Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 20.09.2022 – Au 9 S 22.1480
Titel:

Zur Störerauswahl bei einer Verfüllung einer Kiesgrube im Jahr 1939

Normenketten:
BBodSchG § 4 Abs. 3, § 9 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
Leitsatz:
Bei Maßnahmen zur Gefährdungsabschätzung iSv § 9 Abs. 2 S. 1 BBodSchG ist im Hinblick auf eine effiziente Gefahrenabwehr nicht erforderlich, dass die Verursachung dem Adressaten eindeutig nachgewiesen werden muss, vielmehr genügen objektive Faktoren als tragfähige Indizien. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Altlastenverdachtsfläche, Auffüllung einer ehemaligen Kiesgrube, Verpflichtung zur Erstellung eines Untersuchungskonzepts, Störerauswahl, Sofortvollzug, Androhung Zwangsgeld, Untersuchungskonzept, Detailuntersuchung, Verfüllung, Kiesgrube, Ermessen, Verursacher, Handlungsstörer, Zwangsgeldandrohung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 30.11.2022 – 24 CS 22.2140
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36337

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen die für sofort vollziehbar erklärte Pflicht zur Erstellung eines Untersuchungskonzepts über die Vornahme der Untersuchungen hinsichtlich des Gefährdungspotenzials von Altablagerungen auf Flurstücken der Gemarkung ....
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Die streitgegenständliche Fläche (Grundstücke der Kat.-Nr. ..., Fl.-Nr. ... bis ..., ... bis, ... und, ...) der Gemarkung ... befindet sich auf einer ehemaligen Kiesgrube (frühere Plan-Nr. ...) mit einem Deponievolumen von ca. 25.000 m³, die bis spätestens 1950/1951 verfüllt wurde und jedenfalls bis 1943 im Eigentum der Antragsgegnerin stand. Ab dem Jahr 1951 wurde die Fläche zunehmend privat bebaut und weist heute Wohnbebauung mit Parkplätzen, Gartenanlagen und kleineren baulichen Anlagen wie Garagen und Gartenhäuser auf.
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Mit Vertrag vom 13. Dezember 1939 stellte die Antragsgegnerin der Antragstellerin einen Teil der Kiesgrube zur Auffüllung mit Schutt bis längstens 30. Juni 1940 und bis zu einer Höchstmenge von 5.000 m³ zur Verfügung.
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Ausweislich eines Aktenvermerks der „Städtischen F. und S.-R.-A.“ vom 25. April 1941 wurde festgestellt, dass die Kiesgrube bis zu diesem Zeitpunkt im vertraglich vereinbarten Umfang (5.000 m³) durch die ... ordnungsgemäß aufgefüllt und eingeebnet worden war.
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Eine historische Erkundung durch das Umweltamt der Antragsgegnerin vom 2. November 2015 hat weiter ergeben, dass das streitgegenständliche Areal ausweislich eines Aktenvermerks vom 7. Juni 1943 im Eigentum der Antragsgegnerin stand und als Ersatz für einen bereits zu 80% befüllten Schuttplatz vorgesehen war.
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Im Rahmen einer von der Antragsgegnerin beauftragten orientierenden Untersuchung nach dem Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) in den Jahren 2019 und 2020, wurde das Areal der ehemaligen Kiesgrube als Verdachtsfläche identifiziert. Ausweislich des Gutachtens zur orientierenden Untersuchung vom 6. Mai 2020 beträgt die Flächengröße ca. 10.000 m² bei einer Verfüllhöhe von durchschnittlich 3 bis 4 m im Süden und 0,6 bis 1 m im Norden. Bei den festgestellten Auffüllungen handelt es sich im Wesentlichen um Schutt, gewerbliche Abfälle und Hausmüll. Die Untersuchungsergebnisse zeigten Prüfwertüberschreitungen für Benzo(a) pyren hinsichtlich der Wirkungspfade Boden-Mensch und Boden-Nutzpflanze. Außerdem wurde auf fast allen Grundstücken eine abfallrelevante Schadstoffkonzentration hinsichtlich Arsen, Schwermetallen, PAK und MKW ermittelt. Im Gutachten wird daher für eine abschließende Gefährdungsabschätzung eine vertiefte Detailuntersuchung empfohlen.
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Mit Bescheid vom 24. August 2021 wurde die Antragstellerin verpflichtet, zur Vorbereitung einer bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung ein Untersuchungskonzept über die Vornahme der Untersuchungen hinsichtlich des Gefährdungspotentials durch die Altablagerung erstellen zu lassen.
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Hiergegen hat die Antragstellerin Anfechtungsklage erhoben und beantragt, den Bescheid aufzuheben. Mit Urteil vom 23. Mai 2022 hat das Verwaltungsgericht Augsburg der Klage stattgegeben und den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. August 2021 aufgehoben. Zur Begründung wurde im Urteil ausgeführt, dass die im Bescheid getroffene Entscheidung über die Störerauswahl ermessensfehlerhaft gewesen sei, weil nicht alle potentiell in Betracht kommenden Pflichtigen in die Auswahl miteinbezogen worden seien. Nach den der Antragsgegnerin zur Verfügung stehenden Unterlagen hätten zumindest Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass auch die Antragsgegnerin selbst in die Überlegungen zur Störerauswahl hätte miteinbezogen werden müssen. Dies könne dem Bescheid vom 24. August 2021 jedoch in keiner Weise entnommen werden, sodass der Ermessensfehler auch nicht mehr durch ein Nachschieben von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden könne.
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Mit Bescheid vom 2. Juni 2022 wurde die Antragstellerin sodann erneut unter Fristsetzung verpflichtet, zur Vorbereitung einer bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung ein Untersuchungskonzept über die Vornahme der Untersuchungen hinsichtlich des Gefährdungspotentials durch die Altablagerung erstellen zu lassen (Nr. 1 des Bescheids). Das Konzept ist für die gesamte Fläche der Altablagerung zu erstellen (Nr. 1 a) des Bescheids). Bei der Konzepterstellung ist die Errichtung von mindestens zwei abstromig gelegenen Grundwassermessstellen einzuplanen (Nr. 1 b) des Bescheids). Eine Abgrenzung der schädlichen Bodenveränderungen hat horizontal und vertikal durch Bohrungen bis in die wassergesättigte Bodenzone zu erfolgen (Nr. 1 c) des Bescheids). Aus den Bohrkernen müssen horizontierte Bodenproben in maximalen Abständen von einem Meter entnommen werden (Nr. 1 d) des Bescheids). Auf den Grundstücken mit bestehendem Handlungsbedarf sollen Resorptionsverfügbarkeitsstudien nach den Merkblättern des LfU bzw. nach Maßgabe der DIN 19738 durchgeführt werden (Nr. 1 e) des Bescheids). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Nr. 5 des Bescheids). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung wurden der Antragstellerin Zwangsgelder angedroht (Nr. 6 bis 8 des Bescheids).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung beruhe auf § 9 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 BBodSchG. Hiernach könne die zuständige Behörde gegenüber den in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen die Durchführung notwendiger Maßnahmen bzw. Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung anordnen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast bestehe. Die einer konkreten Untersuchung vorausgehende Erstellung eines Untersuchungskonzepts sei eine solche notwendige Maßnahme. Aufgrund der bereits nachgewiesenen Verunreinigungen des Bodens und der daraus möglicherweise bereits vorliegenden Gefahren für das Grundwasser sowie der menschlichen Gesundheit bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs. Würden keine weiteren Untersuchungen zur Abgrenzung und Gefährdungsabschätzung erfolgen, bestehe die Möglichkeit, dass hohe Schadstoffkonzentrationen in das Grundwasser gelangen. Die damit verbundenen Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung könnten nur dadurch ausgeschlossen werden, dass das Gefährdungspotential unverzüglich ermittelt und unterbunden wird. Die Interessen der Verursacherin, insbesondere die Klärung der Frage der Verantwortlichkeit in einem unter Umständen mehrjährigen Gerichtsverfahren, müssten gegenüber dem Vollzug der bodenschutzrechtlichen Anordnung zurückstehen. Die Antragstellerin sei auch richtige Adressatin der Anordnung. Nach der Aktenlage stünde fest, dass die Auffüllungen jedenfalls zum überwiegenden Teil von dieser vorgenommen worden seien. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Grube mit einem abstrakten Fassungsvermögen von ca. 20.000 m³ tatsächlich nur auf einem rund 5.000 - 6.000 m³ umfassenden Teilbereich wieder aufgefüllt worden sei. Bei der Prüfung etwaiger weiterer Verantwortlichkeiten sei auch die Antragsgegnerin selbst in Betracht zu ziehen. Nach der Aktenlage sei jedoch nicht bekannt, dass die Grube jemals für die städtische Abfallabfuhr freigegeben worden sei. Es sei davon auszugehen, dass die Restfläche der Kiesgrube von der Antragsgegnerin zwar als Reserve zurückgehalten, aber letztlich nicht genutzt und wieder aufgefüllt worden sei. Die Tatsache, dass die Kiesgrube mit mehr als der Antragstellerin vertraglich gestatteten 5.000 m³ aufgefüllt worden sei, ändere hieran nichts. Denn es sei zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Verfüllung durch die Antragstellerin an den Gruben keine Waagen oder Ähnliches vorhanden gewesen seien und die Verfüllung deshalb vielmehr nach Schätzungen erfolgt sei. Jedenfalls aber sei die Antragstellerin für einen überwiegenden Teil der Altablagerungen verantwortlich. Im Zuge der Amtsermittlung sei auch deutlich geworden, dass die anstehenden Maßnahmen einen grundstücksübergreifenden Charakter hätten. Insofern sei die Verpflichtung der Verursacherin zielführender als eine Heranziehung einzelner Grundstückseigentümer, da deren Verantwortlichkeit auf das jeweilige Grundstück beschränkt wäre. Eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen sei im Rahmen der effektiven Gefahrenabwehr daher nicht zielführend.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids vom 2. Juni 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 7. Juli 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juni 2022 aufzuheben (Au 9 K 22.1444). Über die Klage ist noch nicht entschieden worden.
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Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2022 hat die Antragstellerin im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 2. Juni 2022 hinsichtlich der Nrn. 1 bis 4 wiederherzustellen und hinsichtlich der Nrn. 6 bis 8 anzuordnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung des Sofortvollzugs sei bereits formell rechtswidrig. Die hierfür angeführte Begründung sei nicht ausreichend, da das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nicht hinreichend dargetan sei. Die Antragsgegnerin führe selbst lediglich die abstrakte Möglichkeit einer Gefährdung an. Zudem bleibe unberücksichtigt, dass das vorgeblich gefährdende Material bereits vor 75 Jahren in das streitgegenständliche Areal eingebracht worden sei. Auch habe die Antragsgegnerin den Ausgang des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens abgewartet, ohne dass sie selbst die vorgeblich dringlichen Maßnahmen vorgenommen hätte. Aufgrund der verstrichenen Zeit könne nicht mehr von einer akuten Gefährdungslage ausgegangen werden. Jedenfalls aber beruhe die Anordnung der Antragsgegnerin auf einem unzutreffenden und nicht belegten Sachverhalt. Die Antragsgegnerin lasse außer Betracht, dass die streitgegenständliche Grube ausweislich der orientierenden Untersuchung im Zeitraum von 1929 bis 1945 verfüllt worden sei. Die seitens der Antragsgegnerin aufgestellten Behauptungen und Vermutungen genügten nicht, um eine Verhaltensverantwortlichkeit der Antragstellerin zu begründen.
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Die Antragsgegnerin ist dem Antrag mit Schriftsatz vom 31. August 2022 entgegengetreten und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
18
Zur Begründung wird vorgetragen, die Begründung des Sofortvollzugs genüge durchaus den gesetzlichen Anforderungen. Der bloße Zeitablauf mindere das Gewicht des öffentlichen Vollzugsinteresses nicht. Im Hinblick auf die zeitlichen Angaben in der historischen Erkundung vom 2. November 2015 sei festgestellt worden, dass eine Verwechslung der Kiesgrube vorgelegen habe. Aussagen zu einer östlich der Z. straße gelegenen Kiesgrube seien fälschlicherweise auf das streitgegenständliche Areal übertragen worden. Für dieses lägen jedoch erst Unterlagen ab dem Jahr 1939 vor. Bei der Angabe des Beginns des Verfüllungszeitraums im Jahr 1929 handle es sich wohl um einen Schreibfehler, da vielmehr das Jahr 1939 gemeint sei. Im Ergebnis sei festzustellen, dass ausreichende objektive Faktoren vorliegen, die für die Störereigenschaft der Antragstellerin sprechen und diese belegen. Auch könne schließlich dem Vortrag der Antragstellerin, wonach die vom Gutachter vorgeschlagenen Nutzungsbeschränkungen ausreichend seien, nicht gefolgt werden. Die unbefristete Nutzungsbeschränkung des Gartens sei eine starke Einschränkung. Die Erstellung eines Untersuchungskonzepts stelle dabei das mildere Mittel dar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.
II.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az. Au 9 K 21.1064) hat keinen Erfolg.
21
1. Der Antrag ist zulässig.
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Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 7. Juli 2022 erhobenen Klage (Az. Au 9 K 22.1444) hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Nrn. 1 bis 4 des Bescheids vom 2. Juni 2022 (Verpflichtung zur Erstellung eines Untersuchungskonzepts) sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohungen in Nrn. 6 bis 8 des mit der Klage angegriffenen Bescheids.
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2. Der Antrag ist in der Sache jedoch unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Das Gericht prüft bei ersterem, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache hingegen voraussichtlich Erfolg, so ist dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden weiteren Interessenabwägung ab (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 - 10 CS 14.2244 - juris).
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a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids ist formell rechtmäßig.
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(1) Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung ausdrücklich angeordnet hat, (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend erweist; ist das nicht der Fall, hat das Gericht die Vollziehungsanordnung ohne weitere Sachprüfung aufzuheben, nicht jedoch die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wiederherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2013 - 10 CS 13.1782 - juris).
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Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55). Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2000 - 10 CS 99.3290 - juris Rn. 16). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind.
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(2) Diesen Vorgaben wird die streitgegenständliche Begründung des Sofortvollzugs gerecht. Die Antragsgegnerin führt aus, dass die Interessen der Antragstellerin vor dem Hintergrund der festgestellten Verunreinigungen des Bodens, der sich hieraus möglicherweise ergebenden Gefahren für das Grundwasser und die Gesundheit der Bevölkerung sowie der zu erwartenden Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ausnahmsweise zurücktreten müssen. Etwaige Gesundheitsgefahren könnten nur dadurch ausgeschlossen werden, dass das Gefährdungspotential unverzüglich ermittelt und gegebenenfalls unterbunden wird. Diese Begründung stellt auf den vorliegenden Einzelfall ab und lässt erkennen, was die Antragsgegnerin zum Erlass der Anordnung bewogen hat, und dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der Anordnung des Sofortvollzugs bewusst war. Damit werden die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfüllt. Ob die vom Antragsgegner angeführten Gründe inhaltlich tragen, ist hingegen keine Frage des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern im Rahmen der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung des Verwaltungsaktes und damit beim Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses zu würdigen.
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b) Die streitgegenständliche Verpflichtung der Antragstellerin zur Erstellung eines Untersuchungskonzepts zur Vornahme einer Detailuntersuchung ist nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung von Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das öffentliche Interesse und das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihrer Anordnungen überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
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(1) Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung für die im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Anordnungen ist § 9 Abs. 2 BBodSchG. Danach kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast besteht. Weiterhin kann verlangt werden, dass die Untersuchungen von Sachverständigen nach § 18 BBodSchG durchgeführt werden (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG). § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG erlaubt - bei hinreichendem Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast - grundsätzlich nicht nur die behördliche Anordnung einer Detailuntersuchung an sich, sondern auch die hier gegenständliche, vorgelagerte Anordnung einer Konzeptvorlage für eine solche Untersuchung.
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Vorliegend bestehen - auch seitens der Antragstellerin - keine Zweifel daran, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG gegeben sind. Aufgrund der festgestellten Belastungen liegt der Verdacht für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast vor.
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(2) Auch begegnet die Störerauswahl bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin hat das ihr eröffnete Ermessen erkannt, die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten und von dem Ermessen auch in einer dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Antragstellerin gehört jedenfalls als (Mit-)Verursacherin zu dem in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG genannten Personenkreis, sodass ihre Heranziehung nicht ermessensfehlerhaft ist.
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Verursacher i.S.d. BBodSchG ist grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person, die an einer Bodenkontamination zumindest teilverantwortlich mitgewirkt hat. Diese Mitwirkung kann gleichermaßen durch Handeln, Dulden oder Unterlassen bewirkt werden. Es ist darauf abzustellen, in wessen Risiko- und Pflichtensphäre die Verantwortung für einen gefährlichen Zustand fällt, wobei ein hinreichender enger Wirkungs- und Ursachenzusammenhang zwischen dem Überschreiten der Gefahrengrenze und dem Verhalten einer Person notwendig ist (BVerwG, B.v. 28.2.2008 - 7 B 12.08 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 23.6.2004 - 22 CS 04.1048 - juris Rn. 16). Dabei ist bei Maßnahmen zur Gefährdungsabschätzung im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG im Hinblick auf eine effiziente Gefahrenabwehr nicht erforderlich, dass die Verursachung dem Adressaten eindeutig nachgewiesen werden muss, vielmehr genügen objektive Faktoren als tragfähige Indizien. Aufgrund des Gebots effektiver Gefahrenabwehr soll die Erforschung der Gefährdung nämlich so wenig wie möglich unter tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Feststellung des Verpflichteten leiden; diese Fragen müssen nach der Konzeption des Gesetzgebers nachträglich im Verfahren über die Kostenverteilung nach § 24 BBodSchG geklärt werden. Dies bedeutet, dass regelmäßig gerade keine weitergehende Ursachenerforschung, die die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung verzögern könnte, erfolgen muss (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2007 - 22 ZB 07.222 - juris Rn. 17; VG Ansbach, U.v. 20.4.2016 - AN 9 K 15.02552 - juris Rn. 86).
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Vor diesem Hintergrund ist die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Handlungsstörerin im Wege summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat sich, wie dem Akteninhalt und auch der Begründung des Bescheids zu entnehmen ist, ausführlich mit der Frage der Störereigenschaft der Antragstellerin befasst. Die Tatsache, dass die Antragstellerin ausweislich der in den Akten enthaltenen Schriftstücke ca. 5.000 m³ der ehemaligen Kiesgrube verfüllt hat, lassen ihre Inanspruchnahme als sachgerecht erscheinen. Bereits insoweit sind ausreichende objektive Faktoren als tragfähige Indizien gegeben, sodass letztlich dahinstehen kann, inwieweit die Antragstellerin darüber hinaus weitere Verfüllungen vorgenommen hat bzw. wem solche gegebenenfalls zuzurechnen wären.
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Auch die Entscheidung zur Störerauswahl ist im Wege summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Das BBodSchG macht für die Rangfolge der Inanspruchnahme der Störer keine Vorgaben, sodass grundsätzlich alle in § 4 Abs. 3 BBodSchG genannten Personen gleichrangig nebeneinander verantwortlich sein können. Vorliegend wurden alle möglichen Störer von der Antragsgegnerin erkannt und in eine Auswahlentscheidung einbezogen. Dabei hat sie insbesondere ihre eigene Rolle im Zusammenhang mit der Verfüllung der ehemaligen Kiesgrube gewürdigt und in die Auswahlentscheidung eingestellt. Nachdem nach der Aktenlage jedenfalls von einer (Mit-)Verantwortlichkeit der Antragstellerin ausgegangen werden muss, konnte sie unter Berücksichtigung des Charakters der angeordneten Maßnahme gem. § 9 Abs. 2 BBodSchG und des öffentlichen Interesses an einer effektiven Gefahrenabwehr rechtsfehlerfrei als Handlungsstörerin in Anspruch genommen werden, selbst wenn unter Umständen auch die Antragsgegnerin selbst als weitere Handlungsstörerin anzusehen sein könnte. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin übersteigt auch nicht das Zumutbare und erweist sich im Wege summarischer Prüfung als verhältnismäßig. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin infolge der streitgegenständlichen Verpflichtung zur Erstellung eines Untersuchungskonzepts in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet würde, wurden weder vorgetragen, noch sind solche für das Gericht ersichtlich.
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c) Die in Ziff. II ausgesprochenen Zwangsgeldandrohungen begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Auch insoweit wird die Klage der Antragstellerin in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben. Die Zwangsgeldandrohungen finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe der Zwangsgelder hält sich im gesetzlich eröffneten Rahmen von Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG, wonach das Zwangsgeld mindestens 15 und höchstens 50.000 EUR beträgt. Mit den für sofort vollziehbar erklärten Nrn. 1 bis 4 des streitgegenständlichen Bescheids liegen auch nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vollstreckbare Verwaltungsakte vor. Die Bestimmtheit der Zwangsgeldandrohung ist ebenfalls gewahrt, da hinsichtlich der jeweiligen Pflichten der Antragstellerin Zwangsgelder in unterschiedlicher Höhe angedroht wurden. Die Höhe der angedrohten Zwangsgelder ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung und der Dringlichkeit der zu erfüllenden Pflichten als angemessen zu betrachten. Auch die gesetzten Fristen erweisen sich als ausreichend.
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d) Nach alldem erscheint nach summarischer Prüfung von Sach- und Rechtslage ein Erfolg der Klage der Antragstellerin gegen die bodenschutzrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin als nicht hinreichend wahrscheinlich.
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Es bedarf in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO aber auch bei einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache einer weiteren Kontrollüberlegung. Die Vorschrift fordert für die behördliche Anordnung bei sofortiger Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, das über das Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts selbst hinausgeht. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse ist grundsätzlich nicht mit dem öffentlichen Interesse am Erlass eines Verwaltungsakts identisch. Daher vermag selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts allein die sofortige Vollziehung regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. NdsOVG, B.v. 17.4.2014 - 7 ME 8/19 - juris Rn. 26). Das Gericht kann die behördliche Anordnung des Sofortvollzugs daher nur bestehen lassen, wenn nach seiner Beurteilung ein öffentliches Interesse daran besteht, einen offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt vor Eintritt seiner Bestandskraft zu vollziehen.
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Angesichts des hohen Gewichts der öffentlichen Interessen an dem Schutz des Bodens und des Grundwassers als Bestandteile der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a Grundgesetz - GG) und der von der Trinkwasserqualität abhängenden Gesundheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) muss das private Interesse der Antragstellerin, vorläufig kein Untersuchungskonzept für eine Detailuntersuchung vorlegen zu müssen, im Einzelfall zurückstehen (BayVGH, B.v. 3.7.2020 - 22 CS 20.799 - juris, Rn. 39). Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass wegen den mit der Konzepterstellung verbundenen Kosten die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin ernstlich gefährdet sein könnte (vgl. VGH BW, B.v. 3.9.2002 - 10 S 957/02 - juris Rn.10).
40
Das Gewicht des öffentlichen Vollzugsinteresses wird im Verhältnis zum Interesse der Antragstellerin, vorläufig kein Untersuchungskonzept erstellen zu müssen, auch nicht durch den Zeitablauf seit Entstehung der Gefahr gemindert. Die ordnungsrechtlichen Pflichten im Bereich des Bodenschutzrechts knüpfen nicht an den Zeitpunkt ihrer Entstehung, sondern an die jeweilige Notwendigkeit der Gefahrenabwehr an. Die Untersuchungsergebnisse des Gutachtens zur orientierenden Untersuchung vom 6. Mai 2020 zeigten Prüfwertüberschreitungen für Benzo(a) pyren hinsichtlich der Wirkungspfade Boden-Mensch und Boden-Nutzpflanze. Außerdem wurde auf fast allen Grundstücken eine abfallrelevante Schadstoffkonzentration hinsichtlich Arsen, Schwermetallen, PAK und MKW ermittelt. Im Hinblick auf die vorhandene Wohnbebauung mit Gartennutzung in dem von der orientierenden Untersuchung betroffenen, schadstoffbelasteten Sektor und der nach wie vor bestehenden Gefährdungslage im Einzugsbereich der ehemaligen Kiesgrube liegen vorliegend überwiegende Gründe des Interesses der Antragsgegnerin und der Allgemeinheit vor, die die Interessen der Antragstellerin von der geforderten Konzeptplanung (vorläufig) verschont zu bleiben, überwiegen.
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3. Nach allem war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Sonderbeilage BayVBl. Januar 2014). Der in der Hauptsache gebotene Streitwert in Höhe von 5.000 EUR (§ 52 Abs. 2 GKG) war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.