Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen eine Zurückschiebung nach Tschechien und auf Rückholung nach Deutschland eines türkischen Staatsangehörigen
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 S. 1 und S. 3, § 88, § 93 S. 1, § 122 Abs. 2 S. 3, § 166 Abs. 1, § 173 S. 1
AufenthG § 57 Abs. 2, § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 7
AsylG § 18
ZPO §§ 114 ff., § 294 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Rechtsbehelf gegen die Verfügung der Zurückschiebung entfaltet nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einer eidesstattlichen Versicherung kommt zwar eine besondere Bedeutung zu, jedoch reicht sie zur Glaubhaftmachung dann nicht aus, wenn an der Richtigkeit und Aussagekraft der Erklärung erhebliche Zweifel bestehen, etwa weil andere präsente Beweismittel gegen den versicherten Inhalt der Erklärung sprechen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für § 57 Abs. 2 AufenthG genügt es, wenn die Rücknahmebereitschaft des aufnehmenden Staates im Zeitpunkt der tatsächlichen Zurückschiebung besteht. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerden, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, Vollzugsfolgenbeseitigung, Zurückschiebung nach illegaler Einreise, Einreise- und Aufenthaltsverbot, Asylantrag bzw. Asylgesuch (nicht glaubhaft gemacht), Beschwerde, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Zurückschiebungsanordnung, Asylantrag (fehlender), Anforderungen an Asylantrag, Glaubhaftmachung, eidesstattliche Versicherung, präsente Beweismittel, Rückübernahmeersuchen
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 19.10.2022 – M 4 E 22.4781
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36273
Tenor
I. Die Verfahren 10 CE 22.2336 und 10 C 22.2337 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 10 CE 22.2336 wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.
V. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren 10 CE 22.2236 wird abgelehnt.
Gründe
1
Mit seinen Beschwerden verfolgt der Antragsteller sowohl sein in erster Instanz erfolgloses (Eil-)Rechtsschutzbegehren, mit dem er sich gegen seine Zurückschiebung nach Tschechien sowie ein damit verbundenes Einreise- und Aufenthaltsbot wendet und die Rückholung nach Deutschland verlangt, als auch seinen ebenso erfolglosen Prozesskostenhilfeantrag für dieses Verfahren weiter.
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Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und wurde am 6. September 2022 von den deutschen Grenzbehörden zusammen mit einer Gruppe anderer Personen in einem LKW beim Grenzübertritt aus Tschechien angetroffen. Über ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis verfügte er nicht. Die zuständige Bundespolizeiinspektion ordnete mit Bescheid vom 7. September 2022 die Zurückschiebung des Antragstellers in die Tschechische Republik an und verfügte ebenfalls am 7. September 2022 ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für zwei Jahre. Da der Antragsteller positiv auf COVID-19 getestet worden war, wurde er zunächst an eine Quarantänestation überstellt. Die Zurückschiebung wurde nach der Quarantäne am 14. September 2022 vollzogen.
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Der Antragsteller ließ am 27. September 2022 Widerspruch gegen die Verfügungen der Bundespolizei einlegen und wandte sich am selben Tag mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht, um neben der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu erreichen, von der Antragsgegnerin ins Bundesgebiet zurückgeholt zu werden. Zugleich beantragte er Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren.
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Den Eilantrag sowie den Prozesskostenhilfeantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. Oktober 2022 ab. Die Anträge seien als Anträge nach § 123 Abs. 1 VwGO unzulässig, als Anträge nach § 80 Abs. 5 Satz 1 und 3 VwGO unbegründet. Die Zurückschiebungsverfügung auf der Grundlage von § 57 Abs. 2 AufenthG sei rechtmäßig. Diese Regelung werde auch nicht durch § 18 AsylG verdrängt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, nach dem Grenzübertritt und bis zur Zurückschiebung einen schriftlichen Asylantrag oder ein anderweitiges Asylgesuch gestellt zu haben. Ein angeblicher Asylantrag seines früheren Bevollmächtigten habe beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wegen fehlerhafter bzw. mangelnder Angaben keiner Person zugeordnet werden können. Ein mündliches Asylgesuch gegenüber der Bundespolizei sei zwar behauptet, aber nicht glaubhaft gemacht worden. Auch das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot sei rechtmäßig.
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Der Antragsteller macht im Beschwerdeverfahren geltend, er habe bereits bei der Festnahme nach der Einreise am 6. September 2022 bei der Polizei erstmals ein Asylgesuch geäußert. Nach seiner Verbringung nach Waldhaus habe er dies am 7. September 2022 wiederholt. Er sei erkennungsdienstlich behandelt worden. Sein damaliger Rechtsanwalt habe am 12. September 2022 vorsorglich beim BAMF nochmals einen förmlichen Asylantrag gestellt, welcher nachweislich dort eingegangen sei. Der Antragsteller habe aufgrund eines positiven Corona-Tests vor der Zurückschiebung eine Woche in Quarantäne verbringen müssen. Dort habe er gegenüber dem Bediensteten eines privaten Sicherheitsdienstes erneut ein Asylgesuch geäußert. Auch im Rahmen der Zurückschiebung am 14. September 2022 habe er gegenüber den beteiligten Bundespolizeibeamten und -beamtinnen ein Asylgesuch geäußert. Dies sei ignoriert worden, ein Dolmetscher habe dabei nicht zur Verfügung gestanden. Auch eine vorherige Anhörung zur beabsichtigen Zurückführung habe nicht stattgefunden, was die Datums- und Uhrzeitangaben in der Akte belegten. Entsprechendes ergebe sich für ein vorheriges Rücknahmeersuchen an die tschechischen Behörden. Auch sei der Antragsteller nicht in einer für ihn verständlichen Sprache über seine Rechte belehrt worden.
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Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, der Antragsteller habe kein Asylgesuch geäußert und auch keinen Asylantrag gestellt. Daher sei das Verwaltungsgericht auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass § 57 Abs. 2 AufenthG nicht durch § 18 AsylG verdrängt worden sei. Der Umstand, dass die Behörden eine EURODAC-Abfrage vorgenommen hätten, lasse nur den Schluss zu, dass ein Asylgesuch geäußert worden sei. Es widerspreche bereits der Lebenserfahrung, dass ein illegal Einreisender kein Asylgesuch äußern und bei einer Beschuldigtenvernehmung keinen Rechtsbeistand haben habe wollen. Das Verwaltungsgericht hätte zumindest „inzident“ eine Prüfung von Art. 18 Abs. 4 AsylG durchführen müssen, denn die Bundesrepublik Deutschland sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Sei die Zurückschiebung rechtswidrig gewesen, ergebe sich ein Anspruch auf Rückholung ins Bundesgebiet aus dem Gesichtspunkt der Vollzugsfolgenbeseitigung. Der erforderliche Anordnungsgrund ergebe sich aus dem Umstand, dass eine Abschiebung durch die tschechischen Behörden unmittelbar bevorstehe.
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Zur Glaubhaftmachung legt der Antragsteller ein Schreiben des BAMF, Außenstelle Oldenburg, vom 14. September 2022 an den damaligen Anwalt des Antragstellers sowie zwei „eidesstattliche Versicherungen“ des Antragstellers bzw. einer weiteren Person (Herrn G.) in türkischer Sprache vor.
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Der Antragsteller beantragt (im Verfahren 10 CE 22.2336),
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unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 19.10.2022, Az. M 4 E 22.4781, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller auf Kosten der Antragsgegnerin umgehend wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen, hilfsweise darauf hinzuwirken, den Antragsteller umgehend zurückzuholen, und ihm die vorläufige Einreise nach Deutschland zu gewähren.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Der Antragsteller habe weder über seinen Rechtsanwalt einen wirksamen Asylantrag gestellt noch bei der Bundespolizei ein Asylgesuch oder Schutzersuchen geäußert. Der damalige Anwalt des Antragstellers habe sich auf einen Hinweis durch die Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2022 auf fehlerhafte bzw. falsche Angaben in einem Schreiben an das BAMF betroffen und überrascht gezeigt, aber nichts über eine Eingangsbestätigung oder sonstige Aktivität des BAMF zu berichten gewusst. Das nunmehr im Beschwerdeverfahren vorgelegte Schreiben des BAMF, Außenstelle Oldenburg, vom 14. September 2022 habe er nicht erwähnt. Dieses stelle auch keine Eingangsbestätigung für einen Asylantrag dar, da es an einem Aktenzeichen des BAMF fehle. Das Schreiben zeige vielmehr, dass mangels Zuordnung gerade keine wirksame Asylantragstellung erfolgt sei. Die eingereichte Schilderung des Herrn G. enthalte, abgesehen von unstimmigen Zeitangaben, nur die Behauptung, dass der Antragsteller Herrn G. erzählt habe, dass der Rechtsanwalt des Antragstellers einen Asylantrag gestellt habe. Aus einem Vermerk eines der beiden Beamten, die die Zurückschiebung am 14. September 2022 vollzogen habe, ergebe sich, dass der Antragsteller beim Transport wohl das Wort „Advokat“, nicht jedoch die Wörter „Asyl“ oder „Asylum“ geäußert habe. Eine EURODAC-Recherche könne auch angezeigt sein, wenn ein illegal Eingereister die Aussage verweigere. Es lägen Beweise vor, dass der Antragsteller keinen Asylantrag gestellt habe. So habe er bei der Anhörung zur Aufenthaltsbeendigung und zum Einreise- und Aufenthaltsverbot keine Aussage machen wollen und dies durch seine Unterschrift bestätigt. Sämtliche Belehrungen und Befragungen seien von Dolmetschern in die türkische Sprache übersetzt worden, was der Antragsteller ebenfalls durch seine Unterschrift bestätigt habe. Die Antragsgegnerin habe zudem keinerlei Gründe gehabt, dem Antragsteller rechtlichen Beistand zu verwehren oder sein Asylgesuch zu ignorieren und ein entsprechendes Verfahren zu vermeiden. Ein Teil der mitreisenden Geschleusten habe genau dies wirksam in Anspruch genommen und sei an das BAMF weitergeleitet worden, ein anderer Teil habe keinerlei Aussagen gemacht und/oder die Unterschrift unter die Dokumente verweigert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten.
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Die Verbindung der Beschwerdeverfahren 10 CE 22.2336 und 10 C 22.2337 zur gemeinsamen Entscheidung erfolgt nach § 93 Satz 1 VwGO.
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1. Die Beschwerde im Verfahren 10 CE 22.2336 ist zulässig (§ 146 Abs. 1 und 4 VwGO), aber unbegründet. Das Vorbringen im Beschwerdeverfahren, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt keine Abänderung des angegriffenen Beschlusses.
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Das Verwaltungsgericht hat der Sache nach den Antrag des Antragstellers zu Recht und von der Beschwerde unbeanstandet als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zurückschiebungsverfügung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit einem Vollzugsfolgenbeseitigungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO behandelt. Ein Rechtsbehelf gegen die Verfügung der Zurückschiebung entfaltet nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung, da es sich bei der Zurückschiebungsanordnung der Bundespolizei um eine unaufschiebbare Anordnung von Polizeivollzugsbeamten handelt (Kluth in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand 1.7.2022, § 57 AufenthG Rn. 31). Entsprechendes gilt für Rechtsbehelfe gegen das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG). In diesem Sinne ist auch der Beschwerdeantrag auszulegen (§ 88 VwGO analog; zur Zulässigkeit eines entsprechenden Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO auch nach Vollzug einer Abschiebung etwa BayVGH, B.v. 30.7.2018 - 10 CE 18.769, 10 CS 18.773 - juris Rn. 15 m.w.N.).
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Der Senat teilt auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die angegriffenen Anordnungen der Antragsgegnerin sich als rechtmäßig erweisen werden. Insofern kann der Senat im Wesentlichen Bezug auf die Begründung des angegriffenen Beschlusses nehmen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Bei der im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO erforderlichen Abwägung überwiegt daher das öffentliche Vollzugsinteresse, eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und damit einhergehend eine Vollzugsfolgenbeseitigung kommen schon deswegen nicht in Betracht.
18
a) Die Zurückschiebungsanordnung der Antragsgegnerin erweist sich zum maßgeblichen Zeitpunkt ihres Vollzugs durch die Rückschiebung (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2018 - 1 A 5/17 - juris Rn. 17 zur Abschiebungsanordnung) am 14. September 2022 bei der nur möglichen summarischen Prüfung als rechtmäßig.
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Das Verwaltungsgericht ist zu Recht und von der Beschwerde letztlich unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit der Zurückschiebungsanordnung vom 7. September 2022 und damit einhergehend das (Nicht-)Bestehen eines Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs davon abhängen, ob § 57 Abs. 2 AufenthG als Rechtsgrundlage einschlägig war oder aufgrund eines gestellten Asylantrags oder geäußerten Asylgesuchs bzw. Schutzersuchens von den Regelungen in § 18 AsylG verdrängt wurde (zum Verhältnis der Regelungskomplexe zueinander Kluth in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand 1.10.2022, § 57 AufenthG Rn. 5 m.w.N.).
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Soweit der Antragsteller rügt, er sei vor Erlass der Zurückschiebungsanordnung nicht angehört worden, ist ein Verfahrensmangel nicht glaubhaft gemacht. Diese Angabe widerspricht dem Akteninhalt, wonach der Antragsteller mit seiner Unterschrift bestätigt hat, dass er sich zur beabsichtigten Rückführung nicht äußern wolle (vgl. Bl. 17 der Behördenakte). Auch die Angabe des Antragstellers in seiner „eidesstattlichen Versicherung“, dass eine blonde Frau ihm angekündigt habe, „wir werden Dich an einen Ort bringen und danach nach Tschechien deportieren“ spricht eher für als gegen eine vorherige Anhörung. Dass die Anhörung erst nach der Anordnung erfolgt wäre, ergibt sich - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht aus der Behördenakte, da die vom Antragsteller zitierten Datums- und Uhrzeitangaben nach den nachvollziehbaren und unwidersprochen gebliebenen Angaben der Antragsgegnerin lediglich den Zeitpunkt der Speicherung in der Akte, nicht aber den Zeitpunkt des tatsächlichen Geschehens wiedergeben.
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Im Übrigen teilt der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller weder die Stellung eines schriftlichen Asylantrags noch die Äußerung eines Asylgesuchs oder sonstigen Schutzersuchens glaubhaft gemacht hat.
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Zunächst ergibt sich aus dem vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreiben des BAMF vom 14. September 2022 nicht, dass der (damalige) Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen am 12. September 2022 und damit vor der Zurückschiebung am 14. September 2022 einen wirksamen Asylantrag gestellt hat und zwar auch dann, wenn man unterstellt, dass das Schreiben, von dem lediglich ein Screenshot aktenkundig ist, tatsächlich beim Bundesamt eingegangen ist. Das Schreiben des BAMF enthält selbst keinen Hinweis auf die Identität des Antragstellers und auch kein Aktenzeichen des BAMF, das nach den unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin regelmäßig bei Eingang eines Asylantrags vergeben wird. Dem Schreiben lässt sich daher allenfalls entnehmen, dass der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers versucht hat, einen Asylantrag zu stellen, der Antrag aber offensichtlich aufgrund fehlender bzw. falscher Angaben keiner konkreten Person zugeordnet werden konnte. Damit ist die wirksame Stellung des Asylantrags vor der Zurückschiebung aber gerade nicht glaubhaft gemacht, denn die Person, auf die sich der Antrag beziehen soll, muss für einen wirksamen Asylantrag im Sinne von § 13 AsylG eindeutig bezeichnet sein (Bergmann in Dienelt/Bergmann, AsylG, 14. Aufl. 2022, § 13 Rn. 7). Hieran fehlt es, wenn - wie hier - lediglich der Name des Asylantragstellers, noch dazu mit vertauschtem Vor- und Nachnamen, ohne jeden Hinweis auf dessen Aufenthaltsort oder wenigstens die Umstände seiner Einreise mitgeteilt werden.
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Auch die vorgelegten „eidesstattlichen Versicherungen“ führen zu keinem anderen Ergebnis.
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Zwar kommt der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung eine besondere Bedeutung zu, jedoch reicht sie zur Glaubhaftmachung dann nicht aus, wenn an der Richtigkeit und Aussagekraft dieser Erklärung erhebliche Zweifel bestehen (BayVGH, B.v. 14.7.2003 - 10 CS 03.931 - juris Rn. 6), etwa weil andere präsente Beweismittel gegen den versicherten Inhalt der Erklärung sprechen (BVerfG, B.v. 11.11.1993 - 2 BvR 2451/93 - juris Rn. 5). Ungeeignet ist eine Versicherung an Eides Statt zudem, soweit Vorgänge geschildert werden, die sich der eigenen Wahrnehmung des Erklärenden entziehen (Bacher in BeckOK ZPO, Stand 1.9.2022, § 294 Rn. 12 m.w.N.).
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Gemessen daran sind die vorgelegten Erklärungen schon für sich genommen nicht geeignet, glaubhaft zu machen, dass der Antragsteller vor seiner Zurückschiebung gegenüber den Beamten und Beamtinnen der Bundespolizei ein Asylgesuch geäußert hat.
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Hinsichtlich beider Erklärungen kann der Senat bereits nicht erkennen, dass es sich insofern um eidesstaatliche Versicherungen i.S.v. § § 173 VwGO i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO handelt. Die Erklärungen wurden nur in türkischer Sprache vorgelegt und von der Bevollmächtigten selbst „sinngemäß“ übersetzt (auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts hat der Antragsteller nicht reagiert). Dass die Erklärenden die Richtigkeit der Erklärungen mit den Wirkungen der Strafbarkeit nach § 156 StGB versichert haben, ist nicht erkennbar und mit der Beschwerde auch nicht vorgetragen. Insofern können die Erklärungen lediglich als einfacher Parteivortrag bzw. als einfache Erklärung eines Dritten mit einem gegenüber der eidesstattlichen Versicherung deutlich abgesenkten Beweiswert gewertet werden.
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Dabei sind die (von seiner Bevollmächtigten sinngemäß übersetzten) Angaben des Antragstellers in seiner „eidesstattlichen Versicherung“ schon für sich genommen nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Der Kläger schildert einerseits eine erhebliche Sprachbarriere, unzureichende Übersetzungen sowie eine Verständigung mit Zeichen und Gesten, gibt gleichzeitig aber wiederholt den Wortlaut von Äußerungen („wir werden Dich an einen Ort bringen und danach nach Tschechien deportieren“ oder „geh nach Tschechien und mach dort was Du willst“) wieder, ohne zu erklären, wie er diese Äußerungen verstehen konnte. Die Angaben des Antragstellers mit der Beschwerde lassen sich darüber hinaus nicht ohne Weiteres mit seinem sonstigen Vorbringen in Einklang bringen. Im Widerspruch des Antragstellers vom 27. September 2022 gegen die streitgegenständlichen Verfügungen (Bl. 38 der Behördenakte) und im Antrag an das Verwaltungsgericht ist ausgeführt, der Asylantrag sei von der Bundespolizei schriftlich aufgenommen worden. Dagegen behauptet er mit weiterem Schriftsatz an das Verwaltungsgericht vom 7. Oktober 2022 und im Beschwerdeverfahren, dass sein Asylgesuch ignoriert und nicht schriftlich aufgenommen worden sei. Vor allem aber widerspricht die Erklärung des Antragstellers zu gegenüber der Bundespolizei mehrfach geäußerten Asylgesuchen den von ihm selbst unterschriebenen Belehrungen und Niederschriften. Bei der Beschuldigtenvernehmung (Bl. 6-8 der Behördenakte), bei der Belehrung über die präventive Freiheitsentziehung (Bl. 9-12 der Behördenakte, schriftlich auch in türkischer Sprache), bei der Anhörung zum Aufenthalts- und Einreiseverbot (Bl. 16 der Behördenakte) und bei der Anhörung zur Aufenthaltsbeendigung (Bl. 17 der Behördenakte) waren ausweislich der jeweiligen Niederschrift Sprachmittler für die türkische Sprache anwesend. Dabei erklärte der Antragsteller jeweils, dass er die Belehrungen verstanden habe und sich nicht äußern wolle und bestätigte dies mit seiner Unterschrift. Auch den Empfang der streitgegenständlichen Verfügungen bestätigte der Antragsteller in Anwesenheit einer Sprachmittlerin (Bl. 18 bis 20 der Behördenakte). Dass all diese Dokumente von den beteiligten Bediensteten der Antragsgegnerin unter massivem Verstoß gegen ihre Dienstpflichten wissentlich mit falschem Inhalt erstellt worden wären, wird vom Antragsteller in keiner Weise nachvollziehbar dargelegt. Gerade angesichts der vom Antragsteller unwidersprochen gebliebenen Schilderung der Behandlung der mit ihm zusammen geschleusten Personen, bei denen Asylgesuche den rechtlichen Vorgaben entsprechend an das BAMF weitergeleitet wurden, vermag der Senat nicht zu erkennen, aus welchem Grund sich die Antragsgegnerin gerade im Fall des Antragstellers sehenden Auges rechtswidrig verhalten haben sollte.
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Nach alledem ist die Erklärung des Antragstellers damit nicht geeignet, die Äußerung eines Asylgesuchs entgegen der vorhandenen aktenkundigen Belege glaubhaft zu machen.
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Aus der Versicherung des Herrn G. ergibt sich offenbar nur, dass der Antragsteller ihm erzählt habe, sein Anwalt habe für ihn einen Asylantrag gestellt. Schlüsse auf die Äußerung eines Asylgesuchs gegenüber der Bundespolizei lassen sich daraus gerade nicht ziehen. Im Hinblick auf die Stellung eines schriftlichen Asylantrags enthält die Erklärung letztlich nur die Aussage, dass der Antragssteller einen solchen behauptet habe.
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Bei alledem streiten - entgegen der Annahme des Antragstellers - auch keine bekannten Erfahrungssätze für die Annahme, dass bei einem illegalen Grenzübertritt regelmäßig von der Äußerung eines Asylgesuchs auszugehen wäre. Auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin zur Person des Antragstellers eine EURODAC-Abfrage durchgeführt hat, spricht für sich genommen nicht für die Annahme, der Antragsteller habe einen Asylantrag gestellt. Der Datenabgleich im EURODAC-System ist auch dann möglich, wenn die betroffene Person keinen Asylantrag gestellt hat (vgl. Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 Buchst. b und c Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013, Abl. L 180/1 - EURODAC-VO).
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Ist ein rechtzeitiger Asylantrag bzw. ein rechtzeitiges Asylgesuch damit nicht glaubhaft gemacht, musste das Verwaltungsgericht nicht (auch nicht - wie der Antragsteller meint - „inzident“) prüfen, ob die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig gewesen wäre.
32
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Zurückschiebungsanordnung deswegen rechtswidrig wäre, weil es kein vorheriges Rückübernahmeersuchen an die tschechischen Behörden gegeben hätte. Da § 57 Abs. 2 AufenthG lediglich voraussetzt, dass die betroffene Person aufgrund einer zwischenstaatlichen Übernahmevereinbarung „wieder aufgenommen wird“ und keine gesetzlichen Vorgaben für den Zeitpunkt eines Rückübernahmeersuchens enthält, genügt es, wenn die Rücknahmebereitschaft des aufnehmenden Staates im Zeitpunkt der tatsächlichen Zurückschiebung besteht. Dass dies vorliegend der Fall war, belegen sowohl der Akteninhalt (vgl. Bl. 23-36 der Behördenakte) als auch der Umstand, dass die tschechischen Behörden den Antragsteller tatsächlich übernommen haben.
33
b) Soweit das Verwaltungsgerichts auch den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot abgelehnt hat, ist mit der Beschwerde nichts vorgetragen.
34
2. Die Beschwerde im Verfahren 10 C 22.2337 ist zulässig (§ 146 Abs. 1 VwGO), aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung durch den Antragsteller keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hinsichtlich der Zurückschiebungsanordnung folgt dies aus den oben genannten Gründen. Zu den fehlenden Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts und macht sich diese zu Eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
36
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 CE 22.2336 ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
37
Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 C 22.2337 bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
38
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren 10 CE 22.2336 war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
39
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).