fahrzeug durch die A. AG mit mindestens einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen worden sei. Diese sei bewusst und in Kenntnis des Vorstandes eingesetzt worden. Unter Bezugnahme auf die Messergebnisse der Deutschen Umwelthilfe und die Ergebnisse des Untersuchungsberichts zum Volkswagen-Abgasskandal vom 22.04.2016 könne der Rückschluss gezogen werden, dass in dem Fahrzeug des Klägers neben dem sog. Thermofenster eine Lenkwinkelerkennung verbaut sei. Auch eine Aufheizstrategie werde verwendet. Durch die Motorsteuerungssoftware würden im praktischen Fährbetrieb - im Vergleich zum Prüfstand - die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten. Hinsichtlich der Einzelheiten verweist die Klagepartei auf die Deckungsanfrage vom 07.05.2021 (Anlage K 3). Weitere Anhaltspunkte für den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug seien Rückrufe des Kraftfahrbundesamtes für andere Fahrzeugmodelle mit dem streitgegenständlichen Motor, die gegen die A. AG von der Staatsanwaltschaft München verhängte Geldbuße in Höhe von 800 Mio. € sowie Klageschriften aus den USA.
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Die Klagepartei meint, aufgrund der Nutzung unzulässiger Abschalteinrichtungen und der hierin liegenden Täuschung bestünden Schadensersatzansprüche gegen die A.AG
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Es obliege damit der A. AG eine sekundäre Darlegungslast zum erhöhten Schadstoffausstoß. In diesem Fall komme es auf eine entsprechende Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren an.
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Wegen des Verschweigens der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung bestehe ein Schadensersatzanspruch nach § 826, § 31 BGB.
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Das Vorliegen eines Rückrufs des Kraftfahrtbundesamtes sei dabei keine Anspruchsvoraussetzung. Im Übrigen lägen für bestimmte Fahrzeugmodelle mit demselben Motorentyp (EA896 Gen2 und Euro 5) Rückrufe vor.
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Nach europarechtlichen Vorgaben müsse zudem bei Verwendung eines Thermofensters schon bei einfacher Fahrlässigkeit des Herstellers ein Schadensersatzanspruch bestehen.
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Auf angeblich mangelnde Erfolgsaussichten der Hauptsache könne die Beklagte sich nicht berufen.
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Da die Deckungsablehnung der Beklagten erst ca. 5 Wochen nach der Deckungsanfrage erfolgt sei, sei die Beklagte mit ihrem Einwand fehlender Erfolgsaussichten zudem präkludiert. Unbeachtlich sei dabei, dass die Klagepartei am 21.05.2021 das Schreiben vom März 2020 über die freiwillige Service-Aktion nachgereicht habe. Denn hierauf sei die Klagepartei schon in der De ckungsanfrage eingegangen, im Übrigen sei dieser Aspekt von der Beklagten ohnehin nicht als erheblich beurteilt worden. Aufgrund der Vorbefassung der Beklagten mit einer Vielzahl gleichartiger Deckungsanfragen seien zudem zwei Wochen zur Prüfung ausreichend gewesen.
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Darüber hinaus dürften die Anforderungen an die Erfolgsaussichten im Deckungsverfahren nicht überspannt werden. Es reiche aus, dass der Standpunkt der Klagepartei vertretbar sei; es gehe nicht darum, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren im hiesigen Deckungsprozess vorwegzunehmen. Hinreichende Erfolgsaussichten ergäben sich bereits aus einer Vielzahl zugunsten der Klagepartei ergangener Urteile in vergleichbaren Verfahren.
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Nach alledem sei die Beklagte zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits gegen die A. AG und zur Tragung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verpflichtet. Die A. AG sei außergerichtlich bereits ohne Erfolg zur Schadensregulierung aufgefordert worden (Anlage K 5).
16
Die Klagepartei beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem mit der Klägerpartei geschlossenen Rechtsschutzschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer | verpflichtet ist, für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die ... AG aufgrund des Fahrzeugkaufs vom 14. August 2015 (FIN Deckungsschutz zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klagepartei keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
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Die Beklagte sei dabei mit dem Einwand fehlender Erfolgsaussichten nicht präkludiert, da die Prüfungsfrist erst mit dem Zusenden des Schriftverkehrs zur freiwilligen Servicemaßnahme des Herstellers am 21.05.2021 begonnen habe. Die Prüfungszeit von 3 Wochen sei dann nicht zu beanstanden, da die Deckungsanfrage 25 Seiten aufweise, auf zahlreiche Entscheidungen und Unterlagen verweise und mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen behaupte.
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Die Klagepartei habe keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der Umschaltlogik vorgetragen, nur in diesem Fall sei die Sittenwidrigkeit indiziert.
21
Ein greifbarer Anhaltspunkt sei insbesondere ein Pflichtrückruf des KBA für das klägerische Fahrzeug, der im Streitfall nicht vorliege. Die freiwillige Servicemaßnahme des Herstellers stelle hingegen kein Indiz dar.
22
Die Divergenzen der Messungen im Prüfstand und im Realbetrieb seien ebenso kein ausreichender Anhaltspunkt. Konkreter Vortrag zu bestimmten Messungen fehle. Im Übrigen seien die Messungen nicht auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar.
23
Sofern man von einem Thermofenster ausgehe, fehle ein schlüssiger Vortrag in Bezug auf die Sittenwidrigkeit und den Schädigungsvorsatz des Herstellers. Der Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft deute allenfalls auf eine fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung hin.
24
Damit ergebe sich im Hauptsacheverfahren auch keine sekundäre Darlegungslast des Herstellers.
25
Auch für das Vorhandensein weiterer Abschalteinrichtungen seien keinerlei greifbare Anhaltspunkte vorgetragen.
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Auf europarechtliche Normen könne ein Anspruch nicht gestützt werden, insoweit fehle der Schutzgesetzcharakter dieser Normen.
27
Etwaige Ansprüche gegen die A. AG seien zudem seit Ende 2021 verjährt. Der Kläger habe sich bereits mit Schreiben vom 27.08.2018 (Anlage B 3) an die Beklagte gewandt, um Ansprüche gegen den Hersteller wegen der Betroffenheit des Fahrzeugs vom Dieselskandal geltend zu machen.
28
Der Klageantrag umfasse das vorgerichtliche und das gerichtliche Tätigwerden gegen die A. AG. Mangels vorgerichtlicher Tätigkeit der Klagepartei komme eine Deckungsprüfung nur für eine vorgerichtliche Tätigkeit in Betracht. Im Übrigen bestehe kein Anspruch auf eine Deckung für das gerichtliche Verfahren ohne Beschränkung der Instanzen.
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Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2022 sowie im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
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Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
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A. Die zulässige Klage ist auch begründet.
32
Der Klagepartei steht ein Anspruch auf Deckung aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zu (§§ 1 S. 1, 125 VVG i.V.m. § 22 (3b) i.V.m. § 2 Nr. 2a; § 17 Abs. 2S. 1 ARB).
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I. Die Klage ist zulässig.
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1. Die Feststellungsklage ist zulässig (§ 265 Abs. 1 ZPO).
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Ist - wie im Streitfall - ein versicherter Kostenbefreiungsanspruch noch nicht fällig, kann nur auf Feststellung geklagt werden, dass der Versicherer verpflichtet sei, Kostendeckung oder Rechtsschutz in bestimmten Angelegenheiten zu gewähren. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist regelmäßig nach Leistungsablehnung gegeben (BGH, Urteil vom 14. April 1999 - IV ZR 197/98, r+s 1999, 285).
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2. Der Klageantrag ist zudem bestimmt genug (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Soweit sich die Klage allgemein auf die „gerichtliche Geltendmachung“ von Schadensersatzansprüchen unabhängig von der Instanz bezieht, hat die Klagepartei mit der Replik vom 17.10.2022 klargestellt, dass sich der Antrag nur auf die erste Instanz bezieht.
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II. Die Klage ist auch begründet.
38
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Deckungsschutz im begehrten Umfang.
39
1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass etwaige Ansprüche im Hinblick auf den Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeuges durch die Klagepartei vom versicherten „Rechtsschutz im privaten Verkehrsbereich“ umfasst wären.
40
Nach den dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen kann der Versicherer den Rechtsschutz ganz oder teilweise ablehnen, soweit die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 17a (1) ARB).
41
Es handelt sich insoweit um einen Einwand (BGH, Urteil vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07 -, BGHZ 178, 346-355, juris Rn. 23) des Versicherers. Mit der in § 17 (1) ARB gewählten Definition bringt der Versicherer zum Ausdruck, dass Versicherungsschutz unter denselben sachlichen Voraussetzungen gewährt wird, unter denen eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozessführung nicht aufzubringen vermag, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO beanspruchen kann (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - IVa ZR 76/86, VersR 1988, 174; BGH, Urteil vom 19. Februar 2003IV ZR 318/02 -, juris Rn. 16; OLG Schleswig, Beschluss vom 12. Mai 2022 - 16 U 53/22 -, juris). Versicherungsschutz ist damit (nur) für Fälle zugesagt, in denen der Versicherungsnehmer einen Rechtsstandpunkt einnimmt, der aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zutreffend oder zumindest vertretbar erscheint und in denen in tatsächlicher Hinsicht zumindest die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - IVa ZR 76/86-, juris Rn. 10).
42
2. Die Beklagte kann sich im Streitfall jedoch nicht auf die mangelnden Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung berufen, da ihre Deckungsablehnung nicht unverzüglich i.S.d. § 17 (2) ARB erfolgte.
43
a) Gemäß § 17 (2) ARB ist die Ablehnung wegen fehlender Erfolgsaussichten dem Versicherten unter Angabe der Gründe unverzüglich mitzuteilen, sobald der Sachverhalt genügend geklärt ist.
44
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Erfolgsaussicht und Stellungnahme über die Eintrittspflicht für den Versicherer den Verlust der darauf gestützten Ablehnungsrechte aus § 17 (1) ARB zur Folge (BGH, Urteil vom 30. April 2014 - IV ZR 61/13 -, juris Rn. 30).
45
b) Die Deckungsablehnung der Beklagten am 11.06.2021 erfolgte nicht unverzüglich. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bedeutet „unverzüglich“ eine Bearbeitungszeit von zwei bis drei Wochen (BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15 -, Rn. 38, juris) ab vollständiger Information des Rechtsschutzversicherers (OLG Frankfurt r + s 1997, 420; OLG Köln r+s 1991,419; OLG Köln r+s 1988, 334; LG Essen r+s 2016, 512). Dabei handelt es sich zwar nicht um eine starre Frist, vielmehr richtet sich der Zeitraum stets nach den Umständen des Einzelfalls. Gleichwohl kann im Grundsatz nur eine Ablehnung innerhalb dieser zwei bis drei Wochen als unverzüglich gewertet werden. (LG Rottweil BeckRS 2022, 32336). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH insbesondere, wenn es sich nicht um die erstmalige Prüfung der Erfolgsaussichten nach Geltendmachung des Versicherungsfalles handelt (BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15 Rn. 38, juris).
46
Vorliegend sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, die eine über drei Wochen hinausgehende Prüfungszeit rechtfertigen würden.
47
So hat die Klagepartei unwidersprochen vorgetragen, dass bis Mai 2021 bereits zahlreiche Deckungsanfragen in gleichgelagerten Fällen an die Beklagte gerichtet wurden und die Ablehnungsschreiben der Beklagten sich größtenteils aus Textbausteinen zusammensetzen, welche allenfalls durch aktuellere Urteile und gelegentlich ausgetauschte Argumentationen an den Einzelfall angepasst werden. Damit ist davon auszugehen, dass die Beklagte für ihre Entscheidung nur überprüfen musste, ob sich im Streitfall einzelne Änderungen bzw. Anpassungen im Vergleich zu den bisher bereits getroffenen, vergleichbaren Entscheidungen ergaben.
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Unter diesen Umständen erscheint eine längere Bearbeitungszeit als 3 Wochen nicht gerechtfertigt.
49
c) Die Prüfungsfrist beginnt dabei gemäß § 17 (2) ARB, sobald der Sachverhalt genügend geklärt ist.
50
Dies war im Streitfall bereits mit Zusendung der Deckungsanfrage am 07.05.2021 der Fall. Dabei kann schon aus der am 11.06.2021 erfolgten Deckungsablehnung geschlossen werden, dass der Beklagten zu diesem Zeitpunkt sämtliche Informationen vorlagen, die zur Prüfung des Sachverhaltes erforderlich waren. Dass nach Zugang der Deckungsanfrage am 07.05.2021 und vor der Entscheidung am 11.06.2021 noch weitere Informationen bzw. Unterlagen zur Entscheidung erforderlich waren oder noch angefordert wurden, wird von Seiten der Beklagten schon nicht vorgetragen.
51
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass die Klagepartei mit Schreiben vom 21.05.2021 noch den Schriftverkehr zur freiwilligen Servicemaßnahme der P. AG (vgl. Schreiben vom März 2020, Anlage K 2) übersandt hat, handelt es sich hierbei nicht um Unterlagen, die zur genügenden Klärung des Sachverhaltes erforderlich waren. So führte die Klagepartei bereits in ihrer Deckungsanfrage vom 07.05.2021 (Anlage K 3) unter „
II. Rückruf der Herstellerin“ sowie unter „III.5. Freiwillige Maßnahme“ aus, dass die Herstellerin für das streitgegenständliche Fahrzeug ein Softwareupdate als „freiwillige“ Maßnahme angeboten habe. Dass es für das streitgegenständliche Fahrzeug hingegen keinen amtlichen Rückruf seitens des KBA gab, wurde ebenso schon in der Deckungsanfrage angegeben. Insoweit wurde ausgeführt, dass ein behördlicher Rückruf für die Erfolgsaussichten unbeachtlich sei. Damit lagen der Beklagten schon vor dem Schreiben vom 21.05.2021 alle erforderlichen Informationen in Bezug auf die freiwillige Maßnahme des Herstel lers vor. In diesem Sinne ist auch der Hinweis in der Deckungsablehnung „Sollte sich eine neue Sachlage ergeben, prüfen wir den Vorgang selbstverständlich erneut.“ zu verstehen. Auf einen Beleg der freiwilligen Maßnahme kam es hingegen nicht an, vielmehr war die freiwillige Maßnahme des Herstellers für die Prüfung der Erfolgsaussichten schon nach den eigenen Angaben der Beklagten unerheblich.
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Damit begann die Bearbeitungsfrist am 07.05.2021, womit die Deckungsablehnung am 11.06.2021, also 5 Wochen später, nicht mehr unverzüglich war.
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d) Die Deckungsanfrage und demzufolge auch die präkludierte Deckungsablehnung beziehen sich dabei sowohl auf die außergerichtliche als auch die gerichtliche, erstinstanzliche Rechtsverfolgung.
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Auf weiteres zur Haftung des Fahrzeugherstellers bzw. zum etwaigen Eintritt der Verjährung kommt es daher nicht an.
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B. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt der nachvollziehbaren Berechnung in der Klageschrift S.8., der die Beklagte - auch in Bezug auf den Streitwert in der Hauptsache - nicht entgegengetreten ist.