Inhalt

VG München, Urteil v. 28.09.2022 – M 6 K 21.49
Titel:

Rundfunkbeitrag für eine Wohnung, Programmkritik

Normenkette:
RBStV § 2 Abs. 1
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag für eine Wohnung, Programmkritik
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35345

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich für seine Wohnung.
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Mit Festsetzungsbescheid vom 1. August 2020 setzte der Beklagte für den Zeitraum Februar 2020 bis Juli 2020 rückständige Rundfunkbeiträge in Höhe von 116,90 EUR einschließlich eines Säumniszuschlags von 8,00 EUR und 3,90 EUR Rücklastschriftkosten gegenüber dem Kläger fest.
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Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2020 zurückgewiesen.
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Am 7. Januar 2021 ließ der Kläger gegen diesen Bescheid Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und beantragte,
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den Festsetzungsbescheid vom 1. August 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2020 aufzuheben.
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Zur Begründung führt der Kläger insbesondere an, dass die Berichterstattung unausgewogen sei.
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Der Beklagte beantragte,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verwies der Beklagte im Wesentlichen auf die Ausführung des Widerspruchsbescheids.
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Mit Beschluss vom 15. Juni 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Am 23. September 2022 fand die mündliche Verhandlung statt. Der Kläger vertiefte sein Vorbringen. Insbesondere über die „Corona-Demonstrationen“ sei nicht objektiv berichtet worden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung sowie die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid vom 1. August 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Mit dem angefochtenen Bescheid wurden rechtmäßig rückständige Rundfunkbeiträge für eine Wohnung sowie ein Säumniszuschlag und Rücklastschriftkosten festgesetzt. Die hiergegen erhobenen Einwände des Klägers greifen nicht durch.
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1. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
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Der Fünfzehnte Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag - 15. RÄStV), der in seinem Art. 1 den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag umfasst, wurde im Zeitraum vom 15. bis 21. Dezember 2010 von den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer unterzeichnet. Der Bayerische Landtag hat dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit Beschluss vom 17. Mai 2011 zugestimmt. Mit Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 ist der Staatsvertrag im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Juni 2011 (S. 258) veröffentlicht worden und nach Zustimmung aller Landesparlamente und Hinterlegung der Ratifikationsurkunden am 1. Januar 2013 in Kraft getreten (GVBl 2012, S. 18; s. Art. 7 Abs. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags; s. BayVerfGH, E.v. 14.5.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 - juris Rn. 57). Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist somit aufgrund seiner Ratifizierung durch den Bayerischen Landtag unmittelbar geltendes bayerisches Landesrecht geworden.
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Im Übrigen sind die Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit, insbesondere der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags inzwischen höchstrichterlich und bindend geklärt (BVerwG, U.v. 18.3.2016 - 6 C 6/15; BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a.; BGH, B.v. 26.7.2018 - I ZB 78/17; EuGH, U.v. 13.12.2018 - C. 492/17). Dies betrifft auch und gerade die Ausgestaltung als Beitrag und die Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16, juris Rn. 59 ff.). Das Gericht sieht keine Veranlassung hiervon abzuweichen.
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2. Als Inhaber einer Wohnung hat der Kläger für den hier maßgeblichen Zeitraum Rundfunkbeiträge zu zahlen. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV i.V.m. § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag in Höhe von damals 17,50 EUR pro Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt, § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist, § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Kläger wird als Inhaber seiner Wohnung zum Rundfunkbeitrag herangezogen.
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3. Der Kläger war zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.19 - 6 C 10/18, juris Rn. 13) auch nicht von der Beitragspflicht befreit.
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4. Auch die seitens des Klägers erhobenen Einwände gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags sind nicht durchgreifend.
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Die grundrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 und 2 GG) gewährleistet die Programmfreiheit (Programmautonomie). Die Entscheidung über die zur Erfüllung des Funktionsauftrags als nötig angesehenen Inhalte und Formen des Programms steht den Rundfunkanstalten zu (vgl. BayVGH U.v. 7.7.2015 - 7 B 15.846 - juris Rn. 17). Eingeschlossen ist grundsätzlich auch die Entscheidung über die benötigte Zeit und damit auch über Anzahl und Umfang der erforderlichen Programme. Der Rundfunk darf dabei weder den Interessen des Staates noch einer gesellschaftlichen Gruppe oder gar dem Einfluss einer einzelnen Person untergeordnet oder ausgeliefert werden. Der Rundfunk muss vielmehr die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnehmen und wiedergeben, die in der Gesellschaft eine Rolle spielen (vgl. z.B. BVerfG, U. v. 22.2.1994, 1BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60).
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In der Art und Weise, wie die Rundfunkanstalten ihren gesetzlichen Funktionsauftrag erfüllen, sind sie frei (BVerfG B.v. 20.7.2021 -1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20 - juris Rn 88). Der Grundsatz der Trennung zwischen der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung und der Festsetzung des Rundfunkbeitrags soll Risiken einer mittelbaren Einflussnahme auf die Wahrnehmung des Programmauftrags ausschließen und damit die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten sichern. Da Programmentscheidungen finanzielle Voraussetzungen und Finanzentscheidungen programmliche Konsequenzen haben, kann über Entscheidungen zur Finanzausstattung auf indirekte Weise Einfluss auf die Erfüllung des Rundfunkauftrags genommen werden (vgl. BVerfGE 119, 181 [220 f.] = NVwZ 2007, 1287 = NJW 2008, 838 Ls.).
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Das bedeutet aber weder, dass gesetzliche Programmbegrenzungen von vornherein unzulässig wären, noch, dass jede Programmentscheidung einer Rundfunkanstalt finanziell zu honorieren wäre. In der Bestimmung des Programmumfangs sowie in der damit mittelbar verbundenen Festlegung ihres Geldbedarfs können die Rundfunkanstalten nicht vollständig und grenzenlos frei sein. Denn es ist ihnen verwehrt, ihren Programmumfang und den damit mittelbar verbundenen Geldbedarf über den Rahmen des Funktionsnotwendigen hinaus auszuweiten (BVerfGE 119, 181 [218 f.] = NVwZ 2007, 1287 = NJW 2008, 838 Ls.; stRspr). Es bleibt Sache des Gesetzgebers, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur Vielfaltsicherung auszugestalten und die entsprechenden medienpolitischen und programmleitenden Entscheidungen zu treffen; ihm kommt dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu (stRspr vgl. BVerfG B.v.20.7.2021 -1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20 - juris Rn. 76; BVerfGE 119, 181 [214, 221] = NVwZ 2007, 1287 mwN = NJW 2008, 838 Ls.).
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Die Überprüfung der Verwendung der Rundfunkbeiträge innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens erfolgt durch eigens hierfür bestimmte Gremien, insbesondere die Programmkommission und die Rundfunkräte. Sollten sie ihren Kontrollpflichten nicht oder nur ungenügend nachkommen, stehen entsprechende rechtliche Möglichkeiten wie die Programmbeschwerde zur Verfügung sowie der Weg zu den Aufsichtsbehörden und Verfassungsgerichten offen (s. z.B. BVerfG, U.v. 25.03.2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11 - DVBl 2014, 649-655; BVerfG, U.v.11.09.2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 - DVBl 2007, 1292-1294). Insbesondere hier wären die vom Kläger vorgebrachten Argumente anzubringen.
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Die Trennung der Beitragserhebung einerseits und der rundfunkrechtlichen Möglichkeiten auf die Programmgestaltung Einfluss zu nehmen andererseits verwehrt es dem Einzelnen, seine Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags davon abhängig zu machen, ob ihm das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefällt und er den Funktionssauftrag als erfüllt ansieht oder nicht.
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5. Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags und der Rücklastschriftkosten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 1 und Abs. 4 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge - Rundfunkbeitragssatzung - vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag sowie die Rücklastschriftkosten wurden zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.