Inhalt

VGH München, Urteil v. 17.11.2022 – 20 B 21.1387
Titel:

Aufwand für Veränderung des Teils eines Grundstücksanschlusses an eine Entwässerungsanlage, der sich im öffentlichen Straßengrund befindet

Normenketten:
GG Art. 20 Abs. 3
VwGO § 124 Abs. 1
KommZG Art. 2 Abs. 3 S. 1, Art. 17 Abs. 1
KAG Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 19 Abs. 3
BayVwVfG Art. 35 S. 1
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2
Leitsatz:
Durch die Neufassung des Art. 9 Abs. 1 KAG wurde das Entstehen eines Erstattungsanspruchs auf den Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie für die Unterhaltung des Teils eines Grundstückanschlusses für Versorgungs- und Entwässerungseinrichtungen, der sich nicht im öffentlichen Straßengrund befindet, beschränkt. Der Teil des Grundstücksanschlusses, der im öffentlichen Straßengrund liegt, gehört stets zur öffentlichen Einrichtung. Ein hierfür entstehender Aufwand ist aus Gründen der Gleichbehandlung der Anschlusspflichtigen stets über Beiträge und/oder Gebühren geltend zu machen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenerstattungsanspruch, Aufwand für Veränderung des Teils eines Grundstücksanschlusses an eine Entwässerungsanlage, der sich im öffentlichen Straßengrund befindet, Sondervereinbarung, Beiträge, Gebühren, Grundstückanschlusses für Versorgungs- und Entwässerungseinrichtungen, Erstattungsanspruch, Anschluss- und Benutzungszwang
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 28.11.2019 – M 10 K 18.5033
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36364

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird abgeändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 7. September 2018 wird aufgehoben, soweit in Ziffer I ein Betrag von mehr als 2.342,40 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte trägt von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen 3/4, die Klägerin 1/4. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Leistungsbescheid des Beklagten vom 7. September 2018, nach Angaben des Beklagten zur Post gegeben am selben Tag, der sie zur Zahlung von 10.800,95 EUR für den Anschluss eines Wohngebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. …3 der Gemarkung B., das in ihrem Eigentum steht, an die Entwässerungsanlage verpflichtet, die der Beklagte im Gemeindegebiet B. betreibt.
2
Der Bescheid wurde auf § 7 der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Abwasserverbandes ... (Entwässerungssatzung - EWS) vom 16. Dezember 2013 in der Fassung vom 21. April 2016 und § 8 der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Abwasserverbandes ... (Beitrags- und Gebührensatzung - BGS/EWS) vom 19. April 2018 in Verbindung mit einer zwischen den Beteiligten getroffenen Sondervereinbarung gestützt.
3
Die Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:
4
„§ 7 [EWS]
5
Sondervereinbarungen
6
(1) Ist der Grundstückseigentümer nicht zum Anschluss oder zur Benutzung berechtigt oder verpflichtet, so kann der Abwasserverband durch Vereinbarung ein besonderes Benutzungsverhältnis begründen.
7
(2) Für dieses Benutzungsverhältnis gelten die Bestimmungen dieser Satzung und der Beitrags- und Gebührensatzung entsprechend. Ausnahmsweise kann in der Sondervereinbarung Abweichendes bestimmt werden, soweit dies sachgerecht ist.“
8
„§ 8 [EWS]
9
Grundstücksanschluss
10
(1) Die Grundstücksanschlüsse werden vom Abwasserverband hergestellt, angeschafft, verbessert, erneuert, verändert und unterhalten sowie stillgelegt und beseitigt. Der Abwasserverband kann, soweit die Grundstücksanschlüsse nicht nach § 1 Abs. 3 Bestandteil der Entwässerungseinrichtung sind, auf Antrag zulassen oder von Amts wegen anordnen, dass der Grundstückseigentümer den Grundstücksanschluss ganz oder teilweise selbst herstellt, anschafft, verbessert, erneuert, verändert und unterhält sowie stilllegt und beseitigt; § 9 Abs. 2 und 6 sowie §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.
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(2) Der Abwasserverband bestimmt Zahl, Art, Nennweite und Führung der Grundstücksanschlüsse. Dieser bestimmt auch, wo und an welchen Kanal anzuschließen ist. Begründete Wünsche des Grundstückseigentümers werden dabei nach Möglichkeit berücksichtigt. Soll der Grundstücksanschluss auf Wunsch des Grundstückseigentümers nachträglich geändert werden, so kann der Abwasserverband verlangen, dass die Kostentragung vorher in einer gesonderten Vereinbarung geregelt wird. Unter einer nachträglichen Änderung ist auch ein zusätzlicher Grundstücksanschluss zu verstehen.“
12
„§ 8 [BGS/EWS]
13
Erstattung des Aufwands für Grundstücksanschlüsse
14
(1) Der Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie für die Unterhaltung der Grundstücksanschlüsse im Sinne des § 3 EWS ist mit Ausnahme des Aufwands, der auf die im öffentlichen Straßengrund liegenden Teile der Grundstücksanschlüsse fällt, in der jeweils tatsächlichen Höhe zu erstatten.
15
(2) Der Erstattungsanspruch entsteht mit Abschluss der jeweiligen Maßnahme. Schuldner ist, wer im Zeitpunkt des Entstehens des Erstattungsanspruchs Eigentümer des Grundstücks oder Erbbauberechtigter ist; mehrere Schuldner (Eigentümer oder Erbbauberechtigte) sind Gesamtschuldner. Im Übrigen gilt § 7 entsprechend.
16
(3) Der Erstattungsanspruch kann vor seinem Entstehen abgelöst werden. Der Ablösungsbetrag richtet sich nach der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsanspruchs. Ein Rechtsanspruch auf Ablösung besteht nicht.“
17
Das Grundstück …3 der Gemarkung B., das im Bereich eines Bebauungsplans liegt, wurde mit einem zweiten Einfamilienhaus im Genehmigungsfreistellungsverfahren bebaut. Eine Grundstücksteilung erfolgte nicht. Der Beklagte hat zum Bauantrag am 22. Dezember 2016 das Einvernehmen erteilt. Die Erschließung sei gesichert. Der eingereichte Entwässerungsplan wurde vom Beklagten am 18. Mai 2017 genehmigt.
18
Am 14. Juni 2017 übersandte der Beklagte an die Klägerin eine „Vereinbarung zur Erstellung der schmutzwassertechnischen Erschließung - Kostenübernahmeerklärung für Bautätigkeiten“ an die Klägerin, (die am 20. Juni 2017 von deren Geschäftsführerin unterzeichnet und als Email-Anhang an den Beklagten zurückgesendet wurde). Darin verpflichtete sich die Klägerin, aufgrund der bereits vorhandenen Erschließung des Grundstücks die Baukosten für die Herstellung der neuen Anschlussleitung sowie des Schachtes im öffentlichen Kanalnetz zur Anbindung des Grundstücks im privaten wie im öffentlichen Bereich zu tragen.
19
Nach Angaben des Beklagten wurde im Zuge der Bauausführung des Anschlusses des neu errichteten Gebäudes an die Entwässerungsanlage des Beklagten, bei der nach der genehmigten Entwässerungsplanung ein neuer Hausanschlusskontrollschacht auf dem privaten Grundstück in die als Bestand vorhandene Anschlussleitung eingebunden werden sollte, festgestellt, dass diese Leitung nicht existierte. Da die Anbindung der Entwässerung des Neubaus an die bereits bestehende Entwässerungsanlage auf dem Grundstück nur mit dem Einbau einer Hebeanlage möglich gewesen wäre, erklärte sich der Beklagte bereit, den Grundstücksanschluss wie in der Tektur-Entwässerungsplanung geplant, insgesamt zu verlegen, das Grundstück mit einem geänderten Anschluss an die Entwässerungsanlage anzuschließen und den bisherigen Anschluss an die Entwässerungsanlage des Beklagten stillzulegen.
20
Nach Abschluss der Baumaßnahme setzte der Beklagte den zu erstattenden Aufwand „für die Herstellung der Anschlussleitung ab dem jeweiligen Kontrollschacht bis einschließlich des Anschlusses an die öffentliche Entwässerungseinrichtung sowie die erforderlichen Arbeiten der Straßenwiederherstellung“ für das klägerische Grundstück auf 10.800,95 EUR fest, die 75,00 EUR Verwaltungskosten beinhalten (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG). Nach anliegender Kostenaufstellung entfallen von diesem Betrag 8.383,55 EUR auf den öffentlichen Bereich und 2.342,40 EUR auf den privaten Bereich (Schmutzwasserhausanschluss einschließlich Druckprüfung). Der Beklagte übersandte den Bescheid an die Klägerin unter der Anschrift O. B. 62, ... K. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht legte die Klägerin ein Schreiben des Amtsgerichts München - Registergericht - vom 25. Mai 2018 vor, wonach sie im Handelsregister A München mit dem Sitz … eingetragen sei (Blatt 86 der VG Akte). Außerdem legte sie eine Rechnung über die Erteilung eines Nachsendeauftrags an die Deutsche Post vom 26. Februar 2018 vor, nach der ein geschäftlicher Nachsendeservice für 12 Monate beauftragt worden sei. Sie erklärte, der Bescheid sei am neuen Firmensitz mit vierzehntägiger Verspätung eingegangen.
21
Mit Schriftsatz, der am 12. Oktober 2018 beim Verwaltungsgericht einging, erhob die Klägerin Klage gegen den Leistungsbescheid, die mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. November 2019 abgewiesen wurde. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus, zwar sei die Klagefrist gewahrt, da wegen des Nachsendeauftrags der Klägerin die Drei-Tages-Fiktion des § 122 AO nicht eingreife. Die Klage sei aber unbegründet, weil der angegriffene Bescheid in der nach § 7 EWS i.V.m. § 8 BGS-EWS am 14. bzw. 20. Juni 2017 abgeschlossenen Sondervereinbarung eine Rechtsgrundlage habe. Es sei ein Zweitanschluss hergestellt worden, weshalb die Klägerin nicht zum Anschluss berechtigt oder verpflichtet gewesen sei. Das Schriftformerfordernis des Art. 57 BayVwVfG sei erfüllt, auch wenn nicht beide Parteien das Vertragsdokument eigenhändig auf derselben Urkunde unterschrieben hätten. Der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs des Beklagten im Wege des Bescheides stehe die Sondervereinbarung nicht entgegen, weil durch die Sondervereinbarung lediglich ein „an sich nicht bestehendes“ Anschlussrecht begründet werde. Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 EWS seien die Bestimmungen der Entwässerungssatzung und der Beitrags- und Gebührensatzung für das Benutzungsverhältnis im Übrigen entsprechend anwendbar, sofern in der Sondervereinbarung nichts Abweichendes bestimmt sei. Demnach gelte § 8 BGS-EWS mit der hieraus resultierenden Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes weiterhin. Der Beklagte habe die Kosten für die Herstellung der Grundstücksanschlüsse nach § 3 EWS-BGS sowohl für den privaten als auch für den öffentlichen Bereich einschließlich der jeweils erforderlichen Dichtigkeitsprüfung auf die Klägerin abwälzen dürfen. Der Kostenansatz sei weder gerügt noch rechtlich zu beanstanden. Eine verbindliche Kostenzusicherung habe es seitens des Beklagten nicht gegeben. Die Klägerin sei als Grundstückseigentümerin Schuldnerin des Erstattungsanspruchs und damit auch - jedenfalls im Wege der Auslegung ermittelbar - richtige Adressatin des Bescheides.
22
Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2020 stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das am 30. Dezember 2019 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts. Mit Beschluss vom 12. Mai 2021 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen.
23
Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin geltend, bereits die Stammsatzung des Beklagten sei nichtig (wird ausgeführt), weshalb § 8 BGS/EWS keine taugliche Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Leistungsbescheides darstelle. Zwischen den Beteiligten bestehe keine wirksame schriftliche Vereinbarung. Sie genüge bereits nicht dem Schriftformerfordernis des Art. 57 BayVwVfG. Durch den Abschluss der Sondervereinbarung fehle dem Beklagten die Befugnis, im Wege des Verwaltungsaktes zu handeln. Außerdem decke die Kostenübernahmeerklärung der Klägerin den Anspruch des Beklagten der Höhe nach nicht, da seitens des Beklagten keine Information über die erhebliche Kostensteigerung erfolgt sei. Die Kosten seien auch nicht nachvollziehbar. Insbesondere werde kein Grund für die erhebliche Überschreitung genannt. Ausgehend von dem bestehenden Schacht seien tatsächlich nur zwei Meter Kanalleitung auf dem Grundstück der Klägerin ertüchtigt, bzw. erneuert und verlegt worden. Erkennbar habe ein Anschluss im öffentlichen Teil bestanden, dessen Ertüchtigung und Erneuerung über die abgeschlossene Vereinbarung erfolgt sei, obwohl der öffentliche Teil über Beiträge finanziert sei.
24
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und den Bescheid des Beklagten aufzuheben.
26
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
28
Der Beklagte macht geltend, die Klage sei wegen Versäumung der Klagefrist bereits unzulässig. Das Satzungsrecht des Beklagten sei wirksam. Die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung wahre die Schriftform des Art. 57 BayVwVfG. Außerdem verstoße vorliegend eine Berufung auf die Formunwirksamkeit der Vereinbarung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil die Klägerin weiterhin von den Vorteilen der Leistung des Beklagten profitiere. Der Beklagte habe trotz Abschlusses der Sondervereinbarung die entstandenen Kosten im Wege des Leistungsbescheides abrechnen können, wie es das Satzungsrecht vorsehe. Die Höhe der Kosten sei schlüssig und nachvollziehbar und durch die unvorhersehbare Umplanung erklärlich (Vorhalte- und Stillstandzeiten). Wegen der Kostenübernahmeerklärung der Klägerin sei eine Auftragserteilung durch sie nicht notwendig gewesen. Die Klägerin habe - wie in der Kostenübernahmeerklärung ausgewiesen - die Kosten in der tatsächlichen Höhe zu tragen.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und zum Teil begründet.
31
I. Die Klage wurde innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben. Die Klägerin hat geltend gemacht, sie habe den Bescheid, den der Beklagte an den zu diesem Zeitpunkt aufgegebenen Firmensitz der Klägerin in K. gesandt hat, erst zwei Wochen nach dem 7. September 2018 erhalten. Dieser habe die Klägerin erst im Rahmen des von ihr erteilten Nachsendeauftrags erreicht. Die Klägerin hat sowohl nachgewiesen, dass sie ihren Firmensatz verlegt, als auch, dass sie infolgedessen einen Nachsendeauftrag eingerichtet hat. Mit diesem Vorbringen sind Zweifel an einem Zugang des Bescheides innerhalb von drei Tagen nach seiner Aufgabe zur Post entstanden, so dass die Behörde eine Nachweispflicht in Bezug auf den Zeitpunkt des Zugangs trifft (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 2. Halbsatz AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG). Einen derartigen Nachweis hat der Beklagte im gerichtlichen Verfahren nicht erbracht. Damit ist von einer fristgerechten Erhebung der Klage auszugehen.
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II. Der Bescheid des Beklagten vom 7. September 2018 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit ein Leistungsgebot von mehr als 2.342,40 EUR ausgesprochen wird, fehlt dem Bescheid eine gesetzliche Grundlage. Der Erlass des Verwaltungsaktes verstößt deshalb insoweit gegen den Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG. Im Übrigen ist die Klage nicht begründet, weil der Bescheid auf Art. 9 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS gestützt werden kann.
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1. Ein Handeln des Beklagten in Form des Erlasses eines (belastenden) Verwaltungsaktes nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG ist ihm als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 2 Abs. 3 Satz 1, Art. 17 Abs. 1 KommZG) nur erlaubt, wenn und soweit eine gesetzliche Grundlage besteht (Art. 20 Abs. 3 GG). Art. 1 KAG bestimmt, dass Gemeinden, Landkreise und Bezirke ermächtigt sind, nach diesem Gesetz Abgaben zu erheben, soweit nicht Bundesrecht oder Landesrecht etwas anderes bestimmen. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG legt fest, dass die Abgaben aufgrund einer besonderen Abgabesatzung erhoben werden.
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2. Der Beklagte hat im Rahmen des für das klägerische Grundstück (fort) bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO i.V.m. § 5 Abs. 1 EWS) eine Umbindung des Entwässerungsanschlusses für das klägerische Grundstück vorgenommen und den bis zum Zeitpunkt der Umbindung bestehenden Anschluss des Grundstücks an seine Entwässerungsanlage stillgelegt. Damit handelt es sich bei der vorgenommenen Maßnahme entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht um einen Zweitanschluss, sondern (nur) um eine Veränderung des bestehenden Anschlusses.
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3. Hierzu bestimmt Art. 9 Abs. 1 KAG, dass die Gemeinden, Landkreise und Bezirke bestimmen können, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie für die Unterhaltung des Teils eines Grundstückanschlusses an Versorgungs- und Entwässerungseinrichtungen, der sich nicht im öffentlichen Straßengrund befindet, in der tatsächlichen Höhe oder nach Einheitssätzen (§ 130 BGB) erstattet wird. Dem ist der Beklagte durch den Erlass des § 8 Abs. 1 BGS/EWS nachgekommen. Einen Erstattungsanspruch für den Teil des Grundstücksanschlusses an eine Versorgungs- und Entwässerungseinrichtung, der sich im öffentlichen Straßengrund befindet, sieht der Erstattungsanspruch nach Art. 9 KAG gerade nicht vor. Aus diesem Grund besteht eine gesetzliche Grundlage für den Erlass eines abgaberechtlichen Bescheides nur für den Aufwand für eine Veränderung (Umbindung), der auf dem Grundstück des Anschlusspflichtigen entsteht, Art. 9 Abs. 1 KAG.
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a. Im vorliegenden Fall ist ein durch Leistungsbescheid festzusetzender Kostenerstattungsanspruch demnach nur für den Aufwand für die auf dem klägerischen Grundstück durchgeführten Arbeiten entstanden, weil Art. 9 Abs. 1 KAG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 KAG nur für derartige Kostenerstattungsansprüche eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlass eines Leistungsbescheides bereit hält. Deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid lediglich in Höhe des Leistungsgebots von 2.342,40 EUR als rechtmäßig.
37
b. Hinsichtlich des im öffentlichen Straßengrund entstandenen Aufwands fehlt es hingegen an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Verwaltungsakts, weshalb dieser insoweit rechtswidrig und damit aufzuheben ist. Durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl. S. 775) wurde Art. 9 Abs. 1 KAG neu gefasst und das Entstehen eines Erstattungsanspruchs auf den Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie für die Unterhaltung des Teils eines Grundstückanschlusses für Versorgungs- und Entwässerungseinrichtungen, der sich nicht im öffentlichen Straßengrund befindet, beschränkt. Die Bedeutung der Neufassung liegt darin, dass der Teil des Grundstücksanschlusses, der im öffentlichen Straßengrund liegt, stets zur öffentlichen Einrichtung gehört und ein hierfür entstehender Aufwand (aus Gründen der Gleichbehandlung der Anschlusspflichtigen) stets über Beiträge und/oder Gebühren geltend zu machen ist (Bayerischer Landtag, Drucksache 12/8082 Seite 9 a.E.; vgl. KAG in der Fassung vom 4.2.1977 (GVBl. S. 82) und Art. 19 Abs. 3 KAG).
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§ 8 Abs. 2 Satz 4 der EWS/BGS ermächtigt den Beklagten jedenfalls nicht - auch nicht bei Bestehen einer getroffenen Sondervereinbarung - zum Erlass eines Leistungsbescheides für einen Aufwand, der für Arbeiten am Teil des Grundstücksanschlusses im öffentlichen Straßengrund entstanden ist, weil die Bestimmung insoweit nicht von Art. 9 Abs. 1 KAG gedeckt ist (vgl. auch § 8 Abs. 1 der EWS) und eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht besteht. Die Kostenübernahmevereinbarung ermächtigt nicht zum Erlass eines einseitig regelnden Verwaltungsaktes.
39
c. Die Frage, ob eine Vereinbarung zur Kostenübernahme durch die Klägerin wirksam zustande gekommen ist und ob auf dieser Grundlage ein Anspruch des Beklagten auf Erstattung seines Aufwands für die im öffentlichen Straßengrund durchgeführten Arbeiten entstanden und durchsetzbar ist, bedarf keiner Entscheidung, weil Prüfungsgegenstand dieses Berufungsverfahrens allein die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides vom 7. September 2018 ist.
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4. Die Festsetzung einer Gebühr von 75,00 EUR für den Erlass des Kostenerstattungsbescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß Art. 20 Abs. 1 i.V.m. § 2 der Satzung des Beklagten über die Erhebung von Kosten für Amtshandlungen im eigenen Wirkungskreis des Zweckverbands zur gemeinsamen Abwasserbeseitigung in den Gemeinden rund um den ... KdöR (Kostensatzung) vom 21. April 2016 (OBABl. S. 201) verfügte der Beklagte über eine ausreichende Rechtsgrundlage zur Erhebung von Gebühren für die Erstellung eines Kostenerstattungsbescheides. Die Höhe von 75,00 EUR bewegt sich am unteren Rand des Gebührenrahmens des Art. 2 Satz 2 der Gebührensatzung und wurde seitens der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.
41
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung des jeweiligen Obsiegens und Verlierens.
42
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
43
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.