Inhalt

VGH München, Beschluss v. 13.01.2022 – 20 NE 21.2991
Titel:

Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Sportunterricht

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 28a Abs. 7 S. 1 Nr. 3, Nr. 7, § 32 S. 1
15. BayIfSMV § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Die Regelung des § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 15. BayIfSMV dürfte in § 32 S. 1 IfSG, § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG, § 28a Abs. 7 S. 1 Nr. 3 und 7 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage haben. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kann bei summarischer Prüfung nicht feststellt werden, dass die Regelung des § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 15. BayIfSMV offensichtlich nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im (Sport) Unterricht, Corona, COVID-19, Omikronvariante, Mund-Nasen-Bedeckung, Verpflichtung zum Tragen, Maske, Sportunterricht, Schule, Schüler, Rechtsgrundlage, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2022, 356

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
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Der 14-jährige Antragsteller, der die 8. Klasse einer Realschule in Bayern besucht, wendet sich mit seinem Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung vom 6. Dezember 2021 gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 23. November 2021 (15. BayIfSMV; BayMBl. 2021 Nr. 816) i.d.F. vom 12. Januar 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 2), wonach die Maskenpflicht nach § 2 15. BayIfSMV mit weiteren Maßgaben auch während des Sportunterrichts in geschlossenen Räumen gilt. Der Antragsteller hat im Verfahren ein ärztliches Attest vom 12. November 2021 vorgelegt, wonach bei ihm medizinische Gründe für die Befreiung von der Maskenpflicht vorliegen, weil das Tragen im kindlichen Körper Schwindel, Kopfschmerz, Übelkeit, Konzentrationsstörungen, Atemnotzustand, Hyperkapnie und regulatorischen Hypercortisolismus verursache. Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, wie in der Corona-Verordnung vorgesehen, sei unzumutbar. Das ärztliche Attest wird seitens der Schulleitung des Antragstellers nicht anerkannt, weshalb der Antragsteller derzeit die Schule nicht besucht. Er macht geltend, die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in geschlossenen Räumen bedrohe seine Gesundheit sowie Leib und Leben. Bei einer langen Tragedauer über 90 Minuten im Sportunterricht beim Ausüben von Ballsportarten könne wegen der hohen Belegung der Sporthalle und der vermehrten Atmungsaktivität zu einer akuten gesundheitlichen Problematik führen.
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Er beantragt,
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§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 15. BayIfSMV vorläufig außer Vollzug zu setzen.
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Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.
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Der Antrag sei bereits unzulässig, da der Antragsteller nur für sich persönlich eine Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während des Schulunterrichts erreichen wolle. Der ärztlichen Bescheinigung lasse sich nicht entnehmen, was den Gesundheitszustand des Antragstellers von dem anderer Schüler unterscheide. Die angefochtene Norm stelle eine sinnvolle und rechtmäßige Regelung dar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
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Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Die angefochtene Norm des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 15. BayIfSMV begegnet im Rahmen der notwendigen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (1.) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (2.).
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1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
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Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12).
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2. Nach diesen Maßstäben geht der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung davon aus, dass der Antrag in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird.
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a. Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller, der dem Regelungsbereich der Norm als Schüler während des Sportunterrichts unterworfen ist, ist antragsbefugt, weil er geltend macht, dass ihm durch ihre Anwendung Gesundheitsgefahr und damit ein schwerer Nachteil i.S.d. § 47 Abs. 6 VwGO drohe. Dass er den Erlass einer einstweiligen Anordnung nur deshalb erstrebt, weil die Schulleitung das von ihm vorgelegte ärztliche Attest nach § 2 Satz 1 Nr. 2 15. BayIfSMV nicht anerkennen will, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entfallen, weil dieser Antrag sich gegen die Wirksamkeit der Norm richtet und damit ein anderes Rechtsschutzziel verfolgt als eine individuelle Befreiung von der Maskenpflicht.
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b. Die angegriffene Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 15. BayIfSMV dürfte in § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 28a Abs. 7 Satz 1 Nrn. 3 und 7 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage haben (vgl. hierzu zuletzt BayVGH, B.v. 12.10.2021 - 25 NE 2471 - juris Rn. 19).
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Nach § 28a Abs. 7 Satz 1 Nrn. 3 und 7 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG i.V.m. § 32 Satz 1 und 2 IfSG sind die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen ermächtigt, zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die notwendigen Schutzmaßnahmen zu erlassen, wozu nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) als auch die Erteilung von Auflagen für die Fortführung des Betriebs von Gemeinschaftseinrichtungen i.S.v. § 33, Hochschulen, außerschulischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung oder ähnlichen Einrichtungen gehören können. Mit der Aufnahme der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung durch das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BGBl. I 2020 S. 2397) in den Katalog des § 28a Abs. 1 IfSG hat der Bundesgesetzgeber die Entscheidung, dass es sich dabei um eine notwendige Schutzmaßnahme i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handeln kann, vorweggenommen (BT-Drs. 19/23944 S. 32) und diese Entscheidung mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. November 2021 (BGBl. 2021 I S. 4906; BT-Drs. 20/15 S. 29 zu Nummer 2 und Seite 31 zu Nummer 5) durch zusätzliche Aufnahme in den Ermächtigungskatalog des § 28a Abs. 7 IfSG fortgeschrieben. Auch die Erteilung von Auflagen für den Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen i.S.d. § 33 IfSG (bisher ausschließlich geregelt in § 28a Abs. 1 Nr. 16) wurde Katalogmaßnahme nach § 28a Abs. 7 Nr. 7 (BT-Drs. 20/15 S. 31 zu Nummer 5).
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c. Die von der Antragstellerin angegriffene Bestimmung steht bei summarischer Beurteilung mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang, weil sie sich in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen hält und insbesondere nicht zu den nach § 28a Abs. 3 IfSG bei der Entscheidung über notwendige Schutzmaßnahmen nach § 28 Satz 1 und 2 IfSG zu berücksichtigenden Kriterien in Widerspruch steht (aa.). Sie erweist sich bei summarischer Prüfung auch nicht als offensichtlich unverhältnismäßig (bb.).
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aa. Zunächst kann zur Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Schulgebäuden auf die umfangreiche Rechtsprechung des 20. und 25. Senats verwiesen werden (vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2021 - 20 NE 21.1346 - BeckRS 2021, 12830 mit einem Überblick über die Rechtsprechung des 20. Senats (Rn. 12) und BayVGH, B.v. 12.10.2021 - 25 NE 21.2471 - BeckRS 2021, 33613), wonach sich die dazu verpflichtenden landesrechtlichen Normen (§ 18 Abs. 2 12. BayIfSMV und § 13 Abs. 2 14. BayIfSMV) bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig erwiesen haben. Davon ist auch zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt weiterhin auszugehen.
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Die Infektionslage stellt sich nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) in dem wöchentlichen Lagebericht vom 6. Januar 2022 und der Risikobewertung vom 5. Januar 2022 wie folgt dar:
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„Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Ursächlich hierfür ist das Auftreten und die rasante Verbreitung der Omikronvariante, die sich nach derzeitigem Kenntnisstand (aus anderen Ländern) deutlich schneller und effektiver verbreitet als die bisherigen Virusvarianten. Dadurch ist mit einer schlagartigen Erhöhung der Infektionsfälle zu rechnen und es kann zu einer schnellen Überlastung des Gesundheitssystems und ggf. weiterer Versorgungsbereiche kommen. Die Infektionsgefährdung wird für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als moderat eingeschätzt. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern. Die aktuelle Version der Risikobewertung findet sich unter https://www.rki.de/covid-19-risikobewertung
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Die 7-Tages-Inzidenzen sind derzeit in allen Altersgruppen weiterhin sehr hoch. Die Fallzahlen sind deutlich höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Auch die Zahl schwerer Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus aufgenommen und ggf. auch intensivmedizinisch behandelt werden müssen, befindet sich weiter auf einem hohen Niveau. Auch die Zahl der Todesfälle ist weiterhin sehr hoch.
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Es lassen sich viele Infektionsketten nicht nachvollziehen, Ausbrüche treten in vielen verschiedenen Umfeldern auf. SARS-CoV-2 verbreitet sich überall dort, wo Menschen zusammenkommen, insbesondere in geschlossenen Räumen. Häufungen werden oft in Privathaushalten und in der Freizeit (z.B. im Zusammenhang mit Besuchen von Bars und Clubs) dokumentiert, Übertragungen und Ausbrüche finden aber auch in anderen Bereichen statt, z.B. im Arbeitsumfeld, in Schulen, bei Reisen, bei Tanz- und Gesangsveranstaltungen, Weihnachtsfeiern und anderen Feiern, besonders auch bei Großveranstaltungen. COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern treten wieder zunehmend auf. Davon sind auch geimpfte Personen betroffen.
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Die Ausbreitung der Omikronvariante ist sehr beunruhigend. Sie wird mit steigender Tendenz zusätzlich zur Deltavariante in Deutschland nachgewiesen. Die Omikronvariante ist deutlich übertragbarer als die früheren Varianten (z.B. Deltavariante). Es gibt erste Hinweise auf eine reduzierte Effektivität und Dauer des Impfschutzes gegen die Omikronvariante. Die Datenlage hinsichtlich der Schwere der Erkrankungen durch die Omikronvariante ist noch nicht ausreichend, allerdings zeigen erste Studien eher einen geringeren Anteil an Hospitalisierten im Vergleich zu Infektionen mit der Deltavariante. Das Gesundheitswesen und auch weitere Versorgungsbereiche können durch den erwarteten Fallzahlanstieg dennoch stark belastet werden.
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Die aktuelle Entwicklung ist daher sehr besorgniserregend, und es ist zu befürchten, dass es bei weiterer Verbreitung der Omikronvariante in Deutschland wieder zu einem erneuten Anstieg der schweren Erkrankungen und Todesfällen kommen wird - schon aufgrund des erwarteten massiven Anstiegs der Fallzahlen - und die deutschlandweit verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten überschritten werden.“
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Der Antragsgegner hat in der auf § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG beruhenden Begründung der 15. BayIfSMV (zuletzt zur Verordnung zur Änderung der 15. BayIfSMV vom 12. Januar 2022, BayMBl. 2022 Nr. 3) folgendes Lagebild zur Grundlage der angefochtenen Regelung gemacht (in Auszügen):
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„Seit dem Jahreswechsel ist wieder ein starker Anstieg der Meldefälle zu beobachten. Die Infektionszahlen übersteigen aktuell bereits wieder das Niveau der zweiten Corona-Welle (Maximum am 20. Dezember 2020 mit 217,8), liegen aber noch deutlich unter dem Scheitelwert der vierten, von der Delta-Variante geprägten Corona-Welle (Maximum am 23. November 2021 mit 644,9). Die Fallzahlen sowie die daraus errechnete Reproduktionszahl müssen weiterhin im Kontext der Überlastung der Gesundheitsämter betrachtet werden. Es muss - auch wegen der Berichte aus dem Ausland über aufgrund der Omikron-Variante teilweise bereits explosiv angestiegene Fallzahlen - mit einem weiteren starken Anstieg der Fallzahlen gerechnet werden. Am 11. Januar 2022 liegt die 7-Tage-Inzidenz der Meldefälle in Bayern mit 339,5 unter dem Bundesdurchschnitt von 387,9. (…)
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Die Auswirkungen der neuen Virusvariante Omikron auf die Intensivbettenbelegung mit COVID-19-Patienten bleiben abzuwarten, auch wenn aktuellen Erkenntnissen zufolge die Omikron-Variante seltener zu schweren Krankheitsverläufen führt als die Delta-Variante. Zu rechnen ist in jedem Fall mit einem raschen und erheblichen Anstieg der Infektionszahlen, der Experten zufolge den „Vorteil“ der leichteren Krankheitsverläufe für die Intensivbettenbelegung zumindest teilweise kompensieren und zudem zu einer starken Beanspruchung der Normalpflegestationen führen kann. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) schätzt die Gefahr der Verbreitung der SARS-CoV-2- VoC Omikron als „sehr hoch“ ein und mahnt die kurzfristige Ergreifung weiterer Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Überlastung der Gesundheitssysteme an (…).
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Die aktuelle Situation bleibt sehr besorgniserregend und es ist zu befürchten, dass es in Deutschland wieder zu einem erneuten Anstieg der schweren Erkrankungen und Todesfälle kommen wird und die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten überschritten werden. Grund ist die Ausbreitung der neuen hochansteckenden besorgniserregenden Variante von SARS-CoV-2 (VOC, Variant of Concern) Omikron. Sie wird mit steigender Tendenz zusätzlich zur Deltavariante in Deutschland nachgewiesen. Die Omikronvariante ist deutlich stärker übertragbar als die früheren Varianten. Es gibt Hinweise auf eine reduzierte Effektivität und Dauer des Impfschutzes gegen die Omikronvariante. Erste Studien zeigen zwar eher einen geringeren Anteil an Hospitalisierten im Vergleich zu Infektionen mit der Deltavariante. Das Gesundheitswesen und auch weitere Versorgungsbereiche können durch den erwarteten Fallzahlanstieg dennoch stark belastet werden.“
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In der dargestellten pandemischen Situation dürfte die angegriffene Norm daher grundsätzlich den durch § 28a Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 IfSG vorgegebenen Maßstäben entsprechen.
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bb. Der Senat kann angesichts der durch § 28a Abs. 7 Nrn. 3 und 7 IfSG dem Landesverordnungsgeber eingeräumten Möglichkeit jedenfalls nicht feststellen, dass die angegriffene Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 15. BayIfSMV offensichtlich nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt; insbesondere ist nicht feststellbar, dass § 12 Abs. 1 Nr. 2 15. BayIfSMV die Eignung fehlte, den infektionsschutzrechtlichen Zielen des § 28a Abs. 3 IfSG (Schutz von Leben und Gesundheit, Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems) zu dienen, da das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung das Risiko einer Übertragung des Coronavirus nachweislich senken kann (vgl. nur RKI - Coronavirus SARS-CoV-2 - Infektionsschutzmaßnahmen (Stand: 23.12.2021)). Den besonderen körperlichen Belastungen, die mit dem Tragen einer medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung (§ 12 Abs. 1 Satz 2 15. BayIfSMV) verbunden sein können, hat der Verordnungsgeber durch die Aufnahme eines individuellen Befreiungstatbestands aus gesundheitlichen Gründen in § 2 Abs. 3 Nr. 2 15. BayIfSMV sowie durch die Aufnahme allgemein geltender Ausnahmen von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Schulgelände in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 15. BayIfSMV Rechnung getragen (vgl. zur Erforderlichkeit von Tragepausen auch BayVGH, B.v. 10.11.2020 - 20 NE 20.2349 - BeckRS 2020, 30792). Das Schutzziel der Norm als Teil eines Maßnahmebündels, Infektionen mit dem Coronavirus im Unterrichtsbetrieb möglichst zu minimieren, steht daher nicht außer Verhältnis zum Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit der Schüler (Art. 2 Abs. 1 GG). Die angefochtene Regelung dient vielmehr der Vermeidung von Infektionen im Schulbereich und gewährleistet so das Recht auf schulische Bildung (BVerfG, B.v. 19.11.2021 - 1 BvR 971/21 - BeckRS 2021, 36492 (Bundesnotbremse II)). Den besonderen Belangen der Schüler bei körperlicher Belastung hat der Antragsgegner durch die konkrete Gestaltung des Sportunterrichts während der Geltungsdauer der Maskenpflicht Rechnung zu tragen (vgl. auch die Begründung zur 15. BayIfSMV vom 23. November 2021, BayMBl. 2021 Nr. 827 S. 6 und die Hinweise zur Durchführung des Sportunterrichts des Bayerischen Landesamtes für Schule, vgl. https://www.las.bayern.de/schulsport/fachberatung/sportunterricht_mit_mnb.html) Der Rahmenhygieneplan Schulen vom 5. Juli 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 470) in der Fassung vom 12. November 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 792) hingegen hat die durch Inkrafttreten der 15. BayIfSMV vom 23. November 2021 eingetretene Rechtsänderung noch nicht erfasst (vgl. dort Ziffer 2.4.1 zur Änderung von Nr. 7.2 Satz 2 Buchst. a)).
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3. Der Verordnungsgeber ist zur regelmäßigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit seiner Maßnahmen verpflichtet. Aus diesem Grund sind die Maßnahmen nach § 28a Abs. 5 Satz 2 IfSG zu befristen und nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG mit einer Begründung zu versehen. Für die Fortdauer der Maßnahmen sind zur Rechtfertigung der mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffe die nach § 28a Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 IfSG maßgeblichen Indikatoren zugrunde zu legen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von dem Antragsteller angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 9. Februar 2022 außer Kraft tritt, zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.