Inhalt

OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 21.11.2022 – 8 U 1621/22
Titel:

Prämienerhöhung in der privaten Krankenversicherung

Normenketten:
VVG § 203 Abs. 2, Abs. 5
VAG § 155
BGB § 241 Abs. 2
KVAV § 10 Abs. 3
DS-GVO Art. 15
Leitsätze:
1. § 242 BGB gewährt keinen Auskunftsanspruch zur Höhe der einer Prämienanpassung zugrundliegenden "auslösenden Faktoren". (Rn. 40 und 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. "Auslösende Faktoren" sind keine dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO unterliegende personenbezogenen Daten. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein tarifinterner "Altersgruppensprung" (hier: Wechsel von Kinder- auf Jugendlichen-Beiträge nach Vollendung des 15. Lebensjahres) stellt keine gesondert zu begründende Beitragsanpassung iSv § 203 VVG dar. Insoweit liegt nicht eine "nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage" (vgl. § 203 Abs. 2 S. 1 VVG) vor, denn die Änderung des Tarifbeitrags ist lediglich mit dem Lebensalter verknüpft, ohne dass sich die maßgeblichen "Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten" (vgl. § 203 Abs. 2 S. 2 VVG) im Vergleich zur ursprünglichen Kalkulation des Versicherers geändert haben müssen. Gegen die Wirksamkeit einer solchen Vertragsregelung bestehen keine Bedenken. Sie entspricht den Besonderheiten in der privaten Krankenversicherung und den hierfür vorgesehenen gesetzlichen Regelungen in § 10 Abs. 3 KVAV. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist ein Beitragsentlastungstarif in der privaten Krankenversicherung akzessorisch zu einer Hauptversicherung, bei welcher das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist, so richtet sich eine Beitragsanpassung im Beitragsentlastungstarif nach § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG (Anschluss an OLG Celle BeckRS 2022, 1230; OLG Karlsruhe BeckRS 2022, 13667). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Klausel in den Tarifbedingungen eines Krankenversicherers "Beitragsanpassung bei unveränderter Höhe der Beitragsreduzierung – Der Versicherer vergleicht zumindest jährlich die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Aufwendungen für die Beitragsreduzierungen im Alter. Ergibt diese Gegenüberstellung eine Abweichung von mehr als 5 vom Hundert, so werden die Unterschiedsbeiträge für die Beitragsreduzierung überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst." ist wirksam. (Rn. 34 und 35) (redaktioneller Leitsatz)
6. Bei der "jeweiligen Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation" handelt es sich nicht um personenbezogene Daten iSv Art. 15 DS-GVO (Anschluss an OLG Dresden BeckRS 2022, 27975). (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
private Krankenversicherung, Beitragsanpassung, Prämienerhöhung, Altersgruppensprung, Beitragsentlastungstarif
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 13.05.2022 – 8 O 3012/21
Fundstellen:
BeckRS 2022, 36090
LSK 2022, 36090
r+s 2023, 70

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.05.2022, Az. 8 O 3012/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Entscheidungsgründe

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer Beitragsanpassungen im Rahmen einer privaten Krankenversicherung, die der Kläger für sich und weitere Familienangehörige bei der Beklagten unterhält.
2
In erster Instanz waren zuletzt die jeweils 2012, 2013, 2014, 2015, 2018 und 2019 in verschiedenen Tarifen erfolgten Beitragsanpassungen Gegenstand des Rechtsstreits, aus deren behaupteter Unwirksamkeit der Kläger die Erstattung von 17.546,88 € verlangt hat.
3
Das Landgericht hat diese Klage ohne Beweisaufnahme vollständig abgewiesen. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass - neben Durchgreifens der Verjährungseinrede für sämtliche bis 31.12.2017 geleisteten Zahlungen des Klägers - die angegriffenen Beitragsanpassungen formell und materiell wirksam gewesen seien.
4
Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge nur noch zum Teil - soweit nicht verjährt - weiterverfolgt und nunmehr noch die Erstattung von 10.839,60 € verlangt und darüber hinaus mehrere Feststellungsbegehren (betr. Unwirksamkeit von Prämienanpassung und Verpflichtung zur Nutzungsherausgabe sowie Teilerledigung) zur Entscheidung stellt.
II.
5
Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die in erster Instanz festgestellten Tatsachen gebunden. Durchgreifende und entscheidungserhebliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen ergeben sich nicht. Die maßgeblichen Tatsachen rechtfertigen keine von der des Landgerichts abweichende Entscheidung und dessen Entscheidung beruht auch nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
6
Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht die Feststellungs- und Leistungsklage insgesamt abgewiesen. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen kann die Berufung nicht durchdringen.
7
Es wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Urteils, die den Senat überzeugen.
8
Ergänzend ist zur kurzen Begründung der Bestätigung der angefochtenen Entscheidung (vgl. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) im Hinblick auf die Berufungsbegründung vom 15.08.2022 noch auszuführen:
9
1. Die inhaltlichen Anforderungen an die gemäß § 203 Abs. 5 VVG erforderliche Begründung der Beitragserhöhung sind inzwischen weitgehend höchstrichterlich geklärt (vgl. insbesondere BGH, Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, NJW 2021, 378 und vom 21.07.2021 - IV ZR 191/20, NJW-RR 2021, 1260). Danach ist die Angabe der Rechnungsgrundlage erforderlich, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Anzugeben ist auch, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschritten hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe und Richtung sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben. Insgesamt dient das Begründungserfordernis nicht der Plausibilitätskontrolle durch den 8 U 1621/22 - Seite 3 - Versicherungsnehmer. Im Übrigen genügt es, wenn sich die erforderliche Begründung aus einer Zusammenschau aller dem Versicherungsnehmer übersandten Unterlagen ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.2022 - IV ZR 337/20, NJW-RR 2022, 606 Rn. 31; OLG Dresden, BeckRS 2022, 4631).
10
Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.
11
Der Senat ist - insbesondere auch im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 09.02.2022 (IV ZR 337/20, Rn. 27-31 juris) - in Übereinstimmung mit dem Erstgericht der Auffassung, dass im Streitfall den gesetzlichen Erfordernissen - in ihrer differenzierenden Auslegung durch aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung - Genüge getan ist (vgl. OLG Hamm 23.06.2022, 20 U 128/22, BeckRS 2022, 15948) und die im vorliegenden Berufungsverfahren noch zur Überprüfung gestellten Beitragsanpassungen - soweit entscheidungserheblich - rechtswirksam sind.
12
2. a) Tarif CV3H500 betreffend mitversicherten Sohn (2018)
13
Die vom Berufungsantrag zu 1) erfasste Beitragsänderung im Tarif CV3H500 zum 01.12.2018 betraf den am 08.11.2003 geborenen und mitversicherten Sohn N des Versicherungsnehmers (vgl. Scan des Nachtrags zum Versicherungsschein, Anlagenkonvolut KGR 1 Blatt 3Rs). Dieser hat im November 2018 das 15. Lebensjahr vollendet. Bereits im Anschreiben vom 12.09.2018 (Anl. BLD 05-17) ist erwähnt, dass sich der Monatsbeitrag ändert, „weil das in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgesetzte Alter für Kinder bzw. Jugendliche überschritten wird.“
14
Dieser tarifinterne „Altersgruppensprung“, hier der Wechsel von Kinderauf Jugendlichen-Beiträge nach Vollendung des 15. Lebensjahres (vgl. zur sog. „Grenzalterbewegung“: Klageerwiderung, S. 32-35, Bl. 92 ff. d.A.), stellt keine gesondert zu begründende Beitragsanpassung im Sinne von § 203 VVG dar, sondern war bereits Vertragsinhalt von Anbeginn. Insoweit liegt eine „nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage“ (vgl. § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG) gerade nicht vor, denn die Änderung des Tarifbeitrags ist lediglich mit dem Lebensalter verknüpft, ohne dass sich die maßgeblichen „Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten“ (vgl. § 203 Abs. 2 Satz 2 VVG) im Vergleich zur ursprünglichen Kalkulation des Versicherers geändert haben müssen. Gegen die Wirksamkeit einer solchen Vertragsregelung bestehen keine Bedenken. Sie entspricht den Besonderheiten in der privaten Krankenversicherung und den hierfür vorgesehenen gesetzlichen Regelungen in § 10 Abs. 3 KVAV (vgl. Boetius in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 2. Auflage 2017, § 203 VVG Rn. 128-133; ders. in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch Private Krankenversicherung, 2020, § 29 Rn. 38-42).
15
Substantiierte Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit der hier zwischen den Parteien diesbezüglich konkret vereinbarten Vertragsbedingungen bringt der Kläger nicht vor, solche sind für den Senat auch nicht sonst ersichtlich.
16
Im Ergebnis kann der Kläger deshalb aus diesem Prämienanpassungsvorgang keinerlei Bereicherungsansprüche herleiten.
17
b) Tarif CV3H250 betreffend den Versicherungsnehmer (2019 + 2015 + 2014 + 2013 + 2012)
18
Die den Kläger selbst als versicherte Person betreffenden Prämienanpassungen im Tarif CV3H250 sind - soweit noch entscheidungserheblich - nach den oben dargelegten Grundsätzen rechtswirksam erfolgt. Dies hat das Landgericht zutreffend entschieden (LGU 9, 12).
19
Die Beitragserhöhung zum 01.01.2019 (vgl. Scan des Nachtrags zum Versicherungsschein, Anlagenkonvolut KGR 1 Blatt 2Rs) erweist sich als wirksam, wie auch das Landgericht zutreffend erkannt hat (LGU 12).
20
Das Schreiben der Beklagten aus November 2018 (vgl. Anl. B 05-11) enthält selbst keine Begründung, sondern führt nur aus, dass die Beiträge regelmäßig geprüft und den Kosten angepasst werden müssten, das sei gesetzlich so geregelt. Es verweist aber auf ein beiliegendes Informationsblatt, in dem „alle Hintergründe der Beitragsanpassung zusammengestellt“ seien. Dieses Informationsblatt (von der Berufungsbegründung auf S. 25-26, Bl. 280 f. d.A., zitiert; vgl. auch Anl. B 05-12) ist mit „Wichtige Information zu Ihrem Vertrag“ überschrieben. Hier wird beschrieben, dass die Beklagte aufgrund gesetzlicher Regelung jährlich überprüfe, ob die tatsächlichen Ausgaben den kalkulierten entsprechen. Die Beiträge müssten angepasst werden, wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten „deutlich abweichen“. Dies sei gesetzlich so geregelt. „In diesem Jahr“ sei „der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung die Abweichung in den Leistungsausgaben“.
21
Den genannten Angaben konnte ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Die Begriffe „Ausgaben für Leistungen / Leistungsausgaben“ sind ein Synonym für „Versicherungsleistungen“. Es wird auch deutlich, dass die Beitragsanpassung nicht dem individuellen Verhalten des Versicherungsnehmers oder einer willkürlichen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten entspringt, sondern einer Verpflichtung aufgrund gesetzlicher Regelungen. Ferner wird erkennbar, dass die erforderliche Abweichung „deutlich“ ausgefallen ist, mithin in dem für eine Neukalkulation erforderlichen Ausmaß. Zwar wird hier ein ausdrücklicher Hinweis auf die Überschreitung des Schwellenwertes nicht vorgenommen, es geht aber noch in der erforderlichen Deutlichkeit hervor, dass allein eine aufgrund gesetzlicher Regelungen relevante Veränderung der erforderlichen Versicherungsleistungen die Verpflichtung zur Beitragsanpassung bedingt hat. Die konkrete Angabe eines Schwellenwertes war nicht erforderlich, solange der Versicherungsnehmer - wie hier - erkennen konnte, dass eine deutliche Abweichung zur Prämienanpassung geführt hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.12.2021 - 20 U 285/21, juris Rn. 7). Die genaue gesetzliche Bezeichnung dieser Veränderung ist aus Sicht des Versicherungsnehmers auch kein entscheidender Umstand für die Prämienanpassung (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2021 - IV ZR 148/20, NJW-RR 2022, 34 Rn. 31). Ein verständiger Versicherungsnehmer musste schließlich auch erkennen, dass im Ergebnis der jährlich durchzuführenden Überprüfung gerade der von ihm gehaltene und im Nachtragsversicherungsschein gekennzeichnete Tarif von einer Neukalkulation betroffen war.
22
Ergänzend wird auf das Urteil des OLG Frankfurt vom 30.03.2022 (3 U 228/21, juris Rn. 36) Bezug genommen, dessen Begründung sich der Senat anschließt.
23
Die genannte Beitragsanpassung bildete fortan (ab 01.01.2019) in dem betroffenen Tarif eine Rechtsgrundlage für den neu kalkulierten Prämienanspruch der Beklagten in seiner Gesamthöhe.
24
Aus unverjährter Zeit (ab 01.01.2018) könnten sich - theoretisch - noch Ansprüche des Versicherungsnehmers aus einer vorhergehenden, rechtsunwirksamen Beitragsanpassung im Tarif CV3H250 ergeben, weshalb die vorhergehende Prämienanpassung in diesem Tarif noch in den Blick zu nehmen ist.
25
Die Beitragserhöhung zum 01.01.2015 (vgl. Scan des Nachtrags zum Versicherungsschein, Anlagenkonvolut KGR 1 Blatt 5Rs) erweist sich indes als wirksam, wie auch das Landgericht zutreffend erkannt hat (LGU 9).
26
Für die Beurteilung des Versichereranschreibens aus November 2014 und dem dort in Bezug genommenen Informationsblatt (vgl. Anl. B 05-8) gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Schon in den Einleitungssätzen des Beiblatts „Wichtige Information zu Ihrem Vertrag“ wird hervorgehoben, dass aus „Ihrem Nachtrag zum Versicherungsschein“ entnommen werden kann, „dass die Beiträge für die gekennzeichneten Tarife zum 1. Januar 2015 steigen werden“, wobei „ein Hauptgrund ist: Die Ausgaben für Versicherungsleistungen sind weiter stark angestiegen.“ Diese Begründung war für einen Empfänger ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse klar und verständlich und hat in Zusammenhang mit den nachfolgend abgedruckten Erläuterungen verdeutlicht, dass die Beitragsanpassung nicht dem individuellen Verhalten des Versicherungsnehmers oder einer willkürlichen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten entspringt, sondern einer Verpflichtung aufgrund gesetzlicher Regelungen. Ferner wird erkennbar, dass die erforderliche Abweichung „deutlich“ ausgefallen ist, mithin in dem für eine Neukalkulation erforderlichen Ausmaß.
27
Somit war auch diese Tarifanpassung zum 01.01.2015 wirksam und bildete fortan in dem betroffenen Tarif „CV3H250“ eine Rechtsgrundlage für den neu kalkulierten Prämienanspruch der Beklagten in seiner Gesamthöhe.
28
Ob eine frühere Prämienerhöhung fehlerhaft war, ist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung und der daraus folgenden erhöhten Beitragspflicht des Versicherungsnehmers ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 314/19, r+s 2021, 95 Rn. 54). Deshalb kommt es auf die in dem genannten Tarif jeweils zum 1. Januar der Jahre 2012, 2013 und 2014 erfolgten Beitragserhöhungen nicht mehr entscheidungserheblich an. Unverjährte Erstattungsansprüche können hieraus nicht hergeleitet werden und es besteht auch kein rechtliches Interesse der Kläger an der isolierten Feststellung der Unwirksamkeit. Die zu klärenden Rechtsbeziehungen der Parteien werden bereits durch die Entscheidung in der Hauptsache erschöpfend geregelt, so dass auch kein Raum für eine Anwendung des § 256 Abs. 2 ZPO bleibt (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2022, 324 Rn. 23 ff.).
29
c) Tarife EBE und EBE63 (2018)
30
Die den Kläger selbst als versicherte Person betreffenden Prämienanpassungen in den Tarifen EBE und EBE63 zum 01.01.2018 (vgl. Scan des Nachtrags zum Versicherungsschein, Anlagenkonvolut KGR 1 Blatt 3Vs) sind nach den oben dargelegten Grundsätzen rechtswirksam erfolgt. Dies hat das Landgericht - im Ergebnis - zutreffend entschieden (LGU 10).
31
Die EBE-Tarife betreffen die gesonderte Vereinbarung einer Beitragsentlastung im Alter (vgl. „Zusatzbedingungen EBE - Für die Beitragsreduzierung im Alter zum Versicherungsvertrag“, Anl. BLD 04-2). Sie unterfallen den Regelungen der § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG (vgl. im Einzelnen hierzu OLG Celle, Urteil vom 13.01.2022 - 8 U 134/21, juris Rn. 91 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.06.2022 - 12 U 240/21, juris Rn. 63 ff.). Zum einen ist in der Hauptversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers ausgeschlossen (§ 14 Abs. 2 AVB/KK). Darüber hinaus weist ein ausschließlich der Beitragsentlastung im Alter dienender Tarif eine akzessorische Rechtsnatur im Verhältnis zur privaten Krankenversicherung auf (vgl. OLG Celle, a.a.O., Rn. 58 ff.). Die Funktion dieses Entlastungstarifs ist mit dem Krankheits- und Pflegerisiko eng verknüpft, da sie dazu dient, die Finanzierbarkeit der privaten Krankenversicherung sicherzustellen und - bezüglich der Krankheitskostenversicherung - ein Ruhen der Versicherung wegen Prämienrückstands und die Reduzierung des Schutzes auf den Notlagentarif nach § 193 Abs. 6 und 7 VVG zu vermeiden (vgl. Voit, r+s 2022, 215, 216).
32
Die Anwendung von § 203 Abs. 2 VVG hat zur Folge, dass Prämienanpassungen im Beitragsentlastungstarif eine nicht nur vorübergehende Veränderung einer maßgeblichen Rechnungsgrundlage i.S.v. § 203 Abs. 2 Satz 3 VVG voraussetzen (vgl. Boetius, r+s 2022, 248, 254). Dabei muss die maßgebliche Rechnungsgrundlage auch der Kalkulation des betreffenden Tarifs zugrunde liegen.
33
Dies ist im vorliegenden Fall durch § 6 Nr. 2 der vorgenannten „Zusatzbedingungen EBE“ gewährleistet. Dort ist bestimmt:
34
2. Beitragsanpassung bei unveränderter Höhe der Beitragsreduzierung Der Versicherer vergleicht zumindest jährlich die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Aufwendungen für die Beitragsreduzierungen im Alter. Ergibt diese Gegenüberstellung eine Abweichung von mehr als 5 vom Hundert, so werden die Unterschiedsbeiträge für die Beitragsreduzierung überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst.
35
Durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der zitierten Tarifklausel bestehen nicht.
36
Die im Mitteilungsschreiben von November 2017 (vgl. Anl. B 05-9) in Bezug genommenen Hintergrundmitteilungen zu den Beitragsanpassungen gemäß dem beigefügten Informationsblatt (vgl. Anl. B 05-10) genügen den Anforderungen, wie oben bereits dargestellt - das Beiblatt „Informationen zu Ihrem Vertrag“ entspricht inhaltlich der Version zur Beitragsanpassung in 2015 - mit zusätzlichen Erläuterungen (in der rechten Spalte) unter der Überschrift: „Beitragsentlastungskomponente (EBE): vorsorgen auch bei niedrigen Zinsen“.
37
Diesen Erläuterungen kann ein verständiger Versicherungsnehmer in der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass die Beitragsanpassung nicht dem individuellen Verhalten des Versicherungsnehmers oder einer willkürlichen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten entspringt, sondern einer Verpflichtung aufgrund gesetzlicher und/oder vertraglicher Regelungen. Ferner wird in der Gesamtschau aus dem Anschreiben (nebst Anlagen) und dem Nachtragsversicherungsschein erkennbar, dass die Abweichung in dem für eine Neukalkulation erforderlichen Ausmaß (hier gem. § 6 Nr. 2 ZusBed: 5%) ausgefallen und damit der konkret vereinbarte Schwellenwert überschritten sein muss. Diese Begründung war für einen Empfänger ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse klar und verständlich.
38
3. Das unter Berufungsantrag zu Ziffer 5) verfolgte Feststellungsbegehren zu der erstinstanzlichen einseitigen Teilerledigungserklärung ist unbegründet.
39
Soweit Teilbeträge aus den zunächst eingeklagten Bereicherungsansprüchen für erledigt erklärt wurden, waren diese Klageansprüche von vornherein unbegründet, da wirksame Prämienanpassungen jeweils Rechtsgrund für die Zahlungen des Versicherungsnehmers waren.
40
Auch das Auskunftsbegehren zu „auslösenden Faktoren“ war von vornherein unbegründet, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (LGU 13).
41
Der Kläger kann aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen keinerlei Zahlungsansprüche mehr herleiten und hat auch kein rechtlich erhebliches Interesse an der isolierten Feststellung der Unwirksamkeit dieser Beitragsanpassungen. Es ist daher kein über die begehrte Information hinausgehendes legitimes Interesse des Klägers daran erkennbar, hinsichtlich der genannten Beitragsanpassungen Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien zu erhalten. Ein solches Interesse ist jedoch im Rahmen des § 242 BGB erforderlich (vgl. BeckOGK/Kähler, BGB, § 242 Rn. 692 [Stand: 15.09.2022]). Der Beklagten ihrerseits kann ein auch noch so kleiner Aufwand für eine Auskunftserteilung nicht zugemutet werden, wenn diese Auskunft rechtlich in keinem Fall 8 U 1621/22 - Seite 8 - Konsequenzen hat (vgl. LG Heilbronn, Urteil vom 29.07.2022 - III 4 O 276/21, juris Rn. 106).
42
Das im Rahmen einer Sonderbeziehung bestehende allgemeine Gebot zur Rücksichtnahme auf das Vermögen des Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB) kann sich im Einzelfall zu der Pflicht verdichten, Informationen und Auskünfte zu gewähren, die der andere Teil zur Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen benötigt. Es genügt jedoch nicht, dass der Anspruchsteller behauptet, die begehrte Information sei für ihn von Bedeutung bzw. er sei auf sie angewiesen. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Anspruchsteller über den Inhalt der geforderten Information in entschuldbarer Weise im Unklaren ist, der Anspruchsgegner die Auskunft unschwer erteilen kann und ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein bestimmter durchsetzbarer Anspruch existiert (vgl. Senatsbeschluss vom 29.07.2020 - 8 U 1096/20, BeckRS 2020, 37534 Rn. 10 m.w.N.). Stützt sich die Auskunft auf die Vermutung einer Pflichtverletzung des anderen Vertragsteils, so muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen hieraus folgenden Erstattungsanspruch des Auskunftsgläubigers bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 01.08.2013 - VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rn. 20 m.w.N.).
43
Die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen erweisen sich als formell wirksam und materielle Einwendungen hat der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit nicht erhoben. Der Kläger hat insbesondere keine Tatsachen vorgetragen, die unter materiellen Gesichtspunkten einen Anspruch gegen die Beklagte begründen könnten. Für einen durchsetzbaren Anspruch des Klägers bestehen daher keine ausreichenden Anhaltspunkte. Letztlich beschränkt sich in materieller Hinsicht der Vortrag des Klägers auf bestehende Zweifel an der Wirksamkeit von Beitragsanpassungen auf der Grundlage von § 8b MB/KK. Der Kläger kann allerdings nicht damit gehört werden, dass er prüfen wolle, ob die Abweichung des auslösenden Faktors zwischen 5% und 10% oder über 10% gelegen habe. Denn die maßgebliche - und wirksame - Klausel in § 8b Abs. 1 AVB/KK erlaubte der Beklagten eine Neukalkulation bereits dann, wenn es bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen zu einer Abweichung von mehr als 5% gekommen ist. Unter dieser Voraussetzung hätte im Übrigen auch ein gesunkener auslösender Faktor zu einer Neukalkulation berechtigt (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2021 - IV ZR 148/20, NJW-RR 2022, 34 Rn. 30).
44
Datenschutzrechtliche Informationsansprüche des Klägers (vgl. etwa Art. 15 DS-GVO) stehen im Streitfall schon deshalb nicht inmitten, da es sich bei der „jeweiligen Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation“ nicht um personenbezogene Daten handelt (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 12. September 2022 - 4 U 1327/22 -, Rn. 8-9, juris m.w.N.).
45
4. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.