Inhalt

VGH München, Beschluss v. 05.12.2022 – 15 ZB 22.2118
Titel:

Erfolglose Nachbarklage gegen Außentreppe zum Gartenbereich

Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2, § 173
BauGB § 34
BayBO Art. 6, Art. 59, Art. 63, Art. 68
BayVwVfG Art. 37
Leitsätze:
1. Die Nutzung einer Außentreppe stellt sich - ähnlich wie eine in den Gartenbereich führende Tür oder das Wohnhaus selbst, von dem man (dort wohnend und sich aufhaltend) den Gartenbereich betritt - hinsichtlich der Art und Weise, wie der Gartenbereich genutzt wird, als lärmneutral dar. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weder das Bauplanungsrecht im Allgemeinen noch das Gebot der Rücksichtnahme im Speziellen vermitteln einen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken in rückwärtige Grundstücksbereiche. Auch neu geschaffene Einsichtsmöglichkeiten begründen nicht aus sich heraus eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch aus Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine weiter zunehmende Verschattung sind vielmehr in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation in bebauten Ortslagen und insbesondere in dicht bebauten innerstädtischen Bereichen grundsätzlich hinzunehmen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Standortalternativenprüfung findet im baurechtlichen Verfahren nicht statt; steht fest, dass ein Vorhaben an dem vom Bauherrn gewählten Standort Rechte des Nachbarn nicht verletzt, kann dieser die Baugenehmigung nicht durch einen Hinweis auf einen seines Erachtens besser geeigneten weniger störenden Alternativstandort zu Fall bringen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), Baugenehmigung für eine Außentreppe, Nachbarklage, Gebot der Rücksichtnahme, Bestimmtheit der Baugenehmigung, Abstandsflächen, Abweichung, Lärmbelastung, Gartenbereich, Standortalternativenprüfung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 02.08.2022 – RN 6 K 21.2106
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36296

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Verwaltungsgericht Regensburg wies mit Urteil vom 2. August 2022 die von der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …10 der Gemarkung S. erhobene Nachbaranfechtungsklage gegen einen Bescheid des Landratsamts St.-B. vom 22. September 2021, mit dem den Beigeladenen unter Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Art. 6 Abs. 3, Abs. 5 BayBO „wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen zwischen den Gebäuden oder Gebäudeteilen auf dem Baugrundstück“ (FlNr. …15 derselben Gemarkung) eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Außentreppe erteilt wurde, ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, der nach Klärung zunächst bestehender Ungereimtheiten (vgl. Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Oktober 2022 - Bl. 29 ff. der VGH-Akte - sowie Schriftsatz der Klägerseite vom 26. Oktober 2022 mit Nachweisen - Bl. 32 ff., insbes. Bl. 35 Rückseite der VGH-Akte) als rechtzeitig und am Maßstab von §§ 55a, 55d VwGO als ordnungsgemäß eingelegt anzusehen ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt, liegen nicht vor bzw. sind nicht in einer Weise dargelegt worden, die den gesetzlichen Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO genügt.
3
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
4
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in diesem Sinne bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der erstinstanzlichen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2019 - 15 ZB 19.428 - juris Rn. 10 m.w.N.). Dritte - wie hier die Klägerin als Nachbarin - können sich mit einer Anfechtungsklage gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen einen Genehmigungsbescheid zur Wehr setzen, wenn dieser nicht nur rechtswidrig ist, sondern die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (sog. Schutznormtheorie, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 26.4.2021 - 15 CS 21.1081 - juris Rn. 23 m.w.N.; B.v. 26.4.2021 - 15 CS 21.1081 - juris Rn. 23).
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a) Soweit die Klägerin rügt, das streitgegenständliche Vorhaben sei „kritisch im Hinblick auf Abstandsflächenrecht zu bewerten“, genügt die Antragsbegründung nicht den aus § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO folgenden Darlegungsanforderungen an die Geltendmachung des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO geforderte Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Erstgerichts erfordert eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss konkret dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und / oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret bei der Berufung auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist eine substantiierte - und auch in sich schlüssige - Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen. Mit bloßer Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der schlichten Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (BayVGH, B.v. 15.10.2019 - 15 ZB 19.1221 - juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 1.2.2021 - 15 ZB 20.747 - juris Rn. 32; B.v. 19.8.2022 - 15 ZB 22.1400 - juris Rn. 16; B.v. 21.9.2022 - 15 ZB 22.1621 - juris Rn. 12; B.v. 11.10.2022 - 15 ZB 22.867 - juris Rn. 27). Diesen Anforderungen wird die Klägerin mit ihren Ausführungen in der Antragsbegründung zu Art. 6 BayBO und der hierauf bezogenen Ausnahmezulassung nicht gerecht.
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Das Verwaltungsgericht hat seine Rechtsansicht, warum die Klägerin in Bezug auf Art. 6 BayBO bzw. die erteilte Abweichung hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen nicht in eigenen Rechten verletzt ist, wie folgt begründet (UA S. 6 f.):
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„Eine Abweichung kann gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nur zugelassen werden, wenn sie unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Damit verpflichtet das Gesetz, die Belange der Nachbarn, die durch die Abweichung berührt werden, zu ermitteln und entsprechend ihrem Gewicht in die Abwägung einzustellen. Es ist anhand der konkreten Situation zunächst zu klären, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Nachbarbelange durch die Abweichung beeinträchtigt werden. Ist eine nennenswerte Einbuße, insbesondere bei einem Vergleich mit der Situation ohne Abweichung, nicht festzustellen, steht einer Abweichung aus der Sicht des Nachbarn nichts entgegen (…).
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Der Beklagte hat die nachbarlichen Interessen der Klägerin ermittelt und in seine Ermessensentscheidung miteinbezogen. Die Abweichung betrifft die Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst. Die Abstandsflächen in Richtung der Klägerin sind unproblematisch eingehalten. Gemessen ab der Oberkante des Geländers der Treppe beträgt 1 H vorliegend circa 4,30 m. Der Abstand zur Grundstücksgrenze der Klägerin beträgt an der schmalsten Stelle 4,89 m, sodass ein Abstandsflächenverstoß unabhängig davon, ob man die Stellplatzsatzung, Art. 6 BayBO a.F. oder Art. 6 BayBO n.F. heranzieht, ausscheidet. (…)“
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Dem hat die Antragsbegründung nichts Substantielles entgegengesetzt, soweit sie in allgemeiner Weise ausführt, das Grundstück der Beigeladenen sei bereits voll bebaut. Die weitere Rüge in der Antragsbegründung, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die aktuelle Abstandsflächensatzung der Standortgemeinde einen Mindestabstand von 1 H bzw. mindestens 3 m vorsehe, trifft in der Sache nicht zu, weil sich das Erstgericht - wie der vorstehende Auszug aus den Entscheidungsgründen belegt - mit der diesbezüglichen Frage ausdrücklich befasst, diese aber hinsichtlich der nachbarlicher Relevanz im Verhältnis zur Klägerin i.E. nicht als entscheidungserheblich angesehen hat. Ergänzend wird auf die Abstandsflächendarstellung im Genehmigungsakt des Landratsamts (Bl. 10) verwiesen.
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b) Die Richtigkeit der Ablehnung einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme aufgrund einer Lärmbelastung der Klägerin bzw. einer hierauf bezogenen, nachbarrechtsrelevanten Unbestimmtheit des angefochtenen Baugenehmigungsbescheids ist nicht ernstlich zweifelhaft.
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Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, das im unbeplanten Innenbereich über § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO oder über den Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB Anwendung findet, kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Soweit - wie vorliegend - ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen (hier Lärm) geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen i.S. von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (zusammenfassend vgl. z.B. BayVGH, B.v. 11.10.2022 - 15 ZB 22.867 - juris Rn. 25 m.w.N.).
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Eine Baugenehmigung kann Rechte eines Nachbarn verletzen, wenn sie unter Verstoß gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Fragen unbestimmt ist. Das ist - insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots hinsichtlich Detailfragen zur Zumutbarkeit von Immissionsbelastungen - dann der Fall, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen bzw. mangels konkretisierender Inhalts- oder Nebenbestimmungen der Gegenstand und / oder der Umfang der Baugenehmigung und damit des nachbarlichen Störpotenzials bei deren Umsetzung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 6.12.2021 - 15 ZB 21.2360 - juris Rn. 9 m.w.N.; B.v. 5.10.2022 - 15 ZB 22.1487 - juris Rn. 8). Soweit in verwaltungsgerichtlichen Entscheidung eine nachbarrechtsrelevante Unbestimmtheit eines Bescheids darin gesehen wird, dass im Rahmen der baurechtlichen Genehmigung für ein lärmträchtiges Vorhaben, dessen Nutzung mit Geräuschen einhergeht, die als schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 BImSchG) auf die Nachbarschaft einwirken können, das gestattete Ausmaß der Geräuschimmissionen nicht durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen festgelegt wurde (vgl. VGH BW, B.v. 30.1.2019 - 5 S 1913/18 - BauR 2019, 1111 = juris Rn. 36 ff. m.w.N.; für einen Swimming-Pool im benachbarten Garten: VG München, U.v. 4.5.2022 - M 9 K 20.1386 - juris), ist entgegen dem Antragsvorbringen der Klägerin nicht ersichtlich, dass diese Maßstäbe auch für eine Außentreppe als schlichte Zuwegung zum Gartenbereich Anwendung finden. Dass - wie die Klägerin vorbringt - von der Nutzung des Gartenbereichs aufgrund eines dort befindlichen Swimming-Pools womöglich ein besonderer Lärm ausgeht, geht nicht adäquat-kausal von der streitgegenständlichen Treppe, sondern von der Poolnutzung aus. Die Nutzung einer Außentreppe stellt sich vielmehr - ähnlich wie eine in den Gartenbereich führende Tür oder das Wohnhaus selbst, von dem man (dort wohnend und sich aufhaltend) den Gartenbereich betritt - hinsichtlich der Art und Weise, wie der Gartenbereich genutzt wird, als lärmneutral dar, auch wenn - worauf die Klägerseite verweist - „direkt zwischen Schwimmbecken und Treppe gelaufen werden kann“. Insbesondere legt die Klägerin nicht dar, welcher Zusatzlärm aus der Treppennutzung hervorgeht, der in der „Summenwirkung“ im Verhältnis zur Poolnutzung von besonderer Relevanz sein könnte. Der Senat macht sich zudem die weiteren Erwägungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 6 der Urteilsausfertigung zu Eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), die einerseits für sich sprechen und mit denen sich andererseits die Antragsbegründung auch nicht substantiiert auseinandergesetzt hat, nämlich
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- dass das Schwimmbecken nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist,
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- dass kein unmittelbarer - gemeint: lärmbezogener - Nutzungszusammenhang zwischen Schwimmbeckennutzung und der Treppe besteht sowie
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- dass nicht ersichtlich ist, dass durch die Nutzung der Außentreppe selbst eine unzumutbare Lärmbelastung hervorgerufen wird resp. die Treppennutzung ein (lärmrelevantes) Nutzungsausmaß aufweisen könnte, das über den zumutbaren üblichen Gebrauch einer Treppe hinausgeht, zumal - worauf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils ergänzend abstellen - ausweislich der Eingabepläne das bestehende Treppenhaus weiterhin als Haupttreppenhaus genutzt werden soll.
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c) Die Klägerin vermag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Rechtsansicht des Erstgerichts, das Rücksichtnahmegebot sei auch unter den Gesichtspunkten einer durch die Außentreppe intensivierten Einsichtnahmemöglichkeit auf ihr Grundstück bzw. Verschattung ihres Grundstücks nicht verletzt, ebenfalls nicht zu begründen.
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aa) Die von der Klägerin - wie schon erstinstanzlich (vgl. Schriftsatz vom 10. November 2021) - zitierte Rechtsprechung des nordrheinwestfälischen Oberverwaltungsgerichts zum Gartenbereich als freie Ruhezonen (B.v. 30.8.2013 - 7 B 252/13 - juris Rn. 5) betrifft (Kfzbedingte) Lärmbelastungen. Weder das Bauplanungsrecht im Allgemeinen noch das Gebot der Rücksichtnahme im Speziellen vermitteln hingegen einen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken in rückwärtige Grundstücksbereiche. Auch neu geschaffene Einsichtsmöglichkeiten begründen nicht aus sich heraus eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Allenfalls in besonderen, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägten Ausnahmefällen kann sich etwas Anderes ergeben. Von diesen Grundsätzen ist auch das Verwaltungsgericht mit ausführlicher Begründung ausgegangen (UA S. 7 f.). Über die herkömmlichen Einsichtnahmemöglichkeiten in Innerortslagen hinausgehende Belastungen sind insoweit weder ersichtlich noch vorgetragen worden, zumal die Behauptung, Möglichkeiten des Sichtschutzes bestünden nicht, „da dieser in einer solchen Höhe nicht umgesetzt werden“ könne, pauschal, unplausibel und unsubstantiiert bleibt. Die Klägerin hat insbesondere nicht dargelegt, dass gerade durch die streitgegenständliche Außentreppe ein unmittelbarer Einblick aus kürzester Entfernung auf besonders schutzbedürftige Räumlichkeiten eröffnet wird; im Übrigen wird die Anbringung von Sichtschutz auch im Wohnbereich als zumutbare Abwehrmaßnahme vor Einsichtnahmemöglichkeit angesehen (zum Ganzen BayVGH, B.v. 13.4.2018 - 15 ZB 17.342 - juris Rn. 15 ff. m.w.N.; B.v. 12.2.2020 - 15 CS 20.45 - BayVBl 2020, 444 = juris Rn. 20 m.w.N.; B.v. 16.3.2021 - 15 CS 21.544 - juris Rn. 62; B.v. 11.11.2021 - 9 ZB 21.2434 - juris Rn. 11; B.v. 11.1.2022 - 15 CS 21.2913 - juris Rn. 36; OVG NW, B.v. 17.12.2021 - 7 A 2480/20 - juris Rn. 10 f.). Hinzukommt (ohne dass dies entscheidungserheblich wäre), dass aufgrund der in der Nordwand des Gebäudes auf dem Baugrundstück bereits vorhandenen Fenster (vgl. die der Baugenehmigung zugrundeliegenden Bauvorlagen in den Behördenakten, dort Bl. 2) auch schon bislang vom Obergeschoss aus von einer erhöhten Position aus auf das Grundstück der Klägerin Einblick genommen werden konnte, sodass nicht ersichtlich ist, dass es gerade aufgrund der Errichtung der Außentreppen zu einer relevanten Verschärfung der Einblicknahmemöglichkeiten kommt.
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bb) Es besteht grundsätzlich kein Anspruch aus Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine weiter zunehmende Verschattung sind vielmehr in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation in bebauten Ortslagen und insbesondere - wie hier - in dicht bebauten innerstädtischen Bereichen grundsätzlich hinzunehmen. Selbst bei einer zu prognostizierenden „spürbaren“ Beeinträchtigung des Nachbarn durch eine Verschattung oder einen Lichtentzug infolge der Umsetzung einer geplanten baulichen Anlage gilt zumindest indiziell, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots regelmäßig aus tatsächlichen Gründen ausscheidet, sofern die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten sind (zum Ganzen m.w.N. vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2020 - 15 CS 20.45 - BayVBl 2020, 444 = juris Rn. 23; B.v. 22.4.2022 - 15 CS 22.872 - juris Rn. 55; B.v. 13.9.2022 - 15 CS 22.1851 - juris Rn. 21). Unabhängig davon, dass sich schon unter logischen Gesichtspunkten nicht erschließt, wie die in ihren Ausmaßen hinter der großflächigeren Nordwand des Wohngebäudes auf dem Baugrundstück deutlich zurücktretende Außentreppe einen zusätzlichen, relevanten Beitrag zur Verschattung des Grundstücks der Klägerin bzw. zu einem dortigen Lichtentzug leisten könnte, sind auch insofern im Zulassungsverfahren keine besonderen Umstände dargelegt worden, nach denen unter diesen Gesichtspunkten trotz Einhaltung der Anforderungen des Art. 6 BayBO der Klägerin als Nachbarin gegenüber eine unzumutbare Betroffenheit begründet sein könnte. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar ausgeführt, dass eine unzumutbare Verschattung zulasten der Klägerin von vornherein nicht denkbar sei. Die Treppe rage nicht über das im Süden befindliche Wohnhaus der Beigeladenen hinaus. Allenfalls aus südlicher Richtung und nur bei Hinwegdenken des Wohnhauses könne die genehmigte Außentreppe einen Schattenwurf in Richtung des klägerischen Grundstücks bewirken. Bei Sonneneinstrahlung von Osten und Westen sei allenfalls eine geringfügige Verschattung des Baugrundstücks selbst denkbar. Mit diesen Erwägungen hat sich die Antragsbegründung nicht näher auseinandergesetzt.
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d) Dass es - wie die Klägerin ergänzend vorbringt - möglicherweise einen alternativen Standort für die Außentreppe als Zugang zum Gartenbereich auf der Süd- oder Westseite gebe, der sie als Nachbarin weniger stören oder belasten würde, ist für die Frage der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme irrelevant. Eine Standortalternativenprüfung findet im baurechtlichen Verfahren nicht statt; steht fest, dass ein Vorhaben an dem vom Bauherrn gewählten Standort Rechte des Nachbarn nicht verletzt, kann dieser die Baugenehmigung nicht durch einen Hinweis auf einen seines Erachtens besser geeigneten weniger störenden Alternativstandort zu Fall bringen (BVerwG, U.v. 13.10.1998 - 4 B 93.98 - NVwZ 1999, 298 = juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 11.2.2022 - 1 CS 22.24 - juris Rn. 13 m.w.N.; Kremer, jurisPR-ÖffBauR 11/2022 Anm. 5). Dasselbe gilt, soweit die Klägerin mit diversen Argumenten (vgl. Seite 4 der Antragsbegründung) in der Sache vorbringt, der Bau der streitgegenständlichen Treppe sei für die Beigeladenen unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten „nicht notwendig“.
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2. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensmangels gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
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a) Mit ihrer Rüge, dass das Gericht dem klägerseits „angebotenen“ Augenscheinbeweis nicht nachgekommen sei, hat die Klägerin keinen gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO relevanten Aufklärungsmangel (Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO) dargelegt. Die Aufklärungsrüge setzt u.a. die hinreichend konkrete Darlegung voraus, inwiefern das angefochtene Urteil auf der mangelnden Sachverhaltserforschung (diese unterstellt) beruhen kann (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 30.12.2016 - 9 BN 3.16 - NVwZ-RR 2017, 1037 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 13.4.2018 - 15 ZB 17.342 - juris Rn. 24; B.v. 10.1.2020 - 15 ZB 19.425 = juris Rn. 48). Wie vorher unter 1. aufgezeigt wurde, vermochte die Klägerin aber schon nicht substantiiert darzulegen, dass die vom Verwaltungsgericht vertretene Verneinung eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot wegen einer verstärkten, unzumutbaren Verschattung bzw. wegen eines verstärkten, unzumutbaren Lichtentzugs sowie wegen neuer, unzumutbarer Einsichtnahmemöglichkeiten falsch sein könnte. Damit hat sich die Klägerin auch mit Blick auf § 124a Abs. 2 Nr. 5 i.V. mit § 86 Abs. 1 VwGO nicht hinreichend mit der Entscheidungserheblichkeit der von ihr als unterlassen angeprangerten Sachverhaltsermittlung bzw. Beweisaufnahme in Bezug auf das Rücksichtnahmegebot auseinandergesetzt. Insbesondere ergibt sich aus der Antragsbegründung nicht hinreichend substantiiert, dass im Fall einer durchgeführten gerichtlichen Inaugenscheinnahme das erstinstanzliche Urteil hätte anders ausfallen können.
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b) Eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO ist auch nicht darin zu sehen, dass „lärmfachliche Belange“ nicht ermittelt worden sind. Wie oben ausgeführt wurde, ist der durch die Nutzung des nicht von der Baugenehmigung umfassten Swimming-Pools verursachte Lärm nicht der als solcher weitgehend lärmneutralen (streitgegenständlichen) Treppe zuzurechnen, weswegen der Senat nicht zu erkennen vermag, weshalb gerade für die Baugenehmigung der Außentreppe eine gesonderte Lärmermittlung geboten gewesen wäre.
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c) Soweit der Beklagte (Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 4. November 2022) im Zulassungsverfahren darauf hinweist, dass darüber hinaus auch kein Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO vorliege, kommt es hierauf schon deshalb nicht an, weil in der Antragsbegründung nur allgemein - und damit in der Sache mit Blick auf die allgemeine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) - gerügt wurde, dass das Verwaltungsgericht einem schriftsätzlich „angebotenen“ Augenscheinbeweis nicht nachgekommen sei. Einen Verfahrensfehler dahingehend, dass das Verwaltungsgericht mit dem schriftsätzlichen Beweisangebot in einer bestimmten prozeduralen Weise hätte verfahren müssen - etwa analog § 86 Abs. 2 VwGO über einen dem Urteil vorangegangenen Beweisablehnungsbeschluss oder durch nähere Auseinandersetzung mit der Beweisanregung in den Urteilsgründen (hierzu für unterschiedliche prozessuale Situationen zusammenfassend vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2022 - 15 ZB 22.1400 - juris Rn. 25 f.) - macht die Klägerin in der Antragsbegründung nicht gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO geltend.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO), zumal sie sich im Berufungszulassungsverfahren nicht geäußert haben. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).