Titel:
Schulaufsicht über griechische Privatschule
Normenketten:
GG Art. 7 Abs. 1, Abs. 4
BayEUG Art. 111 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 4, Art. 113 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 40
VwGO § 114
Leitsätze:
Die Schulaufsichtsbehörden haben bei ihrer Entscheidung über den Erlass schulaufsichtlicher Maßnahmen - wie beispielsweise Beanstandungen - die Grenzen des Ermessens zu beachten. (Rn. 19)
Eine griechische Privatschule in Bayern unterliegt nicht dem Grundsatz der Staatenimmunität. Sie ist dem bayerischen privaten Ersatzschulwesen zuzuordnen, nicht dem nach griechischen Recht betriebenen Schulwesen und unterliegt der bayerischen Schulaufsicht. (Rn. 13 und 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Privatschule, Staatenimmunität, Schulaufsichtliche Beanstandungen, Ermessensausübung., Ersatzschulwesen, griechische Privatschule
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 20.04.2020 – AN 2 K 18.2274
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36298
Tenor
I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 20. April 2020 wird der Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2018 aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Zuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin, die Republik Griechenland, wendet sich gegen schulaufsichtliche Beanstandungen für das Schuljahr 2017/2018.
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Dem Rechtsvorgänger der Klägerin wurde ab dem 28. Januar 1966 gestattet, in N. eine private Volksschule für die Kinder griechischer Gastarbeiter und anderer griechischer Staatsangehöriger zu errichten und zu betreiben. Die zunächst erteilte schulaufsichtliche Genehmigung wurde im Lauf der Jahre durch weitere Bescheide ergänzt. Unter anderem wurde der Klägerin mit Bescheid vom 28. Januar 1977 aufgegeben, dafür Sorge zu tragen, dass jeweils ausreichend Lehrer (auch deutsche Lehrer) zur Verfügung stehen. Mittlerweile betreibt die Klägerin in N. drei Volksschulen, zwei private Grund- und Teilhauptschulen I sowie eine private Teilhauptschule II.
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Mit Bescheid vom 15. Februar 2018 beanstandete die Regierung von Mittelfranken nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 27. November 2017 schulaufsichtlich, dass an den privaten griechischen Volksschulen der Klägerin in N. zum Unterrichtsbeginn des Schuljahrs 2017/2018 das notwendige Lehrpersonal nicht zur Verfügung gestanden habe. Im Einzelnen wurde in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids schulaufsichtlich beanstandet, an der Privaten Volksschule der Klägerin (Grund- und Teilhauptschulen I) in der S.-Str. seien am 12. September 2017 12,2 Lehrerwochenstunden nicht abgedeckt gewesen (Buchst. a), an der Privaten Volksschule der Klägerin (Grund- und Teilhauptschulen I) in der G.-Str. 11,4 Lehrerwochenstunden (Buchst. b) und an der Privaten Volksschule der Klägerin (Teilhauptschule II) in der S.-Str. 79,6 Lehrerwochenstunden (Buchst. c). Darüber hinaus wurde die mangelnde Lehrerversorgung an den genannten Privaten Volksschulen der Klägerin zum 12. Oktober 2017 schulaufsichtlich beanstandet. An der Privaten Volksschule der Klägerin (Grund- und Teilhauptschulen I) in der S.-Str. seien 7,2 Lehrerwochenstunden nicht abgedeckt gewesen (Buchst. d), an der Privaten Volksschule der Klägerin (Grund- und Teilhauptschulen I) in der G.-Str. 10,4 Lehrerwochenstunden (Buchst. e) und an der Privaten Volksschule der Klägerin (Teilhauptschule II) in der S.-Str. 14,6 Lehrerwochenstunden (Buchst. f). Seit dem 1. Januar 2018 bestehe an der Privaten Volksschule der Klägerin (Teilhauptschule II) in der S.-Str. eine mangelnde Lehrerversorgung in Höhe von 6 Lehrerwochenstunden. In Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids wurde zudem festgestellt und schulrechtlich beanstandet, dass an den genannten Schulen im Schuljahr 2017/2018 insgesamt sechs Lehrkräfte ohne schulaufsichtliche Genehmigung eingesetzt worden seien. Die Klägerin wurde in Nr. 3 des Bescheids aufgefordert, den Beanstandungen schnellstmöglich abzuhelfen und bis spätestens 16. März 2018 Lehrkräfte zu benennen, die die fehlenden Unterrichtsstunden an der Teilhauptschule II übernähmen. Den gegen den Bescheid vom 15. Februar 2018 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2018 zurück.
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Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20. April 2020 ab. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne sich nicht auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen. Die streitgegenständlichen Beanstandungen, die ihre Rechtsgrundlage in Art. 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 BayEUG fänden, seien rechtmäßig, auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt, da die Beanstandungen das mildere Mittel gegenüber einem Widerruf der Genehmigung aufgrund des Lehrermangels und gegenüber einer Untersagung der Lehrtätigkeit aufgrund der noch nicht genehmigten Lehrkräfte seien. Ermessensfehler seien nicht erkennbar, insbesondere könne das zwischen der Klägerin und der Bundesrepublik Deutschland geschlossene Kulturabkommen vom 17. Mai 1956 unberücksichtigt bleiben, da in den streitgegenständlichen Beanstandungen jedenfalls kein Verstoß gegen den Inhalt des Kulturabkommens liege, selbst wenn man von dessen Bindungswirkung ausgehe.
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Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 20. April 2020 den Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2018 aufzuheben und die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Zur Begründung trägt sie vor, die Schwierigkeiten bei der Lehrerversorgung zu Beginn des Schuljahrs 2017/2018 seien darin begründet gewesen, dass die Klägerin aufgrund der im Einvernehmen mit den beteiligten Ländern der Euro-Zone erlassenen Notstandsgesetze aus dem Jahr 2012 zur Einhaltung von Sparmaßnahmen einen generellen Einstellungsstopp verfügt habe, sodass es unmöglich gewesen sei, ausscheidende Vertragslehrer durch Neueinstellungen nachzubesetzen. Die Abordnungen verbeamteter Lehrer aus Griechenland habe zu Zeitverzögerungen geführt, da diese häufig angefochten worden seien. Die Auswirkungen dieser Schwierigkeiten hätten in dem in Art. 14 ff. des Kulturabkommens vorgesehenen Verfahren behandelt und im Rahmen des Ständigen Gemischten Ausschusses hätte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden können. Wegen der streitgegenständlichen Schulen sei es im Übrigen in der Vergangenheit dazu gekommen, dass eine Kommission in Anlehnung an den Ständigen Gemischten Ausschuss gebildet worden sei. Diese „Gemischte bilaterale Kommission für die privaten Volksschulen der Republik Griechenland in Bayern“, die zuletzt ihre 4. Tagung am 9. Juni 2008 in Griechenland abgehalten habe, habe sich mit schulischen Detailfragen befasst, die deutsche Seite habe aber zu einer Folgetagung nicht mehr eingeladen.
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Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Verfahren
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die Berufung zurückzuweisen.
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Nach Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 130 BV obliege die Aufsicht über das gesamte Schulwesen und damit auch über das verfassungsrechtlich durch Art. 7 Abs. 4 GG geschützte Privatschulwesen dem deutschen Staat. Auch werde durch das Kulturabkommen die Staatliche Schulaufsicht nicht eingeschränkt, insbesondere sei die vorherige Einberufung des Ständigen Gemischten Ausschusses nicht erforderlich gewesen, da die Behandlung von streitigen Themen auf Verwaltungsebene nicht zu dessen Aufgabenbereich gehöre. Im Übrigen dürfe gemäß Art. 92 Abs. 2 Nr. 2 BayEUG eine Ersatzschule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen und künstlerischen Ausbildung ihrer Lehrkräfte hinter den öffentlichen Schulen nicht zurückstehen. Zu Beginn des Schuljahrs 2017/2018 seien die Schulen der Klägerin hinter den Anforderungen zurückgestanden, die sich aus Art. 31 Abs. 2 BaySchFG bezüglich der geforderten Lehrerwochenstunden ergeben würden. Aufgrund des Lehrkräftemangels, den allein die Klägerin als Schulträger zu verantworten habe, sei die Sicherung der Qualität des Unterrichts gefährdet gewesen, zudem seien Lehrkräfte ohne schulaufsichtliche Genehmigung eingesetzt worden. Die Frage der ausreichenden Lehrerversorgung habe schon seit Langem bestanden und es habe hierzu in den vergangenen Jahren verschiedene Gespräche zwischen der Regierung von Mittelfranken und Vertretern des Griechischen Generalkonsulats in München gegeben. Die streitgegenständlichen Beanstandungen seien daher zu Recht ergangen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 125 VwGO). Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 20. April 2020 ist daher der Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2018 aufzuheben.
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I. Allerdings kann sich die Klägerin im streitgegenständlichen Verfahren nicht auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen. Ausländische Staaten sind nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht der Gerichtsbarkeit anderer Staaten und damit auch der Gerichtsbarkeit Deutschlands insoweit nicht unterworfen, als der Gegenstand des Rechtsstreits ihre hoheitliche Betätigung betrifft. Hinsichtlich ihrer nichthoheitlichen Tätigkeit unterliegen auch ausländische Staaten der inländischen Gerichtsbarkeit. Für das Erkenntnisverfahren erfolgt die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Betätigung nach objektiven Kriterien. Anders als im Vollstreckungsstadium, wo auf das Motiv oder den Zweck der Staatstätigkeit abgestellt wird, ist im Erkenntnisverfahren ausschließlich die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses maßgebend. Eine Abgrenzung nach dem Zweck der Staatstätigkeit liefe letztlich auf eine absolute Immunität hinaus, da fast jede Tätigkeit eines Staates jedenfalls zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem immer noch erkennbaren Zusammenhang steht (vgl. BVerfG, B.v. 30.4.1963 - 2 BvM 1/62 - BVerfGE 16, 27 Rn. 142 f; B.v. 12.10.2011 - 2 BvR 2984/09 - BVerfGK 19, 122 Rn. 13; Geimer in Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Rn. 579 ff.).
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Dies zugrunde gelegt, stellt das Betreiben der streitgegenständlichen Privaten Volksschulen in Bayern für die Klägerin eine nichthoheitliche Tätigkeit dar. Art. 7 Abs. 4 GG erkennt die Gründungsfreiheit und die Garantie des Rechtsinstituts der Privatschule an. Es gehört zum Wesen der Privatschule, dass sie neben der öffentlichen Schule und nicht anstelle des Staates eigene, nicht staatliche Ziele verfolgt (vgl. Badura in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand Jan. 2022, Art. 7 Rn. 102 f.). Dies gilt auch, wenn der Träger einer Privatschule - wie hier - ein ausländischer Staat ist, da sich die Genehmigung und der Betrieb der Schule ausschließlich nach Art. 7 Abs. 4 GG sowie den vorliegend einschlägigen Regelungen im bayerischen Schulrecht richten. Damit sind die nach Art. 92 BayEUG genehmigten Schulen dem bayerischen privaten Ersatzschulwesen zuzuordnen und nicht dem nach griechischen Recht betriebenen Schulwesen. Auf die strittige Frage, ob die Anstellung der beschäftigten Lehrer (privatrechtlich angestellte Vertragslehrer oder verbeamtete griechische Lehrer) eine hoheitliche oder nichthoheitliche Tätigkeit darstellt, kommt es vorliegend somit nicht entscheidungserheblich an.
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II. Die streitgegenständlichen schulaufsichtlichen Beanstandungen, die ihre Rechtsgrundlage in Art. 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 BayEUG finden, erweisen sich als ermessensfehlerhaft.
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1. Das Grundrecht der Privatschulfreiheit führt nicht dazu, dass die Privatschule eine staatsfreie Schule ist. Vielmehr unterstehen auch Privatschulen als Teil des gesamten Schul- und Bildungswesens der Schulaufsicht (Art. 7 Abs. 1 GG; Art. 130 Abs. 1 BV), wobei sich einerseits die Aufsicht des Staates über die privaten Schulen, in denen besondere Bildungs- und Erziehungsziele der Eltern und von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften den schulischen Unterricht bestimmen, auf die Wahrung gesetzlicher Anforderungen des Allgemeininteresses beschränkt (vgl. Art. 111 Abs. 2 BayEUG; Badura in Dürig/Herzog/Scholz, a.a.O. Rn. 46), andererseits der Grundsatz der Gleichwertigkeit zu berücksichtigen ist, da private Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen dürfen (Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, Art. 134 Abs. 2 Satz 1 BV; Art. 92 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BayEUG). Art. 113 Abs. 1 Satz 1 BayEUG konkretisiert die in Art. 111 Abs. 1 BayEUG genannte Schulaufsicht und zählt die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörde, die sich auf den gesamten Geltungsbereich des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen beziehen (vgl. Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand Sept. 2022, Art. 113 Rn. 1), beispielhaft auf. Wie sich aus der Regelung über die Zielrichtung von Anordnungen in Art. 113 Abs. 2 BayEUG ergibt, sind die Schulaufsichtsbehörden berechtigt, Verstöße gegen schulrechtliche Bestimmungen förmlich zu beanstanden. Bei einer Ersatzschule liegen die Voraussetzungen für eine schulaufsichtliche Beanstandung insbesondere dann vor, wenn die Erfüllung der in Art. 7 Abs. 4 GG, Art. 92 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BayEUG genannten Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr sichergestellt ist, insbesondere die in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, Art. 92 Abs. 2 Nr. 2 BayEUG postulierte Gleichwertigkeit nicht mehr gewährleistet wird, weil die Privatschule in ihren Lehrzielen, Einrichtungen oder in der wissenschaftlichen bzw. künstlerischen Ausbildung ihrer Lehrkräfte hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht. Bei ihrer Entscheidung über den Erlass schulaufsichtlicher Maßnahmen - wie beispielsweise Beanstandungen - haben die Schulaufsichtsbehörden die Grenzen des Ermessens zu beachten.
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2. Ungeachtet der in Bezug auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der schulaufsichtlichen Beanstandungen von den Beteiligten aufgeworfenen strittigen Frage, wie die Anzahl der erforderlichen Lehrerwochenstunden zu ermitteln ist, um eine gleichwertige Lehrerversorgung an den Schulen der Klägerin sicherzustellen (nach Auffassung der Klägerin auf der Grundlage der im Juni 2008 anlässlich des letzten Treffens der „Gemischten bilateralen Kommission für die privaten Volksschulen der Republik Griechenland in Bayern“ vereinbarten Stundentafel, nach Auffassung des Beklagten nach den in Art. 31 Abs. 2 BaySchFG i.d.F. vom 22.5.2015 normierten Vorgaben) hat der Beklagte jedenfalls das ihm zustehende Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
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Selbst dann, wenn die aufgrund der Vorgaben in Art. 31 Abs. 2 BaySchFG ermittelten Lehrerwochenstunden von der Klägerin im Schuljahr 2017/2018 bereitzustellen gewesen wären, ergibt sich weder aus dem streitgegenständlichen Bescheid noch aus dem Widerspruchsbescheid oder den dokumentierten Gesamtumständen, dass die Schulaufsichtsbehörde bei der Betätigung ihres Entschließungsermessens alle nach Lage der Dinge sich aufdrängenden Gesichtspunkte berücksichtigt hat.
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a) Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Sie ist zur Ausübung eines ihr eingeräumten Ermessens nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, eine Heilung nicht ausgeübten Ermessens ist ausgeschlossen (§ 114 Satz 2 VwGO). Das Gericht prüft, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Es darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat; tragen diese Erwägungen nicht, ist die Entscheidung rechtswidrig und muss aufgehoben werden. Das Gericht ist nicht befugt, die behördliche Entscheidung aus Gründen, die für die Verwaltung nicht ausschlaggebend waren, im Ergebnis aufrecht zu erhalten (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 22).
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b) Dies berücksichtigend hat die Schulaufsichtsbehörde bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids jedenfalls das ihr eingeräumte Entschließungsermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
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Im streitgegenständlichen Bescheid finden sich keinerlei Anhaltspunkte für eine Ermessensausübung; abschließend ist lediglich der Satz enthalten: „Die schulaufsichtliche Beanstandung ist aus den oben genannten Gründen im Interesse der Herstellung der Genehmigungsvoraussetzungen für das Schuljahr 2017/2018 angebracht und verhältnismäßig“. In den Gründen des Bescheids werden zwar berichtend die im Rahmen der Anhörung mit Schreiben der Klägerin vom 19. Dezember 2022 vorgebrachten Umstände aufgeführt, die zur Lehrerunterversorgung an ihren Privatschulen geführt haben. Abwägend eingegangen wird hierauf jedoch nicht, sondern lediglich im Einzelnen festgestellt, dass sich die Lehrerversorgung an den genannten Schulen temporär defizitär gestaltet hat und die für die Unterrichtsgenehmigung von sechs Lehrkräften erforderlichen Unterlagen nicht rechtzeitig eingereicht wurden.
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Eine Abwägung der von der Klägerin geschilderten Schwierigkeiten, zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 eine ausreichende Lehrerversorgung an ihren Privatschulen in N. sicherzustellen sowie rechtzeitig die erforderlichen Unterrichtsgenehmigungen für neue Lehrer zu beantragen mit den vom Beklagten angeführten schulischen Belangen findet sich auch nicht im Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2017. In diesem wird im Hinblick auf die von der Klägerin genannten Ursachen für die Verzögerung des Entsendungsprozesses, vor allem zum Einstellungsstopp, einzig darauf verwiesen, dass dies nicht zu einer anderen Beurteilung führen könne, da der Schulträger dafür zu sorgen habe, dass ausreichend Lehrkräfte vorhanden seien und der Einstellungsstopp bereits seit längerem bekannt sei; das Defizit, das voll zu Lasten der zu betreuenden Schülerinnen und Schüler gehe, könne nicht hingenommen werden. Auch wenn darüber hinaus Ausführungen zur Nichtgeltung des Kulturabkommens vom 17. Mai 1956 gemacht wurden, ergibt sich daraus nicht, dass eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nachgeholt wurde. Vielmehr deuten die Ausführungen im Widerspruchsbescheid darauf hin, dass die Schulaufsichtsbehörde der Auffassung war, von den schulaufsichtlichen Beanstandungen trotz der von der Klägerin genannten Gründe nicht absehen zu können. Inwieweit demzufolge von einem Ermessenausfall auszugehen ist, kann offen bleiben. Jedenfalls geht aus den Ausführungen beider Bescheide nicht hervor, dass die Schulaufsichtsbehörde bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids bzw. des Widerspruchsbescheids alle maßgeblichen Gesichtspunkte in die anzustellenden Erwägungen einbezogen hat.
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aa. Es gibt schon keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schulaufsichtsbehörde die Geringfügigkeit der Lehrerunterversorgung ausreichend berücksichtigt hat, zumal bereits im Zeitpunkt der Anhörung am 27. November 2017 die Fehlstunden an allen Schulen wieder ausgeglichen und bei Erlass des Bescheids am 15. Februar 2018 nur noch sechs Fehlstunden an der Teilhauptschule II zu verzeichnen waren. Betrachtet man die Zahlen prozentual, ist festzustellen, dass zum Schuljahresbeginn an den Grund- und Teilhauptschulen I eine Unterversorgung von knapp 8%, zum 12. Oktober 2017 eine Unterversorgung von nur noch 4,5 bzw. 6,7% und ab dem 16. Oktober 2017 bereits ein Plus bei der Lehrerversorgung bestand. Auch das Defizit von knapp 23% zum Schuljahresbeginn an der Teilhauptschule II war ab 6. November 2017 und damit bereits vor Anhörung der Klägerin wieder ausgeglichen. Die dort ab 1. Januar 2018 aufgrund des Weggangs eines Lehrers entstandenen und im Zeitpunkt des Bescheiderlasses einzig noch vorhandenen sechs Fehlstunden führten lediglich zu einem 2%igen Defizit. Sollten sich bereits in den Vorjahren ähnliche Probleme ergeben haben, wurden diese jedenfalls nicht zur Grundlage der Ermessensausübung im streitgegenständlichen Bescheid gemacht. Soweit über eine schulaufsichtliche Beanstandung vom 15. Mai 2014 berichtet wird, lag dem jedenfalls ausweislich der Angaben eine dauerhafte Nichtbesetzung notwendiger Lehrerwochenstunden zu Grunde.
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bb. Zudem ist insbesondere nicht erkennbar, dass die Schulaufsichtsbehörde die von der Klägerin benannten Gründe für die temporäre Lehrerunterversorgung und die verspätete Vorlage der Genehmigungsunterlagen hinreichend gewürdigt hat. Ungeachtet dessen, dass die Organisation eines Personalkörpers an einer Privatschule im Vergleich zu dem an einer öffentlichen Schule naturgemäß größeren Schwierigkeiten unterworfen sein dürfte, war vorliegend aufgrund des von der Klägerin auch für ihre Schulen in Griechenland verhängten Einstellungsstopps die Nachbesetzung von Vertragslehrern, die insbesondere Unterricht in deutscher Sprache geben sollten, nicht mehr möglich. Der Ausgleich konnte nur durch Entsendungen griechischer Beamter erfolgen, wobei diese sich wegen gerichtlicher Verfahren im Zusammenhang mit der Anfechtung von Abordnungen verzögerten und infolgedessen der Schulaufsichtsbehörde auch die Unterlagen für die erforderlichen Unterrichtsgenehmigungen erst verspätet vorgelegt werden konnten. Soweit hierzu in den Gründen des Widerspruchsbescheids ausgeführt wird, dies seien schon länger bekannte Umstände, die der Schulträger zu vertreten habe, und dass die Klägerin als Schulträger Sorge für eine ausreichende Lehrerversorgung tragen müsse, lässt dies sowohl eine umfassende Würdigung der Ursachen vermissen als auch die Berücksichtigung der Anstrengungen der Klägerin, bis zu den Herbstferien den Anforderungen vollständig nachzukommen. Dem Bescheid ist jedenfalls zu entnehmen, dass fünf weitere Lehrkräfte ihre Lehrtätigkeit im Laufe des Oktobers 2017 aufnehmen konnten. Eine sechste Lehrkraft nahm ihre Tätigkeit zum 3. November 2017 auf. Auch wenn die Anträge für die erforderlichen Unterrichtsgenehmigungen erst im Laufe des Novembers 2017 vorgelegt wurden, ist das Bemühen der Klägerin erkennbar.
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cc. Schlussendlich wurde nicht hinreichend in Erwägung gezogen, dass es in der Vergangenheit mehrfach Gespräche über schulrechtliche Detailfragen des Betriebs griechischer Schulen in Bayern im Rahmen der „Gemischten bilateralen Kommission für die privaten Volksschulen der Republik Griechenland in Bayern“ gegeben hat, an denen neben griechischen Offiziellen Vertreter des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus teilgenommen haben. Ungeachtet der Frage, ob eine Behandlung des streitigen Themas in dem im Kulturabkommen vorgesehenen Ständigen Gemischten Ausschuss angezeigt gewesen wäre, konnte die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösungsfindung des alle griechischen Schulen in Bayern betreffenden Lehrerproblems durch Vertreter der bilateralen Kommission jedenfalls nicht unberücksichtigt bleiben.
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(1) Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass sich aus dem deutsch-griechischen Kulturabkommen weder unmittelbare noch mittelbare Verpflichtungen für den Beklagten ergeben, insbesondere war er nicht gehalten, die Einschaltung des Ständigen Gemischten Ausschusses (Art. 14 ff. des Kulturabkommens) im Rahmen seiner Ermessensausübung in Erwägung zu ziehen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen, die sich der Senat vollinhaltlich zu eigen macht (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 117 Abs. 5 VwGO). Soweit die Klägerin im Hinblick auf die Geltung des Kulturabkommens vorbringt, der Bund könne im Anwendungsbereich des Art 32 Abs. 1 GG völkerrechtliche Verträge auch in Bereichen abschließen, in denen die Länder die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz besäßen, ist dem entgegenzuhalten, dass dies dennoch die Transformation in innerstaatliches Recht durch die Länder nicht entbehrlich macht (vgl. hierzu Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Stand 15.8.2022, Art. 32 Rn. 11), eine Umsetzung auf bayerischer Landesebene hier aber ersichtlich nicht erfolgt ist. In der Antwort des Auswärtigen Amtes vom 14. Juni 1965 (BT-Drs. IV/3646) wird daher ausgeführt, dass die von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Kulturabkommen im allgemeinen nur Rahmenbedingungen seien, die sich in der Regel mit Absichtserklärungen begnügten. Das Auswärtige Amt stellt zudem fest, dass die Verwirklichung des Kulturabkommens in den Bundesländern in engem Zusammenhang mit der Arbeit der Ständigen Gemischten Kommission stehe, wodurch die Auffassung des Beklagten, die Ständige Gemischte Kommission sei nicht zur Lösung von schulischen Problemen auf Verwaltungsebene vorgesehen, untermauert wird. Auch der Hinweis der Klägerin, aus Art. 26 und 27 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, das im Verhältnis zur Klägerin am 27. Januar 1980 und im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland am 20. August 1987 in Kraft getreten sei, folge der Grundsatz „Pacta sunt servanda“, ohne dass es auf innerstaatliche Umsetzungsmaßnahmen ankäme, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar kann sich nach Art. 27 Satz 1 des Wiener Abkommens eine Vertragspartei nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen, dies gilt jedoch nicht, sofern die Verletzung einer Bestimmung ihres innerstaatlichen Rechts über die Zuständigkeit offenkundig war und eine innerstaatliche Rechtsvorschrift von grundlegender Bedeutung betraf (Art. 27 Satz 2, Art. 46 Abs. 1 des Abkommens). Da der Bund aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung im kulturellen und schulischen Bereich gehindert ist, unmittelbar materielle Verpflichtungen einzugehen, konnte er im Kulturabkommen keine rechtlichen Bindungen für die Länder eingehen; dies ist auch für jeden Staat, der sich hierbei im Einklang mit der allgemeinen Übung nach Treu und Glauben verhält, objektiv erkennbar (Art. 46 Abs. 2 des Abkommens).
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(2) Demgegenüber befasste sich die „Gemischte bilaterale Kommission für die privaten Volksschulen der Republik Griechenland in Bayern“ vorrangig mit Einzelthemen betreffend den konkreten schulischen Betrieb. Auf der Tagesordnung der 4. Tagung der bilateralen Kommission finden sich laut Protokoll unter anderem Themen wie „Genehmigung der Lehrpläne der 7. - 10. Jahrgangsstufen für die Fächer Physik/Chemie/Biologie und Sozialkunde/Geschichte“, „Stundentafel der griechischen Privaten Volksschulen“, „Das Fach Griechisch als Kriterium für den Wechsel in den M-Zug und das Prüfungsfach für den mittleren Schulabschluss“ sowie „Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte; Fortbildungsoffensive“. Nachdem sich das Problem der Lehrerversorgung auch an anderen griechischen Schulen in Bayern ergab, hätte erwogen werden müssen, ob die Kommission einberufen (zumal nach dem letzten Treffen in Griechenland die deutsche Seite am Zuge gewesen wäre) und mit den im Bescheid aufgegriffenen Themen befasst wird. Inwieweit dies erfolgt ist, lässt sich weder dem streitgegenständlichen Bescheid noch dem Widerspruchsbescheid entnehmen. Jedenfalls kann sich die Schulaufsichtsbehörde nicht darauf berufen, sie sei an den Gesprächen nicht beteiligt gewesen und folge ausschließlich den Vorgaben des zuständigen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus.
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Nach alledem war das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 20. April 2020 abzuändern und der Bescheid vom 15. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2018 aufzuheben.
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Der Ausspruch über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Aufgrund der Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.