Titel:
Niederschlagung der Kosten nur bei offensichtlich unrichtiger Sachbehandlung
Normenkette:
GKG § 21 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Eine Nichterhebung von Kosten kommt nur wegen offensichtlicher schwerer Verfahrensfehler oder wegen offensichtlicher, eindeutiger Verkennung des materiellen Rechts in Betracht. Eine unrichtige Sachbehandlung kann daher nur dann angenommen werden, wenn ein Richter Maßnahmen oder Entscheidungen trifft, die den richterlichen Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum eindeutig überschreiten. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Keine unrichtige Sachbehandlung liegt vor, wenn eine Beweisaufnahme erfolgt, dann ein Richterwechsel eintritt und es nach der vertretbaren Rechtsauffassung des neuen Richters auf die Beweisaufnahme nicht ankommt. (Rn. 1) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nichterhebung von Kosten, unrichtige Sachbehandlung, Beweisaufnahme
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 16.05.2022 – 11 W 200/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35437
Tenor
Der Antrag des Klägers vom 07.01.2022 auf Nichterhebung der Sachverständigenkosten wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Mit Schriftsatz vom 07.01.2022 beantragt der Kläger, die Kosten für die Erholung des Sachverständigengutachtens über die Bewertung der überlassenen Grundstücke nicht zu erheben und festzustellen, dass die von der Klägerin verauslagten Kosten i.H.v. 13.062,35 € zurück erstattet werden. Die Sachverständigengutachten beruhen auf Beweisbeschluss des Gerichts vom 06.03.2018 und Beweisbeschluss des Gerichts vom 11.12.2018. Im Schlussurteil vom 07.05.2021 wird ausgeführt, dass die Erholung der Sachverständigengutachten von Anfang an nicht erforderlich war.
2
Zwar regelt § 21 I 1 GKG dass Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben werden. Allerdings führt nicht jeder Fehler des Gerichts zur Anwendung des § 21 GKG. Nach in der Rechtsprechung überwiegend vertretener Auffassung kommt eine Nichterhebung nur wegen offensichtlicher schwerer Verfahrensfehler oder wegen offensichtlicher, eindeutiger Verkennung des materiellen Rechts in Betracht (BDZ/Zimmermann, 5. Aufl. 2021, GKG § 21 Rn. 5). Eine unrichtige Sachbehandlung wird daher nur dann angenommen werden können, wenn ein Richter bzw. Rechtspfleger Maßnahmen oder Entscheidungen trifft, die den richterlichen Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum eindeutig überschreiten (BGHZ 98, 318; BGH NJW-RR 2003, 1294; BGH MDR 2005, 956: OLG Stuttgart Die Justiz 2006, 205). Keine unrichtige Sachbehandlung liegt insbesondere dann vor, wenn eine Beweisaufnahme erfolgt, dann ein Richterwechsel eintritt und es nach der vertretbaren Rechtsauffassung des neuen Richters auf die Beweisaufnahme nicht ankommt (BDZ/Zimmermann, 5. Aufl. 2021, GKG § 21 Rn. 8).
3
Vorliegend erließ am 06.03.2018 das Landgericht Landshut - 5. Zivilkammer - durch die - als Einzelrichterin den Beweisbeschluss zur Einholung des Sachverständigengutachtens zur Bewertung der Grundstücke. Die Anordnung zur bestimmungsgemäßen Entschädigung des Sachverständigen i.H.v. 12.562,35 €, also nahezu der gesamte im Schriftsatz vom 07.01.2022 monierte Betrag, wurde am 19.09.2018 verfügt, nachdem am 22.08.2018 das Gutachten dem Gericht, hier noch der -, übermittelt wurde.
4
Anschließend trat ein Richterwechsel ein. Dass der neue Richter nun in seinem Schlussurteil vom 07.05.2021 feststellt, dass die Einholung der Sachverständigengutachten im Ergebnis von Anfang an nicht erforderlich war, führt zu keiner unrichtigen Sachbehandlung i.S.d. § 21 GKG. Nach seiner vertretbaren Rechtsauffassung, die weitere Pflichtteilsergänzungsansprüche der Klägerseite gemäß § 2325 BGB aufgrund Zeitablaufs nach § 2325 III 1 BGB verneint, kam es auf die Bewertung der Grundstücke durch einen Sachverständigen nicht an, auch wenn seine Amtsvorgängerin dies möglicherweise anders sah. Die Anwendung von § 21 GKG scheidet daher mangels unrichtiger Sachbehandlung aus.