Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.12.2022 – 8 ZB 21.2677
Titel:

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Widmung öffentlicher Wege  

Normenkette:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
Leitsatz:
Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht gegeben, wenn der Kläger mit der Klage eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann, also kein Bedürfnis für die Anrufung des Gerichts besteht. Danach ist eine Klage auf Widmung eines Grundstücks als öffentlicher Weg unzulässig, wenn es für die Erreichbarkeit des klägerischen Grundstücks ohne Bedeutung ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung (abgelehnt), Feststellung der Widmung öffentlicher Wege, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 26.08.2021 – AN 10 K 20.452
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36222

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt die Feststellung der Widmung von zwei Gehwegen als öffentliche Wege.
2
In den 1970ern Jahren wurden auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung F* … 20 Reihenhäuser und Garagen sowie Zugangswege zu den einzelnen Reihenhäusern errichtet. Aus dem Ursprungsgrundstück entstanden Einzelgrundstücke bis zur FlNr. …56. Mit Beschluss vom 10. Dezember 1981 wurden die jeweils in Gestalt eines Stichwegs von der Z* …gasse (FlNr. …6) zu den Reihenhäusern führenden Wohnwege als Eigentümerwege gewidmet.
3
Ursprünglich waren die Anwesen der Z* …gasse * bis … zugänglich über einen Fußweg, der über das Grundstück …7 zu dem Wegegrundstück …8 verlief. In den 1990ern Jahren wurde dieser Fußweg gesperrt. Von da an erfolgte der Zugang zu den Anwesen über einen Fußweg auf dem Grundstück …55, da der Übergang vom Wegegrundstück …8 zur befestigten Verkehrsfläche (FlNr. …6) blockiert war.
4
Sowohl das Grundstück FlNr. …7 als auch das Grundstück FlNr. …55 stehen im Eigentum der Beigeladenen und werden als Parkplätze genutzt.
5
Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks FlNr. …11 (Z* …gasse *). Mit Schreiben vom 27. Juni 2016 wandte er sich an die Beklagte, da es zu Zweifeln an der Zugänglichkeit zu seinem Grundstück gekommen sei.
6
Zum 30. September 2016 sperrte die Beigeladene den Übergang von ihrem Grundstück FlNr. …55 zum Wegegrundstück FlNr. …8. Im Jahr 2018 wurde auf den Wegegrundstücken …56 und …8 ein gerader, von der befestigten Verkehrsfläche zu den Anwesen der Z* …gasse * bis … führender Eigentümerweg geschaffen.
7
Die auf die Feststellung gerichtete Klage, dass die über die Grundstücke der Beigeladenen verlaufenden gepflasterten Fußwege öffentliche Wege sind, hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 26. August 2021 abgewiesen. Die Feststellungsklage sei bereits unzulässig, da dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die streitgegenständlichen Grundstücke der Beigeladenen seien für die Erreichbarkeit des klägerischen Grundstücks ohne Bedeutung. Der Kläger habe eine Zugänglichkeit zu seinem Grundstück über einen mittlerweile gerade geführten Weg auf den FlNrn. …56 und …8 sowie von der Gartenseite über das Grundstück FlNr. …15.
8
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
9
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
10
Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor und sind nicht in hinreichender Weise dargelegt worden (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
11
1. Die Zulassungsbegründung genügt in weiten Teilen bereits nicht den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
12
Ernstliche Richtigkeitszweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 - 2 BvR 1232/20 - NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23; B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - BVerfGE 151, 173 = juris Rn. 32). Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum das angegriffene Urteil aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit dessen entscheidungstragenden Annahmen auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 - 8 ZB 21.23 - juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 15.4.2020 - 1 A 2501/18 - juris Rn. 8; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206).
13
Mit seinem Zulassungsvorbringen macht der Kläger pauschal geltend, dass die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen sei. Er wiederholt im Wesentlichen seine eigene Auffassung, ohne sich mit der Begründung des Ausgangsgerichts auseinanderzusetzen. Damit wird der Streitstoff weder durchdrungen noch aufbereitet. Der Zulassungsantrag wird den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen, die von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand erfüllt werden können (vgl. BVerfG, B.v. 16.4.2020 - 1 BvR 2705/16 - NVwZ-RR 2020, 905 = juris Rn. 18), weitestgehend nicht gerecht.
14
2. Aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
15
Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers bereits unzulässig, wird durch den Zulassungsantrag nicht ernstlich infrage gestellt.
16
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Kläger mit der Klage eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann, also kein Bedürfnis für die Anrufung des Gerichts besteht (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Vor § 40 Rn. 11).
17
Das Erstgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass das klägerische Grundstück zu Fuß von zwei Seiten zugänglich ist und die streitgegenständlichen Grundstücke der Beigeladenen für die Erreichbarkeit des klägerischen Grundstücks ohne jede Bedeutung sind. Der Kläger kann daher mit seiner Klage seine Rechtsstellung nicht verbessern. Besondere Umstände, weshalb er auf die Nutzung der früheren Fußwege weiterhin dringend angewiesen sein könnte, hat er nicht aufgezeigt (vgl. auch BayVGH, B.v. 15.6.2020 - 8 ZB 19.1426 - juris Rn. 10 zu Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG).
18
Der Kläger hat sich mit diesen entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts in keiner Weise auseinandergesetzt. Entgegen dem klägerischen Eindruck hat das Ausgangsgericht seine Entscheidung gerade nicht auf die fehlende Begründetheit der Feststellungsklage gestützt. Das diesbezügliche Zulassungsvorbringen kann daher bereits mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags führen.
19
3. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
20
Nachdem aus den oben dargestellten Gründen feststeht, dass der Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis hat und seine Feststellungsklage bereits unzulässig ist, kommt es auf die tatsächlichen Gegebenheiten nicht an. Im Übrigen enthält der Zulassungsvortrag des Klägers keine Ausführungen zur rechtlichen Schwierigkeit der Rechtssache, insbesondere nicht im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzbedürfnis.
21
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO (zur Nichterstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2017 - 8 ZB 15.2664 - ZfB 2018, 33 = juris Rn. 24).
22
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
23
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).