Titel:
Ersatzeinreichung eines Antragsschriftsatzes bei Gericht
Normenkette:
VwGO § 55d S. 3
Leitsatz:
Die Ersatzeinreichung nach § 55d S. 3 VwGO setzt bei fristgebundenen Schriftsätzen voraus, dass eine fristwahrende Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dabei genügt es nicht, dass zu irgendeinem Zeitpunkt während offener Frist technische Übermittlungsschwierigkeiten bestehen, sondern technischen Schwierigkeiten rechtfertigen nur dann eine Ersatzeinreichung, wenn andernfalls die Gefahr einer Verfristung droht. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ersatzeinreichung wegen technischer Störung, Anforderungen an die Glaubhaftmachung, Ersatzeinreichung, elektronische Form
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 05.08.2022 – M 1 E 22.370
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36240
Tenor
I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.250 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen.
2
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 5. August 2022, der dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 17. August 2022 zugestellt wurde, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Zur Begründung der am 27. August 2022 elektronisch eingelegten Beschwerde übermittelte der Bevollmächtige der Antragstellerin am Samstag, den 17. September 2022, per Telefax einen Schriftsatz, dessen Übermittlung auf S. 7 mittig abgebrochen wurde, an den Verwaltungsgerichtshof. In dem hierzu am 17. September 2022 ebenfalls per Telefax übermittelten Begleitschreiben teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass die Beschwerdebegründung nebst Anlagen per Telefax erfolge, da die Firma M* … * … in München und der beA Support vor dem Wochenende das aktive Senden von Nachrichten nicht habe wiederherstellen können.
3
Der Berichterstatter teilte dem Bevollmächtigten der Antragstellerin mit elektronisch übermittelter Nachricht vom 19. September 2022 unter Hinweis auf § 55d VwGO mit, dass die per Telefax übermittelte Beschwerdebegründung keine Unterschrift enthalte und keine Anlagen beigefügt gewesen seien. Am 19. September 2022 übermittelte der Bevollmächtigte der Antragstellerin erneut per Telefax einen als Beschwerdebegründung bezeichneten Schriftsatz, dessen Übermittlung nach vier Seiten abgebrochen wurde. Am 20. September 2022 ging per Post beim Verwaltungsgerichtshof die vollständige Beschwerdebegründung mit Anlagen ein.
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Mit Schriftsatz vom 28. September 2022 führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin aus, dass er am 13. September 2022 der Firma M* … * … die Blockade des beA mitgeteilt habe. Bei einer Überprüfung durch den beA Support habe sich ergeben, dass der beA-Zugang wieder funktioniere und die Störung behoben sei. Am 17. September 2022 sei bei der Übermittlung der Beschwerdebegründung trotz mehrmaliger Versuche nach der jeweiligen Anmeldung zum beA kein Sicherheitstoken gefunden worden, sodass er in der Folge die Übermittlung der unterschriebenen Beschwerdebegründung nebst Anlagen per Telefax vorgenommen habe.
5
Der Antragsgegner sowie die Beigeladenen traten der Beschwerde entgegen.
6
Die Beschwerde ist unzulässig und daher nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO zu verwerfen.
7
Der Antrag ist nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO in der nach § 55d VwGO erforderlichen Form begründet worden.
8
Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 55d VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die u.a. durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die aktive Nutzungspflicht der elektronischen Form ist nicht von einem weiteren Umsetzungsakt abhängig und gilt für sämtliche Verfahren. Sie bezieht sich auf alle an das Gericht adressierten Schriftsätze, Anträge und Erklärungen. Eine herkömmliche Einreichung - etwa auf dem Postweg oder per Telefax - ist prozessual unwirksam. Nur dann, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 55d Satz 3 VwGO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 2.5.2022 - 6 ZB 22.30401 - NVwZ 2022, 1392; B.v. 6.5.2022 - 10 ZB 22.827 - juris Rn. 2).
9
Die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung liegen nicht vor. Die Ersatzeinreichung nach § 55d Satz 3 VwGO setzt bei fristgebundenen Schriftsätzen voraus, dass eine fristwahrende Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dabei genügt es nicht, dass zu irgendeinem Zeitpunkt während offener Frist technische Übermittlungsschwierigkeiten bestehen, sondern technischen Schwierigkeiten rechtfertigen nur dann eine Ersatzeinreichung, wenn andernfalls die Gefahr einer Verfristung droht. Dies ist hier nicht der Fall. Die Beschwerdebegründungsfrist endete nach § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB am Montag, den 19. September 2022, 24:00 Uhr. Somit stand dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin für die form- und fristgerechte Übermittlung der Beschwerdebegründung noch ein voller Werktag zur Verfügung, sodass die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung am 17. September 2022 nicht vorlagen. Dass am 19. September 2022 weiterhin technische Schwierigkeiten bei der elektronischen Übermittlung bestanden, hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin selbst nicht vorgetragen. Er hat stattdessen nur nochmals versucht, die Beschwerdebegründung, die auch mit Telefax am 17. September 2022 nur unvollständig einging, erneut per Telefax zu übermitteln.
10
Gründe für eine Wiedereinsetzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil die Beigeladenen einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben.
12
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. 1.1.1, 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).