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AG München, Endurteil v. 19.08.2022 – 414 C 10005/21
Titel:

Mieterhöhung für Doppelhaushälfte - Vergleichsobjekte

Normenkette:
BGB § 558
Leitsatz:
Liegen bei den im Mieterhöhungsgesuch genannten Vergleichswohnungen drei Wohnwertmerkmale vor, die mit dem Mietobjekt im Wesentlichen übereinstimmen, etwa Art, Größe und Lage kommt es auf die Frage der Ausstattung (renoviert oder unrenoviert) sowie der Beschaffenheit (Zuschnitt) bei der vorzunehmenden Gesamtschau nicht mehr an. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mieterhöhung, Vergleichbarkeit, Ausstattung
Fundstellen:
ZMR 2022, 973
LSK 2022, 35530
BeckRS 2022, 35530

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, gegenüber der Erhöhung der monatlichen Kaltmiete von bisher € 1.350,- um € 202,50 auf € 1.552,50 zuzüglich Garagenmiete und Betriebskostenzahlungen wie bisher mit Wirkung ab 1. Juni 2021 für die Doppelhaushälfte zuzustimmen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziffer 2) des Tenors für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1 10% des zu vollstreckenden Betrags.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.430,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren einen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung gemäß § 558 BGB geltend.
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Die Klägerin war bis 31. Mai 2022 Eigentümerin und Vermieterin betreffend den im Tenor genannten Mietgegenstand. Dem lag der Mietvertrag Anlage Kl zugrunde. Seit Mietbeginn 1. September 2009 zahlen die Beklagten unverändert eine monatliche Kaltmiete von 1350 €. Mit Schreiben vom 20. März 2021 (Anlage K2) verlangte die Klägerin durch die von ihr eingeschaltete Hausverwaltung Zustimmung zur Mieterhöhung im tenorierten Umfang, was die Beklagte anwaltlich mit Schreiben vom 21 Mai 2021 (Anlage B2) ablehnte. Als Vergleichsobjekte wurden im Mieterhöhungsverlangen DHH in unmittelbarer Nachbarschaft mit den Hausnummern …genannt. Während des Prozesses veräußerte die Klägerin an die im Tenor genannte GmbH das Mietobjekt, die Rechtsnachfolgerin wurde am 1. Juni 2022 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen (Anlage K3).
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Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor:
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Die Doppelhaushälfte habe 150 m 2 Wohnfläche, jedoch entspreche die von ihr verlangte Miete der ortsüblichen Miete auch für den Fall, dass die Wohnfläche nur 134 m2 betrage. Die von den Beklagten gerügten Mängel spielten für das Mieterhöhungsverlangen keine Rolle und seien im Übrigen auf eine fehlerhafte Heizung und Lüftung der Beklagten zurückzuführen. Der Vortrag der Beklagten zur angeblich fehlenden Vergleichbarkeit betreffend die im Mieterhöhungsverlangen ange414 c 10005/21 gebenen 3 Doppelhaushälften sei unsubstantiiert. Im Übrigen spiele das Alter der Heizung und des Bades sowie der Türen und Böden für die Vergleichbarkeit keine Rolle.
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Die Klägerin beantragte zuletzt im Termin v. 17.08.2022
gem. Schriftsatz v. und wie tenoriert.
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Die Beklagten haben
Klageabweisung beantragt.
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Sie haben im Wesentlichen vorgetragen:
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Die von den Beklagten bewohnte Doppelhaushälfte habe nur eine Wohnfläche von 134 m2 (Anlage BI). Das Mieterhöhungsverlangen Anlage K3 sei formell unzulässig, weil zu pauschale Angaben im Mieterhöhungsverlangen betreffend die Vergleichsobjekte gemacht würden. Jedenfalls seien die von der Klägerin benannten 3 Vergleichsobjekte umfassend renoviert und modernisiert im Bereich Bäder, Fenster, Türen, Böden, Heizkörper und Balkonrüstungen, und deshalb nicht vergleichbar im Sinne von § 558 a Abs. 2 Nummer 4 BGB. Die von den Beklagten bewohnte Doppelhaushälfie sei demgegenüber ausgestattet nach dem Stand von 1970. Es liege ein anderer Wohnungsteilmarkt vor. Wegen nicht behobener Mängel an den Glasbausteinen im Treppenhaus und Feuchteschäden im Kellergeschoss sei das Mieterhöhungsverlangen auch treuwidrig, die Hausverwaltung der Klägerin habe auf Aufforderungen zur Mängelbeseitigung nicht reagiert. Im Hinblick auf den im Laufe des Rechtsstreits erfolgten Verkauf des Mietgegenstandes fehle der Klägerin jetzt die Aktivlegitimation. Das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten sei ohne Belang, weil nach wie vor die Vergleichbarkeit der Wohnungen fehle.
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Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf das schriftliche Parteivorbringen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 30.11.2021 und 17.08.2022 Bezug genommen. Das Gericht hat verschiedene Hinweise gegeben, die Parteien ausführlich angehört und Sachverständigenbeweis erhoben.

Entscheidungsgründe

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1) Die Klage ist zulässig.
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a) Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig nach § 29 a Abs. 1 ZPO und § 23 Nr. 2 a GVG.
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b) Wie das Gericht in der Verfügung vom 22. Juni 2022 bereits hingewiesen hat, ist die Klägerin im Hinblick auf § 265 Abs. 2 ZPO nach wie vor berechtigt, die Zustimmung zur Mieterhöhung geltend zu machen. Sie ist insoweit gesetzliche Prozeßstandschafterin für die Erwerberin. Die Zustimmung gilt im Hinblick auf § 894 ZPO auch erst mit Rechtskraft als erteilt, weshalb die prozessuale Einwendung der Beklagten im Schriftsatz vom 5. August 2022 nicht durchgreift.
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2) Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete gemäß § 558 Abs. 1 BGB zu.
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a) Das Mieterhöhungsverlangen Anlage K2 ist formell wirksam, was nach BGH 29. April 2020 VIII ZR 355/18 eine Frage der Begründetheit ist. Es gelten §§ 558 a Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB i. V. m. BGH 26.04.2016 – VIII ZR 54/16. Nach der gefestigten RechtspreChung des BGHs dürfen an die Begründung eines Mieterhöhungsverlangens keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Denn Zweck des Begründungserfordernisses ist es lediglich, dem Mieter im Interesse einer außergerichtlichen Einigung TatsaChen mitzuteilen, die es dem Mieter ermöglichen, die vom Vermieter begehrte Mieterhöhung – zumindest ansatzweise – auf ihre Berechtigung überprüfen zu können. So genügt es regelmäßig, wenn der Vermieter in dem Erhöhungsverlangen die ortsübliche Vergleichsmiete angibt und – soweit ein Mietspiegel als Begründungsmittel herangezogen wird – die nach seiner Auffassung einschlägigen Kategorien des Mietspiegels benennt. Die Richtigkeit dieser Einordnung ist keine Frage der formellen Wirksamkeit, sondern der materiellen Begründetheit des Erhöhungsverlangens. Darüber hinaus hat das Gericht in der Verfügung vom 25 August 2021 sowie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. August 2022 auf Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, Rn. 109 ff zu § 558 a BGB hingewiesen: Das Gesetz verlangt nur, dass die Wohnungen 414 c 10005/21 „vergleichbar“ und nicht „entsprechend tt oder „identisch“ sein müssen. Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Denn die Angabe von Vergleichswohnungen im Mieterhöhungsverlangen dient nicht dem Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete, sondern soll dem Mieter lediglich Hinweise auf die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens geben und ihn in die Lage versetzen, dieses zumindest ansatzweise nachzuvollziehen. Die Vergleichbarkeit muss auch nicht hinsichtlich aller fünf Wohnwertmerkmæ le des § 558 Abs. 2 BGB (Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage) gegeben sein; erforderlich ist vielmehr eine Gesamtschau. Grundsätzlich ist eine Mieterhöhungserklärung deshalb auch dann wirksam, wenn die genannten Vergleichswohnungen nicht bzgl. aller Wohnwertmerkmale mit der Wohnung des Mieters übereinstimmen. Haben die Vergleichswohnungen aber auf den ersten Blick nichts mit der Wohnung des Mieters zu tun, sind sie als Vergleichswohnungen ungeeignet. Bei der vorzunehmenden Gesamtschau ist also zu ermitteln, ob die Vergleichswohnungen mit der Vertragswohnung vergleichbar sind. Hierzu ist vor allem darauf zu achten, dass die Vergleichswohnungen dem gleichen Wohnungsteilmarkt entstammen.
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aa) Bei den drei im Mieterhöhungsverlangen Anlage K2 benannten Vergleichsobjekten handelt es sich ebenfalls um Doppelhaushälften, die in unmittelbarer Nähe zu der der Beklagten liegen. Darüber hinaus haben die 3 Vergleichsobjekte alle 150 m2 Wohnfläche, die von der Beklagten bewohnte Doppelhaushälfte mindestens 134 m2 , eventuell aber auch 150 m2 . Es liegen daher 3 Wohnwertmerkmale vor, die mit der Doppelhaushälfte der Beklagten im Wesentlichen übereinstimmen: Art, Größe und Lage. Auf die Frage der Ausstattung (renoviert oder unrenoviert) sowie der Beschaffenheit (Zuschnitt) kommt es daher bei der vorzunehmenden Gesamtschau nicht mehr an. Bei dem Mietgegenstand Anlage Kl erscheinen jedenfalls die Art (Doppelhaushälfie), die Lage (Planegg) sowie die Größe (mindestens 134 rn 2 ) derart prägend, dass es auf die anderen beiden Wohnwertmerkmale für die Frage der Vergleichbarkeit gemäß § 558 a Abs. 2 Nummer 4 BGB nicht mehr ankommt. Die Frage, ob es insoweit der Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend die Ausstattung der Wohnung und damit die Vergleichbarkeit der Mieterhöhungsverlangen angegebenen Vergleichswohnungen bedarf, wie die Beklagten haben vortragen lassen, ist ohne Belang. In der Regel erfolgt sowieso keine Beweiserhebung über die tatsächlichen Angaben in einem Mieterhöhungsverlangen (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, Rn. 80 zu § 558 b BGB unter Hinweis auf BayObLG 17. Dezember 1984, REMiet 9/83, Leitsatz 1) Es ist auch nicht ersichtlich, dass es unterschiedliche Teilmärkte gibt für renovierte und nicht renovierte Doppelhaushälften. Die angegebenen 3 Doppelhaushälften sind daher vergleichbar im Sinne des Gesetzes und als Vergleichswohnungen tauglich.
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bb) Das Mieterhöhungsverlangen vom 20.03.2021 (Anlage K 2) erfüllt die Textform des § 558 a Abs. 1, S. 126 b BGB.
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cc) Die Jahresfrist des §§ 558 Abs. 1 S. 2 BGB ist eingehalten, nachdem die Miete seit Mietbeginn 2009 – also seit rund 12 Jahren – unverändert ist.
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dd) Auch die 15-Monats-Frist des §§ 558 Abs. 1 S. 1 BGB (Frist zwischen Eintritt Mieterhöhung 1. Juni 2021 und Miete 15 Monate vorher unverändert) ist offensichtlich eingehalten.
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ee) Auch die 3-monatige (materiellrechtliche Ausschluss-)Klagefrist des §§ 558 b Abs. 2 S. 2 BGB (nach Ablauf des zweiten Monats nach Zugang Mieterhöhungsverlangen) ist eingehalten. Die Beklagten haben nicht bis zum 30. Juni 2021 dem Mieterhöhungsverlangen vom 20. März 2021 zugestimmt, sondern gemäß Anlage B2 mit Schreiben vom 21. Mai 2021 die Zustimmung sogar ausdrücklich abgelehnt. Die Klagefrist lief damit bis 30. Juni 2021. Klageerhebung bedeutet gemäß § 253 Abs. 1 ZPO Zustellung der Klageschrift, wodurch gemäß § 261 ZPO Rechtshängigkeit eintritt, Die Klageschrift vom 15. Juni 2021 wurde zwar erst am 6. Juli 2021 zugestellt, damit ist die Klage trotzdem rechtzeitig erhoben worden. Denn gemäß § 167 ZPO gilt die Zustellung vom 6. Juli 2021 als noch demnächst: Der am 18. Juni 2021 angeforderte Gerichtskostenvorschuss wurde am 28. Juni 2021, also noch vor Ablauf der Frist 30. Juni 2021 eingezahlt. Dass die Klageschrift aufgrund der gerichtlichen Verfügung vom 1. Juli 2021 den Beklagten erst am 6. Juli 2021 zugestellt wurde, fällt nicht in den Verantwortungsbereich der Klägerin. Insoweit gilt die Rechtsprechung des BGH 25.09.2015 – V ZR 203/14: Die Klägerin dürfte die Aufforderung zur Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses abwarten.
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Es sind nicht mehr als 14 Tage vergangen, was noch „demnächst“ im Sinne des Gesetzes ist. Es gilt Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, Rn. 85 zu § 558 b BGB.
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b) Der Klägerin steht auch materiellrechtlich ein Anspruch auf Zustimmung in begehrter Höhe zu. Die von der Klägerin verlangte Zustimmung zu einer Erhöhung der Kaltmiete auf 1552 € ist ortsüblich im Sinne von § 558 Abs. 1, Abs. 2 BGB.
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aa) Wie die ortsübliche Vergleichsmiete gebildet wird, bestimmt § 558 Abs. 2 S. 1 BGB. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird demnach gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden sind.
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bb) Für die Gemeinde Planegg gibt es keinen Mietspiegel, weshalb die ortsübliche Miete aufgrund des Beweisbeschlusses vom 2. Dezember 2021 (Blatt 34 ff d. A.) mit Sachverständigengutachten ermittelt werden musste. Dabei sollte die Sachverständige von einer Wohnfläche von 104 30 m2 ausgehen.
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cc) Aus dem Sachverständigengutachten der Sachverständigen Frau vom 23. Mai 2021 (Blatt 54ff der Akten) ergibt sich, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für die von den Beklagten bewohnte Doppelhaushälfie 1800 € netto (ohne Garage) beträgt. Da die Klägerin eine Zustimmung zur Erhöhung nur auf 1 „552,50 € begehrt, ist die von ihr verlangte Miete offensichtlich ortsüblich. Auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in ihrem vorgenannten Gutachten wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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dd) Die von der Klägerin verlangte neue Miete in Höhe von € 1.552,50 bewegt sich auch innerhalb der Kappungsgrenze von 15% gem. § 558 Abs. 3 BGB i. V. m. der geltenden Kappungsgrenze gem. § 1 Mieterschutzverordnung i. V. m. Ziffer 1.13.20 Anlage 1 zu S 1. c) Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin ist auch im Hinblick auf die von Beklagtenseite gerügten Sachmängel des Mietgegenstandes nicht treuwidrig. Die Beklagten wurden darauf hingewiesen, dass es sich aus Sicht des Gerichtes allesamt um behebbare Mängel handeln würde, bezüglich derer den Beklagten das Recht auf Minderung gemäß § 536 BGB bzw. der Anspruch auf Mängelbeseitigung gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zusteht.
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3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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4) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 709 ZPO.
28
5) Die Streitwertberechnung erfolgte gem. §§ 63 Abs- 2. 41 Abs. 5 GKG in Höhe des Jahresbetrags der zusätzlich geforderten Miete (12 x mtl. € 202,50).