Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.12.2022 – 19 CE 22.2047
Titel:

kein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung

Normenkette:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 25a Abs. 1, § 60a Abs. 2 S. 3, § 60c Abs. 2 Nr. 5 lit. d
Leitsätze:
1. Der fehlende Besitz eines gültigen Reisepasses zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt steht der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegen.  (Rn. 13)  (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beantragung eines Passersatzpapiers stellt eine vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahme zur Aufenthaltsbeendigung i.S.d. § 60c Abs. 2 Nr. 5 lit. d AufenthG dar; insoweit ist es ausreichend, dass die Abschiebung in absehbarer Zeit grundsätzlich möglich ist, es mithin auf einen konkret bestimmbaren Zeitpunkt der Abschiebung nicht entscheidend ankommt. (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausbildungsduldung, Organisationsduldung, PEP-Verfahren, Passersatzpapier, Abschiebung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 30.08.2022 – RN 9 E 22.1869
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36338

Tenor

I. Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners wird abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 19 CE 22.2514 weitergeführt.
II. Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
III. Die Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung bleiben dem abgetrennten Verfahren vorbehalten.

Gründe

1
Die Beschwerde des vollziehbar ausreisepflichtigen, im Asylverfahren erfolglosen (im vorhergehenden sog. Dublin-Verfahren waren zwei Rückführungen nach Lettland gescheitert, eine wegen Untertauchens) Antragstellers, dessen Rückführung nach Aserbaidschan am 19. Juli 2022 (wegen Nichtanwesenheit in der Unterkunft) und am 30. November 2022 (ebenfalls wegen Nichterreichbarkeit) scheiterte, hat keinen Erfolg.
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Die Prüfung der für die Begründetheit der Beschwerde streitenden Gründe ist im Grundsatz auf das in der Beschwerdebegründung Dargelegte beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Danach ergibt sich nicht, dass der Antragsgegner entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten wäre, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag des Antragstellers, eines am 1. August 2003 geborenen, im Asylverfahren erfolglosen aserbaidschanischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a AufenthG, hilfsweise auf Erteilung einer Ausbildungsduldung für die Ausbildung zum Assistenten für Ernährung und Versorgung, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu unterlassen.
3
Zur Begründung seiner Antragsablehnung führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, der Antragsteller habe keinen vorläufigen sicherungsfähigen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG. Unstreitig sei der Antragsteller seit dem 11. November 2021 nicht mehr im Besitz einer Duldung, da diese zu diesem Zeitpunkt als Erloschen gestempelt worden sei. Auch komme ihm zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts kein Anspruch auf Erteilung einer (Verfahrens-)Duldung zu. Zwar habe der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Organisationsduldung für den Zeitraum, bis dem Antragsgegner seitens des Landesamtes für Asyl und Rückführungen (Landesamt) ein neuer Termin zur Abschiebung des Antragstellers (nach Scheitern einer Abschiebung am 19.7.2022) mitgeteilt werde, ein neuer Schubtermin folglich feststehe. Diesen Umstand könne sich der Antragsteller jedoch nicht im Rahmen des § 25a AufenthG zunutze machen. Denn der erfolglose Abschiebeversuch vom 19. Juli 2022 stelle bezogen auf den erforderlichen Vier-Jahres-Zeitraum eine Zäsur dar. Ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung im Ermessenswege gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Ungeachtet der Frage des Duldungsstatus mangele es vorliegend weiterhin an der auch im Rahmen des § 25a Abs. 1 AufenthG zu beachtenden allgemeinen Regelungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Denn der Antragsteller sei nach wie vor nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses. Zudem hätte er den erforderlichen Zeitraum von vier Jahren gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung datiere vom 19. Juli 2022. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut würden abgeschlossene Aufenthaltszeiträume in der Vergangenheit nicht ausreichen. Deshalb könne der Zeitraum bis zum Abschiebeversuch am 19. Juli 2022 nicht mehr zugunsten des Antragstellers herangezogen werden - unabhängig davon, ob er damals den Vier-Jahres-Zeitraum erfüllt hätte. Insofern könne sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm, nachdem seine Duldung als Erloschen gestempelt worden gewesen sei, ein Anspruch auf Duldung zugestanden hätte. Denn zu diesem Zeitpunkt sei seine Ausreise infolge der Inaussichtstellung eines Heimreisescheines sowie des Nichtvorliegens eines dringenden persönlichen Grundes im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG schon nicht mehr unmöglich gewesen. Auch habe der zum damaligen Zeitpunkt bereits beantragten Ausbildungsduldung zur Ausbildung als Sozialbetreuer und Pflegefachhelfer (vom Antragsteller unter dem 19.7.2022 als inzwischen „erledigt“ bezeichnet) der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5d AufenthG entgegengestanden, weshalb auch der Verweis auf § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG nicht greife. Weiterhin komme dem Antragsteller kein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß § 60c AufenthG für eine Ausbildung zum Assistenten für Ernährung und Versorgung zu. Denn dem gebundenen Anspruch nach § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG stehe vorliegend - ungeachtet der als erloschen gestempelten Duldung - jedenfalls der Versagungsgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5d AufenthG entgegen, da mit der Einleitung des PEP-Verfahrens (durch die damals zuständige Behörde unter dem 9.3.2021) im vom Gesetzes wegen maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung am 19. Juli 2022 konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorgestanden hätten. Nach § 60c Abs. 2 Nr. 5 HS 1 AufenthG werde die Ausbildungsduldung nicht erteilt, wenn im Fall von Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zum Zeitpunkt der Antragstellung konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stünden, bevorstünden. Die von Amts wegen erfolgte Beschaffung von Heimreisepapieren gelte als vergleichbare konkrete Vorbereitungsmaßnahme gemäß § 60c Abs. 2 Nr. 5d AufenthG. Der Antragsgegner habe am 9. März 2021 und damit weit vor dem maßgeblichen Eingang des Antrages am 19. Juli 2022 - und im Übrigen weit vor der frühestmöglich wertbaren Anzeige der ursprünglichen Ausbildung am 4. Mai 2021 - ein PEP-Verfahren für den Antragsteller eingeleitet. Diese Maßnahme habe auch in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung gestanden. Dafür sei nicht zu verlangen, dass ein Abschiebungstermin bereits spezifisch feststehe oder zeitnah anberaumbar sei. Vielmehr reiche dessen Vorbereitung aus, wenngleich insoweit sicherlich in Bezug auf eine hinreichend absehbare Durchführung der Abschiebung. Der Anspruch auf Duldung bei Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung sei nicht dazu bestimmt, bei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung bereits getroffenen konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung eine Bleibeperspektive mindestens für die mehrjährige Dauer einer Ausbildung erst zu begründen. Bei konkret eingeleiteter Aufenthaltsbeendigung im Lichte einer nach gegebenem asylrechtlichen Sachstand objektiv fehlenden Bleibeperspektive räume der Gesetzgeber vielmehr der Ausreisepflicht den Vorrang ein. So liege der Fall hier. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom Bevollmächtigten vorgetragenen Umstand, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Einleitung des PEP-Verfahrens noch minderjährig gewesen sei und eine Abschiebung der (gemeinsam mit dem Antragsteller eingereisten) Mutter aufgrund deren psychischen Zustands nicht möglich gewesen wäre. Auch der vom Bevollmächtigten vorgetragene Umstand, dass dem Antragsteller nach Eintritt seiner Volljährigkeit ein Erziehungsbeistand beigeordnet worden sei, verfange nicht. Die bloße Beiordnung eines Erziehungsbeistands - deren Bestehen mangels vorgelegter Beweise unterstellt - stehe einer Abschiebung nicht entgegen. Auch spreche der Wille des Antragstellers eine Ausbildung aufzunehmen dagegen, dass der Antragsteller außerhalb der belasteten Beziehung zu seiner Mutter noch anderweitige Probleme in persönlicher, schulischer oder sozialer Hinsicht hätte. Soweit der Bevollmächtigte den sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung dadurch als unterbrochen sehe, dass dem Antragsteller durch die damals zuständige Behörde am 20. August 2021 eine Duldung erteilt worden sei und das Landesamt bereits ab dem 23. April 2021 die Erteilung eines Heimreisescheins in Aussicht gestellt hätte, übersehe er zweierlei: So werde die Erteilung einer Duldung nach - wie vorliegend - § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht durch die Einleitung eines PEP-Verfahrens gesperrt. Im Gegenteil sei während eines laufenden PEP-Verfahrens, solange der betroffene Ausländer nicht selbst ein erforderliches Reisedokument beibringe, dessen Ausreise aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Weiterhin habe die dem Antragsteller erteilte Ermessensduldung aus sonstigen Gründen (schulische Ausbildung Sozialbetreuer und Pflegefachhelfer) ausweislich einer in der Behördenakte befindlichen Niederschrift der Zentralen Ausländerbehörde O. über eine Vorsprache des Antragstellers zusammen mit seinem Erziehungsbeistand am 18. August 2021 unter der Voraussetzung gestanden, dass sein Reisepass schnellstens abgegeben werden müsse. Danach stehe es ihm frei, einen Antrag auf Ausbildungsduldung zu stellen, der dann geprüft werde. Schon dadurch sei auch seitens der ehemals zuständigen Ausländerbehörde kein (schutzwürdiges) Vertrauen des Antragstellers dahingehend geschaffen worden, dass er sämtliche Voraussetzungen der Erteilung einer Ausbildungsduldung erfüllen würde, mithin kein Versagungsgrund im Sinne des § 60c Abs. 2 AufenthG gegeben wäre. Zudem sei er im Gespräch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die schulische Ausbildung zwar nicht genehmigungspflichtig sei, normalerweise aber auch nicht vor einer Abschiebung schütze. Ferner bedeute die bloße Möglichkeit, einen Heimreiseschein zu beantragen, nicht, dass dieser gleichsam automatisch beantragt und ein Abschiebeflug umgehend gebucht werden müsste. Hierbei sei vielmehr zu sehen, dass Abschiebemaßnahmen gerade mit Blick auf die zentrale Organisation des Landesamtes und der nötigen Involvierung der Behörden des Zielstaates einer längeren Vorlaufzeit bedürften und auch entsprechende Flüge nicht nach Belieben der Ausländerbehörde zur Verfügung stünden. Der zeitliche und sachliche Zusammenhang sei damit vorliegend gegeben, wie nicht zuletzt die für den 19. Juli 2022 beabsichtigte Abschiebung des Antragstellers zeige.
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Die in der Beschwerdebegründung angeführten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdegericht grundsätzlich zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigen nicht eine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
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Zur Begründung trägt der Antragsteller rechtzeitig mit Schriftsatz vom 30. September 2022 vor, der vom erstinstanzlichen Gericht schlussendlich als allein maßgeblich festgestellte Ausschließungsgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5d AufenthG liege mangels sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zur Aufenthaltsbeendigung nicht vor. In zeitlicher Hinsicht schon deshalb nicht, weil nicht nur zwischen der erstinstanzlich dazu herangezogenen PEP-Beantragung bereits am 9. März 2021 einerseits und der Wiederaufnahme konkreter Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers durch Schubantrag vom erst 23. Mai 2022 andererseits ein Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr liege. Sogar schon selbst zwischen der PEP-Zusage des Landesamtes vom 23. April 2021 und anschließender Wiederaufnahme konkreter Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers durch den Schubantrag andererseits liege bereits ein Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr. Während dieses Zeitraums seien dem Antragsteller auch aus verschiedensten Gründen jedenfalls bis zum 4. November 2021 fortlaufend Duldungen erteilt worden, aus denen sich auch in sachlicher Hinsicht ergebe, dass der vom erstinstanzlichen Gericht als allein maßgeblich festgestellte Ausschließungsgrund gemäß § 60c Abs. 2 Nr. 5d AufenthG nicht vorliege. An die Antwort des Landesamtes vom 23. April 2021 hätten sich bis zum 23. Mai 2022 keine weiteren konkreten Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Antragstellers angeschlossen, ohne dass dies jedoch auf bloße Untätigkeit der Behörde zurückzuführen wäre. Im Gegenteil seien dem Antragsteller am 4. Mai 2021 bzw. per E-Mail am 24. Mai 2021 bzw. Übersendung der Zusage eines entsprechenden Schulplatzes am 14. Juli 2021 bzw. Vorlage einer Bestätigung der Berufsfachschule über die Ausbildungsdauer am 3. August 2021, jedenfalls fortgesetzt bis zum 4. November 2021 weiterhin Duldungen aus diversen Gründen erteilt worden. So sei z.B. am 20. August 2021 die Duldung des Antragstellers sogar ausdrücklich wegen der beabsichtigten „Ausbildung (schulisch) Sozialbetreuer und Pflegefachhelfer“ erteilt worden, nachdem die dem vorangegangene Duldung am 4. August 2021 wegen „Klärung Betreuung Jugendamt, Ausbildung“ erteilt worden sei, also aus Gründen, aus denen die seinerzeit zuständige Ausländerbehörde eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen als unabsehbar lange für unmöglich angesehen habe, zumal im Hinblick auf die beabsichtigte Ausbildungsmaßnahme, und jedenfalls damit von der mit der PEP beantragten initiierten Abschiebung „Abstand genommen hatte“. Nach der PEP-Beantragung bis zum Schub-Antrag am 23. Mai 2021 sei hier keinerlei verwaltungsmäßige Vorbereitung der Abschiebung mehr erfolgt. Jedenfalls bis etwa August 2021 habe neben der Ausbildungsaufnahme zudem auch die Überlegung bestanden, dass der Antragsteller (anstelle der ursprünglich dafür vorgesehenen Großtante) selbst die notwendige Betreuung seiner Mutter übernehmen sollte. Dieser Umstand sei für die damals zuständige Ausländerbehörde ein weiterer, außerhalb der administrativen Organisation der Abschiebung liegender Grund für Duldungserteilungen an den Antragsteller gewesen. Der Antragsteller sei - nicht aus bloßer Untätigkeit der Ausländerbehörde - weiterhin aus verschiedenen Gründen geduldet worden. Deshalb habe die Ausländerbehörde eindeutig von der mit der PEP-Beantragung initiierten Abschiebung Abstand genommen. Damit bestehe kein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mehr mit der PEP-Beantragung als konkrete Vorbereitungsmaßnahme zur Abschiebung des Antragstellers einerseits und der erst viele Monate hernach wohl wieder aufgenommenen Vorbereitung einer Abschiebung andererseits. Der fehlende sachliche und zeitliche Zusammenhang könne auch nicht durch den lapidaren Vortrag des Antragsgegners (im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht) hergestellt werden, dieser habe mit der Nichtverlängerung der dem Antragsteller bis zum 4. November 2021 erteilten Duldungen konkludent zugleich auch die ihm bis dahin erteilten Duldungen zurückgenommen, da diese unrechtmäßig erteilt worden seien. Zutreffend habe das erstinstanzliche Gericht festgestellt, dass der Antragsteller auch jetzt noch immer zumindest einen Duldungsanspruch bis zum Zeitpunkt der Mitteilung eines neuen Abschiebungstermins durch das Landesamt habe. Zudem: Spätestens am 3. August 2021 habe der Antragsteller der damals zuständigen Ausländerbehörde alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt, sodass ab diesem Zeitpunkt der Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung (Ausbildung Sozialbetreuer und Pflegefachhelfer) - hinsichtlich des Ausschlussgrundes die „Sperrwirkung“ entfalten „habe können“. Zwar sei die dem Antragsteller am 19. August 2020 (gemeint 2021) aus sonstigen Gründen („schulische Ausbildung Sozialbetreuer und Pflegefachhelfer“) verlängerte Duldung unter der Voraussetzung erteilt worden, dass der Reisepass schnellstens abgegeben werde. Auch habe der Antragsteller hernach zunächst keinen Reisepass vorgelegt, er sei erst seit kurzem wieder im Besitz seines alten (nunmehr abgelaufenen) Reisepasses. Diese Umstände seien indes im Gesamtkontext zu sehen. Die zuständige Sachbearbeiterin sei damals davon ausgegangen, dass die Identität des Antragstellers nicht geklärt sei. Dies könne der zugleich einzig rechtlich zutreffende Grund dafür sein, dass diese Sachbearbeiterin die Duldung nur unter der Voraussetzung erteilt habe, dass der Reisepass schnellstens abgegeben werde, weil dadurch dann die vermeintlich ungeklärte Identität geklärt gewesen wäre. Tatsächlich sei die Identität bereits seit dem 16. Juli 2018 geklärt gewesen. Ein noch immer fehlender Passbesitz wäre kein Ausschlussgrund für die Erteilung einer Ausbildungsduldung, weil die Identität des Antragstellers bereits drei Jahre zuvor geklärt worden sei. Bereits seither habe ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausbildungsduldung bestanden. Der Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung habe daher zugleich die „Sperrwirkung“ hinsichtlich des Ausschlussgrundes ausgelöst. Zugleich stehe dem Antragsteller, zumal er inzwischen im Besitz eines gültigen Reisepasses sei, auch der Anspruch auf die nunmehr zuvorderst von ihm begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG zu.
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Am 9. November 2022 trug der Antragsteller weiter vor: Nach der Einreise im Juni 2018 habe der Schleuser den Pass des Antragstellers an dessen Tante nach Aserbaidschan zurückgeschickt. In der Folgezeit habe sich die Tante fortgesetzt geweigert, den Pass nach Deutschland zurückzuschicken. Die Großtante des Antragstellers (eine deutsche Staatsangehörige) sei schließlich im Juli 2022 nach Aserbaidschan geflogen und habe den alten Pass des Antragstellers (und denjenigen seiner Mutter) abgeholt. Es sei dem Antragsteller bislang nicht gelungen, den Pass beim Antragsgegner abzugeben. Anders als der Antragsgegner meine, komme es nicht allein darauf an, ob eine Abschiebung möglich sei, sondern vor allem auch innerhalb welcher Zeit. Die Stellung eines (hier bereits am 9.3.2021 erfolgten) PEP-Antrags stelle zwar regelmäßig auch eine konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne des § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG dar. Schon aus den hier zeitlich relevanten Duldungsverfügungen vom 15. Januar 2021, 22. März 2021, 20. April 2021, 3. August 2021 sowie 19. August 2021 aber auch aus einem Schreiben der Regierung von O. vom 20. August 2022 ergebe sich hier, dass nach der Stellung des PEP-Antrags vom 9. März 2021 von der damit eingeleiteten Abschiebung Abstand genommen worden sei, wobei in all diesen Duldungsverfügungen bis einschließlich der Verfügung vom 20. August 2021 zudem zur „Identität“ diese als „nicht geklärt“ bezeichnet werde. So sei nur in den Verfügungen vom 15. Januar 2021, 22. März 2021 sowie 20. April 2021 als Duldungsgrund „fehlende Reisedokumente“ angegeben (in der Verfügung vom 15.1.2021 zudem „Corona“). In der Verfügung vom 3. August 2021 werde demgegenüber als Duldungsgrund „Klärung Betreuung, Jugendamt, Ausbildung“ und in der Verfügung vom 19. August 2021 als Duldungsgrund „Ausbildung (schulisch) Sozialbetreuer und Pflegefachhelfer“ angegeben. Weiterhin werde durch diese beiden Verfügungen die zuvor auf den Landkreis R. verfügte räumliche Beschränkung jeweils auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeweitet. Bereits letzteres spreche dafür, dass nach der Stellung des PEP-Antrags vom 9. März 2021 ausländerbehördlich ein Umdenken stattgefunden habe und von der mit Stellung des PEP-Antrags vom 9. März 2021 eingeleiteten Abschiebung Abstand genommen worden sei. Dies spiegle sich auch darin wider, dass (auf Bitte der Jugendhilfeeinrichtung) der Ermöglichung der Aufnahme einer Ausbildung von Seiten der Ausländerbehörde am 20. Juli 2021 ein BZR-Auszug angefordert worden sei. Ergebe sich aus den Duldungsverfügungen etc., dass nach der Stellung des PEP-Antrags vom 9. März 2021 von der eingeleiteten Abschiebung Abstand genommen worden sei, komme es vorliegend (anders als das erstinstanzliche Gericht meine) nicht mehr darauf an, dass dem Antragsteller bei seiner Vorsprache am 18. August 2021 mitgeteilt worden sei, dass es ihm freistünde, nach Abgabe des Reisepasses einen Antrag auf Ausbildungsduldung zu stellen. Da also bereits im August 2021, also vor Ablauf der bis zum 4. November 2021 befristeten Duldung, sämtliche für eine zeitnah aufzunehmende, konkret bezeichnete Berufsausbildungsaufnahme erforderlichen Nachweise vorgelegen hätten und der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG durch Abstandnahme von der Abschiebung entfallen gewesen sei, sei bereits vor Ablauf der bis zum 4. November 2021 befristeten Duldung dem Beschwerdeführer ein noch immer fortwährender Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausbildungsduldung erwachsen, welcher „der erst wieder im Mai 2022 neu verfolgten Abschiebung des Beschwerdeführers entgegensteht“. Dem stehe nicht entgegen, dass der Antragsteller seine begonnene Ausbildung im Februar 2022 abgebrochen habe. Denn nach § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG sei nach einem Ausbildungsabbruch eine Duldung für sechs Monate zu erteilen. Daher hätte der Antragsteller auch aufgrund seines Duldungsanspruches nicht am 19. Juli 2022 abgeschoben werden dürfen. Es sei auch nicht ansatzweise erkennbar, dass kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 25a AufenthG bestehen könnte. Gründe, die gegen einen Anspruch auf Erteilung der am 19. Juli 2022 beantragten Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 25a AufenthG sprechen könnten, seien bislang auch insbesondere nicht von der Gegenseite vorgetragen worden.
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Unter dem 5. Dezember 2022 wiederholte und vertiefte der Antragsteller seinen Vortrag insbesondere im Hinblick auf die vom Antragsgegner getätigten Ausführungen.
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Die Rügen des Antragstellers greifen nicht durch.
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1. Dem Antragsteller steht zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der geltend gemachte Anspruch nach § 25a Abs. 1 AufenthG voraussichtlich nicht zu.
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Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält (Nr. 1), er im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat (Nr. 2), der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird (Nr. 3), es gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann (Nr. 4) und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt (Nr. 5). Solange sich der Jugendliche oder der Heranwachsende in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet, schließt die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht aus. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist zu versagen, wenn die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben des Ausländers oder aufgrund seiner Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist (§ 25a Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG).
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Der Antragsteller äußert sich schon nicht zu den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen betreffend das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 25a AufenthG. Es handelt sich bei dem vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller jedenfalls nicht um einen „geduldeten Ausländer“ im Sinne von § 25a Abs. 1 AufenthG. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Das gilt grundsätzlich auch für die Voraussetzung, dass ein Antragsteller ein „geduldeter Ausländer“ sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 - 1 C 34.18 - juris Rn. 23 zu § 25b AufenthG; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2020 - OVG 6 S 10/20 - juris Rn. 9; Hecker in Beck OK AuslR, Stand 1.10.2020, § 25a AufenthG, Rn. 4; Röder in Beck OK Migrations- und Integrationsrecht, Stand 1.10.2020, § 25a AufenthG, Rn. 7; Röcker in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 25a AufenthG, Rn. 9). Ein Ausländer ist geduldet, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist oder er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz ist der Antragsteller nicht mehr geduldet und das Vorliegen materieller Duldungsgründe ist nicht ersichtlich:
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Dies folgt zum einen daraus, dass die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG für den Antragsteller mangels eines rechtmäßigen Aufenthalts keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 AufenthG auslöst. Es widerspräche der durch §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG vorgegebenen Systematik und Konzeption des Aufenthaltsgesetzes, denen zufolge für die Dauer eines Erteilungsverfahrens nur unter den in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG geregelten Voraussetzungen ein vorläufiges Bleiberecht besteht, darüber hinaus derartige „Vorwirkungen“ anzuerkennen und für die Dauer eines Erteilungsverfahrens eine Duldung vorzusehen (BayVGH, B.v. 26.11.2018 - 19 C 18.54 - juris Rn. 24; OVG NRW, B.v. 10.10.2018 - OVG 3 S 64.18 - juris Rn. 5). Auch kann sich der Antragsteller auf einen materiellen Duldungsanspruch wegen Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) im Hinblick auf die von ihm begehrten Ausbildungsduldungen nicht berufen (dazu sogleich).
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Zu Recht weist das Verwaltungsgericht zudem darauf hin, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der fehlende Besitz eines gültigen Reisepasses (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 4 AufenthG) seitens des Antragstellers entgegensteht. Dem tritt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht entgegen. Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sind im Beschwerdeverfahren ebenfalls weder nachvollziehbar vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ebenso wenig tritt der Antragsteller den nachvollziehbaren Ausführungen des Verwaltungsgerichts, jedenfalls halte er sich nicht im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vier Jahre ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet auf, da der erfolglose Abschiebeversuch vom 19. Juli 2022 sich insoweit als Zäsur darstelle.
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2. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die (hilfsweise geltend gemachte) Erteilung einer Ausbildungsduldung glaubhaft gemacht.
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Nach dem durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1021) mit Wirkung zum 1. Januar 2020 in das Aufenthaltsgesetz eingefügten § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (i.d.F.v. 1.3.2020) ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer in Deutschland im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG ist, (insbesondere) eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf aufnimmt und die Ausschlussgründe des § 60c Abs. 2 AufenthG nicht vorliegen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.
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Soweit der Antragsteller unter dem 19. Juli 2022 (am Tage seiner gescheiterten Abschiebung nach Aserbaidschan) beantragte, ihm eine berufsschulische Ausbildungsduldung für eine Ausbildung zum Assistenten für Ernährung und Versorgung zu erteilen, befand sich der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz einer Duldungsbescheinigung. Die letzte ihm erteilte Duldung war ersichtlich am 4. November 2021 ausgelaufen. Damit erfüllt er nicht die Voraussetzung des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, ebenso wenig die Voraussetzung des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird eine Ausbildungsduldung nicht erteilt, wenn der Ausländer im Fall von § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bei Antragstellung noch nicht drei Monate im Besitz einer Duldung ist.
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Der Antragsteller hatte/hat auch weder zum Zeitpunkt der Antragstellung (am 19.7.2022) noch ggf. zu einem späteren Zeitpunkt (soweit dies ausreichen sollte) einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung.
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Eine Ausbildungsduldung wird gem. § 60c Abs. 2 Nr. 5 Hs. 1 AufenthG nicht erteilt, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen, bevorstehen. Konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stehen insbesondere bevor, wenn eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit veranlasst wurde (§ 60c Abs. 2 Nr. 5a AufenthG), der Ausländer einen Antrag zur Förderung mit staatlichen Mitteln einer freiwilligen Ausreise gestellt hat (§ 60c Abs. 2 Nr.5b AufenthG), die Buchung von Transportmitteln für die Abschiebung eingeleitet wurde (§ 60c Abs. 2 Nr. 5c AufenthG) oder vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers eingeleitet wurden, es sei denn, es ist von vornherein absehbar, dass diese nicht zum Erfolg führen (§ 60c Abs. 2 Nr.5d AufenthG).
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Um insoweit - im Vergleich zu § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG a.F., der insoweit keine Einschränkung im Gesetzeswortlaut enthalten hat - klarzustellen, dass nicht jede Vorbereitungsmaßnahme die Erteilung einer Ausbildungsduldung verhindert, hat der Gesetzgeber in § 60c Abs. 2 Nr. 5d AufenthG aufgenommen, dass von vornherein absehbar nicht zum Erfolg führende vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht entgegenstehen (§ 60c Abs. 2 Nr. 5d AufenthG; diese Einengung war zu § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG a.F. schon obergerichtlich vertreten worden, vgl. insbesondere zur Beantragung von Passersatzpapieren OVG NRW, B.v. 23.4.2018 - 18 B 110/18 - juris Rn. 7). Da nach den Gesetzesmaterialien mit § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a bis e AufenthG „abschließend Konkretisierungen in Bezug auf konkret bevorstehende Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorgenommen [werden], die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen“ (BT-Drs. 19/8286, 15), geht der Senat zudem davon aus, dass auch die in § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a bis e AufenthG aufgeführten Maßnahmen in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen müssen (der Gesetzeswortlaut ist insoweit nicht eindeutig, da gem. § 60c Abs. 2 Nr. 5 Hs. 1 die konkreten Maßnahmen, die zum Antragszeitpunkt bevorstehen müssen, in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen müssen und gem. § 60c Abs. 2 Nr. 5 Hs. 2 „diese konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ bevorstehen, wenn einer der aufgelisteten Fälle vorliegt; der Gesetzeswortlaut in Hs. 2 vermittelt somit den Anschein, diese konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen, nicht zu definieren <insbesondere wird nicht das Wort „sind“ verwendet>) und grundsätzlich von einem entsprechenden Zusammenhang auszugehen ist (BayVGH, B.v. 12.1.2021 - 19 CE 20.2400 - Rn. 8 n.v.; die obergerichtliche Rechtsprechung hat auch diese Einschränkung bereits im Rahmen des § 60a Abs. 2 Satz 4 a.F. vorgenommen, vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2016 - 11 S 1991/16 - juris Rn. 21; NdsOVG, B.v. 9.12.2016 - 8 ME 184/16 - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 30.1.2019 - 19 CE 18.1725 - juris 16; offenlassend OVG RhPf, B.v. 11.7.2017 - 7 B 11079/17 - juris, Rn. 41).
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Vorliegend war zum Zeitpunkt der per E-Mail am 19. Juli 2022 erfolgten Beantragung der Ausbildungsduldung (Ausbildung zum Assistenten für Ernährung und Versorgung) bereits eine vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahme zur Abschiebung des Antragstellers eingeleitet worden, die nicht von vornherein als erfolglos anzusehen war. Denn bereits unter dem 9. März 2021 hatte der Antragsgegner für den Antragsteller ein Passersatzpapier beantragt (Zusage des Landesamts 23.4.2021). Die Beantragung eines Passersatzpapieres stellt eine vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahme zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne des § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG dar (z.B. der Senat mit Beschluss v. 21.4.2021 - 19 C 21. 278 Rn. 9; Dollinger in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 60c AufenthG Rn. 39). Die Beantragung des Passersatzpapieres führte zum Erfolg und steht ersichtlich immer noch in einem hinreichend sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers.
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Den Gesetzesmaterialen, insbesondere den in den Gesetzesmaterialen zu § 60c AufenthG genannten weiteren Beispielen für konkrete Vorbereitungsmaßnahmen kann keine starre Frist entnommen werden, wann von einem hinreichenden zeitlichen Zusammenhang der Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung nicht mehr ausgegangen werden kann. Es ist insoweit ausreichend, dass die Abschiebung in absehbarer Zeit grundsätzlich möglich ist; auf einen konkret bestimmbaren Zeitpunkt der Abschiebung kommt es - wie schon die Beispiele in § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a - e AufenthG verdeutlichen - nicht entscheidend an (BayVGH, B.v. 28.9.2020 - 10 CE 20.2081 - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 21.4.2021 - 19 C 21.278 Rn. 19).
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Der hinreichende sachliche und zeitliche Zusammenhang der erfolgreichen Durchführung des PEP-Verfahrens zur (nunmehr ausländerrechtlich zweimal gescheiterten) Aufenthaltsbeendigung ergibt sich schon daraus, dass der Antragsteller ersichtlich nicht über einen gültigen Reisepass für sein Heimatland verfügt.
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Soweit der Antragsteller den genannten Zusammenhang mit dem Vortrag verneint, der Antragsgegner habe durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, von einer Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers Abstand zu nehmen, es sei nach Durchführung des PEP-Verfahrens zu einem ausländerbehördlichen Umdenken gekommen, trifft dies ersichtlich nicht zu:
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In den Blick zu nehmen ist zunächst, dass der zeitliche Abstand zwischen den Vorbereitungsmaßnahmen und der gescheiterten ersten Rückführung (19.7.2022) zunächst darauf beruhte, dass eine Aufenthaltsbeendigung des zunächst noch minderjährigen Antragstellers auf die fehlende Identitätsklärung, fehlende Reisedokumente, Corona sowie die Problematik, dass die mit dem Antragsteller eingereiste Mutter psychische Probleme (verbunden mit aufgeworfenen Fragen betreffend die Einschaltung des Jugendamts und Betreuungsproblematiken) geltend machte. Nachdem der Antragsteller am 1. August 2021 seine Volljährigkeit erreicht hatte (ein ausreichender Zusammenhang zwischen diesem Zeitpunkt und dem Abschluss des PEP-Verfahrens ist nicht zweifelhaft) und mithin eine (selbständige) Rückführung des Antragstellers auch ohne seine Mutter im Raume stand, hatte sich der Antragsgegner mit den nunmehr vom Antragsteller vorgetragenen Entwicklungen (telefonischer Hinweis auf eine beabsichtigte Ausbildungsaufnahme durch die damalige Betreuerin des Antragstellers unter dem 4.5.2021, email einer pädagogischen Fachkraft vom 24.5.2021, Aufnahme einer - später abgebrochenen - Ausbildung zum Sozialbetreuer und Pflegefachhelfer am 14.9.2021) auseinanderzusetzen. Unabhängig davon, ob der Antragsteller bereits konkludent unter dem 4. oder 24. Mai 2021 die Erteilung einer Ausbildungsduldung beantragt hatte (was eher ferne liegt) oder ob eine Antragstellung erst am 26. November 2021 erfolgte (Ablehnung 5.7.2022) haben die in diesem Zusammenhang erteilten Ermessensduldungen (§ 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG; vgl. auch Schreiben der Regierung von O. vom 4.8.2022 an den Antragsteller: „Ermessensentscheidung“) und sonstigen vom Antragsteller benannten Aktivitäten des Antragsgegners nicht in einer für den Antragsteller (eindeutigen) Weise zum Ausdruck gebracht, der Antragsgegner habe von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand genommen. Ersichtlich ging es dem Antragsgegner zum damaligen Zeitpunkt darum, die bekanntgewordene Situation weiter aufzuklären, ohne dass der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller unzweifelhaft deutlich gemacht hätte, er habe die getroffenen Vorbereitungsmaßnahmen für eine Aufenthaltsbeendigung eingestellt und beabsichtige keine Rückführung mehr. Vielmehr hat der Antragsgegner unter dem 18. August 2022 gegenüber dem Antragsteller (ausweislich einer darüber gefertigten Niederschrift) deutlich gemacht, dass (auch) die neuerlich erteilte Ermessensduldung (im Rahmen derer der Antragsteller seine Ausbildung beginnen durfte) unter der Voraussetzung stehe, dass der Antragsteller seinen Reisepass schnellstens abgeben werde, danach stehe es ihm frei, einen Antrag auf Ausbildungsduldung zu stellen, der dann geprüft werde. Zudem erfolgte der Hinweis, dass eine schulische Ausbildung zwar nicht genehmigungspflichtig sei, normalerweise aber auch nicht vor einer Abschiebung schütze. Mithin lag auch keine Situation vor, in welcher die Ausländerbehörde zu „Sperrzecken“ im Hinblick auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung eine Vorbereitungsmaßnahme zur Rückführung traf, obwohl sich eine solche zu diesem Zeitpunkt aus ausländerrechtlichen Gründen als tatsächlich oder rechtlich unmöglich (vgl. § 60a Abs. 2 S.1 AufenthG) erwies. Davon ausgehend war nicht von vorneherein absehbar, dass die Beantragung von Passersatzpapieren nicht zum Erfolg führt (diese Voraussetzung hat die Rechtsprechung bereits zu § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG a.F. entwickelt, vgl. OVG NRW, B.v. 23.4.2018 - 18 B 110/18 - juris Rn. 7). Vielmehr erfolgte insbesondere die Ermessensduldung vom 20. August 2021 nach Abschluss des PEPVerfahrens. Dahinstehen kann, welchen Zweck (in Anbetracht des Vortrags, es komme in Bezug auf die Erteilung der Ausbildungsduldung (lediglich) auf die geklärte Identität des Antragstellers an) der Antragsgegner mit der Forderung nach einem Reisepass an den Antragsteller verfolgte. Jedenfalls vermittelte der Antragsgegner dem Antragsteller (worauf auch das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist) zu keinem Zeitpunkt ein (schutzwürdiges) Vertrauen darauf, dass er sämtliche Voraussetzungen für die (bis zu Erteilung der letzten Duldung ersichtlich noch gar nicht beantragten) Erteilung einer Ausbildungsduldung erfüllen würde.
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Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass nach Erlöschen der zuletzt erteilten Duldung zum 11. November 2021 der sachliche und zeitliche Zusammenhang des PEP-Verfahrens zur beabsichtigten Aufenthaltsbeendigung zu einem Ende gekommen wäre. Wie bereits ausgeführt bedurfte der Antragsgegner auch in der Folgezeit des erfolgreichen PEP-Verfahrens, da der Antragsteller bislang keinen gültigen Reisepass vorgelegt hat. Der Antragsgegner hat auch in der Folgezeit unstreitig die Rückführung betrieben (Bescheid vom 5.Juli 2022, Aufgabe der ursprünglichen Ausbildung, ersichtlich bislang nicht verbeschiedener Antrag vom 19.7.2022 auf Erteilung einer neuen Ausbildungsduldung - Assistent für Ernährung und Versorgung, gescheiterte Aufenthaltsbeendigung am 19.7.2022 sowie am 30.11.2022). Auch ist für die Folgezeit (insbesondere nach der Antragstellung vom 26.11.2021) die fehlende Möglichkeit der Abschiebung des Antragstellers in absehbarer Zeit nicht glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich.
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Soweit der Antragsteller Ausführungen dazu tätigt, er habe einen Duldungsanspruch, da sein ursprünglich gestellter Antrag (wohl) vom 26. November 2021 auf Erteilung einer Ausbildungsduldung für eine Ausbildung zum Sozialbetreuer und Pflegefachhelfer mit Bescheid des Antragsgegners vom 5. Juli 2022 zu Unrecht abgelehnt worden sei, ist weiter festzuhalten:
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Dieser Antrag hat sich (vom Antragsteller am 19.7.2022 mitgeteilt) „erledigt“. Der Antragsteller verfolgt nunmehr eine anderweitige Ausbildung. Soweit der Antragsteller (ggf.) im Rahmen der Geltendmachung eines sog. Folgenbeseitigungsanspruchs eine Duldungserteilung begehrt, ist nicht glaubhaft gemacht, dass sich der Bescheid des Antragsgegners vom 5. Juli 2022 als rechtswidrig erweisen könnte.
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Zum Zeitpunkt der ersichtlich am 26. November 2021 erfolgten Beantragung der Ausbildungsduldung für eine Ausbildung zum Sozialbetreuer und Pflegefachhelfer war (wie dargelegt) eine vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahme zur Abschiebung des Antragstellers (nämlich die Beantragung eines Passersatzpapieres zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne von § 60c Abs. 2 Nr. 5d AufenthG), die nicht von vornherein als erfolglos anzusehen war, eingeleitet worden. Der sog. PEP-Antrag des Antragsgegners führte bereits am 23. April 2021 zu einer Zusage. Von einem hinreichend sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung ist vorliegend (wie dargelegt) ersichtlich auszugehen. Der Hinweis des Antragstellers auf § 60c Abs. 6 S. 1 AufenthG greift mithin (worauf das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht hinweist) ebenfalls nicht durch.
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Offen bleibt, ob im Übrigen die Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruchs bereits deshalb ausscheiden müsste, weil ein derartiger Anspruch grundsätzlich nur die unmittelbaren Folgen einer Amtshandlung erfasst, nicht aber mittelbare Auswirkungen, wenn sie durch ein auf der eigenen Entschließung des Betroffenen beruhendes Verhalten (hier Aufgabe der zunächst angestrebten Ausbildung) mitverursacht worden sind (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 35).
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Über die Haupt- und Anschlussbeschwerde muss nicht zeitgleich entschieden werden. Über die Kosten von Hauptbeschwerde und Anschlussbeschwerde ist einheitlich zu entscheiden, ggf. nach den Grundsätzen des § 92 VwGO (Hamdorf in Münchner Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 567 Rn. 43).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.