Titel:
Kosten der Nebenintervention im Kapitalanlegermusterverfahren
Normenketten:
ZPO § 67, § 101
KapMuG § 24
Leitsatz:
§ 101 ZPO ist über seinen Wortlaut hinaus auch auf die Kosten des Kapitalanlegermusterverfahrens anzuwenden, da dieses einen Teil des Ausgangsverfahrens bildet. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kapitalanlegermusterverfahren, Streitverkündung, Nebenintervention, Kosten
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 07.06.2022 – 22 O 18459/09
Rechtsmittelinstanz:
OLG München vom 14.11.2022 – 3 W 1315/22
Fundstellen:
AG 2023, 91
JurBüro 2022, 583
BeckRS 2022, 36073
LSK 2022, 36073
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 07.06.2022, Az. 22 O 18459/09, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.915,60 € festgesetzt.
Gründe
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Mit am 29.09.2009 erhobener Klage begehrt der nunmehr verstorbene Kläger die Zahlung von Schadenersatz von Seiten der Beklagten in Höhe von 7904,00 €. Von Seiten der Beklagten wurde mit Schriftsatz vom 14.12.2009 und 10.07.2017 insgesamt 8 Personen der Streit verkündet. Diese traten dem Verfahren als Streithelfer bei. Das Verfahren wurde nach vorheriger Anhörung mit Beschluss vom 20.03.2011 nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ausgesetzt, da vor dem OLG München unter dem Aktenzeichen KAP-3/10 ein Kapitalanlegermusterverfahren anhängig war. Nach Beendigung des Musterverfahrens nahm die Klagepartei mit Schriftsatz vom 23.03.2022 die Klage zurück. Von Seiten der Streithelfer wurde im Rahmen der Anhörung zur Klagerücknahme beantragt, den Klägern die Kosten der Nebenintervention aufzuerlegen. Der Kläger trat diesem Antrag insoweit entgegen, als er ausführte, dass eine Kostenentscheidung nicht die im Rahmen des Musterverfahrens für die Streithelfer angefallenen Kosten zu umfassen habe. Die Kosten der Nebenintervention seien gerade nicht von der Anwendung des § 24 KapMuG erfasst.
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Mit Beschluss vom 07.06.2022 legte das Landgericht München I den Klägern als Rechtsnachfolger die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention auf. Dazu gehören ausweislich des Beschlusses des Landgerichts auch die Kosten, welche im Rahmen des Kapitalanlegermusterverfahrens angefallen sind. Dieser Beschluss wurde der Klagepartei am 10.06.2022 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 22.06.2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, legt die Klagepartei gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde ein, soweit sie auch die Kosten der Nebenintervenienten betreffend das Kapitalanlegermusterverfahren zu tragen hat. Das Landgericht habe bei der Kostenentscheidung die Regelungen des KapMuG, insbesondere dessen § 24, nicht beachtet.
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Das Landgericht half dieser Beschwerde mit Beschluss vom 20.09.2022 nicht ab und legte die Beschwerde dem OLG München zur Entscheidung vor.
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Die Beschwerde ist zulässig, § 269 Abs. 5 Satz 1, §§ 567 ff. ZPO, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klagepartei hat nach der von ihr erklärten Klagerücknahme die Kosten des Verfahrens inklusive der Kosten der Nebenintervention zu tragen. Diese Kosten der Nebenintervention erfassen dabei auch die im Kapitalanlegermusterverfahren angefallenen Kosten.
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1. Über die Kosten der Nebenintervention hat das Gericht gemäß § 101 ZPO zu entscheiden. Nach dieser Vorschrift hat die Partei, welche nach den prozessualen Kostenregelungen die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, auch die Kosten der Nebenintervention zu tragen (Grundsatz der Kostenparallelität). Obwohl der Wortlaut der Vorschrift nur die §§ 91 - 98 ZPO erfasst, kommt die Vorschrift über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch dann zur Anwendung, wenn die Kostenregelungen der § 269 Abs. 3 und 4, § 516 Abs. 3, § 565 ZPO zur Anwendung kommen (Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, § 101 Rn. 3; MüKoZPO/Schulz, ZPO, § 101 Rn. 13, BeckOK ZPO/Jaspersen, ZPO § 101 Rn. 7). Damit ist grundsätzlich die Klagepartei zur Kostentragung auch der durch die Nebenintervention verursachten Kosten verpflichtet.
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2. Zu diesen Kosten zählen auch die Kosten des Kapitalanlegermusterverfahrens. Ein derartiges Musterverfahren ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht als eigenständiges Verfahren zu betrachten, sondern bildet vielmehr einen Teil des Ausgangsverfahrens (BGH NZG 2017, 378). Unter Berücksichtigung dessen sind die Kosten, welche für die Nebenintervenienten im Rahmen des Musterverfahrens anfallen, Kosten des Ausgangsverfahrens. Die Kostentragungspflicht der ZPO erfasst sämtliche Kosten des Rechtsstreits, welche aufgrund der Anordnung des § 101 ZPO auch die Kosten der Nebenintervention sind. Damit stellen die anteiligen Kosten des Musterverfahrens keine Kosten eines gesonderten Verfahrens dar, sondern gehören vielmehr zu den Kosten des Ausgangsverfahrens. Diese hat der Kläger als kostentragungspflichtige Partei zu tragen.
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3. Auch aus der Vorschrift des § 24 KapMuG ergibt sich keine andere Wertung. Während Abs. 1 dieser Vorschrift den Musterkläger und die Beigeladenen ausdrücklich benennt, fehlt eine entsprechende Formulierung in Abs. 2, welcher die Kosten des Musterbeklagten regelt. Nach Auffassung des Senats folgt daraus jedoch nicht, dass die Kosten des Musterverfahrens für den Nebenintervenienten stets von diesem zu tragen sind. Abs. 2 kann nicht der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, dass eine Kostenerstattung nicht in Betracht kommt. Der Regierungsentwurf zum KapMuG verstand den Begriff des Beigeladenen dergestalt, dass dadurch die Kläger der ausgesetzten Verfahren erfasst sein sollten (BR-Drs. 2/05 S. 38). Nach diesem Verständnis war die Beteiligung eines Nebenintervenienten im Musterverfahren nicht zugleich die Beteiligung eines Beigeladenen. Der BGH lehnte später für das Kapitalanleger-Musterverfahren eine Nebenintervention ab und erklärte dieses Verfahren insgesamt für nicht interventionsfähig erklärt (BGH NJW 2017, 3718). Dieser Grundsatz ändere allerdings, so der BGH, nichts daran, dass die Streitverkündung während des Musterverfahrens in den zugehörigen Ausgangsverfahren möglich sei, so dass dort ein Beitritt erfolgen könne. Die Nebenintervenienten der Ausgangsverfahren seien auch im Musterverfahren nicht gehindert, ihre Rechte im Rahmen des § 67 ZPO wahrzunehmen (Giesen, NJW 2017, 3691). Damit komme diesen gegebenenfalls die Stellung eines Beigeladenen zu. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Gesetzesbegründung des § 24 KapMuG unter einem Beigeladenen gerade keinen Nebenintervenienten des Ausgangsverfahrens erfassen wollte. Soweit ersichtlich wurden in der Kommentarliteratur nur von K. in K1. Kommentar, KapMuG, § 24 Rdn. 3 a. E, eine Meinung dergestalt vertreten, dass die Kosten des Kapitalanlegermusterverfahrens für die Nebenintervention stets von diesen selbst zu tragen sind. Ob an dieser Meinung in dem Kommentar weiterhin festgehalten wird, ist im Hinblick auf die Äußerung des Kommentierenden in seinem Schriftsatz vom 08.07.2022 in einem Parallelverfahren durchaus fraglich. In der weiteren Literatur wird dagegen von G. und G1. vertreten, dass der Grundsatz der Parallelität der Kostenentscheidung auch für die Kosten der Nebenintervenienten bezogen auf das Musterverfahren gilt (Wieczorek/Schütze/Großerichter, ZPO, § 24 KapMuG Rn. 24; Giesen, NJW 2017, 3691). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an, aufgrund der obigen Ausführungen der Vorschrift des § 24 KapMuG gerade kein Ausschluss im Hinblick auf die Kosten eines Nebenintervenienten entnehmen lässt. Es verbleibt somit, wie auch das Erstgericht zutreffend ausführte, bei der allgemeinen Regelung des § 101 ZPO.
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Die Kostenzahlung beruht auf § 97 ZPO. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde mit dem Kosteninteresse der Nebenintervenienten, welches sich in einer Terminsgebühr ausdrückt, bemessen, §§ 47 GKG, 3 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.