Inhalt

VGH München, Beschluss v. 12.12.2022 – 8 ZB 22.1707
Titel:

Anfechtung der Planfeststellung für Kreisstraße

Normenketten:
BayVwVfG Art. 74 Abs. 2 S. 2, Art. 75 Abs. 1a
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
Leitsätze:
1. Im Allgemeinen ist ein Gutachten objektiv ungeeignet, dem Tatsachengericht die für die richterliche Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO) notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln, wenn es auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gibt, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substanziierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird, was nicht schon dann der Fall ist, wenn ein Verfahrensbeteiligter das Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses ist zwar die Sach- und Rechtslage bei seinem Erlass; bei dem Ergebnis einer Nachschätzung handelt es sich aber nicht um eine nachträgliche Veränderung der Sachlage, sondern um spätere Erkenntnisse zur ursprünglichen Sachlage. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die in die Abwägung einzustellenden Belange eines von einem Planfeststellungsverfahren Betroffenen verlieren an Gewicht, wenn die Planfeststellungsbehörde ihm durch ein verbindliches Ersatzlandangebot die Möglichkeit eröffnet, die von ihm behauptete Existenzgefährdung abzuwenden; in die planerische Abwägung braucht dann die individuelle Betroffenheit nur noch mit dem (geminderten) Gewicht aufgenommen zu werden, das ihr bei – unterstellter – Annahme des Ersatzlandangebots verbleibt. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung (abgelehnt), straßenrechtliche Planfeststellung, Kreisstraße, Existenzgefährdung eines landwirtschaftlichen Betriebs, geeignetes Ersatzland, Planfeststellungsverfahren, Gutachten, Existenzgefährdung, landwirtschaftlicher Betrieb, Ertragsfähigkeit, Ersatzland, Abwägung, Nachschätzung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 02.06.2022 – RO 2 K 21.1069
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36210

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Planfeststellung der Kreisstraße R … „P* … - K* … (Bundesstraße **)“, Neubau der Kreisstraße R … (Südspange).
2
1. Mit Planfeststellungsbeschluss vom 12. Dezember 2012 stellte die Regierung der Oberpfalz den Plan für das Vorhaben fest. Die Straßenbaumaßnahme umfasst den Neubau und die Verlegung der Kreisstraße R … als „Südspange“ zwischen P* … und der Bundesstraße … nördlich von K* … in einer Gesamtlänge von 8,26 km.
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2. Für das Vorhaben wird eine Teilfläche des klägerischen Grundstücks FlNr. … Gemarkung G* … (südlicher Bereich) im Umfang von 12.530 m2 in Anspruch genommen. Im Nordosten des Grundstücks liegt die Hofstelle des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers; die weitere Grundstücksfläche wird landwirtschaftlich genutzt.
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Der vorhabenbedingte Flächenverlust beträgt nach Berechnungen der Planfeststellungsbehörde bezogen auf das Jahr 2012 etwa 6,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche des klägerischen Betriebs. Die Planungsbehörde geht von einem Nebenerwerbsbetrieb aus; aus Sicht des Klägers handelt es sich um einen Vollerwerbsbetrieb.
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3. Mit Urteil vom 8. Oktober 2020 stellte das Verwaltungsgericht Regensburg auf die Klage des Klägers fest, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, weil er hinsichtlich einer Existenzgefährdung des klägerischen Betriebs an einem behebbaren Abwägungsmangel (Ermittlungsdefizit) leide. Im Übrigen wurde die Klage - hinsichtlich des Aufhebungsanspruchs (Hauptantrag) - abgewiesen.
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Den gegen das Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 23. Juni 2021 abgelehnt (Az. 8 ZB 20.3046).
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4. Mit Schreiben vom 24. März 2021 beantragte der Beigeladene bei der Regierung der Oberpfalz die Fortführung des Planfeststellungsverfahrens. Dem Schreiben war ein Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Landwirtschaftliche Bewertung und Schätzung Dipl. Ing. (FH) H. vom 9. März 2021 beigefügt. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die dem Kläger angebotene Teilfläche aus dem Flurstück FlNr. …2 mit einer Größe von 18.000 m2 uneingeschränkt als Ersatzfläche für den klägerischen Betrieb geeignet sei und dadurch eine mögliche Existenzgefährdung für den landwirtschaftlichen Betrieb abgewendet werde.
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5. Mit Ergänzungsbeschluss vom 3. Mai 2021 ergänzte die Regierung der Oberpfalz den Planfeststellungsbeschluss vom 12. Dezember 2012 um folgende Auflage: „Das gegenüber dem landwirtschaftlichen Betrieb des Einwendungsführers … mit Schreiben vom 23.3.2021 ausgesprochene Angebot, eine Teilfläche von 18.000 m2 aus dem Grundstück FlNr. …2 der Gemarkung G* … als Ersatzland zur Verfügung zu stellen, ist für den Vorhabenträger verbindlich.“ Der Planfeststellungsbeschluss vom 12. Dezember 2012 wurde insoweit geändert und ergänzt, als er mit der angefügten Begründung nicht übereinstimmt. Im Übrigen wurden die im ergänzenden Verfahren erhobenen Einwendungen zurückgewiesen. In der Begründung wird konstatiert, der vorhabenbedingte Flächenverlust werde durch das Ersatzlandangebot des Vorhabenträgers vollständig ausgeglichen und damit weit unter die Schwelle von 5% gesenkt, bis zu der eine Existenzgefährdung regelmäßig ausgeschlossen werden könne.
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6. Die Klage des Klägers, den Planfeststellungsbeschluss vom 12. Dezember 2012 in Gestalt des Ergänzungsbeschlusses vom 3. Mai 2021 aufzuheben, hilfsweise für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 2. Juni 2022 abgewiesen. Einem Aufhebungsanspruch (Hauptantrag) stehe die Präjudizwirkung des rechtskräftigen Urteils vom 8. Oktober 2020 entgegen. Der Planfeststellungsbeschluss leide in seiner ergänzten Fassung auch an keinen Mängeln, die zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit oder Nichtvollziehbarkeit führten (Hilfsantrag). Eine Existenzgefährdung des klägerischen Betriebs könne durch das für verbindlich erklärte Ersatzlandangebot ausgeschlossen werden. Das Gutachten vom 9. März 2021 sei tragfähig. Der vorhabenbedingte Flächenverlust des klägerischen Betriebs verringere sich danach auf unter 5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche; dass der klägerische Betrieb Besonderheiten aufweise, die ein Abstellen auf den Anhaltswert von 5% nicht zuließen, sei weder aufgezeigt noch sonst erkennbar. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens sei nicht veranlasst.
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7. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger (nur) seinen hilfsweisen gestellten Klageantrag weiter, die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses festzustellen. Das Verwaltungsgericht stütze seine Einschätzung rechtsfehlerhaft auf die grundsätzliche Geeignetheit des angebotenen Ersatzgrundstücks und nicht auf die individuellen Umstände. Die Ersatzfläche FlNr. …2 sei aufgrund von Bewirtschaftungserschwernissen nicht geeignet, eine Existenzgefährdung seines Betriebs auszuschließen. Es sei vernässt, leide an einem Düngemangel und sei mit seinen Maschinen nicht sinnvoll zu bewirtschaften. Das vom Beigeladene vorgelegte Gutachten vom 9. März 2021, das ohne seine Beteiligung erstellt worden sei, beruhe auf unzureichenden und veralteten Daten und sei deshalb ungeeignet; auf seinen förmlichen Beweisantrag hätte ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Der Beigeladene enthalte ihm gezielt ein anderes Grundstück vor, das er als geeigneten Ersatz akzeptiere.
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8. Der Beklagte und der Beigeladene treten dem Antrag entgegen.
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9. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
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A. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
14
I. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
15
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 - 2 BvR 1232/20 - NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 15). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 - NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
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Die Annahme des Erstgerichts, eine Existenzgefährdung des klägerischen Betriebs sei mit der Planergänzung abwägungsfehlerfrei ausgeschlossen worden (zum gerichtlichen Prüfungsumfang vgl. BayVGH, U.v. 21.6.2022 - 8 A 20.40019 - juris Rn. 28 m.w.N.), weil sich die vom Beigeladenen angebotene Teilfläche des Grundstücks FlNr. …2 als Ersatzland eigne (vgl. UA S. 28 ff.), begegnet keinen ernstlichen Zweifeln. Der Zulassungsantrag zeigt nicht schlüssig auf, dass die Existenz des klägerischen Betriebs auch bei Annahme des Ersatzlandangebots gefährdet sein könnte.
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1. Der Vorhalt des Klägers, das vom Vorhabenträger eingeholte Sachverständigengutachten vom 9. März 2021, auf das sich das Erstgericht und die Planfeststellungsbehörde (PEB S. 6) gestützt haben, sei objektiv ungeeignet, greift nicht durch.
18
Im Allgemeinen ist ein Gutachten objektiv ungeeignet, dem Tatsachengericht die für die richterliche Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln, wenn es auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gibt, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substanziierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn ein Verfahrensbeteiligter das Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (stRspr, vgl. nur BVerwG, B.v. 28.7.2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 = juris Rn. 26; B.v. 26.6.2020 - 7 BN 3.19 - NJW 2020, 3672 = juris Rn. 6).
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Einen solchen Mangel zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
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a) Das Gutachten ist nicht deshalb objektiv ungeeignet, weil der Gutachter den Kläger nicht beteiligt hätte; auch einer Inaugenscheinnahme des klägerischen Grundstücks FlNr. … und einer Anforderung von Betriebsdaten bedurfte es nicht.
21
Der Gutachter hat am 2. März 2021 eine Ortseinsicht durchgeführt (vgl. Gutachten vom 9.3.2021 S. 6). Der Kläger wurde darüber vorab informiert mit dem Angebot, daran teilzunehmen (vgl. Schreiben des Beigeladenen vom 26.1.2021 mit fünf Terminvorschlägen, Behördenakte [BA] S. 42 f.). Hiervon hat der Kläger abgesehen, weil er den rechtskräftigen Abschluss seines klageweise verfolgten Aufhebungsbegehrens (Az. RO 2 K 19.1416; 8 ZB 20.3046) sowie die Anforderung von Betriebsdaten durch den Gutachter abwarten wollte (vgl. Schriftsatz vom 1.2.2021, BA S. 44 ff.). Soweit er Letzteres für zwingend erforderlich hält, verkennt er den Umfang des Gutachtensauftrags, der keine Begutachtung der längerfristigen Existenzfähigkeit des Betriebs nach objektiven betriebswirtschaftlichen Maßstäben vorsah (vgl. dazu BVerwG, U.v. 14.4.2010 - 9 A 13.08 - BVerwGE 136, 332 = juris Rn. 28), sondern im Wesentlichen die Klärung der Frage, ob durch das Ersatzland der Verlust der landwirtschaftlichen Fläche unter den von der Rechtsprechung angewandten Anhaltswert von 5% verringert werden kann (vgl. Gutachten vom 9.3.2021 S. 1). Letzteres hat das Verwaltungsgericht bejaht und weitere Ermittlungen zum klägerischen Betrieb als unnötig erachtet (vgl. UA S. 31). Diese Annahme steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 19.10.1993 - 8 A 93.40001 u.a. - juris Rn. 82 ff.; vgl. auch BayVGH, U.v. 15.4.2016 - 8 A 15.40003 - juris Rn. 29; Stüer in Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Aufl. 2015 Rn. 5350). Besonderheiten, die ein Abstellen auf den Anhaltswert von 5% im vorliegenden Fall verbieten könnten, hat das Verwaltungsgericht nicht erkannt (vgl. UA S. 31); auch der Zulassungsantrag zeigt dies nicht auf.
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Soweit der Kläger beanstandet, der Gutachter habe das in Anspruch genommene Grundstück FlNr. … nicht in Augenschein genommen, widerspricht dies dessen Bericht über die Ortsbesichtigung am 2. März 2021; im Übrigen zeigt der Zulassungsantrag nicht auf, welche konkreten Umstände deshalb unbeachtet geblieben wären.
23
b) Ein Mangel des Gutachtens folgt nicht daraus, dass die für den Bonitätsvergleich verwendeten Kriterien (Zustandsstufe, Acker- und Bodenzahl) der beanspruchten Fläche (aus FlNr. …*) und der Ersatzfläche (aus FlNr. …2) veraltet wären.
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aa) Der Umstand, dass die Werte für die Bonitätsbeurteilung der Böden aus den 1960er-Jahren stammen, bedeutet nicht, dass sie überholt sein müssten. Das Verwaltungsgericht hat sich zu dieser Frage auf die Aussage des Gutachters Dipl. Ing. (FH) H. in der mündlichen Verhandlung gestützt, der an der Geeignetheit der Werte für die Gutachtenserstellung keine Zweifel hatte (vgl. Sitzungsprotokoll des VG S. 5). Die gegenteilige Behauptung des Klägers, der Gutachter habe dort selbst eingeräumt, dass sein Gutachten mangelhaft erstellt sei, widerspricht dem Protokoll. Auch wenn sich dessen Beweiskraft nach § 105 VwGO i.V.m. § 165 Satz 1 ZPO nicht auf den Inhalt der Erörterung erstreckt (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.2020 - 9 BN 9.18 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 64 = juris Rn. 41), hat der anwaltlich vertretene Kläger nicht dargelegt, dass er erfolglos beantragt hätte, eine solche Aussage des Gutachters in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4 ZPO; vgl. auch BVerwG, B.v. 26.4.2022 - 4 BN 28.21 - juris Rn. 10). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Bodenzahl (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 BodSchätzG) sei in erster Linie von Art und Aufbau des Bodens abhängig, also von Gegebenheiten, die sich über 50 Jahre nicht ändern (vgl. UA S. 32). Hierzu hat der Beklagte im Berufungszulassungsverfahren ergänzend ein Merkblatt über den Aufbau der Bodenschätzung des Bayerischen Landesamts für Steuern (Stand 2/2009; vgl. dort S. 3 ff.) vorgelegt und resümiert, die Zustandsstufe, Boden- und Ackerzahl ergäben sich aus physikalischen Bodeneigenschaften, die im Rahmen einer üblichen landwirtschaftlichen Nutzung nicht beeinflussbar seien. Der Zulassungsantrag tritt dem nicht schlüssig entgegen.
25
bb) Abgesehen davon hat die vom Vorhabenträger am 17. Oktober 2022 veranlasste Nachschätzung des Grundstücks FlNr. …2 (vgl. § 11 BodSchätzG) ergeben, dass die bisherige Bodenschätzung weiterhin Bestand hat (vgl. Schreiben des Finanzamts Cham vom 19.10.2022, vorgelegt von der Landesanwaltschaft Bayern als Anlage 4 und vom Beigeladenen als Anlage 2). Diese Erkenntnis, die erst nach Ergehen des Ersturteils vorliegt, ist im Berufungszulassungsverfahren zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung über den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind die von der Beklagtenseite vorgetragenen und nach materiellem Recht entscheidungserheblichen Tatsachen, die erst nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung eingetreten sind, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2002 - 7 AV 3.02 - NVwZ 2003, 490 = juris Rn. 10 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 22). Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ist zwar die Sach- und Rechtslage bei seinem Erlass (stRspr, vgl. nur BVerwG U.v. 23.6.2020 - 9 A 22.19 BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 27). Bei dem Ergebnis der Nachschätzung handelt es sich aber nicht um eine nachträgliche Veränderung der Sachlage, sondern um spätere Erkenntnisse zur ursprünglichen Sachlage (vgl. OVG NW, B.v. 23.6.2010 - 8 A 340/09 - ZNER 2010, 514 = juris Rn. 22; OVG RhPf, U.v. 6.10.2020 - 1 A 11357/19 - NuR 2021, 550 = juris Rn. 81; HessVGH, B.v. 10.3.2022 - 9 B 1348/20 - juris Rn. 43).
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cc) Auch die unterbliebene Begutachtung des klägerischen Grundstücks FlNr. … führt zu keinem Mangel des Gutachtens vom 9. März 2021 oder des sich darauf stützenden Ersturteils. Der Kläger zeigt nicht auf, in welcher Hinsicht sein (Hof-)Grundstück einer eingehenderen Untersuchung hätte unterzogen werden müssen. Auch insoweit ist nicht erkennbar, weshalb die zum Vergleich mit der angebotenen Ersatzfläche herangezogenen Bonitätswerte nicht mehr hätten verwendet werden dürfen.
27
c) Soweit der Kläger rügt, der Gutachter habe es versäumt, den Boden und Düngerzustand der ihm vom Vorhabenträger angebotenen Ersatzfläche auf FlNr. …2 zu untersuchen, zieht er die objektive Eignung des Gutachtens ebenfalls nicht in Zweifel.
28
aa) Die Behauptung des Klägers, die Ackerfläche auf FlNr. …2 sei über eineinhalb Generationen zu wenig gedüngt worden, wodurch sich die Ertragsfähigkeit verringere, ist durch nichts belegt. Aber selbst wenn man dies annähme, ist nicht aufgezeigt oder sonst erkennbar, dass die Ertragsfähigkeit des Bodens dauerhaft derart herabgesetzt wäre, dass die Existenz des Betriebs des Klägers auch dann gefährdet wäre, wenn er das Angebot des Vorhabenträgers annähme; dies gilt umso mehr, als die angebotene Teilfläche aus dem Grundstück FlNr. …2 ca. 5.000 m2 größer ist als der beanspruchte Teil des Grundstücks FlNr. … Ausgehend davon musste die Frage einer verringerten Ertragsfähigkeit infolge unzureichender Düngung im Rahmen der Planfeststellung nicht abschließend geklärt werden; wurde die klägerische Betroffenheit in der Abwägung - wie hier - zutreffend gewichtet, betrifft dies die Frage der Gleichwertigkeit des Ersatzlands, die dem nachfolgenden Entschädigungsverfahren vorbehalten bleiben kann (vgl. BVerwG, B.v. 2.9.2010 - 9 B 11.10 - NuR 2010, 799 = juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 30.9.2009 - 8 A 05.40050 u.a. - NuR 2010, 355 = juris Rn. 139).
29
bb) Abgesehen davon hat die vom Beigeladenen vorsorglich beauftragte ergänzende Bodenuntersuchung durch den Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) H. am 10. Oktober 2022 ergeben, dass bei pH-Wert und Nährstoffgehalten optimale Versorgungsstufen vorlägen (vgl. Stellungnahme vom 26.10.2022, vorgelegt vom Beigeladenen als Anlage 3 mit Prüfbericht, zudem vorgelegt als Anlage 7 zum Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 27.10.2022). Die Untersuchung war - wie die Nachschätzung (vgl. oben Rn. 25) - im Berufungszulassungsverfahren zu berücksichtigen.
30
d) Auch der Umstand, dass der Gutachter keine Vernässung des als Ersatzfläche angebotenen Grundstücks FlNr. …2 festgestellt hat (vgl. Sitzungsprotokoll des VG S. 4), führt zu keinem rechtserheblichen Mangel des Gutachtens vom 9. März 2021. Das Verwaltungsgericht hat die Behauptung des Klägers, die angebotene Ersatzfläche sei vernässt, als „in keiner Weise konkret belegt“ zurückgewiesen; neben dem Gutachter habe auch die Mitarbeiterin des Sachgebiets „Agrarstruktur und Umweltbelange in der Landwirtschaft“ der Regierung der Oberpfalz keine Anhaltspunkte dafür festgestellt (vgl. UA S. 34). Dem tritt der Zulassungsantrag nicht inhaltlich entgegen, sondern bekräftigt seine gegenteilige Auffassung, ohne diese substanziell zu begründen.
31
2. Das Zulassungsvorbringen, die Ersatzfläche auf FlNr. …2 lasse sich nicht mit den erforderlichen Maschinen bewirtschaften, setzt sich nicht mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander, auf die es seine gegenteilige Annahme gestützt hat (vgl. UA S. 35). Das Ersturteil stellt darauf ab, das angebotene Grundstück sei ausreichend groß (18.000 m2), günstig geformt (fast rechteckig, vgl. auch Gutachten Dipl. Ing. H. vom 9.3.2021 S. 13, 17); zudem könne ein geplanter Wendehammer zum Aufbau der Maschinen genutzt werden (vgl. auch Gutachten vom 9.3.2021 S. 17).
32
3. Der Vorhalt, das Verwaltungsgericht habe wegen der Mangelhaftigkeit des vom Vorhabenträger eingeholten Gutachtens vom 9. März 2021 ein weiteres Sachverständigengutachten zur Tatsache der Geeignetheit des angebotenen Ersatzlands (FlNr. …2) einholen müssen, ist sinngemäß als Geltendmachung eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu würdigen (vgl. unten Rn. 36 ff.).
33
4. Entgegen dem Zulassungsvorbringen hat das Erstgericht auch nicht angenommen, die Ablehnung des Ersatzlandangebots durch den Kläger sei treuwidrig gewesen.
34
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger unter keinem rechtlichen Aspekt gezwungen ist, das ihm unterbreitete Ersatzlandangebot anzunehmen (vgl. UA S. 29 f.). Jedoch verlieren seine in die Abwägung einzustellenden Belange an Gewicht, wenn die Planfeststellungsbehörde ihm durch ein verbindliches Ersatzlandangebot die Möglichkeit eröffnet, die von ihm behauptete Existenzgefährdung abzuwenden. In die planerische Abwägung braucht dann die individuelle Betroffenheit des Klägers nur noch mit dem (geminderten) Gewicht aufgenommen zu werden, das ihr bei - unterstellter - Annahme des Ersatzlandangebots verbleibt (vgl. BVerwG, U.v. 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = juris Rn. 43; BayVGH, U.v. 19.10.1993 - 8 A 93.40001 u.a. - juris Rn. 83; U.v. 29.9.1998 - 8 A 97.40042 - juris Rn. 14).
35
5. Nicht ernstlich zweifelhaft ist auch die Annahme des Ersturteils, wonach der Kläger keinen Anspruch auf ein bestimmtes Ersatzgrundstück besitzt (vgl. UA S. 30); worauf sich ein solcher Anspruch stützen ließe, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
36
II. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), zuzulassen.
37
Die Ablehnung des vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten förmlichen Beweisantrags (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO) verletzt den Kläger weder in dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV) noch die gerichtliche Aufklärungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gegen diese Gewährleistungen verstößt die Ablehnung eines förmlichen - d.h. unbedingt gestellten - Beweisantrags, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfG, B.v. 1.8.2017 - 2 BvR 3068/14 - NJW 2017, 3218 = juris Rn. 48; BVerwG, U.v. 26.10.2021 - 8 C 34.20 - BVerwGE 174, 58 = juris Rn. 13). Ein solcher Verfahrensfehler lässt sich dem Zulassungsantrag nicht entnehmen.
38
Liegt - wie hier - bereits ein Gutachten zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vor, steht es im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es ein zusätzliches Sachverständigengutachten einholt (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Nichts Anderes gilt für das vom Vorhabenträger - in Abstimmung mit der Planfeststellungsbehörde (vgl. BA S. 35 ff.) - eingeholte Privatgutachten vom 9. März 2021, das einem behördlich veranlassten Gutachten gleichzustellen ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 = juris Rn. 25; B.v. 26.6.2020 - 7 BN 3.19 - NJW 2020, 3672 = juris Rn. 5). Ein Verfahrensmangel liegt in dieser Situation nur dann vor, wenn sich dem Tatsachengericht die Einholung eines weiteren Gutachtens hätte aufdrängen müssen, weil das vorliegende Gutachten objektiv ungeeignet ist, ihm die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln (vgl. oben Rn. 18). Dass das Gutachten vom 9. März 2021 einen solchen Mangel aufweist, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht.
39
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO (zur Nichterstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2017 - 8 ZB 15.2664 - ZfB 2018, 33 = juris Rn. 24).
40
C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Erstgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden. Der Hilfsantrag, über den eine Entscheidung ergangen ist, wirkt nicht streitwerterhöhend, weil er denselben Gegenstand betrifft (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG, Nr. 1.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
41
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).