Titel:
Erfolglose Einlegung einer Berufung im Zusammenhang mit der Verwertung eines Fahrzeuges
Normenkette:
ZPO § 520 Abs. 3, § 522 Abs. 2, § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Leitsätze:
1. Ein Sicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, mit jedem vom Sicherungsgeber benannten angeblichen Interessenten von sich aus Kontakt aufzunehmen und zu verhandeln. Es ist vielmehr Sache eines Sicherungsgebers, mit dem Interessenten die erforderlichen Verhandlungen zu führen, einen Kaufvertrag mit gesicherter Finanzierung vorzubereiten und dann den Sicherungsnehmer zur Mitwirkung an diesem Vertrag aufzufordern. (redaktioneller Leitsatz)
2. Gemäß § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
keine Aussicht auf Erfolg, Sicherungsgeber, Sicherungsnehmer, neue Angriffs- und Verteidigungsmittel
Vorinstanz:
LG Augsburg, Endurteil vom 16.11.2021 – 114 O 1014/19
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 27.07.2022 – 27 U 9355/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36086
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16.11.2021, Az. 114 O 1014/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten.
Das Ersturteil des Landgerichts Augsburg vom 16.11.2021 entspricht der Sach- und Rechtslage.
Die hiergegen von der Berufung erhobenen Rügen verfangen nicht. Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO sind nicht ersichtlich und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt.
Zu den Berufungsangriffen des Beklagten und Berufungsführers im Schriftsatz vom 25.2.2022 (Bl. 287 ff. d. A.) ist im Einzelnen Folgendes zu bemerken:
1. Zutreffend hat das Landgericht Augsburg auf S. 7 f. seines Ersturteils ausgeführt, die Klägerin habe ihre Pflicht zur bestmöglichen Verwertung des sicherungsübereigneten Fahrzeugs nicht dadurch verletzt, dass sie die beklagtenseits vorgeschlagene Verwertungsmöglichkeit nicht berücksichtigt habe.
Soweit der Beklagte meint,
- er habe der Klägerin mit Schreiben vom 17.7.2017 (Anlage B 2) „die unbedingte Veräußerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zum Preis von Euro 12.100,00 an einen von ihm ermittelten Verkäufer angeboten“,
- die Klägerin hätte daher nur dem Angebot des Beklagten nachgehen müssen, um das Fahrzeug zu einem deutlich höheren als dem letztlich von ihr erzielten Verkaufspreis veräußern zu können, hilft dies nicht weiter.
Durch das Schreiben vom 17.7.2017 ist jedenfalls keine günstige Verwertungsmöglichkeit nachgewiesen. Im Gegenteil. Die pauschal gehaltene Formulierung „Daher ist es mir gelungen für das nur 12.100,00 € zur Erzielen, was ich Ihnen auch überweisen würde können“ enthält weder einen namentlich benannten konkreten Kaufinteressenten noch sind die weiteren Vertragsmodalitäten des vom Beklagten vorzubereitenden Kaufvertrages (wann konkret erfolgt die Bezahlung? Wie soll die Übergabe des Fahrzeugs erfolgen?…) genannt/geklärt.
Der Sicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, mit jedem vom Sicherungsgeber benannten angeblichen Interessenten von sich aus Kontakt aufzunehmen und zu verhandeln. Es ist vielmehr Sache des Sicherungsgebers, mit dem Interessenten die erforderlichen Verhandlungen zu führen, einen Kaufvertrag mit gesicherter Finanzierung vorzubereiten und dann den Sicherungsnehmer zur Mitwirkung an diesem Vertrag aufzufordern (vgl. Urteil des BGH vom 5.10.1999, XI ZR 280/98). Liegt - wie hier - nicht mal eine namentliche Benennung des Interessenten vor, ist der Sicherungsnehmer nicht gehalten, dieser angeblichen Verwertungsmöglichkeit nachzugehen.
Eine Pflichtverletzung der Klägerin durch Nichtberücksichtigung des Schreibens vom 17.7.2017 lag damit nicht vor. 27 U 9355/21 - Seite 3 - 2. Gleiches gilt für die Ausführungen des Beklagten zu Angeboten der wirkaufendeinauto.de GmbH.
Soweit der Beklagte erstmals in der Berufungsbegründung den Zeugen S. L. als Beweismittel benennt, ist er mit seinem neuen Angriffs-/Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen. Nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Gründe für eine Entschuldigung des verspäteten Vorbringens sind weder substantiiert dargetan noch ersichtlich.
Im Übrigen ist auch hierdurch keine günstige Verwertungsmöglichkeit nachgewiesen. Ein abschlussreifer Kaufvertrag liegt nicht vor. Die Anlagen B 7 und 8 belegen vielmehr, dass weitere Schritte (Vereinbarung eines Termins, Bewertung des Fahrzeugs durch einen Gutachter bei diesem Termin in der Filiale, Einigung auf den Kaufpreis auf Basis des Gutachtens) erforderlich sind, um zu einem Vertragsschluss zu gelangen. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 8 des Ersturteils Bezug genommen.
Soweit der Beklagte meint, weder die Klägerin noch der Beklagte hätten zum maßgeblichen Zeitpunkt (der Ablehnung des „substantiellen Angebots“) gewusst, dass es sich lediglich um ein „freibleibendes Angebot der wirkaufendeinauto.de GmbH“ gehandelt habe, hilft dies nicht weiter. Wie dargelegt, ist es Aufgabe des Beklagten als Sicherungsgeber, einen Kaufvertrag mit gesicherter Finanzierung vorzubereiten und dann den Sicherungsnehmer zur Mitwirkung an diesem Vertrag aufzufordern. Die beklagtenseits vorgelegten Anlagen B 7 und 8 (Emails der w. … o. GmbH an den Beklagten vom 18.9.2017 und 6.11.2017) enthalten hingegen ersichtlich keinen abschlussreifen Kaufvertrag.
3. Soweit der Beklagte meint, ihm stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 13.144 Euro brutto zu, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 8 ff, 13 ff. des Ersturteils Bezug genommen. Das Erstgericht ist unter Zugrundelegung der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigengutachtens zutreffend von einem Händlereinkaufspreis von 10.224,37 Euro netto ausgegangen, hat fehlerfrei den Wert der Winterreifen erhöhend berücksichtigt und Abzugsbeträge von 1.680 Euro netto in Ansatz gebracht und so im Wege der Schätzung nachvollziehbar einen Verwertungsbetrag in Höhe von 7.992,45 Euro ermittelt.
4. Von diesem anrechenbaren Wert sind - entsprechend den Ausführungen im Ersturteil - die Kosten der Verwertung in Höhe von 459,35 Euro in Abzug zu bringen.
Soweit der Beklagte meint, das von der Klägerin in Auftrag gegebene Gutachten sei grob falsch, hilft dies nicht weiter. Eine völlige Untauglichkeit des Gutachtens wurde beklagtenseits nicht dargetan. Wie das Landgericht auf S. 15 seines Ersturteils zutreffend ausgeführt hat, war die Begutachtung des Fahrzeugs als solche im Zusammenhang mit der Verwertung geboten, die hierfür erforderlichen Kosten in Höhe von 136,85 Euro waren als erstattungsfähig anzusehen.
Damit gehen die Berufungsangriffe allesamt ins Leere.
Das Ersturteil hat Bestand.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Alleine die Sachverständigenkosten belaufen sich bislang auf über 3.700 Euro. Insoweit sollte wenigstens im Berufungsverfahren das verbleibende Einsparpotenzial genutzt werden, zumal sich im Falle der Berufungsrücknahme vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren ermäßigen (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Es besteht Gelegenheit zur Berufungsrücknahme sowie zur Stellungnahme zum Senatshinweis bis spätestens 30.6.2022.
Binnen gleicher Frist können beide Parteien zum Streitwert Stellung nehmen. Der Senat beabsichtigt, den Berufungsstreitwert auf bis zu 6.000 € festzusetzen.