Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 28.06.2022 – 5 U 48/22
Titel:

Unzulässige Abschalteinrichtung – Kein Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts eines Fahrzeugerwerbers durch EG-FGV und Fahrzeugemissionen-VO (Schutzgesetzcharakter)

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2
EG-FGV § 6, § 27 Abs. 1
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5
AEUV Art. 267
ZPO § 148
Leitsatz:
Weder die Vorabentscheidungsersuchen einzelner Landgerichte noch die Schlussanträge des Generalanwalts geben Anlass, an der im Sinne eines acte clair verneinten Frage zu zweifeln, ob die Bestimmungen zur EG-Übereinstimmungsbescheinigung auch den Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezwecken und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung ein gegen den Hersteller gerichteter Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags geknüpft ist. (Rn. 2 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abgasskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, Schutzgesetzcharakter, Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts, Erteilung einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung, Vorabentscheidungsersuchen, Aussetzung des Verfahrens, Ruhen des Verfahrens, VO 715/2007/EG
Vorinstanzen:
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 20.05.2022 – 5 U 48/22
LG Aschaffenburg, Endurteil vom 26.01.2022 – 63 O 41/21
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 19.07.2022 – 5 U 48/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36095

Tenor

1. Der Antrag des Klägers auf Aussetzung und auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens wird abgelehnt.
2. Auf den Antrag des Klägers hin wird die Frist zur Stellungnahme zum Hinweis des Senats vom 20.05.2022 unter Zurückweisung des weitergehenden Gesuchs verlängert bis 11.07.2022.

Gründe

I.
1
Die Voraussetzungen des § 148 ZPO in direkter oder analoger Anwendung liegen nicht vor.
2
Wie in dem Hinweis des Senats vom 20.05.2022 ausgeführt, hat der Bundesgerichtshof den Schutzgesetzcharakter der europäischen Vorschriften im Sinne eines acte clair bereits verneint.
3
Dem schließt sich der Senat an.
4
Insbesondere geben weder Vorabentscheidungsersuchen einzelner Landgerichte noch die Schlussanträge des Generalanwalts A. Anlass, hieran zu zweifeln.
5
Mit den tragenden Erwägungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung setzen sich die Landgerichte, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet haben, nicht auseinander.
6
Die Schlussanträge des Generalanwalts A. vom 02.06.2022 besagen für die hier allein interessierende Frage, ob auch der Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts und damit der Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrages erfasst sein soll, nichts. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen.
7
Anlass, Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen, besteht nicht.
8
Die Voraussetzungen der Anordnung des Ruhens des Verfahrens sind nicht gegeben.
II.
9
Auf den Antrag des Klägers hin war die Frist zur Stellungnahme zum Hinweis des Senats vom 20.05.2022 unter Zurückweisung des weitergehenden Gesuchs zu verlängern bis 11.07.2022. Der Senat erachtet eine bis 11.07.2022 verlängerte Frist als ausreichend, um in der Sache Stellung nehmen zu können.