Titel:
Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit
Normenketten:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 21 Abs. 1, Abs. 2a, § 58 Abs. 2 S. 2, § 59 Abs. 1 S. 1, § 84 Abs. 2 S. 1
AufenthV § 39 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Hat ein Unternehmen nach seinem Unternehmenskonzept keine realistische Aussicht, sich auf dem Markt nach einer gewissen Anlaufphase zu etablieren, ist vielmehr in absehbarer Zeit eine Insolvenz realistisch, sind positive Auswirkungen dieses Unternehmens auf die Wirtschaft nicht zu erwarten. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Voraussetzung für den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts für einen ausländischen selbständig Erwerbtätigen ist eine Bewährungszeit von drei Jahren, in der der Ausländer unter Beweis stellen soll, dass er wirtschaftlich erfolgreich das Unternehmen betreiben kann. Während dieses Zeitraums ist in Kauf zu nehmen, dass eine ausreichende Sicherung des Lebensunterhalts nach § 21 Abs. 4 S. 1 AufenthG gegebenenfalls auf anderer Grundlage erwirtschaftet werden muss. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Aufenthaltserlaubnis, selbständige Erwerbstätigkeit, Darlegung, fachkundige Stelle, Sicherung des Lebensunterhalts, Visumserfordernis, Ausreisefrist, Abschiebungsandrohung, Darlegungslast, Unternehmensplan, Life Sciences
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36377
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers, Az. W 7 …, gegen die Ziffern 1, 3 und 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 23. August 2022 wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Vollzug einer mit der Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis verbundenen Abschiebungsandrohung.
2
1. Der Antragsteller, geboren am … Juli 1987 und Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am 1. September 2016 mit einem Visum zu Studienzwecken in das Bundesgebiet ein. Am 26. Oktober 2016 wurde ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG, gültig bis 8. Oktober 2017, erteilt. Zum Sommersemester 2017 immatrikulierte der Antragsteller sich für den Studiengang Biowissenschaften mit dem Abschluss Master of Science (M.Sc.) an der Universität W. Die nach dem Umzug des Antragstellers in das Stadtgebiet zum 1. April 2017 zuständig gewordene Antragsgegnerin verlängerte die Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG bis 8. Oktober 2018 bzw. 8. Juni 2020. Am 19. Juni 2020 stellte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine bis 18. Dezember 2020 gültige Fiktionsbescheinigung aus. Ausweislich der Masterurkunde schloss der Antragsteller sein Studium am 28. Juli 2020 erfolgreich ab. Am 22. September 2020 wurde dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche nach § 20 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG mit Geltungsdauer bis 27. Juli 2021 erteilt.
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Am 7. April 2021 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 21 AufenthG für die beabsichtigte selbständige Unternehmertätigkeit als Life-Science-Berater. Vorgelegt wurde ein Geschäftskonzept mit Kapitalbedarfs- und Finanzierungsplan, Marketingstrategie, Ertragsvorschau und Motivationsschreiben.
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Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2021 wurde dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Antragsablehnung gegeben. Die Beurteilung der eingereichten Unterlagen durch die fachkundige Stelle habe kein wirtschaftliches Interesse gemäß § 21 Abs. 1 AufenthG ergeben. Aus den Unterlagen gehe weder die Rechtsform noch der künftige Sitz des Unternehmens hervor. Des Weiteren fehlten klare Aussagen über die geplante Tätigkeit, Informationen über die Finanzierung durch Eigenkapital oder Kreditzusage. Außerdem sei nicht erkennbar, dass zwingend ein dauerhafter Aufenthalt im Bundesgebiet notwendig sei, da die geltend gemachten Geschäftszwecke auch digital oder durch kurzfristige Aufenthalte mit Schengen-Visa zu erfüllen seien.
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Mit Schreiben der Bevollmächtigten vom 12. Juli 2021 wurde für den Antragsteller hilfsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 21 Abs. 2a AufenthG beantragt.
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Am 20. Juli 2021 stellte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung mit Gültigkeit bis 21. Oktober 2021 aus.
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Am 26. Juli 2021 legte der Antragsteller eine aktualisierte Fassung des Geschäftskonzeptes mit Angaben zur Finanzierung und Eigenkapital vor. Auf Aufforderung der Antragsgegnerin vom 28. Juli 2021 wurden am 23. August 2021 eine Saldenbestätigung der Sparkasse Mainfranken über eine Sichteinlage von 13.308,36 EUR, eine Bestätigung der D.-Bank für Herrn K.R. über ein Guthaben von 900.037 Taka (ca. 9.391 EUR) und ein Mietvertrag über ein teilmöbliertes Zimmer in einem Reihenhaus zur gewerblichen Nutzung der „… …“ für monatlich 310,00 EUR vorgelegt. Als Rechtsform des Unternehmens sei eine Unternehmergesellschaft (UG) geplant. Zwei Unternehmenspartner des Antragstellers, H.W. und V.A., seien in W. wohnhaft, die Verbindung zu der Partnerin A.M. in München und dem Partner T.M. in B. sei durch gute Zugverbindungen gewährleistet.
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Mit Schreiben vom 3. November 2021 teilte die Antragsgegnerin mit, dass nach wie vor die Ablehnung des Antrags beabsichtigt sei, da es weiterhin an einem nachvollziehbaren Finanzierungsplan fehle. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen sollten etwa 64% des benötigten Kapitals als Darlehen von einem Investor erwartet werden und ca. 21% über ein sogenanntes Crowdfunding finanziert werden. Nachweise hierüber seien nicht vorgelegt worden.
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Mit Stellungnahme vom 20. November 2021 führte die Antragstellerbevollmächtigte aus, dass nicht beabsichtigt sei, ein Unternehmen zu gründen, sondern zunächst eine UG als Unternehmensform zu wählen. Diese würde keine Einlage von mindestens 25.000 EUR für die Eintragung erfordern, womit das zur Verfügung stehende Eigenkapital ausreiche. Ergänzend wurden am 29. November 2021 Lohnabrechnungen und Verdienstnachweise sowie ein Finanzplan für die Jahre 2022 bis 2024, eine Aufstellung von angeblich an einer Zusammenarbeit interessierten Mandanten sowie eine Bestätigung der Zulassung zum Studium an der Berlin School of Medicine vorgelegt. Des Weiteren wurde mit Schreiben vom 25. Februar 2022 die notarielle Gründungsurkunde vorgelegt und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für zumindest ein Jahr, hilfsweise eine Fiktionsbescheinigung für die Dauer von sechs Monaten beantragt.
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Am 3. März 2022 verlängerte die Antragsgegnerin die Fiktionsbescheinigung bis 2. September 2022.
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Mit E-Mail-Nachricht der Antragstellerbevollmächtigten vom 16. Mai 2022 wurde mitgeteilt, dass der Antragsteller weitere Investoren in Indien habe gewinnen können, und darum gebeten, vor einer endgültigen Entscheidung die erste Auftragserteilung an das Unternehmen abzuwarten. Mit E-Mail vom 1. August 2022 wurden die Gewerbeanmeldung vom 20. Juli 2022 sowie eine Vereinbarung mit der B.-Corporation vorgelegt. Des Weiteren waren die Eingangsmitteilung des Transparenzregisters vom 1. Juli 2022, die Visitenkarte und der Firmenstempel des Antragstellers beigefügt.
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Mit Bescheid vom 23. August 2022 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag vom 22. Juli 2021 auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1 des Bescheides) und forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland bis spätestens einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. für den Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch das Verwaltungsgericht innerhalb von einem Monat nach Bestandskraft des Bescheides zu verlassen (Ziffer 2). Für den Fall, dass der Antragsteller seiner Ausreiseverpflichtung nicht fristgerecht nachkomme, wurde ihm die Abschiebung nach Bangladesch bzw. in einen anderen Staat, in den der Antragsteller einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Ziffer 3). Die Kosten einer eventuellen Abschiebung habe der Antragsteller zu tragen (Ziffer 4), für den Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 98,00 EUR festgesetzt (Ziffer 5).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis fänden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthG setze die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel unter anderem die Sicherung des Lebensunterhaltes voraus. Dies setze eine Prognoseentscheidung voraus. Zum einen habe die Beurteilung durch die fachkundige Stelle ergeben, dass kein wirtschaftliches Interesse im Sinne des § 21 Abs. 1 AufenthG erkennbar sei. Zudem sei weiterhin fraglich, ob für die geplanten Geschäftszwecke zwingend ein dauerhafter Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland notwendig sei. Vielmehr könnten die Geschäftszwecke auch digital oder durch kurzfristige Aufenthalte mit Schengen-Visa erfüllt werden. Dies bestätige auch das Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 25. Februar 2022, wonach der Antragsteller am 28. März 2022 mehrere Treffen mit potentiellen Interessenten in seinem Heimatland geplant habe. Zum anderen lägen nach wie vor keine belastbaren Informationen darüber vor, ob die Finanzierung tatsächlich durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert sei. Die übersandte Saldenbestätigung der Sparkasse … … über 13.308,36 EUR sowie die Bestätigung der D. Bank für Herrn K.R. über 900.037 bangladeschische Taka stellten jedenfalls keine ausreichende Finanzierungsgrundlage dar. Der Antragsteller und seine Mitarbeiter bezögen kein Gehalt aus der unternehmerischen Tätigkeit. Tatsächlich gehe der Antragsteller einer Teilzeitbeschäftigung mit einem Durchschnittseinkommen von ca. 1.400,00 EUR in der Systemgastronomie nach. Das als Geschäftssitz angemietete Zimmer zur gewerblichen Nutzung diene ihm als Unterkunft. Nachweise der Kreditwürdigkeit oder Darlehen von Investoren sowie Nachweise über stille Beteiligungen habe der Antragsteller nicht vorlegen können. Der Businessplan enthalte viele Phrasen und Marketingfloskeln ohne Inhalt und Substanz. Er sei Studienabgänger und der deutschen Sprache kaum mächtig. Wie der Antragsteller laut seiner Geschäftsidee potentielle deutsche Firmenkunden ohne jegliches Netzwerk und Berufserfahrung in diesem Bereich beim Aufbau dauerhafter Partnerschaften unterstützen wolle, sei nicht ersichtlich. Die angeblich durchgeführte Marktuntersuchung und Machbarkeitsstudie seien nicht vorgelegt worden. Es bestehe damit weder ein gesetzlicher Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis noch auf Neuerteilung einer solchen. Aus den aufgeführten Gründen komme auch eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage nicht in Betracht, da hier die Versagungsgründe des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegenstünden. Der Antragsteller beabsichtige zwischenzeitlich erneut, ein Studium aufzunehmen. Nach Mitteilung seiner Bevollmächtigten solle der Antrag jedoch nicht umgedeutet werden, da er kein Studium aufnehmen werde. Der Antragsgegnerin stehe kein Ermessen für eine anderweitige Entscheidung zu. Die Verlängerung bzw. Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sei wegen Nichterfüllung der Erteilungsvoraussetzungen zu versagen, da durchgreifende Zweifel an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des geschäftlichen Konzepts bestünden. Auf die Gründe des Bescheides wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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2. Am 2. September 2022 ließ der Antragsteller Klage erheben (Az.: W 7 K …), mit der er die Aufhebung des Bescheides vom 23. August 2022 in den Ziffern 1 bis 5 sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, über seinen Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 2a AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Über die Klage wurde noch nicht entschieden.
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Zugleich beantragte der Antragsteller im vorliegenden Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung wurde eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 2. September 2022 mit diversen anderen Unterlagen vorgelegt sowie ausgeführt, der Antragsteller werde ab September bereits seinen Lebensunterhalt durch die selbstständige Tätigkeit bzw. durch seine Tätigkeit als Geschäftsführer des Unternehmens … … … sichern. Das Geschäftsführergehalt des Antragstellers liege bei monatlich 1.800,00 EUR für den Zeitraum September 2022 bis August 2023, bei monatlich 2.500,00 EUR für den Zeitraum September 2023 bis August 2024 sowie monatlich 3.000,00 EUR für den Zeitraum September 2024 bis Dezember 2024. Im Übrigen werde auf den Inhalt der Finanzplanung 2022 bis 2024 Bezug genommen. Da die Zielkunden in Deutschland ansässig seien, sei es notwendig, dass der Antragsteller seine Tätigkeit dauerhaft im Bundesgebiet betreibe, um die Kunden persönlich ansprechen zu können. Einreisen mit Visa würden zu hohe Kosten verursachen und unnötige Hürden aufbauen. Dies würde auch zur schlechteren Erreichbarkeit des Antragstellers führen. Life-Science-Beratungen seien Beratungsunternehmen mit spezifischer Sachkenntnis bezüglich der staatlichen Vorschriften, Marktdynamik, Erstattungssysteme usw. verschiedener Bereiche wie Arzneimittel, biotechnologische Produkte oder Medizinprodukte und könnten somit Unternehmen, die in der entsprechenden Branche tätig seien, auf verschiedene Weise helfen. Dazu gehöre die Erbringung von Dienstleistungen für das Kundenunternehmen im Rahmen des due-diligence-Prozesses, des Weiteren durch Entwicklung eines Strategieplans für die interne Umstrukturierung gemäß den Forderungen des Kunden, durch Unterstützung bei Entscheidungen, welches die Schlüsselkompetenzen des Kunden seien und in welchen Bereichen der Kundenfokus auf Outsourcing liegen sollte und schließlich durch Durchführung von Marktanalysen über das Multi-Channel-Netzwerk für den EU-Kunden und Hilfe beim Beschaffungsprozess zum Beispiel von medizinischen Geräten und Softwarelösungen. Die Aufgaben von Life-Science-Beratungen seien sehr vielfältig, weshalb in der Regel nach Personen gesucht werde, die Erfahrungen in den Life-Science-Sektoren hätten, verbunden mit betriebswirtschaftlichen Aspekten, da die Fälle in der Regel ein breites Spektrum an Wissen erforderten. Der Antragsteller habe das notwendige Wissen in biomedizinischen Wissenschaften, Toxikologie, Wirtschaft und Management, was ihm in der Regel einen besseren Wettbewerbsvorteil, insbesondere aufgrund seines vorherigen Abschlusses in einem Life-Sciencebezogenen Bereich, verschaffe. Für den Antragsteller sei es einfacher, den betriebswirtschaftlichen Bereich mit dem wissenschaftlichen zu verbinden. Er verstehe auch hinsichtlich des während der Meetings verwendeten Fachvokabulars, was seine Kunden wünschten. Dies sei jedoch nur möglich und sinnvoll durch häufigen persönlichen Kontakt. Vorgelegt wurde eine Finanzplanung für die … … …, erstellt von einer Steuerberatungsgesellschaft.
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3. Die Antragsgegnerin beantragt,
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Zur Begründung wurde auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Beurteilung durch die beteiligte fachkundige Stelle, die Industrie- und Handelskammer …, wonach kein wirtschaftliches Interesse im Sinne des § 21 Abs. 1 AufenthG erkennbar sei, habe nicht entkräftet werden können. Es seien nur ohnehin bekannte Sachverhalte wiederholt worden. Weiterhin bleibe fraglich, ob für die geplanten Geschäftszwecke zwingend ein dauerhafter Aufenthalt des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland notwendig sei. Entgegen der Auffassung der Antragstellerseite könnten die für Geschäftszwecke erforderliche Kommunikation und auch Angebotsunterbreitung durchaus digital oder durch kurzfristige Aufenthalte mit Schengen-Visa erfüllt werden.
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Aus der ergänzenden Antragsbegründung ergäben sich keine neuen Umstände, die eine andere Beurteilung zuließen. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aufenthaltserlaubnis seien weiterhin nicht erfüllt. Der Antragsteller sichere seinen Lebensunterhalt nicht durch die selbstständige Tätigkeit als Geschäftsführer des Unternehmens, sondern als Mitarbeiter in der Systemgastronomie. Nachweise über den Bezug eines Geschäftsführergehalts sowie über bisher getätigte Umsätze des Unternehmens seien nicht vorgelegt worden. Ausweislich der nun vorgelegten Finanzplanung ergebe sich für das laufende Geschäftsjahr eine Bilanzsumme von 11.872,00 EUR. Laut Kontoauszügen und dazugehörigen Belegen für die Geschäftsvorfälle von April bis August 2022 solle anhand der bisherigen Durchschnittsumsätze von ca. 2.274,00 EUR monatlich auch für den Zeitraum September 2022 bis April 2023 ausgegangen werden. Als Geschäftsführergehalt solle für den Zeitraum September 2022 bis August 2023 von monatlich 1.800 EUR ausgegangen werden. Eine für die Beurteilung der Tragfähigkeit des Unternehmens notwendige Gewinn- und Verlustrechnung mit den jeweiligen Ertrags- und Kostenpositionen fehle. Die bisherigen Umsätze seien ausschließlich mit ausländischen Unternehmen generiert worden. Ein wirtschaftliches Interesse im Sinne des § 21 Abs. 1 AufenthG sei nicht erkennbar. Es bleibe daher weiterhin fraglich, ob für die geplanten Geschäftszwecke zwingend ein dauerhafter Aufenthalt des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland notwendig sei. Entgegen der Auffassung der Antragstellerbevollmächtigten könnten die für Geschäftszwecke erforderliche Kommunikation und auch Angebotsunterbreitungen wie bisher digital oder durch kurzfristige Aufenthalte mit Schengen Visa erfüllt werden.
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4. Unter dem 14. Oktober 2022 ließ der Antragsteller ergänzend vortragen, er verdiene bereits mit der selbstständigen Tätigkeit. Vorgelegt wurden eine Rechnung vom 5. August 2022 sowie der Kontoauszug vom 9. September 2022. Am 27. September 2022 habe der Antragsteller eine Antwort eines Mitarbeiters der Verkaufsabteilung der G.-GmbH mit dem Angebot einer Diskussion über eine längerfristige Partnerschaft in Bezug auf den Verkauf von deren Produkten erhalten. Zur Glaubhaftmachung wurde eine E-Mail-Nachricht vom 27. September 2022 vorgelegt. Am 7. Oktober 2022 habe der Antragsteller ein Gehalt von 1.385,75 EUR erhalten. Ergänzend wurden mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2022 eine „Kurzfristige Erfolgsrechnung September 2022 vom 21.10.2022“ vorgelegt, wobei es sich um eine aktualisierte betriebswirtschaftliche Auswertung handele. Die Personalkosten für den Antragsteller als Geschäftsführer von 1.800,00 EUR brutto seien dabei ebenfalls berücksichtigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der am 2. September 2022 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. August 2022 anzuordnen, ist hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 des Bescheides zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
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1. Der Antrag ist hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 des Bescheides zulässig, im Übrigen jedoch unzulässig.
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a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist hinsichtlich der Bescheidsziffern 1 bis 3 statthaft. Hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheides (Ausreisefristsetzung mit Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung) folgt dies daraus, dass die Anfechtungsklage insoweit gemäß Art. 21a VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 59 Rn. 71 f.; Kluth in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, AufenthG § 58 Rn. 5, § 59 Rn. 3). Hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubniserteilung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist gemäß § 123 Abs. 5 VwGO ebenfalls das Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorrangig, da durch die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubniserteilung die gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG bestehende Fiktionswirkung beseitigt wird, weshalb die Ablehnung den Charakter eines belastenden Verwaltungsaktes besitzt (vgl. VGH BW, B.v. 11.5.2021 - 11 S 2891/20 - juris Rn. 10; Fleuß in Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, § 5 Rn. 137). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellt zwar nicht die Fiktionswirkung wieder her, sie hat aber zur Folge, dass die Ausreisepflicht des Antragstellers aufgrund der Versagung des Aufenthaltstitels nicht vollziehbar ist, § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (VG München, B.v. 10.1.2022 - M 4 S 21.1155 - juris Rn. 51; VGH BW, B.v. 20.11.2007 - 11 S 2364/07 - juris Rn. 2 f.). Der Ausländer ist deshalb - solange er sich im Bundesgebiet befindet - nach § 80 Abs. 1 VwGO einstweilen so zu behandeln ist, als gelte die Fiktionswirkung fort (VGH BW, B.v. 20.11.2007 - 11 S 2364/07 - juris Rn. 3 m.w.N.).
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b) Im vorgenannten Umfang liegen auch die weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO vor, insbesondere besteht (in dem vorstehend unter a) genannten Umfang) ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der streitgegenständliche Bescheid infolge der gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 1 VwGO fristgerechten Klageerhebung am 2. September 2022 nicht bestandskräftig geworden ist.
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c) Im Übrigen ist der Antrag unzulässig. Hinsichtlich der Ziffer 4 des Bescheides geht der Antrag bereits mangels eines tauglichen Gegenstandes ins Leere, weil es sich lediglich um einen Hinweis auf die gemäß § 66 Abs. 1 AufenthG bestehende gesetzliche Verpflichtung, die Kosten der Abschiebung zu tragen, handelt. Eine Kostenfestsetzung durch Leistungsbescheid gemäß § 68 AufenthG, welche gesondert anfechtbar wäre, liegt gerade nicht vor. Hinsichtlich der Kostenentscheidung unter der Ziffer 5, die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar ist, hat der Antragsteller das nach § 80 Abs. 6 VwGO erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt.
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2. Der Antrag ist im tenorierten Umfang auch begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.
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Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der angegriffenen Verwaltungsakte unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache - hier der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. August 2022 - gegeneinander abzuwägen (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 152; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird und ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit besteht. Ergibt dagegen eine vorläufige Überprüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, dass dieser offensichtlich zulässig und begründet ist, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind schließlich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Hoppe in Eyermann a.a.O. Rn. 90 ff.).
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Gemessen daran ist bei summarischer Prüfung im ersten Schritt offen, ob die Klage hinsichtlich der Bescheidsziffern 1 und 3 Erfolg haben wird. Zwar ist der Umfang des angekündigten Klageantrags unklar, da der Antragsteller einerseits ausdrücklich nur die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 2a AufenthG beantragt, andererseits aber die Aufhebung des Versagungsbescheides insgesamt, d.h. auch hinsichtlich der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubniserteilung nach § 21 Abs. 1 AufenthG, begehrt. Die Argumentation des Antragstellers zur Begründetheit seines Antrags zielt jedoch auch auf das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 21 Abs. 1 AufenthG ab. Dies spricht dafür, dass auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dieser Rechtsgrundlage Gegenstand der Klage sein soll. Bis zu einer Klarstellung (spätestens) in der mündlichen Verhandlung legt das Gericht den Klageantrag deshalb dahingehend aus, dass auch das Begehren der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 1 AufenthG weiterverfolgt wird, womit dieses auch Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist. Dies vorausgeschickt, steht dem Antragsteller zwar wohl kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 1 AufenthG (dazu a)) zu, er hat aber (zumindest) einen Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Verbescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 2a AufenthG, weil die Antragsgegnerin verkannt hat, dass insoweit die allgemeinen und besonderen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, und (unter Zugrundelegung ihrer Rechtsansicht folgerichtig) kein Ermessen ausgeübt hat (§ 113 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO, dazu b)). Da die Erfolgsaussichten der Klage insoweit offen sind, ergibt die im zweiten Schritt anzustellende Interessenabwägung, dass das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung seiner Ausreisepflicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage auf Aufenthaltserlaubniserteilung (Aussetzungsinteresse) das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Maßnahmen vor Eintritt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache (Vollzugsinteresse) überwiegt (dazu c)). In der Folge ist die aufschiebende Wirkung der Klage auch gegen die Abschiebungsandrohung unter der Ziffer 3 anzuordnen (dazu d)). Dagegen bleibt der Antrag hinsichtlich der Ausreisefristsetzung unter der Ziffer 2 ohne Erfolg (dazu e)).
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a) Der Antragsteller erfüllt voraussichtlich nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für eine selbstständige Erwerbstätigkeit nach § 21 Abs. 1 AufenthG, sodass es auf die Ermessensausübung der Antragsgegnerin insoweit nicht ankommt.
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aa) Bei der vom Antragsteller beabsichtigten Tätigkeit als Life-Science-Berater handelt es sich um eine selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 AufenthG, welche sich vornehmlich dadurch auszeichnet, dass der Selbstständige das Berufs- und Existenzrisiko (Unternehmerrisiko) trägt. Ausreichende Anhaltspunkte hierfür wie das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft des Antragstellers, die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit und zumindest beabsichtigte geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern sind gegeben (vgl. Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 7 m.w.N.). Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus § 21 AufenthG, hingegen sind die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 AufenthG für unselbständige Erwerbstätigkeiten nicht zu prüfen (Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 5). Maßgeblich sind insoweit nicht die eigenen unternehmerischen Interessen des Antragstellers, sondern die inländischen Interessen oder Bedürfnisse an der betreffenden Tätigkeit des betreffenden Ausländers in Deutschland bzw. in der jeweiligen Region (VGH BW BeckRS 2009, 33091 Rn. 9; VG Stuttgart, U.v. 6.8.2019 - 2 K 7356/18 - juris Rn. 40; VG Hannover, B.v. 9.3.2022 - 5 B 1766/21 - juris Rn. 23; Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 11). Daher kann ein wirtschaftliches Interesse insbesondere dann vorliegen, wenn Investitionen bzw. eine (geringe) Zahl von Arbeitsplätzen geschaffen oder gesichert werden oder wenn das Unternehmen auf der Entwicklung oder dem Einsatz innovativer Techniken beruht oder wenn mit dem Unternehmen die Verbesserung der Absatz- oder Marktchancen inländischer Unternehmen verbunden ist (VG Düsseldorf, U.v. 17.3.2016 - 8 K 3894/15 - juris Rn. 22; Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 12). Insoweit hat die Ausländerbehörde eine Prognose über das künftige Vorliegen der Voraussetzungen anzustellen, da die gesetzlich genannten Anforderungen zukunftsbezogen sind und von der Entwicklung der beabsichtigten selbstständigen Tätigkeit abhängen (vgl. Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 9 m.w.N.). Die Prognose soll insbesondere anhand der in § 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG angeführten Kriterien erfolgen, wobei zwar alle in Satz 1 Nr. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen vorliegen müssen, aber eine Gesamtschau vorzunehmen ist (VGH BW, B.v. 17.3.2009 - 11 S 448/09 - juris Rn. 9, 10; Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 9). Bei den in § 21 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AufenthG normierten Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit handelt es sich um gerichtlich vollständig überprüfbare unbestimmte Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite der Vorschrift, die ggf. das behördliche Ermessen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eröffnen (VGH BW, B.v. 17.3.2009 - 11 S 448/09 - juris Rn. 6; HambOVG, B.v. 29.1.2008 - 3 Bs 196/07 - juris Rn. 23; Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 10).
32
Es fehlt jedoch an der Darlegung des Vorliegens der besonderen Erteilungsvoraussetzungen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AufenthG durch den Antragsteller. Die Antragsgegnerin ist in ihrem Bescheid der Stellungnahme der als fachkundige Stelle gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 AufenthG beteiligten Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt vom 21. Juni 2021 (Blatt 241 d.A.) gefolgt. Nach den Ausführungen der fachkundigen Stelle ist „auf der Basis des nicht personalisierten (…) Gründungskonzepts kein solches wirtschaftliches Interesse erkennbar. Es wird weder eine Rechtsform des geplanten Unternehmens noch ein Sitz desselben benannt. Auch sind aus der Beschreibung kaum konkrete Inhalte entnehmbar, ebenso wenig, inwiefern ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland zwingend nötig ist. Vielmehr wiederholen sich sehr allgemein gehaltene Marketingphrasen ohne konkreten Bezug zum Kammerbezirk und zu Details der geplanten Tätigkeit.“ Dieser nachvollziehbaren und plausiblen fachlichen Einschätzung, der aufgrund der Regelung des § 21 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ein besonderes Gewicht zukommt (SächsOVG, B.v. 9.4.2018 - 3 B 34/18 - juris Rn. 7), schließt sich das Gericht an. Es fehlt bereits an der Darlegung eines wirtschaftlichen Interesses im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Grundvoraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 1 AufenthG ist - wie sich aus § 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ergibt -, dass die beabsichtigte Tätigkeit und die mit ihr verbundene Geschäftsidee umsetzbar und tragfähig erscheint, wobei den Antragsteller insoweit nach § 82 Abs. 1 AufenthG die Darlegungslast trifft (vgl. VG Hannover, B.v. 9.3.2022 - 5 B 1766/21 - juris Rn. 23; VG Berlin, U.v. 25.5.2022 - 12 K 215/21 V - juris Rn. 42; OVG Bln.-Bbg., B.v. 5.1.2017 - 11 N 34/14 - juris Rn. 14). Denn an einer Tätigkeit, deren tatsächliche Verwirklichung nicht gesichert ist, besteht weder ein wirtschaftliches Interesse, noch ein regionales Bedürfnis, ebenso wenig wie von dieser positive Auswirkungen auf die Wirtschaft zu erwarten sind. Häufig beeinträchtigt die fehlende Umsetzbarkeit auch die Finanzierung der beabsichtigten Tätigkeit (VG Berlin, U.v. 25.5.2022 - 12 K 215/21 V - juris Rn. 42). Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen geht jedoch nicht hervor, inwiefern ein wirtschaftliches Interesse an der geplanten Tätigkeit als Life-Science-Berater konkret besteht. Des Weiteren sind auch keine positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG dargelegt. Zwar steht dieses Merkmal im Zusammenhang mit dem vorgenannten Merkmal nach Nummer 1, es verlangt jedoch darüber hinaus gehend, dass das Unternehmen eine realistische Aussicht hat, sich auf dem Markt nach einer gewissen Anlaufphase zu etablieren. Hingegen sind derartige positive Auswirkungen bei einem Unternehmen, dass aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit insolvent werden wird, nicht zu erwarten (Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 14). Es kann offenbleiben, inwiefern § 21 Abs. 1 AufenthG - wie von der Antragsgegnerin offenbar angenommen - eine eigenständige Voraussetzung der zwingenden Notwendigkeit eines dauerhaften Aufenthalts des Antragstellers in Deutschland entnommen werden kann (vgl. dazu Nds.OVG, B.v. 20.1.2020 - 13 ME 348/19 - juris Rn. 23). Denn es fehlt an einer nachvollziehbaren Darlegung der zu erwartenden positiven Effekte für die Wirtschaft in Deutschland bzw. in der Region durch den Antragsteller. Da die Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AufenthG maßgeblich auch für die Verwirklichung öffentlicher Wirtschaftsinteressen erteilt wird, sind bei einem Aufenthaltserlaubnisantrag besondere Nachweisanforderungen an die Erreichbarkeit des Aufenthaltszwecks zu stellen. So ist die Beteiligung unterschiedlicher Behörden nach § 21 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur dann sinnvoll möglich, wenn die Angaben des ausländischen Unternehmers über die beabsichtigte Geschäftstätigkeit und die im Businessplan behaupteten Geschäftserwartungen derart konkret wiedergegeben und belegt sind, dass die Ausländerbehörde und die weiter zu beteiligenden Fachbehörden sowie etwa die Verwaltungsgerichte im aufenthaltsrechtlichen Genehmigungsverfahren hierdurch in die Lage versetzt werden, das öffentliche wirtschaftliche Interesse an dem Geschäftsvorhaben auf der Grundlage der unternehmerischen Angaben nachzuvollziehen und einschätzen zu können. Hierzu zählen aber auch Angaben und Nachweise über die Struktur des Unternehmens und die persönlichen Voraussetzungen in der Person des ausländischen Unternehmers, die es ihm ermöglichen, das Unternehmen erfolgreich zu führen (VG Neustadt a.d. Weinstraße, B.v. 10.8.2022 - 2 L 405/22.NW - juris Rn. 18). Diesen Anforderungen genügen die vorgelegten Unterlagen nicht. Vielmehr sind, wie die fachkundige Stelle zu Recht anmerkt, die vorgelegten Unterlagen sehr allgemein gehalten und gehen nicht substantiiert auf die erwarteten positiven Effekte der Ausübung dieser Tätigkeit durch den Antragsteller in der Region ein. Es geht daraus weder hervor, inwiefern hier Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden, noch inwieweit das Unternehmen auf der Entwicklung oder dem Einsatz innovativer Techniken beruht bzw. mit ihm eine konkrete Verbesserung der Absatz- oder Marktchancen inländischer Unternehmen verbunden ist. Des Weiteren folgt das Gericht der fachkundigen Einschätzung, dass auch die gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erforderliche Finanzierung des Unternehmens durch Eigenkapital oder eine Kreditzusage dargelegt ist. Dieses Merkmal verlangt, dass der Antragsteller die finanziellen Mittel vorweisen kann, die nötig sind, um die Geschäftsidee real durch das Vorhandensein von Betriebsmitteln wie die benötigten Genehmigungen oder Konzessionen einschließlich der Kosten für deren Beantragung, erforderliche Räumlichkeiten bzw. Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattung wie Büroeinrichtung sowie das gegebenenfalls nötige Stammkapital der Gesellschaft umzusetzen (vgl. Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 15). Die Finanzierungsfrage muss vor der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis geklärt sein (VG Augsburg, U.v. 10.12.2008 - Au 6 K 08.1213 - juris Rn. 24). Die vorgelegte Saldenbestätigung der Sparkasse … … über 13.308,36 EUR sowie die Bestätigung der D.-Bank für einen Herrn K.R. über ein Guthaben von 900.037 bangladeschische Taka genügen nicht zur Darlegung einer ausreichenden Finanzierungsgrundlage. Zwar hat der Antragsteller Unterlagen nachgelegt, nach denen etwa 64% des benötigten Kapitals als Darlehen von einem Investor erwartet werden und ca. 21% über ein sogenanntes Crowdfunding finanziert werden sollen. Entsprechende Nachweise fehlen jedoch.
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Die vom Antragsteller während des gerichtlichen Verfahrens nachgeschobenen Unterlagen ändern an dieser Einschätzung im Ergebnis nichts, da es nach wie vor an der erforderlichen Darlegung der gesetzlichen Voraussetzungen fehlt. Zwar sind mittlerweile Angaben über die geplante Rechtsform des Unternehmens vorhanden. Die Aussagekraft des vorgelegten betriebswirtschaftlichen Konzeptes wird jedoch im Hauptsacheverfahren, gegebenenfalls unter Beteiligung der fachkundigen Stelle, zu klären sein.
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bb) Offenbleiben kann nach dem zuvor Ausgeführten, ob die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1, 2 AufenthG gegeben sind. Insoweit wird aber auf die folgenden Ausführungen verwiesen.
35
b) Der Antragsteller erfüllt jedoch nach summarischer Prüfung die besonderen und allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 2a AufenthG, womit der Ermessenspielraum der Antragsgegnerin eröffnet ist. Der streitgegenständliche Bescheid lässt allerdings insoweit keine Ermessensausübung erkennen, vielmehr ist die Antragsgegnerin vom Nichtvorliegen der allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen ausgegangen und hat damit (aus ihrer Sicht folgerichtig) keine Ermessenserwägungen angestellt. Insoweit wird die Antragsgegnerin auf der Grundlage der nachstehenden Ausführungen und der daraus ersichtlichen Rechtsauffassung des Gerichts eine erneute, ermessensgerechte Entscheidung über den gestellten Antrag auf Aufenthaltserlaubniserteilung zu treffen haben.
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aa) Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen nach § 21 Abs. 2a AufenthG liegen vor. Nach § 21 Abs. 2a Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der sein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung im Bundesgebiet erfolgreich abgeschlossen hat, eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit abweichend von Absatz 1 erteilt werden. Die beabsichtigte selbständige Tätigkeit muss jedoch nach § 21 Abs. 2a Satz 2 AufenthG einen Zusammenhang mit den in der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnissen erkennen lassen. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, ausländischen Absolventen von deutschen Hochschulen die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit sowie Forschern und Wissenschaftlern den Aufenthaltszweckwechsel zur selbständigen Tätigkeit zu erleichtern (BT-Drs. 17/9436, S. 16). Der Antragsteller hat laut der vorgelegten Urkunde der Julius-Maximilians-Universität Würzburg den akademischen Grad eines Master of Science (M.Sc.) in Biowissenschaften erworben und damit den erfolgreichen Abschluss eines Studiums an einer staatlichen Hochschule (§ 2 Abs. 12c Nr. 2 AufenthG) im Bundesgebiet nachgewiesen. Des Weiteren weist die angestrebte Tätigkeit als Life-Science-Berater auch den erforderlichen Zusammenhang mit den im abgeschlossenen Hochschulstudium der Biowissenschaften erworbenen Kenntnissen vor. Life Sciences sind Forschungsrichtungen und Ausbildungsgänge, welche sich mit Prozessen oder Strukturen von Lebewesen beschäftigen oder an denen Lebewesen beteiligt sind. Sie umfassen neben der Biologie auch verwandte Fächer wie die Medizin, die Biomedizin, Pharmazie, Biochemie, Chemie, Molekularbiologie, Geophysik und andere Fachrichtungen. Das Methodenspektrum kann fast das gesamte naturwissenschaftliche Geräte- und Analyseninventar umfassen und auch in Bereiche der Human- und Sozialwissenschaften hineinreichen. Die methodische Arbeit und das theoretische Rüstzeug sind demzufolge häufig stark interdisziplinär, weisen aber einen klaren Bezug zu Lebewesen und insbesondere zum Menschen auf (vgl. Wikipedia, Artikel „Life Sciences“). Demnach handelt es sich bei der angestrebten Tätigkeit eines Life-Science-Beraters um nichts anderes als die Umsetzung der im Studium der Biowissenschaften erworbenen theoretischen Kenntnisse in der Beratungspraxis für Unternehmen, welche in einschlägigen Branchen tätig sind. Dies geht aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen auch ausreichend konkret hervor, zumal die gesetzlichen Voraussetzungen im Hinblick auf den angestrebten Zweck, ausländischen Absolventen deutscher Hochschulen die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu erleichtern, nicht zu eng gehandhabt werden dürfen (VG Berlin, U.v. 19.11.2013 - 11 K 391.13 - juris Rn. 15).
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bb) Des Weiteren erfüllt der Antragsteller voraussichtlich auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG.
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(1) Aufgrund der vorliegenden Angaben spricht viel dafür, dass der Antragsteller nach der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis (vgl. BVerwG, U.v. 16.8.2011- 1 C 4.10 - juris Rn. 15; Beiderbeck in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 2 Rn. 6) seinen Lebensunterhalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG dauerhaft sichern kann. Die Prüfung, ob die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt ist, erfolgt durch eine Prognoseentscheidung, im Rahmen derer darüber zu befinden ist, ob der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Von einer Sicherung des Lebensunterhalts im Sinn des § 2 Abs. 3 AufenthG kann nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (BayVGH, U.v. 19.12.2015 - 19 B 15.1066 - juris Rn. 37; Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 5 AufenthG Rn. 26 m.w.N.). Im Allgemeinen genügt dafür das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses (BayVGH, B.v. 5.10.2018 - 10 C 17.322 - juris Rn. 8) bzw. wenn bei einem befristeten Arbeitsverhältnis mit dessen Verlängerung gerechnet werden kann (Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 5 Rn. 29). Der Prognosezeitraum richtet sich dabei nach der Dauer des vorgesehenen Aufenthalts bzw. nach der vorgesehenen Geltungsdauer einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, denn vor einer eventuellen Verlängerung ist die Sicherung des Lebensunterhalts erneut zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2018 - 10 C 17.322 - juris Rn. 8; B.v. 7.9.2021 - 19 C 21.835 - juris Rn. 13; Beiderbeck in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 5 Rn. 3; Maor in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 35. Ed., Stand 1.10.2022, AufenthG § 5 Rn. 1). Maßgeblich ist der Aufenthaltstitel, der zu erteilen wäre (Maor in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 35. Ed., Stand 1.10.2022, AufenthG § 5 Rn. 1 m.V.a. BayVGH B.v. 7.9.2021 - 19 C 21.835 - juris Rn. 13).
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Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt gesichert, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Der Antragsteller hat mit der vorgelegten Mitgliedsbescheinigung der AOK … nach § 175 SGB V vom 8. Februar 2019 (Bl. 101 d.A.) nachgewiesen, dass er gesetzlich krankenversichert ist. Dies ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 AufenthG für den Nachweis der Krankenversicherung ausreichend. Des Weiteren ergibt die anzustellende Prognose, dass der Antragsteller seinen Lebensunterhalt für den Zeitraum der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis, mithin für drei Jahre ab der Erteilung gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, sichern kann. Insoweit ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen (vgl. Beiderbeck in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 2 Rn. 7 ff.):
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Im ersten Schritt ist der Bedarf zu ermitteln, welcher sich bei erwerbsfähigen Ausländern nach §§ 20, 21 Abs. 5 und 22 SGB II richtet. Insoweit sind zu dem Regelbedarf des Antragstellers nach Stufe 1 gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 449,00 EUR die Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II hinzuzurechnen. Ob diesbezüglich auf den Mietvertrag vom 27. Juli 2021 (Bl. 293 f. d.A.) für ein teilmöbliertes Zimmer zur gewerblichen Nutzung als Büro mit der Berechtigung zur Mitbenutzung von Küche und Gäste-WC (§ 1 Abs. 2 des Mietvertrags) gegen die monatliche Miete von 310,00 EUR abgestellt werden kann, weil der Antragsteller das Zimmer möglicherweise - wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorträgt - zugleich als Wohnung nutzt, ist im Hauptsacheverfahren zu klären. Bei summarischer Prüfung sprechen jedenfalls die vom Antragsteller angegebene Anschrift, welche mit der des Mietobjektes identisch ist, sowie die erlaubte Mitbenutzung von Küche und Sanitärraum für eine Wohnnutzung. Daraus ergibt sich ein monatlicher Bedarf des Antragstellers in Höhe von 759,00 EUR.
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Im zweiten Schritt ist das Einkommen des Antragstellers zu ermitteln, wobei tatsächlich zur Verfügung stehende und normativ zu berücksichtigende Mittel einzustellen sind, wohingegen solche nach § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer Betracht bleiben. Bei Ansatz des regelmäßigen Einkommens des Antragstellers aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (Teilzeit) in der Systemgastronomie in Höhe von 1.400,00 EUR (vgl. Bl. 355 ff. d.A.) unter Abzug der Pauschale gemäß § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 100,00 EUR sowie des Freibetrags gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 SGB II in Höhe von 320,00 EUR ergibt sich ein anzusetzendes Einkommen in Höhe von 980,00 EUR. Hingegen kann das vom Antragsteller angegebene Geschäftsführergehalt in Höhe von 1.800,00 EUR im maßgeblichen Zeitpunkt nicht angesetzt werden, da es insoweit an Nachweisen fehlt. Wäre dieses (zusätzlich) anzusetzen, so würde sich ohnehin nach den oben genannten Abzügen ein deutlich höheres monatliches Einkommen in Höhe von 2.780,00 EUR ergeben.
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Sodann ist im dritten Schritt die auf den Geltungszeitraum des Aufenthaltstitels bezogene Prognose vorzunehmen, ob das zu erwartende Einkommen den zu erwartenden Bedarf decken wird. Insoweit kann nach der Auffassung der Kammer auf das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit abgestellt werden. Zwar begehrt der Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 21 AufenthG, mithin für eine selbständige Erwerbstätigkeit. Dem gegenüber stellt eine unselbständige Erwerbstätigkeit einen anderen Aufenthaltszweck dar, für den die Aufenthaltserlaubniserteilung nach § 19c AufenthG zu beurteilen wäre. Da der Antragsteller durch die angestrebte selbständige Erwerbstätigkeit aber nach allgemeiner Lebenserfahrung kaum in der Lage sein wird, auf Anhieb Einkünfte in einem zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausreichenden Umfang zu generieren, muss es ihm entsprechend dem Sinn und Zweck der Regelung des § 21 Abs. 2a AufenthG, inländischen Hochschulabsolventen mit ausländischer Staatsangehörigkeit die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu erleichtern, ermöglicht werden, die Sicherung des Lebensunterhaltes zur Überbrückung aus anderweitigen (legalen) Quellen nachzuweisen (vgl. OVG Bln.-Bbg., B.v. 5.1.2017 - 11 N 34.14 - juris Rn. 11; VG Aachen, B.v. 23.6.2021 - 8 L 208/21 - juris Rn. 44). Dafür spricht auch die Regelung des § 21 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, welche vorsieht, dass nach drei Jahren abweichend von § 9 Abs. 2 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden kann, wenn der Ausländer die geplante Tätigkeit erfolgreich verwirklicht hat und sein Lebensunterhalt durch ausreichende Einkünfte gesichert ist. Der Hintergrund dieser Regelung ist, dass zwar die Zuwanderung Selbstständiger auf Dauer gewünscht ist, allerdings zuvor eine Bewährungszeit von drei Jahren zu überstehen ist, bevor das Daueraufenthaltsrecht erworben wird. In der Bewährungszeit soll der Ausländer unter Beweis stellen, dass er wirtschaftlich erfolgreich das Unternehmen betreiben kann (Hänsle in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 21 Rn. 27 m.V.a. BT-Drs. 15/420, 77; ebenso Breidenbach in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 35. Ed., Stand 1.7.2021, § 21 Rn. 20). Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass eine erfolgreiche Verwirklichung der selbständigen Tätigkeit erst nach dem Ablauf des Dreijahreszeitraums mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, und es somit in Kauf genommen hat, dass eine ausreichende Lebensunterhaltssicherung innerhalb des Dreijahreszeitraums der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gegebenenfalls auf anderer Grundlage erwirtschaftet werden muss. Dies zugrunde gelegt, kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass dem Antragstelller die derzeitigen Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit für den gesamten Prognosezeitraum von drei Jahren gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zur Verfügung stehen würden. Im Falle der Erteilung des Aufenthaltstitels benötigte der Antragsteller gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 AufenthG keine Beschäftigungserlaubnis (vgl. VGH BW, B.v. 18.11.2020 - 11 S 2637/20 - juris Rn. 43). Dies zugrunde gelegt, wird der Antragsteller dauerhaft über ein monatliches Einkommen in Höhe von (durch die oben genannten Abzüge bereinigten) 980,00 EUR verfügen, welches den anzunehmenden Bedarf in Höhe von 759,00 EUR decken wird.
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(2) Des Weiteren bedarf der Antragsteller abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG für die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nach § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV keines Visums, da er im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung auf Aufenthaltserlaubnis nach § 21 AufenthG am 7. April 2021 noch im Besitz eines bis 27. Juli 2021 gültigen Aufenthaltstitels gemäß § 20 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG war (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt bei § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV: BayVGH, B.v. 15.9.2021 - 10 C 21.2212 - juris Rn. 15 m.w.N.; Maor in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Stand 1.7.2022, AufenthG § 5 Rn. 24).
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(cc) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 2a AufenthG ist bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen in das Ermessen der Antragsgegnerin gestellt. Die Antragsgegnerin wird daher unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen und gegebenenfalls erforderlichen weiteren Ermittlungen eine Ermessensentscheidung über die Erteilung oder Versagung des Aufenthaltstitels zu treffen haben. Bei der Ausübung dieses Ermessens hat sich die Antragsgegnerin vom Zweck der gesetzlichen Ermächtigung leiten zu lassen (Art. 40 BayVwVfG). Mit Blick auf den oben dargestellten gesetzlichen Zweck, in Deutschland erfolgreich ausgebildeten akademischen Fachkräften sowohl in deren privatem als auch im öffentlichen Interesse eine berufliche Perspektive zu ermöglichen, dürfte eine ablehnende Entscheidung trotz erfüllter Tatbestandsvoraussetzungen nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen, wobei die gesetzgeberische Entscheidung zu berücksichtigen ist, die Selbständigkeit erfolgreicher Akademiker gerade nicht von den Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 AufenthG abhängig zu machen (VGH BW, B.v. 18.11.2020 - 11 S 2637/20 - juris Rn. 78 m.w.N.).
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c) Da somit die Erfolgsaussichten der Klage hinsichtlich der Versagung des Aufenthaltstitels offen sind, ergibt die im zweiten Schritt anzustellende Interessenabwägung, dass das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung seiner Ausreisepflicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage auf Aufenthaltserlaubniserteilung (Aussetzungsinteresse) das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Maßnahme vor Eintritt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache (Vollzugsinteresse) überwiegt. Denn die die Allgemeinheit treffenden Folgen eines vorübergehenden Verbleibs des Antragstellers im Bundesgebiet, wenn sich die Klage des Antragstellers als unbegründet erwiese, sind weniger gewichtig als die vom Antragsteller im Falle einer zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht, welche sich im Nachhinein als rechtswidrig erwiese, zu tragenden Belastungen.
46
d) Die aufschiebende Wirkung der Klage ist auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung unter der Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen. Zwar setzt die Androhung der Abschiebung nicht die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 AufenthG, sondern nur deren Bestehen voraus. Des Weiteren lässt die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Wirksamkeit der Aufenthaltserlaubnisversagung als Verwaltungsakt, der die Ausreisepflicht begründet (§ 50 Abs. 1 AufenthG), unberührt. Allerdings ist der Antragsteller als Konsequenz aus der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Versagung des Aufenthaltstitels so zu behandeln, als bestünde die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG fort, weshalb es an der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG und damit auch der Abschiebungsandrohung gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG fehlt.
47
e) Hingegen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Ausreisefristsetzung unter der Ziffer 2 des Bescheides abzulehnen. Zwar setzt § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise mit Ausreiseaufforderung das Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht voraus. Da trotz der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffer 1 des Bescheides deren Wirksamkeit und damit auch die Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG fortbesteht, kann Gegenstand der Überprüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich die konkrete Fristsetzung im Hinblick auf deren Beginn und Dauer sein. Unabhängig von der konkreten Bemessung der Frist muss die Ausreisepflicht im Zeitpunkt des Fristablaufs vollziehbar sein, die Frist für die freiwillige Ausreise darf also nicht vor Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ablaufen (vgl. VG Bayreuth, B.v. 7.3.2019 - B 6 S 19.54 - juris Rn. 50). Vorliegend entfällt mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die kraft Gesetzes bestehende sofortige Vollziehbarkeit der Versagung der Aufenthaltserlaubniserteilung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Folglich fehlt es bis zum Eintritt der Bestandskraft der Versagung des Aufenthaltstitels an der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Die Antragsgegnerin hat jedoch zutreffend für den Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine Ersatzfrist gesetzt, welche erst nach dem Eintritt der Bestandskraft des Bescheides anläuft. Unerheblich ist insoweit, dass die von der Antragsgegnerin festgesetzte Monatsfrist über die von § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für den Regelfall vorgegebene Ausreisefrist zwischen sieben und 30 Tagen hinausgeht, da eine Monatsfrist länger als 30 Tage sein kann. Denn in einem solchen Falle würde sich die Ausreisefrist gegenüber der gesetzlichen Regelfrist sogar um einen Tag verlängern, weshalb es an einer subjektiven Rechtsverletzung des Antragstellers fehlte. Umgekehrt wäre für den Fall, dass der maßgebliche Monat kürzer als 30 Tage wäre, der Rahmen des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Ausreisefristsetzung nur unmaßgeblich unterschritten, weil dem Antragsteller dennoch genügend Zeit bliebe, um seine privaten Angelegenheiten im Bundesgebiet zu ordnen und sich auf die freiwillige Ausreise ausreichend vorzubereiten. Auch eine solche Frist wäre daher gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG rechtmäßig.
48
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
49
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.